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Kien Nghi Ha (Asian German Studies, Universität Tübingen)

Vom 22. bis 24. August 2023 erschien auf MiGAZIN in einer mehr­tei­ligen Artikelserie diese stark erwei­terte Fassung des Buchkapitels „Das Pogrom in Rostock-Lichtenhagen als insti­tu­tio­na­li­sierter Rassismus“. In: Gudrun Heinrich/David Jünger/Oliver Plessow/Cornelia Sylla (Hrsg.): Perspektiven aus der Wissenschaft auf 30 Jahre Lichtenhagen 1992. Berlin: Neofelis, im Erscheinen 2023. Der Text basiert auf einen Vortrag am 21.06.2022 im Rahmen der Reihe „Perspektiven aus der Wissenschaft auf 30 Jahre Lichtenhagen 1992“ an der Universität Rostock. Wir prä­sen­tieren hier die leicht über­ar­beitete finale Fassung vom 25. August 2023 mit erwei­terten visu­ellen Kontextualisierungen.
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24.08.1992: Das Sonnenblumenhaus brennt nach Tagen der Belagerung mit über 100 ein­ge­schlos­senen viet­na­me­si­schen Bewohner:innen [Foto: MDR]

Das Pogrom im tiefenhistorischen Kontext: Anti-Asiatische Aspekte des systemischen Rassismus

Um das Rostocker Pogrom von 1992 in grö­ßeren his­to­ri­schen Zusammenhängen zu ver­stehen und ein­zu­ordnen, ist es nötig, seine Bedeutung in der modernen Geschichte des Rassismus in Deutschland her­aus­zu­ar­beiten. Grundlegend lässt sich zunächst fest­stellen, dass die Geschichte des anti-Asiatischen1 Rassismus in Deutschland nicht mit diesem Pogrom beginnt. Vielmehr ist seine Historie mit der deut­schen Kolonialgeschichte ver­woben, die ihrer­seits in die euro­päische Geschichte der Kolonialisierung der Welt ein­ge­bettet ist. So ver­weist der ‚Fidschi‘-Begriff als abwer­tende Bezeichnung für süd­ost­asia­tische, vor allem viet­na­me­sische, Vertragsarbeiter:innen in Ostdeutschland in Analogie zur ras­sis­ti­schen Bezeichnung ‚Kanake‘ in Westdeutschland auf kolo­niale Kontexte.2 Deutschland war als Kolonialmacht im pazi­fi­schen Raum präsent und die ‚Südsee‘ stellt nach wie vor eine bedeutsame Kulisse des kolonial gefärbten Exotismus in west­lichen Diskursen dar. Selbst wenn direkte Verbindungen zu kolo­nialen Praktiken wie etwa der Inbesitznahme des ‚deut­schen Schutzgebietes Kiautschou‘ (1898–1919) in Nordchina oder zur bru­talen Niederschlagung der chi­ne­si­schen Yìhétuán (1899–1901)3 durch das vom Wilhelm II. ent­sandte Ostasiatische Expeditionskorps nicht nach­weisbar sind, ist davon aus­zu­gehen, dass durch diese Ereignisse wichtige Elemente des kolo­ni­al­ras­sis­ti­schen Wissens in Deutschland über China und Chines:innen geschaffen und repro­du­ziert wurden. Dabei wurde dieses dis­kri­mi­na­to­rische und ras­si­fi­zierte Wissen ver­all­ge­meinert und auf andere Asiatische, spe­ziell Ostasiatische Menschen, Kulturen und Länder über­tragen.4 Die mit diesen kolo­nialen Bildern und Perspektiven ein­her­ge­henden poli­ti­schen, his­to­ri­schen, sozio­kul­tu­rellen und visu­ellen Diskurse wurden zunächst etwa durch Zeitungen5 und später durch andere Massenmedien wie etwa Bücher und Filme popu­la­ri­siert, tra­diert und auch aus­ge­weitet.6 Diese medialen und kul­tu­rellen Reproduktionen setzen letztlich mit anderen Akzentsetzungen und tech­nisch aus­ge­feil­teren Bildern einen ste­reo­typen Diskurs fort, der im ideen­ge­schicht­lichen Zentrum der Weißen Vorstellung von moderner Kolonialität steht: Deutsche Professoren wie Imanuel Kant (1723–1804), Christoph Meiners (1747–1810) und Johann Friedrich Blumenbach (1752–1840) hatten als füh­rende Vertreter einen bedeu­tenden Anteil an der phi­lo­so­phi­schen wie natur­wis­sen­schaft­lichen Etablierung von Rassentheorien als Grundaxiom der Welt. Ihre Tatsachenbehauptungen waren maß­geblich bei der kogni­tiven Erfindung von unter­schied­lichen und bio­lo­gisch unter­scheid­baren ‚Menschenrassen‘ beteiligt, die als ‚Gelbe, Rote, Schwarze und Weiße‘ ima­gi­niert und in Rückkoppelung mit der expan­siven außer­eu­ro­päi­schen Kolonialisierung zunehmend streng gesell­schaftlich wie wis­sen­schaftlich hier­ar­chi­siert wurden.7 Wenn diese his­to­ri­schen Kontexte und epis­te­mo­lo­gische Betrachtungsweise ernst genommen werden, dann wird sichtbar, dass das Pogrom in Rostock sich vor dem Hintergrund eines viel tie­fer­ge­henden sys­te­mi­schen Rassismus abspielt. Aus Raumgründen werde ich mich in meiner Fallanalyse jedoch auf die Ebene des insti­tu­tio­nellen Rassismus beschränken.

Das Pogrom in Rostock-Lichtenhagen im Kontext der rassistischen Gewalt seit den 1980er-Jahren

Anti-Asiatische Gewalt ist ein bedeut­sames Element des Rassismus in Deutschland, die wichtige Wegmarkierungen in seiner Entwicklung prägen. Dabei fällt die struk­tu­relle Entinnerung des anti-Asiatischen Rassismus als kalte Fälle und ver­gessene Geschichte ins Auge. So wurden am 22. August 1980 die beiden jungen viet­na­me­si­schen Boat People Đỗ Anh Lân und Nguyễn Ngọc Châu kurz nach ihrer Aufnahme als Geflüchtete in der Halskestraße in Hamburg-Billbrook von orga­ni­sierten Rechtsextremist:innen der „Deutschen Aktionsgruppen“ bei einem Brandanschlag ermordet. Die beiden Vietnamesen gelten in West-Deutschland als die ersten poli­zeilich doku­men­tierten und gerichtlich nach­ge­wie­senen ras­sis­ti­schen Mordopfer seit 1945. Eine weitere Besonderheit dieses Falls ergibt sich zudem aus der erin­ne­rungs­po­li­ti­schen Umgangsweise der deut­schen Gesellschaft und seiner poli­ti­schen, medialen, kul­tu­rellen und wis­sen­schaft­lichen Institutionen: Im Unterschied zu anderen ras­sis­ti­schen Mordfällen wurde das offi­zielle Gedenken nicht nur mar­gi­na­li­siert, sondern es wurde entinnert.8 Nach ihrer Beerdigung wurde selbst in den lokalen Medien bis 2012 nicht mehr über diese Geschichte berichtet,9 so dass mit der Zeit auch das Wissen in der Zivilgesellschaft kom­plett zum Verschwinden gebracht wurde. Dies ist umso bemer­kens­werter, da die Hamburger Wochenzeitung Die Zeit den damals 17-jährigen Đỗ Anh Lân als Schutzbefohlenen in einer von ihr gespon­serten Hilfsaktion in die Hafenmetropole gebracht hatte und daher in einer beson­deren Verantwortung steht.10

Wie die Hamburger Morde ist auch das Rostocker Pogrom gegen die viet­na­me­sische Community und asyl­su­chende Roma-Familien in viel­fäl­tiger Weise mit anderen Geschichten des deut­schen Rassismus und Rechtsextremismus ver­bunden. Als Beispiel möchte ich hier nur auf den bis heute sträflich ver­nach­läs­sigten und auch daher unauf­ge­klärten Brandanschlag vom 26. August 1984 in Duisburg-Wannheimerort ver­weisen, bei dem sieben Mitglieder der Familie Satır starben. Die zeit­liche Koinzidenz der Ereignisse Hamburg, Duisburg and Rostock ver­weisen auf poli­tische Zusammenhänge, die diese Tatorte und Communities mit­ein­ander ver­binden. Obwohl die Angriffe in Rostock-Lichtenhagen als größtes Pogrom seit dem Niedergang des NS-Staates 1945 einen außer­or­dent­lichen Stellenwert in der deut­schen Geschichte hat, lässt sich seine wirk­liche gesamt­ge­sell­schaft­liche und his­to­rische Bedeutung nur im Zusammenhang mit anderen Geschichten des struk­tu­rellen Rassismus und der all­täg­lichen Diskriminierungen begreifen. Bereits beim Fall der Berliner Mauer setzte eine heute nahezu unbe­kannte Gewaltwelle orga­ni­sierter Rechtsextremist:innen ein: In der Nacht vom 2. zum 3. Oktober 1990 griffen vor­sichtig geschätzt etwa 1.500 gewalt­tätige Neo-Nazis in min­destens 14 ost­deut­schen Städten linke Projekte und alles „Undeutsche“ an. Mit diesem Paukenschlag wurden die an einigen Orten bis heute andau­ernden Baseballschlägerjahre (Christian Bangel) ein­ge­läutet. In dieser Nacht wurden auch Migrant:innen und Linke in der Hamburger Hafenstrasse von 300 Rechten ange­griffen. In diesem Kontext gehören nicht nur die vor­an­ge­gan­genen Pogrome in Hoyerswerda (September 1991) oder in Mannheim-Schönau (Mai/Juni 1992), wo wie in Lichtenhagen Wohnheime für ehe­malige Vertragsarbeitende und Geflüchtete ange­griffen wurden,11 sondern auch die nach­fol­genden ras­sis­ti­schen Morde an türkisch-deutschen Familien etwa in Mölln (November 1992) und Solingen (Mai 1993). Auch der nicht wirklich auf­ge­klärte Brandanschlag in der Lübecker Hafenstraße vom 18.01.1996 mit zehn Toten, dar­unter sieben Kinder, und 38 Verletzten gehört in diese Reihe. Neben anderen ras­sis­ti­schen Gewalttaten reicht dieses his­to­rische Kontinuum über die NSU-Morde (2000–2006) gegen die deutsch-türkische Community bis zum jüngsten rechts­ter­ro­ris­ti­schen Anschlag in Hanau (Februar 2020).

Was ist ein Pogrom und was ist institutioneller Rassismus?

Wenn nach diesen Annäherungen der Fokus auf das Pogrom von Rostock-Lichtenhagen her­an­ge­zoomt wird, stellt sich eine weitere grund­le­gende Frage: Welche Bezeichnung ist für dieses Ereignis sachlich korrekt und ange­messen. Je nach Antwort werden ganz unter­schied­liche poli­tische, juris­tische und wis­sen­schaft­liche Kategorisierungen mobi­li­siert. Obwohl objektive Sachverhalte ent­scheidend sein sollten, spielen gesell­schaftlich wirksame Deutungen und domi­nante Interpretationen eine zen­trale Rolle. Die Frage der Benennung kann daher nicht von Fragen des Framings, also der sozialen und kul­tu­rellen Bedeutungskonstruktion und ‑zuweisung abge­trennt werden. Bei der Bedeutungsgebung stehen sich oftmals gegen­sätz­liche Perspektiven mit ungleichen Durchsetzungsmöglichkeiten gegenüber, wobei die Interessen von ver­schie­dentlich betei­ligten Gruppen und betrof­fenen Individuen unter­schiedlich ein­fluss­reich sind. Wie alle gesell­schaft­lichen Bedeutungsgebungen reflek­tieren und reprä­sen­tieren vor­herr­schende Bezeichnungen gesell­schaftlich rele­vante Machtverhältnisse, die kul­tu­relle Hegemonie pro­du­zieren und durch­setzen kann. Vor diesem Hintergrund ist es bedeutsam, dass die ras­sis­tische Gewalt nicht nur im poli­ti­schen Diskurs, sondern auch in den Medien über Jahrzehnte hinweg meist ver­harm­losend als Krawalle, Randale, Übergriffe oder allen­falls als Ausschreitungen bezeichnet, häufig legi­ti­mierend auch als Protest oder natu­ra­li­sierend als Explosion beschrieben wurden. Der Begriff „Pogrom“, der von Anfang an von anti-rassistischen Gruppen ver­wandt wurde,12 wurde dagegen lange Zeit im Mainstream-Diskurs als „links­extrem“ abge­stempelt und gesell­schaftlich mar­gi­na­li­siert. An der (Be-)Deutung und Aufarbeitung der ras­sis­ti­schen Angriffe von Lichtenhagen als Pogrom hatten – von ver­ein­zelten Ausnahmen abge­sehen – weder Politik und Medien vor Ort noch bun­desweit ein erkenn­bares Interesse.13 Die ton­an­ge­bende Wahrnehmung mit ihrem beschränkten Meinungskorridor hat sich im Zuge der ver­stärkten Kritik an den Blindstellen und Ausschlüssen im öffentlich zele­brierten Gedenken, die zum 20. Jahrestag bun­desweit besonders stark wahr­ge­nommen wurde,14 langsam gewandelt und ist inzwi­schen plu­raler geworden. 

Am 25. August 2012 sprach Kien Nghi Ha auf der Abschlusskundgebung des anti-rassistischen Kulturfestivals „Beweg dich für Bewegungsfreiheit” vor dem Sonnenblumenhaus zum Gedenken des Pogroms in Rostock-Lichtenhagen von vor 20 Jahren.

