Quelle: Wer weiß denn sowas“. ARD. Ausstrahlung vom 09.03.2020, Screenshot.
„Ching Chang Chong“, rief Franziska van Almsick mit albern verstellter Stimme in der Fernsehshow „Wer weiß denn sowas“ vom 09.03.2020, als die Rubrik „Asien“ ausgewählt wurde. Niemand reagierte auf den rassistischen Spruch, dem wir Asiat*innen und Asiatisch* wahrgenommenen Menschen im Alltag ausgesetzt sind. Genauso schlimm ist es allerdings, dass der öffentlich-rechtliche Fernsehsender „ARD“ Franziska van Almsicks Bemerkung überhaupt ausgestrahlt hat. Ihr Zwischenruf erhöhte meinen Puls schlagartig und ich spürte, wie ich vor Wut zitterte. In dem Moment kamen mir wieder alte Erinnerungen an all die Situationen hoch, in denen Nicht-Asiat*innen mir diese drei Silben wie aus dem Nichts entgegenschleuderten und nicht selten ihre Augen nach hinten zogen. In solchen Situationen fühlte ich mich stets hilflos und machtlos, denn selbst Unbeteiligte, die Zeug*innen eines solchen Vorfalls wurden, wiesen die Täter*innen nicht zurecht. So war ich in der Regel auf mich alleine gestellt.
Das Machtgefälle hinter dem „Ching Chang Chong“
Es gibt immer noch viele weiße* Menschen, die nicht verstehen, was an dem Spruch „Ching Chang Chong“ rassistisch sein soll. Hier eine Erklärung: Der CCC-Spruch wird ausschließlich „asiatisch“ aussehenden Menschen an den Kopf geworfen, unabhängig davon, ob sie der Landessprache mächtig oder gar in dem Land geboren und aufgewachsen sind, in dem sie sich befinden. Hier findet ein Othering-Mechanismus statt, d. h. Menschen werden aufgrund ihres Aussehens als Fremde markiert und ihre Zugehörigkeit abgesprochen. Hinzu kommt, dass dieser Spruch dazu dient, sich über Asiat*innen und ihre asiatischen Sprachen lustig zu machen. Dabei wird die Heterogenität der asiatischen Sprachen aberkannt und auf die einfachsten Silben heruntergebrochen. Alle Asiat*innen werden also wieder in einen Topf geworfen und dabei wird die Unterlegenheit der asiatischen Sprachen demonstriert, die aus vermeintlichen einsilbigen Sch-Lauten bestehen. Der CCC-Spruch diskriminiert und verletzt also in mehrfacher Hinsicht: Asiat*innen, so wie ich, werden mit diesem Spruch in herabwürdigender Weise verspottet, gedemütigt und ausgegrenzt. Es ist anzumerken, dass das kein rein deutsches Phänomen ist, denn z. B. in englischsprachigen Ländern berichten dortige Asiatische Communities dasselbe. Daran ist zu erkennen, dass Rassismus strukturell und kein Einzelfall ist.
Rassistische Kontinuität in den Medien
Als wäre der rassistische Spruch nicht genug, setzte Kai Pflaume, der Moderator der Fernsehshow „Wer weiß denn sowas“, noch einen oben drauf. Die indonesische Stadt Bandung hatte Küken an Kinder verteilt, um sie von ihren Smartphones abzulenken. Kai Pflaumes kommentierte die Meldung damit, dass die indonesischen Kinder bestimmt auch noch ein Kochbuch dazu bekommen würden. Damit wiederholte er ein rassistisches Stereotyp gegenüber Asiat*innen, nämlich, dass Asiat*innen alles essen würden, was nicht bei Drei auf den Bäumen ist und nicht imstande wären, ein Tier am Leben zu erhalten.
Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich bei der „Gute Nacht Österreich“-Show am 19.03.2020 mit Peter Klien und Miriam Hie. Miriam Hie spielte in dieser Satiresendung eine chinesische Reporterin mit starkem chinesischem Akzent und R‑L-Schwäche. Der Sketch sollte vordergründig den Umgang der Volksrepublik China mit der Corona-Pandemie auf die Schippe nehmen, jedoch triefte er vor lauter Klischees über Chines*innen. Anstatt tatsächlich die chinesische Regierung als Gegenstand des satirischen Humors zu thematisieren, suggerierte die „Gute Nacht Österreich“-Show den Zuschauer*innen, dass Chines*innen z. B. Fledermäuse, Hunde und Katzen äßen.
Es ist ermüdend, ständig mit rassistischen Stereotypen konfrontiert zu werden, egal ob als Witz getarnt oder als Hate-Speech. Als wäre es nicht genug, dass Asiat*innen rassistische Bemerkungen oder Vorurteile über ihre vermeintlichen Essgewohnheiten ohnehin im Umfeld und im Internet zu hören oder lesen bekommen.