Wichtige Impulse dafür lie­ferte auch die auf­kom­mende Rassismuskritik seit 2011 am insti­tu­tio­nellen, medialen wie gesell­schaft­lichen Umgang mit der ver­schleppten Aufdeckung des NSU-Skandals.15 Der bun­desweit auf­se­hen­er­re­gende Terroranschlag in Hanau und die globale Black Lives Matter-Bewegung 2020 haben diesen Bewusstwerdungs- und Anerkennungsprozess nochmals ver­stärkt. Diese Entwicklungen haben zur Ausbildung einer kri­ti­schen Masse bei­getragen, sodass in vielen gesell­schaft­lichen Bereichen Rassismus inzwi­schen nicht mehr wie früher als ‚Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit‘ ver­brämt wird. All das hat sicherlich dazu bei­getragen, dass der Pogrombegriff im Fall „Rostock-Lichtenhagen“ heute weniger geächtet ist. Für viele Beobachtende über­ra­schend, hat selbst die Stadt Rostock in offi­zi­ellen Mitteilungen zum 30. Jahrestags die ras­sis­tische Gewalt als Pogrom aner­kannt.16 Damit schloss sich die Stadt dem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags an, der die Ereignisse in Rostock-Lichtenhagen als „die größten ras­sis­tisch und frem­den­feindlich moti­vierten Angriffe gegen Angehörige einer eth­ni­schen Minderheit in Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkrieges“17 cha­rak­te­ri­siert. Neben den ras­sis­ti­schen Angriffen in Hoyerswerda (September 1991)18 wird Rostock-Lichtenhagen als zen­trales Fallbeispiel dis­ku­tiert, wobei die Argumente für die Anwendung des Pogrombegriffs breiten Raum erhalten und von den Autor*innen nicht in Zweifel gezogen werden.19

Dieses Eingeständnis ist über­fällig. Denn wer unvor­ein­ge­nommen das ras­sis­tische Großereignis in Rostock-Lichtenhagen betrachtet, kann augen­blicklich drei cha­rak­te­ris­tische Elemente erkennen: Massive Bedrohung und Gewaltausübung der domi­nanten Gruppe gegen eine ras­si­fi­zierte Minderheit, die durch staat­liche Institutionen und ihre Repräsentant:innen tole­riert oder akzep­tiert wird. Vor allem die insti­tu­tio­nelle Komponente ist ent­scheidend und unter­scheidet das Pogrom von anderen Formen ras­sis­ti­scher Gewalt. Das Pogrom wird über­ein­stimmend in der Encyclopædia Britannica als „mob attack, either approved or con­doned by aut­ho­rities, against the persons and pro­perty of a reli­gious, racial, or national minority“ und in der Encyclopedia of Nationalism (2001) als „mobi­lized crowd vio­lence (usually offi­cially encou­raged) against members of a sub­or­dinate cul­tural group“ defi­niert. Obwohl der Begriff ursprünglich auf die his­to­ri­schen Verfolgungen von jüdi­schen Gemeinschaften in Osteuropa ver­wandt wurde, ist er nach Ansicht von füh­renden Antisemitismusforscher:innen wie Werner Bergmann nicht darauf beschränkt.20 Auch lässt sich m.E. nach argu­men­tieren, dass die Suche nach Parallelen und Analogien zwi­schen Rassismus und Antisemitismus hier pro­duktive Erkenntnisse gene­rieren kann. Im Anschluss an das Phänomen des sekun­dären Antisemitismus und des sekun­dären Kolonialismus können sowohl ver­schlei­ernde Entnennungen also auch unzu­rei­chende erin­ne­rungs­po­li­tische, wis­sen­schaft­liche und kul­tu­relle Aufarbeitungen als Fortsetzung des insti­tu­tio­nellen Rassismus ange­sehen werden. Der sekundäre Rassismus kann als nach­fol­gende insti­tu­tio­nelle Diskriminierung ange­sehen werden, in der staat­liche Akteure sich weigern, das Problem sachlich ange­messen zu benennen, unein­ge­schränkt poli­tische Verantwortung zu über­nehmen, die lang­an­hal­tenden Aus- und Nachwirkungen des Pogroms im vollen Umfang anzu­er­kennen und den tat­säch­lichen Opfern ange­messene Entschädigung und Wiedergutmachung anzubieten.

Ich folge hier der im anglo­phonen Raum aner­kannten Definition des insti­tu­tio­nellen Rassismus der Macpherson-Kommission (1999) der bri­ti­schen Regierung:

„The coll­ective failure of an orga­ni­sation to provide an appro­priate and pro­fes­sional service to people because of their colour, culture, or ethnic origin. It can be seen or detected in pro­cesses, atti­tudes and beha­viour which amount to dis­cri­mi­nation through unwitting pre­judice, igno­rance, thought­lessness and racist ste­reo­typing which dis­ad­vantage minority ethnic people. It per­sists because of the failure of the orga­ni­sation openly and ade­quately to reco­gnise and address its exis­tence and causes by policy, example and lea­dership. Without reco­gnition and action to eli­minate such racism it can prevail as part of the ethos or culture of the orga­ni­sation.“21

Besonders her­vor­zu­heben ist, dass nicht Absicht, sondern das Ergebnis insti­tu­tio­nellen Handelns oder Nicht-Handelns ent­scheidend ist. Für das Vorliegen ras­sis­ti­scher Praktiken und Diskriminierungen im insti­tu­tio­nellen Rahmen ist der Nachweis einer dis­kri­mi­na­to­ri­schen Intention nicht maß­geblich. Vielmehr ist fun­da­mental, dass die unpro­fes­sio­nelle oder ungleiche Funktionsweise einer Institution im Ergebnis zur Benachteiligung von Menschen und Gruppen führt, die gesell­schaftlich auf­grund von stig­ma­ti­sie­renden Rassifizierungsprozessen und kul­tu­rellen Fremdzuschreibungen dis­kri­mi­niert sind.

Institutioneller Rassismus im Kontext des Pogroms von Rostock-Lichtenhagen

Die ver­schie­denen, aber inein­an­der­grei­fenden Ebenen des insti­tu­tio­na­li­sierten Rassismus mit ihren unter­schied­lichen Akteur:innen lassen sich in diesem Fall wie folgt skizzieren.

1) Deutsche Einheit, ostdeutsche Sozialkrise und Asylabschaffungsdebatte

Im zeit­his­to­ri­schen Kontext spielte der deutsche Einheitstaumel und die ihm beglei­tende natio­na­lis­tische Welle eine tra­genden Rolle. Statt den ver­spro­chenen „blü­henden Landschaften“ (Bundeskanzler Kohl)22 wurde das nationale Projekt durch gesell­schaft­liche Verwerfungen kon­ter­ka­riert und gleich­zeitig poli­tisch zuge­spitzt.23 So stieg in der zuneh­menden Sozialkrise in der unmit­tel­baren Transformationsphase die Arbeitslosenquote im Westen von 6,2 % (1990) suk­zessiv auf 9,0 % (1994). In Ostdeutschland, wo 1990 mit 10,2 % bereits eine deutlich aus­ge­prägtere Problematik vorlag, wuchs dieser Wert im gleichen Zeitraum rasant auf 15,7 %.24 In Rostock lag diese Quote im Juni 1992 bei 15,0 %.25 Die regie­renden Parteien konnten keine wirk­liche Lösung für die sich aus­brei­tende Massenarbeitslosigkeit und Verarmung anbieten. Um die eigene Hilfslosigkeit zu ver­tu­schen, die zuneh­menden Proteste zu befrieden, Verantwortung von sich zu weisen und somit die eigene poli­tische Machtbasis zu sichern, boten rechte Parteien den Weißen Verlierer:innen der Einheit ras­sis­tisch dis­kri­mi­nierte Migrant:innen und Geflüchtete als Sündenböcke für die Misere an.

2) Politische Akteure und staatliche Verantwortungsträger:innen

Die Hyperbolisierung ras­sis­tisch kodierter Kampfbegriffe und Feindbilder („Überfremdung“, „Asylbetrug“, „Scheinasylant“, „mas­sen­hafter Asylmissbrauch“, „Sozialschmarotzer“ etc.) wurde in dieser Umbruchszeit im unge­ahnten Ausmaß inten­si­viert und aus­ge­dehnt. Ulrich Herbert, einer der füh­renden deut­schen Zeithistoriker resü­miert ernüch­ternd: „Daraus ent­wi­ckelte sich zwi­schen 1990 und 1993 eine der schärfsten, pole­mischsten und fol­gen­reichsten innen­po­li­ti­schen Auseinandersetzungen der deut­schen Nachkriegsgeschichte.“26 Gerade die Attacken auf das Grundrecht auf Asyl erwiesen sich als Innovationsquelle ras­sis­ti­scher Diskurse, die trotz der damit zum Ausdruck kom­menden Infragestellung der Menschenwürde gesell­schaftlich weit­gehend akzep­tiert waren. Diese Diskurs- und Politikverschiebung eröffnete neue Spielräume hin zum Extremismus der Mitte.27 Gleichzeitig befeuerte jede tole­rierte Grenzüberschreitung des poli­ti­schen Establishments rechts­extreme Kräfte und verlieh ihren Forderungen demo­kra­tische Legitimität. Die ver­schärfte Ausgrenzung gesell­schaftlich bereits mar­gi­na­li­sierter Minderheiten fun­gierte hier als ideo­lo­gische Verlustkompensation für Weiße Deutsche. Die damit ein­her­ge­hende Anrufung ras­sis­ti­scher Hierarchisierungen dient der gesell­schaft­lichen Stabilisierung, so dass deutsche Einheitsverlierer:innen mit Nationalstolz sym­bo­lisch auf­ge­wertet, einer exklu­siven völ­ki­schen Identität emo­tional ent­schädigt und poli­tisch mit dem natio­nalen Projekt ver­söhnt werden. Zu diesem Zweck wurden die seit Ende der 1970er Jahre geschürte Moralpanik gegen die gestiegene Zahl von Asylsuchenden ver­stärkt. Gerade in Wahlkampfzeiten wurden rechts­po­pu­lis­tische Angriffe auf das Asylgrundrecht massiv ver­schärft sowie ein rigi­deres Ausländerrecht gefordert.28 Nachdem der christ­de­mo­kra­tische Generalsekretär Volker Rühe im September 1991 eine bun­des­weite Kampagne aller CDU-Parteigliederungen zur Skandalisierung des „Asylmissbrauches“ gestartet hatte, warnte Bundeskanzler Kohl im Oktober 1992 auf dem CDU-Sonderparteitag dies­be­züglich vor dem dro­henden „Staatsnotstand“. Der Rechtsruck im poli­ti­schen Mainstream umfasste auch die sozi­al­de­mo­kra­tische Volkspartei29 und führte in der Folgezeit zu großen Wahlerfolgen für Parteien am rechten Rand, da unzu­friedene Wähler:innen zunehmend auf rechts­extreme Originale setzten.30 Der bun­des­po­li­tische Diskurs lud auch die soziale Atmosphäre in Rostock negativ auf31 und schuf gesell­schaft­liche und ideo­lo­gische Rahmenbedingungen, die das Pogrom möglich machten. Sogar während des lau­fenden Pogroms und auch danach nutzten Bundes‑, Landes- und Kommunalpolitiker:innen die ras­sis­tische Gewalt um das Asylgrundrecht aus­zu­hebeln und poli­tische Verantwortung von sich zuweisen.32 Diese Bemühungen wurden durch den am 6. Dezember 1992 ver­ein­barten „Asylkompromiss“ zwi­schen den Volksparteien belohnt, der dieses Grundrecht durch Verfassungsänderung fun­da­mental ein­schränkte. Faktisch lässt sich fest­stellen, dass das Pogrom poli­tisch instru­men­ta­li­siert wurde und ein lang gehegtes Großprojekt der Rechten zum Abbau zivi­li­sa­to­ri­scher Errungenschaften maß­geblich zum gesell­schaft­lichen Durchbruch verhalf.

3) Rassistische Medienbilder

Dieser Anti-Asyldiskurs wurde maß­geblich, aber nicht aus­schließlich von Medien des Axel Springer-Konzerns flan­kiert. Konservative Medien-Flaggschiffe wie Die Welt, FAZ und das Massenblatt BILD sprangen für diese Kampagne in die Bresche33 und betrieben poli­ti­sches Agenda Setting. Im Laufe der Zeit zogen andere Massen- und Leitmedien nach, so dass dieser jour­na­lis­ti­scher Trend sich in Kooperation mit ein­fluss­reichen wie inter­es­sierten poli­ti­schen Stichwortgeber:innen in der eigenen Echokammer eigen­dy­na­misch ver­stärkte.34 Das kann nicht wirklich ver­wundern, da die deut­schen Medien als Institution seit Jahrzehnten ein struk­tu­relles Rassismusproblem haben.35 Im Gegensatz zum Selbstbild als vierte Gewalt der Demokratie, die kri­tische Aufklärung und sach­liche Informierung betreibt, ist die Mehrheit der Berichterstattung über Zuwanderung, Flucht und „Ausländer“ in vielen Studien über­ein­stimmend als ste­reo­ty­pi­sierend, ras­si­fi­zierend und negativ fokus­siert ana­ly­siert worden, die bis heute mit gra­du­ellen Änderungen anhält.36 Laut Forschungsgruppe Wahlen domi­nierte das Thema „Asyl/Ausländer“ von Juni 1991 bis Juli 1993 mit Spitzenwerten von ca. 80 % als ver­meintlich wich­tigstes Problem die Bundespolitik – weit vor der deut­schen Einheit und der Arbeitslosigkeit. Die Leserschaft der BILD wollte zu 98 % (09/1991) das Asylrecht ein­schränken; andere Umfragen zu dieser Zeit ergaben eine Mehrheit von 55 % in der Bevölkerung.37 In diesem Zeitraum wurden nicht nur in Zeitungen, Zeitschriften und Büchern, sondern auch im Fernsehen, Radio und elek­tro­ni­schen Medien eine Flut von Berichten, Reportagen, Interviews, Gesprächen, Kommentaren, Bildern, Grafiken, Karikaturen und Filmen ver­schie­denster Art pro­du­ziert, die die Aufnahme von Asylsuchenden regel­mäßig ein­seitig pro­ble­ma­ti­sierten und Migrierte als Unzugehörige ras­si­fi­zierte.38

Rechtsextreme Bilder pro­pa­giert in einem Leitmedium

Ein ein­drück­liches Beispiel wie Leitmedien an rechts­extreme Bilder anknüpfen, lie­ferte DER SPIEGEL in der Coverstory „Flüchtlinge – Aussiedler – Asylanten: Ansturm der Armen (09/1991). Dabei greift die Redaktion nicht nur die Begrifflichkeiten und Bildersprache des Wahlplakats „Das Boot ist voll! Schluss mit Asylbetrug“ (06/1991) der rechts­extremen ‚Republikaner‘ auf.39 Vielmehr trans­por­tiert sie nahezu unge­schminkt die damit ver­bundene poli­tische Nachricht und macht sich diese Botschaft durch die feh­lende kri­tische Distanzierung zu eigen. Durch die Metapher der Masseninvasion findet sogar eine Radikalisierung statt, die Menschen wie eine Ameisenplage dar­stellt. Auch das rechts­extreme Motto „Das Boot ist voll!“ wurde als kol­lektive Notmetaphorik mit impli­ziter Täter-Opfer-Umkehrung zu einem geflü­gelten Wort. In der Kontroverse zur Einschränkung des Asylrechts wurde mit diesem Bild die bedrohte ‚nationale Schicksalsgemeinschaft‘ kon­struiert und gleich­zeitig beschworen. Die vor­wiegend negative jour­na­lis­tische Berichterstattung war nicht nur in diesem Fall durch selek­tives Gate Keeping (Einseitigkeit), Agenda Setting (Themenfixierung) und Framing (pro­ble­ma­tische Setzungen, Kontexte, Sprache und Perspektive) geprägt. Das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) hat die nega­ti­vie­rende, ent­in­di­vi­dua­li­sie­rende und ent­mensch­li­chende Verobjektivierung von Geflüchteten in der bild­ge­wal­tigen Sprache des Asyldiskurses akri­bisch seziert. Indem Asylsuchende in natu­ra­li­sie­renden Katastrophenszenarien als Fluten, Wellen, Ströme, Schwemmen und Massen erscheinen, werden sie anknüpfend an tra­dierte kolo­ni­al­ras­sis­tische Bilder als gefähr­liche Bedrohung kon­struiert. Da Asylbewerber:innen nicht als schüt­zens­werte „Flüchtlinge“,40 sondern in Analogie zum Spekulanten und Simulanten nun als „Asylanten“ oder gar als betrü­ge­rische „Scheinasylanten“ kri­mi­na­li­siert wurden, ver­dienen sie keine Sympathien oder Hilfe, sondern müssen vielmehr „abge­wehrt“, d.h. bekämpft werden. Indem mediale und poli­tische Routinen, Schlagwörter wie „Asylmissbrauch“, „Sozialbetrug“, „Ausländerkriminalität“ durch omni­prä­sente Wiederholung prägten, wurden nicht nur ras­sis­tische, sondern auch anti-ziganistische Klischees reak­ti­viert und ver­stärkt. Auf diese Weise wurden ‚harte Maßnahmen‘ des deut­schen Staates als über­le­bens­not­wendige Abwehr ratio­na­li­siert und legi­ti­miert. Diese Konstruktionen beflü­gelten Überfremdungsängste und unter­mau­erten Polemiken gegen Einwanderung und „Multikulti“.41

Die lokale Wahrnehmung und ras­sis­ti­schen Auseinandersetzung um die Zentrale Aufnahmestelle (ZAST) in Lichtenhagen wurden im Vorfeld durch über­re­gionale Kontroversen über­lagert und geframt:42 „In der Tat war die Zeit vor den Ausschreitungen von einer ten­den­ziösen und bis­weilen ras­sis­ti­schen Berichterstattung in den lokalen und über­re­gio­nalen Medien begleitet.“43 Auch nach dem Rostocker Pogrom waren die medialen Reaktionen dop­pel­deutig und mehr­heitlich weit von einer kri­ti­schen Selbstreflexion ent­fernt: Neben Abscheu waren vor allem halb­herzige Distanzierungen, mora­lische Relativierungen und Schuldumkehrthesen in vielen Medien wahr­nehmbar, die nun noch ent­schlos­sener im Gleichklang mit kon­ser­va­tiven und rechts­extremen Stimmen das „Einfallstor Asyl“ als Gefahrenquelle und Ursache aus­machten.44

Normalisierung ras­sis­ti­scher Gewalt als blei­bende Hypothek der 1990er Jahre

Politik und Medien müssen sich als Institutionen mit der Frage aus­ein­an­der­setzen, inwieweit ihre Kampagnen die ras­sis­ti­schen Gewaltexzesse in den 1990er Jahre begünstigt und mit­ver­ur­sacht haben. Laut der Polizeistatistik „Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) – rechts“ wurden 1990 noch 128 rechte Gewalttaten erfasst. Diese Zahl hatte sich 1991 mit 1.483 mehr als ver­zehn­facht und erreichte 1992 mit 2.584 ihren bis­he­rigen Höchststand. Eine ähnlich dra­ma­tische Entwicklung war auch bei rechten Straftaten zwi­schen 1990 mit 1.380 und 1993 mit 10.561 Fällen aus­zu­machen. Im Unterschied zur poli­zeilich erfassten rechten Gewalt stiegen die rechten Straftaten bis 2016 ten­den­ziell immer weiter an, da sie zum großen Teil Propagandadelikte umfassen. Obwohl die Kriterien der Statistik 2001 teil­weise ver­ändert wurden und Vergleiche Einschränkungen unter­liegen, lässt sich zumindest in der Unterkategorie „rechte Gewalttaten“ sagen, dass diese bis 1995 auf etwa 800 Fälle jährlich absanken und sich auf diesem hohen Niveau bis zum nächsten rechten Gewaltexzess 201516 mit kleinen Schwankungen ein­pen­delten. Zwischen 60 bis 80 % der seit 2001 erfassten rechten Hasskriminalität wird von der Polizei als „frem­den­feindlich“ bzw. „ras­sis­tisch“ ein­ge­stuft.45

Der SPIEGEL berichtet in seiner Titelstory zu den „Krawallen“ in Rostock-Lichtenhagen: „Nach einer Untersuchung des Berliner Instituts für Sozialwissenschaftliche Studien wollen 85 Prozent der Ostdeutschen keine Türken mehr ins Land lassen. 82 Prozent hegen Aversionen gegen Afrikaner oder Asiaten, rund 60 Prozent lehnen Osteuropäer ab.“46

Auch hier zeigt sich wieder, dass die unter­schied­lichen Formen des Rassismus mit­ein­ander sind und ver­schiedene Communities trotz aller Unterschiede auch gemeinsame Erfahrungen mit­ein­ander teilen. In Bezug auf Rostock-Lichtenhagen ist wichtig daran zu erinnern, dass sowohl anti-vietnamesische als auch anti-ziganistische Gewalt nicht nur in den 1990er Jahren im ost­deut­schen Alltag etwa in Form von ras­sis­ti­schen Beleidigungen und Überfällen sehr präsent war.47 Unter anderem wurden am 15. März 1992 der 18-jährige Dragomir Christinel aus Rumänen in einem Asylwohnheim in Saal (MV) und am 24. April 1992 Nguyễn Văn Tú in Berlin-Marzahn von Rechtsextremisten ermordet.

4) Kommunale Politik, Verwaltung und Sicherheitsbehörden

Die 1990 eröffnete ZAST in Rostock-Lichtenhagen ver­fügte über eine maximale Aufnahmekapazität für 300 Personen. Schon lange vor dem Pogrom war die dra­ma­tische Überbelegung als dau­er­haftes Problem den zustän­digen Verwaltungen bekannt. Bereits im Sommer 1991 kri­ti­sierte ein Vertreter des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) die Lebensbedingungen in der ZAST als unhaltbar. Auch nach drin­genden Warnungen des Gesundheitsamtes im Juni 1992 blieben kom­munale Politik und Verwaltung weit­gehend untätig, um auf kom­mu­naler Ebene ein Asylstopp durch Überlastung zu erzwingen.48 Dabei war den poli­tisch Verantwortlichen vor Ort schon früh­zeitig klar, welche Folgen die weitere Eskalation der unver­tret­baren Zustände in der ZAST haben könnte. Rostocks Oberbürgermeister Kilimann (SPD) schrieb am 26.07.1991 an den MV-Innenminister Diederich (CDU): „Schwerste Übergriffe bis hin zu Tötungen sind nicht mehr aus­zu­schließen“.49 Rostocks Innensenator Peter Magdanz (SPD) warnte im Juli 1992 davor, „dass es kracht“.50 Trotz kon­kreter Hinweise auf rechts­extreme Drohungen gegen die ZAST und Informationen über gewalt­be­reite Mobilisierungen der NPD-nahen Initiative „Rostock bleibt deutsch“ und der DVU gesteu­erten „Bürgerinitiative Lichtenhagen“, die in den Tagen vor dem Pogrom von Lokalmedien auf­ge­griffen wurden, ent­wi­ckelten die Behörden weder auf Kommunal- noch auf Landesebene Sicherheitskonzepte oder trafen Vorbereitungen. Fast alle poli­zei­lichen Führungskräfte waren am Pogromwochenende im Heimaturlaub im Westen. Diese Sorglosigkeit teilten sie mit Rostocks Oberbürgermeister Kilimann, der seinen Urlaub nur kurz unter­brach, um ihn dann noch während des lau­fenden Pogroms fort­zu­setzen. Das Versagen von Politik und Sicherheitsorganen ist offen­sichtlich und eklatant:51 Die ZAST und das Sonnenblumenhaus waren zu keinem Zeitpunkt während des Pogroms aus­rei­chend geschützt. Besonders scho­ckierend war der Abzug der letzten Polizeikräfte am Abend des 24.08.1992, so dass das Sonnenblumenhaus mit mehr als 100 viet­na­me­sische Bewohner:innen, einem ZDF-Fernsehteam, dem Rostocker Ausländerbeauftragen Wolfgang Richter sowie linken Aktivist:innen etwa 1,5 Std. unge­hindert gebrand­schatzt werden konnte. Nur mit knapper Not konnten die Eingeschlossenen über eine mühevoll ent­sperrte Brandschutztür der töd­lichen Rauchvergiftung ent­kommen. Bis heute ist unge­klärt, ob behörd­liche Überforderung, Unfähigkeit und Inkompetenz bzw. eine fahr­lässige, poli­tisch tole­rierte oder gar gewollte Zuspitzung der Konflikte um Aufnahmestopp für die ZAST (kom­munal) und Asylrechtsänderung (bun­des­po­li­tisch) für das mul­tiple behörd­liche Nicht-Handeln mit­ver­ant­wortlich sind. Denkbar ist auch eine Mischung dieser Faktoren. Auffällig ist, dass die Polizei trotz Personalmangel am 23.08.1992 Zeit, Kapazitäten und Priorität (er-)fand, etwa 60 linke Demonstrierende fest­zu­nehmen, die ihre Solidarität mit den ange­grif­fenen Roma und Vietnames:innen zeigten.52 Auch die groß­räumige Behinderung und Unterdrückung der Solidaritätsdemonstration „Stoppt die Pogrome“ am 29.08.1992 mit kurz­fristig mobi­li­sierten 3.000 Polizist:innen zeigt ein­drucksvoll, was bei einem ent­spre­chenden poli­ti­schen Willen alles möglich ist.53 Daher muss die für einen demo­kra­ti­schen Rechtsstaat unge­heu­er­liche These endlich scho­nungslos unter­sucht werden: „Rostock-Lichtenhagen sollte als Fanal fun­gieren. Geplant war eine kon­trol­lierte Eskalation des Volkszorns mit dem Ziel, die SPD zum Einlenken in der Asylfrage zu zwingen“.54

Roma-Familien retten sich aus der ZAST.
Eingeschlossene Vietnames:innen befreien sich.

5) Unzureichende Aufarbeitungen: politisch, juristisch, wissenschaftlich, kulturell und erinnerungspolitisch

Nicht nur die Vorgeschichte und der kon­krete Tatablauf des Pogroms, sondern auch die Aufarbeitung weist ein­zig­artige insti­tu­tio­nelle Versäumnisse auf. Auf poli­ti­scher Ebene sind die Ergebnisse der Untersuchungsausschüsse des Schweriner Landtag und der Stadt Rostock unge­wöhnlich dürftig, da es offen­sichtlich an Aufklärungsinteresse man­gelte und die par­la­men­ta­rische Arbeit im Parteienstreit endete:55 „Bis heute gibt es keinen der dafür die Verantwortung über­nommen hätte. Kein Politiker, egal mit wem ich sprach, alle, wirklich alle, duckten sich in dem Moment weg56 […] Beide Untersuchungsausschüsse sind zu dem Ergebnis gekommen, dass man das [gemeint ist die poli­tische Verantwortung] so nicht mehr nach­voll­ziehen kann.“57 Innenminister Lothar Kupfer bestritt jede Verantwortung und wurde erst Februar 1993 ent­lassen. Rostocks Oberbürgermeister Kilimann trat Dezember 1993 ohne Schuldeingeständnis und unter Protest zurück. Auch unter den poli­zei­lichen Führungskräften übernahm niemand die Verantwortung. Stattdessen herrschten undurch­sichtige Schuldzuweisungen und wech­sel­sei­tiger Kompetenzstreit: Die ver­schie­denen Polizeibehörden auf Landes- und Kommunalebenen schoben sich gegen­seitig die Verantwortung für das öffent­liche Debakel zu und warfen ein­ander Inkompetenz und sogar absicht­liches Fehlverhalten vor,58 was die These eines tole­rierten Pogroms nährte.