Die deutsche Satiresendung „heute-show“ bediente sich in ihrer Ausstrahlung vom 06.03.2020 ebenfalls des anti-Asiatischen Rassismus. Sie blendete zuerst ein Foto vom Kungfu Panda mit dem Wortspiel „Kung Flu“ und später eins mit der Inschrift „Ching Chang Chong – Leer ist der Karton“ ein. In Zeiten der Corona-Pandemie, in denen Asiat*innen und Asiatisch gelesene Menschen wieder vermehrt rassistisch angefeindet, gemieden, beleidigt werden oder sich die Frage stellen lassen müssen, ob sie das Coronavirus in sich tragen, sind Wortspiele wie „Kung Flu“ wie ein Stigma, das die Erkrankung am Coronavirus als etwas speziell Chinesisches darstellt.
Kabarettistin Lisa Eckhart wiederum machte sich am 19.03.2020 in der „Nuhr im Ersten“-Sendung über die Genitalien Asiatischer dyacis* Männer lustig.
Diese „Witze“ sind weder unschuldig noch harmlos. Sie normalisieren den Rassismus gegenüber Asiat*innen, weil sie dem weißen Publikum vermitteln, dass es in Ordnung sei, über Asiat*innen zu lachen. Wenn Satire nach unten tritt, dann ist es schlichtweg keine Satire, sondern Schikane. Der Rassismus gegenüber Asiat*innen ist keineswegs neu, d. h. es gibt ihn nicht erst seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Auch nicht im Fernsehen.
Rassistische Darstellungen und Stereotype sind keine Einzelfälle, sondern eine Kontinuität.
Für mehr Sensibilität gegenüber Rassismen
Weil durch die Medien Stereotype an die breite Bevölkerung transportiert werden können, haben die Medien, insbesondere öffentlich-rechtliche Sender, eine besondere Verantwortung, keinen Rassismus wiederzugeben. Sie müssen angemessen auf jegliche Rassismuskritik reagieren und diese umsetzen. Hierfür ist längerfristig ein Bewusstsein für Rassismen etwa durch Fort- und Weiterbildungen unerlässlich. Als nächsten Schritt sollten Medienbetriebe eine interne Antidiskriminierungsstelle einrichten, die einerseits den Redaktionen beratend zur Seite stehen und andererseits Beschwerden entgegennehmen sollte.
Ein nicht unwesentlicher Faktor ist die fehlende Diversität in der deutschen Medienlandschaft. Aus einer Befragung der „Neuen deutschen Medienmacher*innen“, die im Mai 2020 veröffentlicht wurde, geht hervor, dass 118 von 126 befragten Chefredakteur*innen der reichweitenstärksten Medien Deutsche ohne Migrationshintergrund seien. Unter den sechs Chefs und zwei Chefinnen, die mindestens ein nicht-deutsches Elternteil haben, gehört niemand zu den BIPoC*.
Je pluraler, desto mehr Perspektiven können miteingebracht werden und die Wahrscheinlichkeit steigt somit, dass Vorurteile als solche erkannt werden. Es ist längst überfällig, dass Medienbetriebe gezielt Medienmacher*innen of Color rekrutieren sollten, um unsere vielfältige Gesellschaft abzubilden. Allerdings ist anzumerken, dass die Einstellung von BIPoC als Personal alleine nicht ausreichend ist, um tatsächlich weitere Diskriminierungen verhindern. Nur die Mischung aus Sensibilisierung für Rassismen und Rekrutierung von BIPoC kann einen Effekt haben, um Rassismus zu reduzieren.
Ein Beitrag von Victoria, Mitglied der AG Medienaktivismus
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Anmerkungen:
*“Asiatisch“ (großgeschrieben) als politische Kategorie
*BIPoC steht für die Selbstbezeichnung „Black, Indigenous and People of Color“, die ebenfalls nicht auf biologische Eigenschaften basiert. Sie positioniert sich gegen Spaltungsversuche durch Rassismus sowie gegen rassistische Fremdbezeichnungen durch die weiße Mehrheitsgesellschaft. Angehörige dieser Gruppe werden als Nicht-weiße markiert, verfügen somit über einen gemeinsamen Erfahrungshorizont mit Rassismus und sind deswegen in einer niedrigeren Machtposition als weiße.
*dyacis: Menschen, die weder trans noch inter sind
*weiß bezeichnet keine biologische Eigenschaft, sondern eine soziale und politische Konstruktion in einer rassistisch strukturierten Gesellschaft. Mit dem Weißsein gehen weiße Privilegien einher und Angehörige dieser Gruppe gelten als unmarkierte „Norm“.