„Die Rollen von Polizeichef Siegfried Kordus, der auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen nach Hause fuhr und am Montag Verstärkung durch BGS-Einheiten ablehnte, von Landespolizeichef Hans-Heinrich Hansen, der keine Verstärkung nach Rostock schickte, oder Bundesinnenminister Rudolf Seiters, der in Rostock ver­trau­liche Gespräche mit dem Ministerpräsidenten Seite, Innenminister Kupfer und Kordus führte, sind jedoch nicht hin­rei­chend auf­ge­hellt worden.“59

Noch nicht merk­würdig genug: Der besonders gescholtene Rostocker Polizeidirektor Kordus wurde bereits eine Woche nach dem Pogrom zum Direktor des Landeskriminalamts befördert. Es wirkte wie eine Belohnung für treue Dienste und untergrub die Ernsthaftigkeit der lau­fenden Untersuchungen zum poli­zei­lichen Versagen. Kordus wurde zwei Jahre später trotz glaub­hafter Korruptionsvorwürfe und Berichte über mafiöse Beziehungen nicht ange­klagt, sondern nur in den vor­zei­tigen Ruhestand geschickt – dies ist umso erstaun­licher, da in den letzten 14 Monaten vor Kordus Aufdeckung vier Ermordungen im umkämpften Rostocker Rotlichtmillieu statt­fanden.60 Auch zwei andere Spitzenbeamte, die 1992 beim Pogrom in füh­renden Polizeipositionen waren, wurden durch einen Whistleblower in anderen Fällen des Amtsmissbrauchs beschuldigt.61 Auch der über­for­derte und von seinen Vorgesetzten im Stich gelassene Polizeieinsatzleiter Deckert wurde trotz mas­siver Fehler62 aus­ge­rechnet als Dozent an die Polizeifachhochschule Güstrow ver­setzt. Die Ermittlungsverfahren gegen Kordus und Deckert wurden 1994 und 2000 ohne Konsequenzen ein­ge­stellt, wobei Deckert einigen als „Bauernopfer“ galt.

Auch die anderen juris­ti­schen Aufarbeitungsversuche waren von Desinteresse, unpro­fes­sio­neller Arbeitsweise und Erfolgslosigkeit geprägt. Während des Pogroms wurden nur 370 vor­läufige Festnahmen vor­ge­nommen sowie 408 Ermittlungsverfahren ein­ge­leitet – nicht zuletzt gegen linke Gegendemonstrierende. In den meisten Fällen war eine straf­recht­liche Verfolgung kaum möglich, da nur wenige qua­li­fi­zierte, d.h. beweis­si­chernde Festnahmen erfolgten.63 Im Ergebnis wurde ein Großteil der 215 gerichtlich ein­ge­lei­teten Verfahren gegen 257 Personen ein­ge­stellt. Am Ende wurden nur 44 Urteile aus­ge­sprochen, dar­unter auch Urteile gegen Linke auf Solidaritätsdemonstrationen: Nur ein Fall bezog sich auf den direkten Angriff auf das Sonnenblumenhaus. Zumeist wurden relativ gering­fügige Geld- und Bewährungsstrafen wegen Landfriedensbruchs und Propagandadelikten aus­ge­sprochen. Von elf ursprünglich ver­hängten Arreststrafen zwi­schen sieben Monaten und drei Jahren wurden sieben zur Bewährung aus­ge­setzt. Nur vier Straftäter mussten zwi­schen zwei und drei Jahren tat­sächlich in den Jugendarrest. Insgesamt wird die juris­tische Aufarbeitung als skan­dalös bewertet: Die zum Teil sehr lang­samen Verfahren mün­deten bes­ten­falls in formale Blitzprozesse ohne sach­liche Aufarbeitung mit sehr milden Urteilen, da Richter:innen und Staatsanwälte wenig Engagement und Interesse zeigten. Ein Richter wurde auf­grund der gro­tesken Amtsführung, die auch zur Verjährung einer Anklage führte, wegen Rechtsbeugung und Strafvereitelung im Amt ange­zeigt. Selbst in Fällen, wo aus­rei­chend Beweise vor­lagen, wurden nur Bewährungsstrafen für vor­be­strafte rechts­extreme Gewalttäter ver­hängt – trotz Verurteilung wegen ver­suchten Mordes. Das letzte nach elf Jahren abge­schlossene Verfahren gilt auf­grund der absurd langen Prozessverschleppung als eines der „größten Justizskandale der Nachkriegszeit“.64

Die große Diskrepanz zwi­schen der objektiv erkenn­baren gesell­schafts­po­li­ti­schen Bedeutung des Pogroms und der nach­läs­sigen insti­tu­tio­nellen Aufarbeitung trifft auch im wis­sen­schaft­lichen Bereich zu. Bis heute ist kein großes Forschungsinteresse am Pogrom von Lichtenhagen fest­stellbar. Das spiegelt sich auch im bis­he­rigen Bestand der Literatur zum Thema wider: Bisher sind weniger als eine Handvoll Monographien und Anthologien erschienen, die sich zentral mit den Angriffen von Rostock-Lichtenhagen aus­ein­an­der­setzen. Der kon­junk­tu­rellen Aufmerksamkeitsökonomie folgend sind bisher alle zehn Jahre Jubiläumsbänder zum Thema erschienen. Den Anfang machte das DISS mit seinem dis­kurs­ana­ly­ti­schen Ansatz in „SchlagZeilen. Rostock: Rassismus in den Medien“ (1992), der die Ereignisse medi­en­wis­sen­schaftlich zeitnah ein­ordnete. Dann folgte 2002 die jour­na­lis­tische Aufarbeitung von Jochen Schmidt, der als ZDF-Praktikant und Zeitzeuge im Sonnenblumenhaus das Pogrom hautnah erlebte. Obwohl das Buch von den bis­he­rigen Publikationen zum Thema die größte öffent­liche Aufmerksamkeit erfuhr, löste die titel­ge­bende These von der „Politische[n] Brandstiftung“65 trotz der guten jour­na­lis­ti­schen Vernetzung des Autors weder einen medialen Wirbelsturm noch ein poli­ti­sches Erdbeben aus. Die These wurde in der Berichterstattung rela­ti­viert und der the­ma­tische Fokus ver­schoben. Dieses Desinteresse deutet Schmidt als „Totschweigen“66. Die Angst vor Kontroll- und Glaubwürdigkeitsverlust macht diese Frage anscheinend auch noch nach Jahrzehnten höchst explosiv. Zum 20. Jahrestag erschien dann ein kleiner, nur aus drei lesens­werten Beiträgen bestehender Sammelband, den Thomas Prenzel als wis­sen­schaft­licher Mitarbeiter am Institut für Politik- und Verwaltungswissenschaften an der Universität Rostock her­ausgab und wesentlich miter­ar­beitete. Dieser Rhythmus wird 2023 mit dem von Gudrun Heinrich, David Jünger, Oliver Plessow und Cornelia Sylla edi­tierten Sammelband „Perspektiven aus der Wissenschaft auf 30 Jahre Lichtenhagen 1992“ leicht ver­spätet fort­ge­setzt. Das Buch doku­men­tiert und fasst die Ergebnisse der Vorlesungsreihe an der Universität Rostock zum 30. Jahrestag des Pogroms zusammen. Wie 2012 kam dieses Projekt aber nicht durch ein insti­tu­tionell geplantes Programm der Universität, sondern durch Eigeninitiativen von Universitätsangehörigen zustande, die alle in unter­schied­lichen Fachbereichen arbeiten und sich Frühjahr 2022 zufällig bei einem Workshop trafen.

Zweifellos ist die Anzahl von wis­sen­schaft­lichen Aufsätzen und Bezugnahmen höher, ebenso die zahl­reichen jour­na­lis­ti­schen Erzeugnisse, die zu den Jahrestagen regel­mäßig einen Boom erfahren. All das kann aber nicht über die wis­sen­schaft­liche Marginalisierung und das letztlich unzu­rei­chende Interesse an einer kon­ti­nu­ier­lichen Aufarbeitung und ver­tieften Erforschung hin­weg­täu­schen. Die Ursachen dafür sind unklar: Wenn wir die Aufarbeitung des NSU-Komplexes zum Vergleich her­an­ziehen,67 kann die These auf­ge­stellt werden, dass die staats­po­li­tische Brisanz des Falls der wis­sen­schaft­lichen und jour­na­lis­ti­schen Aufarbeitung hier nicht im Wege steht – eher kann das Gegenteil behauptet werden. In den letzten Jahren ist ein ver­stärktes Interesse zu ver­zeichnen: Darunter zählt etwa das Forschungsprojekt „Doing Memory“ von Tanja Thomas, Fabian Virchow und Matthias Lorenz sowie Rostocker Initiativen mit Lokalforschenden wie etwa Gudrun Heinrich und das Dokumentationszentrum „Lichtenhagen im Gedächtnis“. Vereinzelt exis­tieren auch Bachelor- und Masterarbeiten von inter­es­sierten Studierenden sowie einige Dissertationsprojekte.

Auf der Ebene der kul­tu­rellen Verarbeitung fällt eben­falls im Vergleich zur Themensetzung des NSU-Komplexes etwa im Bereich „Theater“ ein deut­licher Unterschied auf,68 obwohl beide Themen mit­ein­ander ver­bunden sind und trotz wich­tiger Unterschiede in ihrer gesell­schaft­lichen und zeit­his­to­ri­schen Bedeutung ver­gleichbar erscheinen. Zum Thema Rostock-Lichtenhagen sind bisher lediglich drei Stücke in kleinen Theaterproduktionen ent­standen: Davon nimmt nur das Stück „Sonnenblumenhaus“ (2014) von Dan Thy Nguyen und Iraklis Panagiotopoulos die Perspektive der ange­grif­fenen viet­na­me­si­schen Community ein.69 Die beiden Stücke „Kein schöner Land“ (2000) der freien Gruppe „Neue Tendenz Theater“ aus NRW und „Bis zum Anschlag“ (2011) von Christof Lange vom Freien Theater Jugend Rostock fokus­sieren sich dagegen auf Weiße Täter.70 Diese Perspektive nimmt auch der bisher einzige Spielfilm zum Thema ein. In Burhan Qurbanis Kinostreifen „Wir sind jung. Wir sind stark“ (2015) stehen erneut eine Weiße Jugendgruppe und die Tätersicht im Zentrum.71 Im Unterschied dazu sind die Dokumentarfilme weniger bekannt, aber the­ma­tisch diverser auf­ge­stellt, da im Laufe der Zeit neue Fragen etwa zur Integrations- und Erinnerungsarbeit dazu kamen. Neben der „Kennzeichen D“-Reportage des ZDF-Teams ist ins­be­sondere der bri­tische Dokumentarfilm „The Truth Lies in Rostock“ (1993) von Mark Saunders und Siobhan Cleary, die bei ihrer Arbeit von der linken Rostocker Initiative JAKO videocoop unter­stützt wurden, als zeit­his­to­ri­sches Dokument und als Archivmaterial von beson­derer Bedeutung. In Interviews mit Roma-Geflüchteten und viet­na­me­si­schen Arbeiter:innen ent­standen Bilder und Narrative, die den Angegriffenen bis heute eine Stimme geben und ihre Sicht der Geschichte ansatz­weise reprä­sen­tieren. Anlässlich des 30. Jahrestags ent­stand in der Reihe „Die Narbe“ die bisher letzte Fernsehproduktion „Der Anschlag in Rostock-Lichtenhagen“ (NDR 2022). Trotz des Postulats Rassismus zu benennen und Betroffenenperspektiven Raum ein­zu­räumen, gelingt das nicht wirklich. So wurde Mai-Phuong Kollaths Plädoyer die ras­sis­tische Gewalt im August 1992 als „Pogrom“ zu bezeichnen aus der doku­men­tierten Diskussion raus­ge­schnitten und statt­dessen am Begriff „Krawalle“ fest­ge­halten.72

Auch die Stadt Rostock tut sich schwer, diesen Themen und Herausforderungen gerecht zu werden. Zwar wurde von zivil­ge­sell­schaft­licher Seite etwa die Ausstellung „Von Menschen, Ansichten und Gesetzen. Rostock-Lichtenhagen – 10 Jahre danach“ (Bund statt Braun, 2002) erar­beitet. Im Laufe der Jahre fanden auch unzählige Veranstaltungen und unter­schied­lichste Projekte statt. Trotzdem kann gesagt werden, dass bis 2017 die offi­zielle wie zivil­ge­sell­schaft­liche Erinnerungspolitik lediglich ereig­nis­be­zogen, kurz­fristig und tem­porär, z.T. auch ver­klärend und instru­mentell war. Statt die insti­tu­tio­nelle Verantwortung staat­licher Akteure und den all­ge­gen­wär­tigen Rassismus im Alltag bis hin zum behörd­lichen Handeln auf­zu­ar­beiten und in der Bildungsarbeit wei­ter­zu­ver­mitteln, wurde nicht selten der Fokus auf mul­ti­kul­tu­relle Feste, Versöhnung und Integration gelegt73, um unan­ge­nehme und kon­flikt­trächtige Themen zu ver­meiden. Diese Kritik lässt sich auch an einem städ­ti­schen Vorzeigeprojekt zur erin­ne­rungs­po­li­ti­schen Aufarbeitung des Pogroms verdeutlichen.

Mahnmale der Künstlergruppe „Schaum“ im Rostocker Stadtraum (Foto: privat)

In Reaktion auf fort­lau­fende Kritik und Forderungen nach Schaffung von Lern- und Erinnerungsorten in öffent­lichen Raum74 lud die Stadt Juli 2016 zehn Künstler:innen und Projekte zu einem Wettbewerb mit einem Gesamtetat von lediglich 105.000 Euro ein.75

Die Entscheidung der Rostocker Jury fiel zugunsten der lokalen Künstlergruppe SCHAUM aus, deren Entwurf als Nachrücker ein­ge­bracht wurde. Ihr dezen­trales Konzept „Gestern Heute Morgen“ geht von dem zen­tralen Arbeitsmotto aus: „Die Kunstwerke wollen keine Antworten oder Schuldzuweisungen geben.“76

Was aber bedeutet das? Aus meiner Sicht stellt dieses Denkmal eine ver­passte Chance dar. Denn die dezen­trale Aufstellung u.a. vor dem Rathaus, dem Redaktionsgebäude der Ostsee-Zeitung und dem Polizeipräsidium ist eigentlich her­vor­ragend geeignet, die Rolle und Verantwortung dieser Institutionen beim Pogrom ganz konkret mit künst­le­ri­schen Mitteln und bil­dungs­po­li­ti­scher Aufarbeitung offen zum Thema zu machen. Stattdessen wurden zum 25. Jahrestag Installationen auf­ge­stellt, die nicht nur sehr unauf­fällig und leicht zu über­sehen sind; ihre abs­trakten Symbole und uni­ver­selle Gesten lenken auch davon ab, sich tat­sächlich mit dem ras­sis­ti­schen Pogrom im lokalen Kontext aus­ein­an­der­zu­setzen. Da diese Skulpturen so unver­ständlich sind, ent­steht immer wieder die absurde Situation, dass Besucher:innen diese Gebilde nicht als Erinnerungsorte erkennen und weiter danach suchen, obwohl sie direkt davor stehen.77 Aufgrund ihrer mini­ma­lis­ti­schen und kos­ten­güns­tigen Gestaltung, die mit einer Grundfläche von meist nur 0,18 qm auch kaum Raum bean­sprucht, wirken dieser Mahnmale wie eine formale Pflichtaufgabe, die im Alltag mög­lichst wenig stören soll und zumindest der Dominanzgesellschaft keine schmerz­haften Erinnerungen oder Lernprozesse zumuten will. In diese Logik passt auch die Benennung der Installation vor dem Sonnenblumenhaus als „Selbstjustiz“, die mit diesem Titel das frag­würdige Risiko der Legitimierung ras­sis­ti­scher Gewalt eingeht.

Auch bei diesem erin­ne­rungs­po­li­ti­schen Projekt offen­barte sich erneut ein alt­be­kanntes Strukturproblem: Das Übergehen und die Unsichtbarmachung von Betroffenenperspektiven. Erst im Nachhinein wurde der Stadt bewusst, dass ver­gessen wurde, die Opfer des Pogroms ein­zu­be­ziehen. Daher wurde die sechste Skulptur „Empathie“ von einer NGO finan­ziert und 2018 den betrof­fenen Opfern nach­träglich gewidmet. Obwohl mit Romani Rose sowie dem Vorsitzenden des Migrantenrat Rostock Selbstrepräsentation ermög­licht wurde, standen bei beiden Einweihungen bedau­er­li­cher­weise keine Sprecher:innen der viet­na­me­si­schen Community auf dem Programm. Auch die moder­ni­sierte Erinnerungspolitik ist mit Marginalisierung und Unsichtbarmachung ver­strickt. So lange Arbeits- und Entscheidungsprozesse ohne gleich­be­rech­tigte Mitwirkung aller betrof­fenen Communities statt­finden und ent­spre­chende (auch mate­rielle) Voraussetzungen dafür geschaffen werden, werden zwangs­läufig insti­tu­tio­na­li­sierte Ausschlüsse reproduziert. 

Abschlussrede „Entschädigung und Rückkehrrecht für die Betroffenen des Pogroms“ von Kien Nghi Ha | Bundesweite Demo„Damals wie heute: Erinnern heißt ver­ändern“ in Rostock-Lichtenhagen, 27.08.2022

So verhält es sich auch mit der offi­zi­ellen Entschuldigung der Stadt durch Oberbürgermeister Pöker, die schon 2002 aus­ge­sprochen wurde. Aber so lange keine Entschädigungsleistungen und ein Rückkehrrecht für die damals abge­scho­benen Opfer des Pogroms ange­boten werden, beschränkt sich die „Wiedergutmachung“ auf ein sym­bol­po­li­ti­sches Zeichen.

Zusammenfassend lässt sich fest­stellen, dass anti-Asiatischer Rassismus nicht nur in Rostock, sondern all­gemein in Deutschland bisher his­to­risch ver­kannt, ver­drängt und in allen Bereichen stark unsichtbar gemacht wurde. Ob diese gra­vie­renden Defizite in den nächsten Jahren ein Stück weit abgebaut werden können, ist mit Skepsis zu betrachten, solange der poli­tische Wille in den Institutionen und bei ent­schei­denden Gatekeepern fehlt. Obwohl Deutschland nicht nur post­mi­gran­ti­scher, sondern auf­grund zuneh­mender Migrationsprozesse aus dieser Weltregion auch Asiatisch-diasporischer wird, ist die struk­tu­relle Sensibilität für diese Thematik in der deut­schen Gesellschaft nach wie vor nur gering aus­ge­prägt. Das zeigen nicht zuletzt die Koalitionsvereinbarungen der aktu­ellen Bundesregierung vom Dezember 2021: Trotz Aktualität und Vielzahl der doku­men­tierten Corona-Rassismusfälle gegen Asiatisch Aussehende in Deutschland wird das Thema „anti-Asiatischer Rassismus“ im Unterschied zu anderen Rassismusformen dort nicht einmal erwähnt. Folglich werden die Institutionen des Bundes keine spe­zi­fi­schen Maßnahmenpakete gegen anti-Asiatischen Rassismus kon­zi­pieren oder das Thema sys­te­ma­tisch berück­sich­tigen, da dieses Problem dort nicht explizit aner­kannt ist. Das ist insoweit kon­se­quent, da auch im bis­he­rigen „Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus“ (Bundesministerium des Innern 2017) anti-Asiatischer Rassismus kein Thema ist. Asiatische Deutsche, Asiatisch-diasporische und Asiatische Menschen sind in Deutschland im Unterschied zu anderen Betroffenengruppen immer noch nicht aus­drücklich als vul­nerable und schutz­würdige Gruppe aner­kannt. Das bedeutet, dass aus dem Pogrom von Rostock-Lichtenhagen auch heute noch nicht die rich­tigen Lehren gezogen wurden.

Kien Nghi Ha ist pro­mo­vierter Kultur- und Politikwissenschaftler und leitet den Arbeitsbereich Asian German Studies am Asien-Orient-Institut der Universität Tübingen.. Er hat an der New York University sowie an den Universitäten in Bremen, Heidelberg und Bayreuth geforscht und wurde mit dem Augsburger Wissenschaftspreis für Interkulturelle Studien aus­ge­zeichnet. Neben zahl­reichen Publikationen zu post­ko­lo­nialer Kritik, Rassismus, Migration und Asian Diaspora Studies ist zuletzt der Sammelband Asiatische Deutsche Extended. Vietnamesische Diaspora and Beyond (Assoziation A, 2021) als erwei­terte Neuauflage erschienen. Aktuell edi­tiert er die Anthologie Asiatische Präsenzen in der Kolonialmetropole Berlin (Assoziation A, 2023) und schreibt am Essay Boat People – Vom schutz­wür­digen Flüchtling zur Zielscheibe des Anti-Asiatischen Rassismus für den Ausstellungskatalog „Alfredo Jaar – The Kindness of Strangers“ (2024) des Museums der Moderne Salzburg und den Kunstsammlungen Chemnitz.
Im Erscheinen: Verwobene Geschichten in Hito Steyerls „Die leere Mitte“ (1998) aus Asiatisch-deutscher Perspektive. In: Ömer Alkin/Alena Strohmaier (Hg.): Rassismus und Film. Marburg: Schüren Verlag, 2023. Zur kolo­nialen Matrix des anti-Asiatischen Rassismus: Gelbe Gefahr, Unsichtbarkeit und Exotisierung. In: Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) (Hg.): Rassismusforschung: Rassismen, Communities und anti­ras­sis­tische Bewegungen, Bd. 2, Bielefeld: tran­script 2023.

Fußnoten

1Um die geo­gra­phische Bezeichnung „asia­tisch“ von kul­tu­rellen Fremd- wie Selbstkonstruktionen zu unter­scheiden, schlage ich – im Unterschied zur medialen Verwendung und in Anlehnung an die inzwi­schen im anglo­phonen Raum insti­tu­tionell eta­blierte Schreibweise von Asian, Black, Brown und auch White – die Großschreibung von „Asiatisch“ vor, um eine Differenzierung zu ermöglichen.

2Vgl. Kien Nghi Ha: Unrein und ver­mischt. Postkoloniale Grenzgänge durch die Kulturgeschichte der Hybridität und der kolo­nialen „Rassenbastarde“. Bielefeld: tran­script 2010, S. 259–277.

3Vgl. zum anti­ko­lo­nialen Aufstand des „Verbands für Gerechtigkeit und Harmonie“ (義和團) Mechthild Leutner / Klaus Mühlhahn (Hrsg.): Kolonialkrieg in China. Die Niederschlagung der Boxerbewegung 1900–1901. Berlin: Links 2007.

4Dieser Effekt ließ sich in der Corona-Pandemie sowohl in den USA als auch in der BRD gut erkennen als ursprünglich anti-chinesische Ressentiments auch auf andere dia­spo­rische Gruppen mit Ost- und Südostasienbezügen aus­ge­dehnt wurden. Die Betroffenen wurden ange­griffen und vielfach grenz­über­schreitend in Kollektivhaftung genommen, so dass Asiatisch-Sein in diesen Fällen zwangs­weise durch anti-Asiatischen Rassismus fremd defi­niert wurde. Vgl. Kien Nghi Ha: Zur trans­na­tio­nalen Kolonialität des anti-Asiatischen Rassismus: Yellow Peril und anti-chinesische Migrationspolitik im pazi­fi­schen Raum. In: Mechthild Leutner / Pan Lu / Kimiko Suda (Hrsg.): Antichinesischer und anti-asiatischer Rassismus. Historische und gegen­wärtige Diskurse, Erscheinungsformen und Gegenpositionen. Münster: LIT-Verlag 2022, S. 38–58, hier S. 54–56.

5Vgl. etwa die Karikaturen des deutsch-amerikanischen Zeichners Lyonel Feininger, der zur Jahrhundertwende die deutsche Kolonialpolitik in Afrika und China mit ras­sis­ti­schen Bildern kom­men­tierte. Siehe Mechthild Leutner: Rassismus und deut­scher Kolonialismus in China. Legitimation Weißer Herrschaft und das Feindbild von der „Gelben Gefahr“. In: Dies. / Pan Lu / Kimiko Suda (Hrsg.): Antichinesischer und anti-asiatischer Rassismus. Historische und gegen­wärtige Diskurse, Erscheinungsformen und Gegenpositionen. Münster: LIT-Verlag 2022, S. 11–37, hier S. 28–33.

6Vgl. Kien Nghi Ha: Zur kolo­nialen Matrix des anti-Asiatischen Rassismus. Gelbe Gefahr, Unsichtbarkeit und Exotisierung. In: Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) (Hrsg.): Rassismusforschung: Rassismen, Communities und anti­ras­sis­tische Bewegungen, Bd. 2, Bielefeld: tran­script 2023, im Erscheinen.

7Vgl. Walter Demel: How the ‚Mongoloid Race‘ Came into Being: Late Eighteenth-Century Constructions of East Asians in Europe, In: Rotem Kowner / Ders. (Hrsg.): Race and Racism in Modern East Asia Western and Eastern Constructions, Leiden: Brill 2013, S. 59–85; Rotem Kowner: Between Contempt and Fear: Western Racial Constructions of East Asians since 1800. In: Ebd., S. 87–125.

8Ich habe den Begriff der „Entinnerung“ in Abgrenzung zum pas­siven und unbe­wussten Vergessen als einen aktiven kultur- und erin­ne­rungs­po­li­ti­schen Prozess defi­niert, der die zu dieser Zeit gesell­schaftlich domi­nanten Werte und Interessen arti­ku­liert. Vgl. Kien Nghi Ha: Macht(t)raum(a) Berlin – Deutschland als Kolonialgesellschaft. In: Maisha Eggers/Grada Kilomba/Peggy Piesche/Susan Arndt (Hrsg.): Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinsforschung in Deutschland. Münster: Unrast 2005, S. 105–117, hier S. 105.

9Der freie Lokaljournalist Frank Keil ent­deckte bei seinen Recherchen zu Süleyman Taşköprü, dem Hamburger Mordopfer des NSU, zufällig diese ihm unbe­kannte Geschichte wieder. Vgl. Frank Keil: Der blanke Hass. In: Die Zeit, 23.02.2012.

10Vgl. Kien Nghi Ha: Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân († Hamburg 1980): Keine Zweiklassengesellschaft in der Kultur- und Erinnerungspolitik!. In: Ders. (Hrsg.): Asiatische Deutsche Extended. Vietnamesische Diaspora and Beyond. Berlin / Hamburg: Assoziation A 2021, S. 140–149, hier S. 143–144 und Kien Nghi Ha: Die Ankunft der viet­na­me­si­schen Boat People. In: Webmap Hamburg Global, Eine Welt Netzwerk Hamburg e.V. 16.04.2014. https://www.hamburg-global.de/v1.0/placemarks/100 (Zugriff am 21.07.2023).

11Vgl. Matthias Möller: „Ein recht direktes Völkchen“? Mannheim-Schönau und die Darstellung kol­lek­tiver Gewalt gegen Flüchtlinge. Frankfurt am Main: Trotzdem 2007.

12So wurde die unmit­telbar nach den Angriffen auf das Sonnenblumenhaus und die Zentrale Aufnahmestelle orga­ni­sierte bun­des­weite Demonstration am 29. August 1992 in Rostock unter dem Motto „Stoppt die Pogrome“ durchgeführt.

13So ist im Abschlussbericht des 2. Untersuchungsausschusses des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern ver­meintlich neutral von „Ereignissen“ (12 Erwähnungen) die Rede, wobei dieser wert­freie Begriff nicht in der Lage ist die tat­säch­liche Gewalt auch nur annä­hernd zu benennen und daher beschö­nigend wirkt. Im Bericht werden abwechseln auch die Begriffe „Krawalle“ (13), „Auseinandersetzungen“ (5), „Ausschreitungen“ (5), „Randale“ (2), Protest (1) und „Demonstration“ (1) ver­wandt. Dagegen tauchen auf den 51 Seiten des Berichts an keiner Stelle die Begriffe „Pogrom“ und „Rassismus“ bzw. „ras­sis­tisch“ auf. Vgl. Drucksache 13771, 04.11.1993.

14Vgl. Kien Nghi Ha: Rostock-Lichtenhagen – Die Rückkehr des Verdrängten. In: Ders. (Hrsg.): Asiatische Deutsche Extended. Vietnamesische Diaspora and Beyond. Berlin / Hamburg: Assoziation A 2021, S. 150–166. Erstveröffentlichung: Heinrich Böll Stiftung, September 2012. https://heimatkunde.boell.de/de/2012/09/01/rostock-lichtenhagen-die-rueckkehr-des-verdraengten (Zugriff am 20.02.2023).

15So haben die Sicherheitsbehörden mit ihren mehr­heitlich bio­deut­schen Mitarbeiter:innen das ras­sis­tische Motiv nicht erkannt und die Opfer ver­dächtigt. Trotz feh­lender Indizien rechnete die „Soko Bosporus“ über Jahre hinweg die „Dönermorde“ auf­grund eigener Vorurteile unbeirrt der „Türken-Mafia“ zu, die Schutzgelder und Wettschulden erpressen wolle oder aus Rache „Ehrenmorde“ beginge. Vgl. Hajo Funke: Staatsaffäre NSU. Eine offene Untersuchung. Münster / Berlin: Kontur 2015, S. 308–342; Juliane Karakayali/Çagri Kahveci/Doris Liebscher/Carl Melchers (Hrsg.): Den NSU-Komplex ana­ly­sieren. Aktuelle Perspektiven aus der Wissenschaft. Bielefeld: tran­script 2017; Tanjev Schultz: NSU. Der Terror von rechts und das Versagen des Staates. München: Droemer 2018.

16So wurde in der Pressemitteilung „30 Jahre Pogrom von Rostock-Lichtenhagen: ‚Gedenken – Aufklären – Gestalten‘“ vom 22.08.2022 zur zen­tralen Gedenkveranstaltung mit dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier ein­ge­laden. Siehe https://rathaus.rostock.de/de/rathaus/aktuelles_medien/30_jahre_pogrom_von_rostock_lichtenhagen_gedenken_aufklaeren_gestalten/329398 (Zugriff am 20.02.2023).

17Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag: Pogrome. Definition und Fallbeispiele. Aktenzeichen WD 1 – 3000 – 02322, 29.07.2022. hier S. 8–9. https://www.bundestag.de/resource/blob/908734/5dea5b3a56c9f5afab0f73bf9e20b7b6/WD‑1–023-22-pdf-data.pdf (Zugriff am 16.07.2023).

18Ebd. S. 14–15.

19Ebd. S. 8–10. Bereits die Publikation des Gutachtens drei Wochen vor dem 30. Jahrestags des Pogroms kann als deut­liches gesell­schafts­po­li­ti­sches Statement gelesen werden.

20Vgl. Thomas Prenzel: Rostock-Lichtenhagen und die Einschränkung des Grundrechts auf Asyl. In: Ders. (Hrsg.): 20 Jahre Rostock-Lichtenhagen. Kontext, Dimensionen und Folgen der ras­sis­ti­schen Gewalt. Universität Rostock. Institut für Politik- und Verwaltungswissenschaften 2012, S. 9–29, hier S. 10. https://doi.org/10.18453/rosdok_id00003587 (Open Access)

21William Macpherson: The Stephen Lawrence Inquiry. Presented to Parliament by the Secretary of State for the Home Department by Command of Her Majesty. London: 1999, hier Punkt 6.34.

22Fernsehansprache anlässlich des Inkrafttretens der Währungs‑, Wirtschafts- und Sozialunion am 1. Juli 1990.

23Hajo Funke: Brandstifter. Deutschland zwi­schen Demokratie und völ­ki­schem Nationalismus. Göttingen: Lamuv 1993, S. 50–66; 106–108.

24Bundeszentrale für poli­tische Bildung: Arbeitslose und Arbeitslosenquote. In abso­luten Zahlen und in Prozent aller zivilen Erwerbspersonen, 1980 bis 2013, 2014, hier S. 6. https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/01%20Arbeitslose%20und%20Arbeitslosenquote_0.pdf (Zugriff am 25.02.2023).

25Johann Gerdes, Annett Jackisch, Christoph Schützler: Lagebericht zur sozialen Situation in der Hansestadt Rostock. Universität Rostock: 2005, S. 32. DER SPIEGEL gibt ohne Zeitbezug die Arbeitslosenquote in Rostock mit 13 % und im Stadtteil Lichtenhagen mit 17 % an. Vgl. DER SPIEGEL: „Ernstes Zeichen an der Wand“, Nr. 361992. 30.08.1992. https://www.spiegel.de/politik/ernstes-zeichen-an-der-wand-a-eb1b8609-0002–0001-0000–000013689982 (Zugriff am 25.02.2023).

26Ulrich Herbert: Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland. Bonn: bpb 2003, S. 299.

27Nur ein Beispiel von vielen, um den unver­hoh­lenen Rassismus im dama­ligen poli­ti­schen Diskurs der demo­kra­ti­schen Volksparteien zu illus­trieren: „Es kann nicht sein, dass ein Teil der Ausländer bet­telnd, betrügend, ja auch mes­ser­ste­chend durch die Straßen ziehen, fest­ge­nommen werden und nur, weil sie das Wort ‚Asyl‘ rufen, dem Steuerzahler auf der Tasche liegen.“ (Klaus Landowsky, CDU-Fraktionsvorsitzender in Berlin, In: Stern, Nr. 43 vom 17.10.1991).

28Vgl. Herbert: Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland, S. 263–273; 296–322.

29Die Eskalationsspirale gegen­sei­tiger rhe­to­ri­scher Übertrumpfungen führte zu einer ent­hemmten Debatte, die ein sehr breites poli­ti­sches Spektrum umfasste. Wie ent­fesselt der poli­tische Extremismus der Mitte war, zeigte etwa Friedhelm Farthmann, Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion in NRW und spä­terer Ehrenvorsitzender der Deutschen Stiftung Patientenschutz des Malteserordens. Er schlug vor „Asylanten“ auf diesem Weg abzu­schieben: „Kurzen Prozess, an Kopf und Kragen packen und raus damit!“ (17.03.1992) Später blies Gerhard Schröder als SPD-Ministerpräsident von Niedersachsen im Landeswahlkampf ins gleiche Horn. Im Interview mit BILD am Sonntag for­derte er „Wer unser Gastrecht miss­braucht, für den gibt es nur eins: raus und zwar schnell?“ (20.07.1997). Trotz oder gerade wegen solcher Aussagen wurde er SPD-Vorsitzender und Bundeskanzler (1998–2005).

30In Berlin erzielten die „Republikaner“ 7,5 % (1989) und in Baden-Württemberg sogar 10,9 % (1992). Die rechts­extreme Deutsche Volksunion (DVU) kam in Bremen auf 6,2 % (1991), in Schleswig-Holstein auf 6,3 % (1992) und erreichte in Sachsen-Anhalt mit 12,9 % (1998) ihr bestes Wahlergebnis.

31Vgl. Prenzel: Rostock-Lichtenhagen und die Einschränkung des Grundrechts auf Asyl, S. 13–15.

32Vgl. Jochen Schmidt: Politische Brandstiftung. Warum 1992 in Rostock das Ausländerwohnheim in Flammen aufging. Berlin: Edition Ost 2002, S. 154–196.

33Vgl. Herbert: Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland, S. 303.

34Vgl. Margaret Jäger: BrandSätze und SchlagZeilen. Rassismus in den Medien. In: Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.): Entstehung von Fremdenfeindlichkeit. Die Verantwortung von Politik und Medien. Bonn: 1993, S. 73–92.

35Vgl. Jesus Manuel Delgado: Die „Gastarbeiter“ in der Presse. Eine inhalts­ana­ly­tische Studie. Opladen: Leske 1972. Siehe auch diese medi­en­wis­sen­schaft­liche Metastudie, die die Ergebnisse von zwölf empi­ri­schen Untersuchungen lokaler und über­re­gio­naler Zeitungen aus den Jahren 1972 bis 2000 zusam­men­fasst: Daniel Müller: Die Darstellung eth­ni­scher Minderheiten in deut­schen Massenmedien. In: Rainer Geißler / Horst Pöttker (Hrsg.): Massenmedien und die Integration eth­ni­scher Minderheiten in Deutschland. Bielefeld: tran­script 2015. S. 83–126.

36Vgl. Christine Horz: Fluchtmigration in den Medien. Stereotypisierungen, Medienanalyse und Effekte der ras­si­fi­zierten Medienberichterstattung. In: Meltem Kulaçatan / Harry Harun Behr (Hrsg.): Migration, Religion, Gender und Bildung: Beiträge zu einem erwei­terten Verständnis von Intersektionalität. Bielefeld: tran­script 2020, S. 175–210; Marcus Maurer et al.: Fünf Jahre Medienberichterstattung über Flucht und Migration. Johannes Gutenberg-Universität Mainz: Institut für Publizistik 2021. https://www.stiftung-mercator.de/content/uploads/2021/07/Medienanalyse_Flucht_Migration.pdf (20.02.2023).

37Vgl. Herbert: Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland, S. 303.

38Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung: Schlagzeilen. Rostock: Rassismus in den Medien, Duisburg: DISS 1993, zweite durchges. Aufl.

39Vgl. Cord Pagenstecher: „Das Boot ist voll“. Schreckensvision des ver­einten Deutschland. In: Gerhard Paul (Hrsg.): Das Jahrhundert der Bilder, Band II: 1949 bis heute. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2008, S. 606–613.

40Heutzutage wird der Begriff „Geflüchtete“ bevorzugt, da die Bezeichnung „Flüchtling“ ver­nied­li­chend und die Endung ‑ling häufig mit negativ asso­zi­ierten Wörtern wie Fiesling besetzt sei. Trotzdem ist daran zu erinnern, dass nur der letzt­ge­nannte Begriff laut Genfer Flüchtlingskonvention inter­na­tional aner­kannt ist und einen gesetz­lichen Schutzstatus dar­stellt. Vgl. Andrea Kothen: Sagt man jetzt Flüchtlinge oder Geflüchtete?, In: Pro Asyl, 01.06.2016. https://www.proasyl.de/hintergrund/sagt-man-jetzt-fluechtlinge-oder-gefluechtete/ (Zugriff am 01.07.2023).

41Vgl. Jäger: BrandSätze und SchlagZeilen, S. 73–92.

42Vgl. Prenzel: Rostock-Lichtenhagen, S. 13–17.

43Roman Guski: Nach Rostock-Lichtenhagen: Aufarbeitung und Perspektiven des Gedenkens. In: Thomas Prenzel (Hrsg.): 20 Jahre Rostock-Lichtenhagen. Universität Rostock. Institut für Politik- und Verwaltungswissenschaften 2012, S. 31–52, hier S. 34.

44Helmut Kellershohn: „Der Feind steht links!“. In: Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung: Schlagzeilen, S. 55–71.

45Vgl. Toralf Staud: Straf- und Gewalttaten von rechts: Was sagen die offi­zi­ellen Statistiken?, In: Bundeszentrale für poli­tische Bildung, 13.11.2018. https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/264178/straf-und-gewalttaten-von-rechts-was-sagen-die-offiziellen-statistiken/ (Zugriff am 25.02.2023).

46DER SPIEGEL: „Ernstes Zeichen an der Wand“, o. S.

47In jün­gerer Zeit wird unter dem Hashtag #base­ball­schlä­ger­jahre an dieser Zeit erinnert. Vgl. Christian Bangel: #base­ball­schlä­ger­jahre. Ein Hashtag und seine Geschichten. In: APuZ, Nr. 49–50/2022, S. 4–9 und Fabian Virchow: Rechte Gewalt in Deutschland nach 1945. Eine Einordnung der 1990er Jahre. In: ebd., S.10–14.

48Vgl. Schmidt, Politische Brandstiftung, S. 54–68; Prenzel: Rostock-Lichtenhagen, S. 16–17.

49Vgl. taz: Brief des Oberbürgermeisters belegt. Rostocker Warnung ein Jahr igno­riert. In: taz, 5.9.1992, S. 1.

50DER SPIEGEL: „Ernstes Zeichen an der Wand“, o. S.

51Vgl. Otto Diederichs: Das Polizeidebakel von Rostock – Versuch einer ana­ly­ti­schen Würdigung. In: CILIP, Nr. 44, 22.02.1993. https://www.cilip.de/1993/02/22/das-polizeidebakel-von-rostock-versuch-einer-analytischen-wuerdigung/ (Zugriff am 25.02.2023).

52Parlamentarischer Untersuchungsausschuss des Landtags Mecklenburg-Vorpommern: Beschlussempfehlung und Zwischenbericht. 16. Juni 1993, S. 48.

53Vgl. Diederichs: Das Polizeidebakel von Rostock.

54Jochen Schmidt bei der Buchvorstellung von „Politische Brandstiftung“ zit. nach Heike Kleffner: Pogrom gewollt?. In: taz, 21.08.2002, S. 8.

55Vgl. Diederichs: Das Polizeidebakel von Rostock; Guski: Nach Rostock-Lichtenhagen, S. 32–34.

56Jochen Schmidt: Das Haus brennt! – Die Asyldebatte und ihre Parallelen 1992 und heute , Vortrag in Synagoge und Kulturzentrum Marburg, 27.09.2016. https://www.youtube.com/watch?v=vRzYbMJ24RE (Zugriff am 25.02.2023), hier 9:00–9:12.

57Ebd., hier 35:45–35:55.

58Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Ausschreitungen_in_Rostock-Lichtenhagen#Unzureichender_Polizeieinsatz (Zugriff am 25.02.2023).

59Prenzel: Rostock-Lichtenhagen, S. 24.

60Vgl. Benjamin Unger: Zeitreise. Rostocker Polizeichef im Rotlicht-Strudel. In: NDR, 06.01.2023. https://www.ndr.de/geschichte/Zeitreise-Rostocker-Polizeichef-im-Rotlicht-Strudel,rostockerrotlicht100.html (Zugriff am 25.02.2023).

61Vgl. DER SPIEGEL: Polizei Tod im Bienenstock. In: DER SPIEGEL, Nr. 491994, 04.12.1994. https://www.spiegel.de/politik/tod-im-bienenstock-a-b43a33e1-0002–0001-0000–000013686169 (Zugriff am 25.02.2023).

62Hierzu zählt der „Pakt von Rostock“ mit einem selbst­er­nannten Anführer des gewalt­tä­tigen Mobs, um auf dieser Grundlage den Rückzug der letzten Polizeieinheiten vor dem Wohnheim anzu­ordnen. Vgl. Diederichs: Das Polizeidebakel von Rostock.

63Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Ausschreitungen_in_Rostock-Lichtenhagen#Juristische_Aufarbeitung (Zugriff am 25.02.2023).

64Peter Gärtner: Urteile im Lichtenhagen-Prozess. In: Weser-Kurier, 18.06.2002 zit. nach Guski: Nach Rostock-Lichtenhagen, S. 35–38, hier S. 38.

65Diese These ist nicht neu, sondern wurde bereits unmit­telbar nach dem Pogrom dis­ku­tiert. Vgl. etwa das Kapitel „Rostock-Gate: Das poli­tisch zuge­lassene und geför­derte Pogrom?“ in Funke: Brandstifter, 103–177.

66Schmidt: Das Haus brennt!, 45:05–46:47; 51:20–54:28, hier 54:02.

67Beispielsweise listet Amazon im Februar 2023 unter der Buchrubrik „Terrorismus & Extremismus“ 127 Angebote zum Stichwort „NSU“ mit einer relativ hohen Trefferquote und nur drei Angebote zu Lichtenhagen, die sich aber all­gemein mit Rechtsextremismus beschäftigen.

68Ein her­aus­ra­gendes Beispiel ist das dezen­trale und inter­dis­zi­plinäre Theaterprojekt „Kein Schlussstrich!“ mit einer ange­glie­derten Ausstellung sowie einem umfang­reichen Diskurs- und Rahmenprogramm, welches 2021 zum zehn­jäh­rigen Gedenken der Opfer der NSU-Morde von 18 Trägern in 15 Städten mit mehr als 700 Vorstellungen durch­ge­führt wurde. Eine zusam­men­fas­sende Übersicht findet sich hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Nationalsozialistischer_Untergrund#Theater_und_Oper (Zugriff am 25.02.2023).

69Das Stück erwähnt zwar die anti-ziganistischen Angriffe auf die Roma-Familien in der ZAST, kann aber ihre Erfahrungen auch aus prak­ti­schen Gründen nicht reprä­sen­tieren, da ihr Verbleib durch Abschiebungen unklar war.

70Vgl. Guski: Nach Rostock-Lichtenhagen, S. 40–41.

71Vgl. Figge, Maja: Rassistische Gewalt und ihre Rahmungen. Zur fil­mi­schen Erinnerung in Burhan Qurbanis WIR SIND JUNG. WIR SIND STARK. In: montage AV. Zeitschrift für Theorie und Geschichte audio­vi­su­eller Kommunikation. 25,2 (2016), S. 37–54.

72Vgl. Bündnis „Gedenken an das Pogrom. Lichtenhagen 1992“: Kommentar zur NDR Sendung „Die Narbe“, 28.04.2022. https://gedenken-lichtenhagen.de/kommentar-die-narbe-ndr/ (Zugriff am 25.02.2023).

73Vgl. Guski: Nach Rostock-Lichtenhagen, S. 43–44.

74Vgl. Guski: Nach Rostock-Lichtenhagen, S. 50; Tanja Thomas / Fabian Virchow: Hegemoniales Hören und Doing Memory an rechte Gewalt. Leviathan Sonderband 37 (2021), S. 205–226; Gudrun Heinrich: Rostock Lichtenhagen 1992–2017. Aufarbeitung und Erinnerung als Prozess der lokalen poli­ti­schen Kultur. In: Martin Koschkar / Clara Ruvituso (Hrsg.): Politische Führung im Spiegel regio­naler poli­ti­scher Kultur. Wiesbaden: Springer VS 2018, S. 293–309.

75Hansestadt Rostock: Nichtoffener Kunstwettbewerb „Erinnern und Mahnen an Rostock-Lichtenhagen 1992“. 2016.

76Projektwebsite: www.rostock-lichtenhagen-1992.de (Zugriff am 25.02.2023).

77So Claudia Carla (Evangelischen Akademie der Nordkirche) und Lisa Radl (Stadtteilmanagerin Rostock-Lichtenhagen) in Heinrich-Böll-Stiftung Mecklenburg-Vorpommern: Rostock-Lichtenhagen 1992: Gedenken im öffent­lichen Raum, 0:50–1:03; 5:35–6:00. https://www.youtube.com/watch?v=wzVhWJUKZ74 (Zugriff am 25.02.2023).

BlogVeranstaltungenWorkshop

International Conference
Anti-Asian Racism: History, Theory, Cultural Representations and Antiracist Movements

Venue: Fürstenzimmer of Schloss Hohentübingen, Burgsteige 11, 72070 Tübingen, Germany
Date: Friday, 07.07.2023 − Saturday, 08.07.2023
Conveners: Dr. Kien Nghi Ha and Prof. Dr. You Jae Lee

Registration required because of limited space via email to: koreanistik@uni-tuebingen.de
Participation: free of charge

Website: https://uni-tuebingen.de/de/219396
Conference Program: Download as PDF (with abs­tracts and short bio­gra­phies of the par­ti­ci­pants)

Link to OPEN CALL

The inter­na­tional con­fe­rence, hosted by the Center for Korean Studies at the University of Tübingen, is divided into four sec­tions. It explores how anti-Asian racism is related to modern history, theory, cul­tural repre­sen­ta­tions and anti-racist move­ments. We cor­dially invite inte­rested scholars, cul­tural workers and com­munity acti­vists to join the dis­cus­sions of the first con­fe­rence on anti-Asian racism in German academia.

P r o g r a m

Friday, 07.07.2023

14:30 – 14:45 Arrival, regis­tration and coffee

14:45 – 15:00 Welcome and Introduction: Dr. Kien Nghi Ha and Prof. Dr. You Jae Lee

15:00 – 16:00 KEYNOTE: HISTORY
Making Asians Foreign: Methods of Exclusion and Contingent Belonging
Lok Siu, Professor of Asian American Studies, University of California (Berkeley)

Chair: Bernd-Stefan Grewe, Professor of History, University of Tübingen

16:00 – 17:00 PANEL: HISTORY

Discrimination, Resistance, and Meritocracy. Korean Guest workers in Germany
You Jae Lee, Professor of Korean Studies, University of Tübingen

The Pogrom in Rostock-Lichtenhagen as Institutional Racism
Kien Nghi Ha, Postdoc Cultural Scientist, University of Tübingen

Chair: Jee-Un Kim, Managing Director of kori­en­tation. Network for Asian German Perspectives e.V.

17:30 – 18:30 KEYNOTE: THEORY

The Intersections between European Racial Constructions and Modern Colonialism: Theoretical Issues and the Place of Asia
Rotem Kowner, Professor of Japanese Studies, University of Haifa

Chair: Anthony Pattahu, Habilitation Candidate at the Department of Social and Cultural Anthropology, University of Tübingen

18:30 – 19:30 PANEL: THEORY

Socialists and Anti-Asian Sentiment in the Era of Mass Migration (1880–1930)
Lucas Poy, Assistant Professor in Global Economic and Social History, Vrije Universiteit Amsterdam

Abolitionist Perspectives on Demands of Asian-German Formations
Cuso Ehrich, Graduate Student, Institute of Sociology, Justus Liebig University Gießen

Chair: Bani Gill, Junior Professor of Sociology, University of Tübingen

Saturday, 08.07.2023

09:00 – 10:00 KEYNOTE: CULTURAL REPRESENTATIONS

Racialized Screen in Early German Cinema: What Asian German Studies Can Address
Qinna Shen, Associate Professor of German Studies, Bryn Mawr College

Chair: Fei Huang, Professor of Chinese Studies, University of Tübingen

10:00 – 11:00 PANEL: CULTURAL REPRESENTATIONS

Anti-Asian Racism and the Politics of Asian Self-Representation in Germany: the Asian Film Festival Berlin
Feng-Mei Heberer, Assistant Professor for Cinema Studies, New York University

Opportunity and Threat: Ambivalent Reporting on China in Der Spiegel, 1947–2023
Anno Dederichs, Postdoc Sociologist at China Center, University of Tübingen

Chair: Zach Ramon Fitzpatrick, Assistant Professor of German Studies at the University of Wisconsin-Madison (from fall 2023)

11:30 – 12:30 PANEL: ANTIRACIST MOVEMENTS

“Take Off Your Masks“: The Invisibility and Visibility of Anti-Asian Racism in Germany
Sara Djahim, Independent Researcher, Asian and International Development Studies,
Tae Jun Kim, Sociologist at German Center for Integration and Migration Research (DeZIM), Berlin

Yellow is the new Black? Emergence and Development of Asian Antiracist Activism in France
Ya-han Chuang, Postdoc Sociologist at the Institut national d’études démo­gra­phiques (Ined), Sciences Po Paris

Chair: Yewon Lee, Junior Professor of Korean Studies, University of Tübingen

12:30 – 13:00 Round Table: Challenging Anti-Asian Racism in Society and Academia
Panelists: Qinna Shen, Lok Siu, Rotem Kowner, You Jae Lee

Chair: Kien Nghi Ha

Supported by the Platform Global Encounters of the University of Tübingen.
Funded by the Federal Ministry of Education and Research (BMBF) and the Ministry of Science Baden-Württemberg within the framework of the Excellence Strategy of the German Federal and State Governments.
Additional funding pro­vided by the Academy of Korean Studies.

PHILOSOPHISCHE FAKULTÄT
Center for Korean Studies

BlogFilmKulturVeranstaltungen

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Eine Filmreihe des Projekts DARE (Decolonize Anti-Asian Racist Entanglements)
in Kooperation mit Sinema Transtopia/bi’bak, sup­ported von korientation

Asiatische Präsenzen in der Kolonialmetropole Berlin
Localizing Decolonialization – Dekolonialisierung loka­li­sieren
Filme – Vorträge – Diskussionen
Kurator und Projektleitung: Dr. Kien Nghi Ha

WO: SİNEMA TRANSTOPIA vom 11.04. – 20.06.2023
Lindower Str. 20–22, Haus C, 13347 Berlin, U+S‑Bahn Wedding

Flyer Download hier

Zur Filmreihe

Deutschlands kolonial-rassistischen Fantasien und Ambitionen wurde nach dem Abgang des Imperial
Germany ver­stärkt in eine ima­ginäre Kolonialität über­führt. Ihre fil­mi­schen Inszenierungen begeis­terten nicht nur ein Massenpublikum, sondern führten auch zu einer mehr­deu­tigen Überlagerung von Fiktion und Realität. Die Filmkulisse, aber auch ihre Produktion und Konsumption wurden selbst zum kul­tu­rellen Kolonialraum. Das Film‑, Vortrags- und Gesprächsprogramm leistet Pionierarbeit, indem wir die „wilde Weltmetropole Berlin der Goldenen Zwanziger“ als kolo­nialen Kulturraum mit (anti-)Asiatischen Bezügen erfor­schen. Gleichzeitig wird die deko­lo­niale Debatte um anti-Asiatischen Rassismus sowie Orientalismus erweitert und dadurch mul­ti­per­spek­ti­vi­scher. Ende 2023 wird ein Sammelband im Verlag Assoziation A erscheinen.

Filmprogramm mit Einführungsvorträgen und Gesprächen

11.04.2023 um 19 Uhr: Das indische Grabmal – Die Sendung des Yoghi (1921) von Joe May, OmU, 132 Min.

„Der Welt größter Film” – die so ange­kün­digte Großproduktion mit Kolonialambiente war ein Publikumsmagnet. Joe May beschwor darin das mys­tische Indien und ver­wan­delte die Filmstadt Berlin-Woltersdorf in einen „indi­schen“ Ort mit präch­tigen Tempeln und Palästen, der von Statist:innen in Fantasiekostümen und Elefanten bevölkert wird. Angereichert mit sexua­li­sierter weib­licher Exotik erzählt er eine ver­wi­ckelte Geschichte, in der der bös­artige Maharadscha Rache an seiner Frau und ihrem bri­ti­schen Geliebten nimmt. Dieses Setting war so fas­zi­nierend, dass nach einem Remake in den 1930ern Jahren Fritz Lang, der bereits an der ersten Produktion beteiligt war, 1959 den Stoff erneut verfilmte.

Einführung:
Dr. Subin Nijhawan, British Empire, German Illusion – Über Tiger und Grabmale in der Kolonialzeit

Moderation: Anujah Fernando / Kien Nghi Ha

25.04.2023 um 19 Uhr: Die Herrin der Welt – Die Freundin des gelben Mannes (1919) von Joe May,
OV, 90 Min.
Live-Musik: Stummfilmpianist Jürgen Kurz

Unmittelbar nach dem Verlust der außer­eu­ro­päi­schen Kolonien ent­stand 1919 unter der Regie von Joe May in der heute ver­ges­senen Filmstadt Berlin-Woltersdorf ein monu­men­taler Kolonialepos, der acht Teile umfasst. Unter großem Aufwand gedreht, wird die aben­teu­er­liche Geschichte der jungen, schönen wie Weißen Maud Gregaards erzählt. Im ersten Teil ihre welt­um­span­nenden Reise gerät die Erzieherin im süd­chi­ne­si­schen Kanton in die Fänge des bru­talen Bordellbesitzers Hai-Fung. Mit Hilfe von Dr. Kien
Lung wird sie befreit, der sich aber eben­falls als dubiose Gestalt herausstellt.

Einführung
Dr. Tobias Nagl (via Zoom), Entfreundet: Die Freundin des gelben Mannes (1919/20), asia­tische Präsenz und anti­ras­sis­tische Filmproteste in der Weimarer Republik

Moderation: Joshua Kwesi Aikins / Kien Nghi Ha

09.05.2023 um 19 Uhr: Sumurun (1920) von Ernst Lubitsch, OmeU, 103 Min.

Im Unterschied zu Joe May war Ernst Lubitsch nicht nur ein Meister des Weimarer Kinos, sondern avan­cierte auch zu einem Starregisseur in Hollywood. In seinem frühen Filmschaffen nutzte er mehrfach Orient- und Roma-Stereotypen um seine Karriere in der Unterhaltungsindustrie zu befördern. Bereits 1910 von Max Reinhardt für das Theater dra­ma­ti­siert und ver­filmt, wurde der Stoff 1920 mit Starbesetzung monu­mental in den Ufa-Studios in Berlin-Tempelhof erneut insze­niert. Sumurun ist Lubitschs Version von Tausendundeine Nacht – ein Eifersuchtsdrama im vor­mo­dernen Morgenland, dass mit euro­päi­schen Fantasien über das Harem, ver­sklavten Tänzerinnen und ori­en­ta­li­scher Despotie spielt.

Introduction
Prof. Dr. Qinna Shen: A Berliner’s One Arabian Night: Lubitsch’s Orientalist Parody

Moderation: Sun-ju Choi / Kien Nghi Ha

23.05.2023 um 19 Uhr: Piccadilly – Nachtwelt (1929) von Ewald André Dupont, OmeU, 109 Min.

„Piccadilly“ ist nicht wie die anderen Filme der Reihe in einem ima­gi­nären Asien ange­siedelt, sondern spielt sich im Herzen des modernen Londons mit exo­ti­schen Ausflügen nach Chinatown ab. Trotz dieses Settings bleiben die ste­reo­typen Rollen nahezu unver­ändert: Der US-Star Anna May Wong ver­körpert in diesem tra­gi­schen Liebes- und Eifersuchtsdrama eine Chinesin, die mit viel ethnic chic zum sexuell begeh­rens­werten Revuegirl im Nachtclub auf­steigt und dann tra­gisch endet. Sie ist eine asia­tische Arbeitsmigrantin, die als ver­füh­re­rische femme fatale den Weißen Mann bedroht, aber auch
befriedigt und gleich­zeitig Opfer ihrer eigenen kul­tu­rellen Herkunft wird.

Einführung
Yumin Li, Anna May Wong – ein chinesisch-amerikanischer Hollywoodstar in Berlin

Moderation: Kimiko Suda / Kien Nghi Ha

Dieses Screening findet als Teil des korientation-Festivals zu(sammen)künfte (20.–27.05.2023) statt.

06.06.2023 um 19 Uhr: Hito Steyerl Special – Babenhausen (1997), 4 Min. / Die leere Mitte (1998), 62 Min. / Normalität 1‑X (1999–2001), 37 Min. Alle Filme OmeU

Die Trilogie aus dem Frühwerk von Hito Steyerl lässt sich viel­schichtig lesen. Sie ist nicht nur zeit­his­to­ri­sches Dokument und künst­le­rische wie akti­vis­tische Positionierung, sondern stellt auch ein her­aus­ra­gendes Filmessay dar. Entstanden zwi­schen 1990–1998 unter­sucht die ein­drück­liche Langzeitstudie „Die leere Mitte“ die unsichtbar gemachten Zusammenhänge zwi­schen Antisemitismus, Kolonialismus und Rassismus im Berliner Kultur- und Stadtraum. Ein Beispiel ist die Geschichte des „Haus Vaterland“ am heu­tigen Potsdamer Platz. Gleichzeitig nehmen diese Filme auch migran­tische Protestbewegungen und asiatisch-diasporische Stimmen in den Fokus, die sich gegen kolo­niale Kontinuitäten und ras­sis­tische Gewalt zur Wehr setzen.

Mit anschlie­ßendem Gespräch: Hito Steyerl, Gülşah Stapel, Kien Nghi Ha

20.06.2023 um 19 Uhr: Halfmoon Files (2006) von Philip Scheffner, OmeU, 87 Min.

Unweit von Berlin wurde am 11. Dezember 1916 im Kriegsgefangenenlager Wünsdorf die Stimme des bri­ti­schen Kolonialsoldaten Mall Singh auf­ge­nommen. Die Aufnahmen wurden im Auftrag von Militär, Wissenschaft und Unterhaltungsindustrie erstellt und waren Bestandteil des Tonarchivs „Sämtlicher Völker der Erde“. Heute befinden sie sich im Lautarchiv der Humboldt Universität Berlin und ver­weisen auf den kolo­nialen Charakter des Ersten Weltkrieges und des Lagers: Um sich als für­sorg­liche Kolonialmacht zu insze­nieren, wurde im Halbmondlager für afri­ka­nische, ara­bische und (süd-)asiatische Gefangene die erste Moschee Deutschlands für reli­giöse Praktiken gebaut. Gleichzeitig wurden Lager und Insassen als Filmkulisse für die deutsche Kolonial-propaganda genutzt. Der Film geht diesen ver­wischten kolo­nialen Verbindungen im Berliner Umland nach.

Mit anschlie­ßendem Gespräch: Philip Scheffner, Merle Kröger, Kien Nghi Ha

Sprecher:innen

Joshua Kwesi Aikins ist Politikwissenschaftler und Menschenrechtsaktivist. Er arbeitet als wis­sen­schaft­licher Mitarbeiter im Fachgebiet „Entwicklungspolitik und Postkoloniale Studien“ der Universität Kassel und enga­giert sich u.a. im Beirat der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD). Seine Forschungsschwerpunkte sind u.a. kul­tu­relle und poli­tische Repräsentation der afri­ka­ni­schen Diaspora, Kolonialität und Erinnerungspolitik. sowie Empowerment und Gleichstellungsdaten. Er ist Co-Autor des „Afrozensus“, einer Befragung Schwarzer, afri­ka­ni­scher und afro­dia­spo­ri­scher Menschen in Deutschland.

Sun-ju Choi stu­dierte Literatur an der Universität zu Köln und Drehbuch an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. 2017 erschien ihre Dissertation “Vater Staat und Mutter Partei: Familienkonzepte und Repräsentation von Familie im nord­ko­rea­ni­schen Film”. Sie enga­giert sich ehren­amtlich im Vorstand von ndo e.V. und kori­en­tation e.V..

Anujah Fernando arbeitet als Kulturwissenschaftlerin und Kuratorin. In recher­che­ba­sierten Ausstellungen und Texten sowie in doku­men­ta­ri­schen Filmprojekten, arbeitet sie zu erin­ne­rungs­po­li­ti­schen Themen rund um Migration und Kolonialismus. Sie inter­es­siert sich besonders für die sprach­lichen und kul­tu­rellen Aushandlungsprozesse zwi­schen erster und zweiter Migrationsgeneration. Zuletzt co-kuratierte sie die Ausstellung „Trotz Allem: Migration in die Kolonialmetropole Berlin“ am Museum FHXB.

Dr. Kien Nghi Ha, Kultur- und Politikwissenschaftler, forscht zu Asian German Studies an der Universität Tübingen. Zahlreiche Publikationen zu post­ko­lo­nialer Kritik, Rassismus und Migration. Herausgeber von Asiatische Deutsche Extended. Vietnamesische Diaspora and Beyond (2012/2021). Seine Monografie „Unrein und ver­mischt. Postkoloniale Grenzgänge durch die Kulturgeschichte der Hybridität und der kolo­nialen ‚Rassenbastarde‘“ (tran­script, 2010) wurde mit dem Augsburger Wissenschaftspreis für Interkulturelle Studien aus­ge­zeichnet. https://uni-tuebingen.de/de/208381

Merle Kröger arbeitet als Autorin, Dramaturgin und Kuratorin in Berlin und ist seit 2001 Teil von pong Film. Auch ist sie als Hochschuldozentin in Halle sowie Mainz tätig. Bisher hat sie fünf Romane ver­öf­fent­licht, dar­unter Grenzfall (2012), Havarie (2015) und Die Experten (2021). Als Kuratorin arbeitet sie seit 2007 mit dem Arsenal Institut für Film und Videokunst e.V., u.a. an den Projekten Work in Progress, Living Archive und Die fünfte Wand. Navina Sundaram: Innenansichten einer Außenseiterin oder Außenansichten einer Innenseiterin, das eine Nominierung für den Grimme Online Award 2022 erhielt. www.merlekroeger.de

Jürgen Kurz ist Improvisationskünstler. Ob am prä­pa­rierten Flügel, Elektro-Piano oder am ver­staubten Klavier, er bringt die Saiten zum Klingen und Tasten zum Klirren. Nach dem Studium an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin hat er sich als Komponist, Theatermusiker (u. a. Volksbühne) und Pianist einen Namen gemacht. Insbesondere als Stummfilmpianist – live im Kino, Open-Air und auf Festivals. So zum Beispiel im Freiluftkino Friedrichshain, bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin, im Kino Babylon, im Kino Krokodil oder auf dem Fusion Festival. Dabei gleicht keine Vorstellung der anderen, denn die nun um die hun­dert­jäh­rigen Filme, erstrahlen stets in neuen impro­vi­sierten Tongewändern.

Yumin Li ist Kulturwissenschaftlerin und unter­sucht in ihrer Dissertation Anna May Wongs mehrere Jahrzehnte umspan­nende Karriere auf vier Kontinenten. Zusammen mit dem Kollektiv andcompany&Co. erar­beitet sie die Theaterperformance „Shanzhai Express“, das sich spie­le­risch mit Anna May Wong befasst (Première 10.6.2023 Volksbühne Berlin).

Dr. Tobias Nagl ist Film- und Musikkritiker, DJ und seit 2007 Associate Professor für Filmwissenschaft an der University of Western Ontario in Kanada. Forschungsschwerpunkte: Filmtheorie, Stummfilm, Avantgardefilm, (Post-)Kolonialismus, afro­deutsche Geschichte vor 1945, kri­tische Theorie. Buchveröffentlichungen: „Die unheim­liche Maschine: Rasse und Repräsentation im Weimarer Kino“ (2009) und (zusammen mit Janelle Blankenship) „European Vision: Small Cinemas in Transition“ (2015).

Dr. Subin Nijhawan ist wis­sen­schaft­licher Mitarbeiter am Institut für England- und Amerikastudien der Goethe-Universität Frankfurt. In seinem Postdoc-Projekt arbeitet er zu dem Thema Mehrsprachigkeit und Nachhaltigkeit, was auch lite­ra­rische und künst­le­rische Quellen ein­schließt, um inter­sek­tionale Zugänge zu ermög­lichen. Hierzu gehören auch neue Modelle zur glo­balen Gerechtigkeit und einer kos­mo­po­li­ti­schen Weltbürger:innenschaft, um einer euro­zen­tri­schen Dominanz des Diskurses vorzubeugen.

Philip Scheffner arbeitet seit 1985 als Visual Artist. Seine abend­fül­lenden künst­le­ri­schen Dokumentarfilme The Halfmoon Files (2007), Der Tag des Spatzen (2010), Revision (2012), And-Ek Ghes… (2016) und Havarie (2016) wurden weltweit gezeigt und mit zahl­reichen Preisen aus­ge­zeichnet. Seit 2021 ist er Professor für Dokumentarische Praxen an der KHM Köln. Sein neuer Film Europe feierte 2022 Première auf der Berlinale. Scheffner ist Teil der Berliner Produktionsplattform / Kollektivs pong (zusammen mit Merle Kröger, Alex Gerbaulet, Caroline Kirberg und Mareike Bernien).

Qinna Shen ist Associate Professor of German am Bryn Mawr College, Pennsylvania. Nach einem Germanistik-Studium in Beijing und Heidelberg pro­mo­vierte sie 2008 an der Yale Universität in den USA. Sie ist Autorin von „The Politics of Magic: DEFA Fairy-Tale Films“ und Mitherausgeberin von „Beyond Alterity: German Encounters with Modern East Asia.“ Sie hat viel über deutsch-asiatische Themen veröffentlicht.

Dr. Gülşah Stapel stu­dierte Stadt- und Regionalplanung an der TU Berlin mit einem Schwerpunkt auf Denkmalpflege. Ihre Forschungsexpertise liegt in der Untersuchung von Identitäts- und Erbekonstruktionen im öffent­lichen Raum und Berliner Stadtgeschichte. Seit 2020 arbeitet sie als Kuratorin für Outreach für die Stiftung Berliner Mauer. Soeben ist ihr Buch „Recht auf Erbe in der Migrationsgesellschaft. Eine Studie an Erinnerungsorten tür­kei­stäm­miger Berliner:innen“ (Urbanophil 2023) erschienen.

Hito Steyerl ist Professorin für Experimentalfilm und Video an der Universität der Künste Berlin. Sie ist Medienkünstlerin, Filmemacherin, Kulturkritikerin und ‑theo­re­ti­kerin. Ihre inter­na­tional bekannten medien‑, technologie- und kul­tur­kri­ti­schen Arbeiten wurden mit zahl­reichen Preisen aus­ge­zeichnet. Die Ausstellung „I Will Survive. Films and Installations“ (gleich­na­miger Katalog von Spector Books) bildet die bisher größte Retrospektive ihres Gesamtwerks und wurde 2020 zunächst im K21 des Düsseldorfer Ständehaus, dann 2021 im Pariser Centre Pompidou gezeigt.

Dr. Kimiko Suda arbeitet an der Technischen Universität Berlin zu insti­tu­tio­nellem Rassismus in Deutschland. Sie ist ehren­amtlich bei kori­en­tation e.V. zu dekolonialer/antirassistischer Erinnerungskultur aktiv. Von 2011–2017 hat sie mit Dr. Sun-ju Choi das Asian Film Festival Berlin geleitet.

Impressum

Kurator und Projektleitung: Dr. Kien Nghi Ha.

In Kooperation mit bi’bak e.V., kori­en­tation. Netzwerk für Asiatisch-Deutsche Perspektiven e.V. und der Abteilung Koreanistik des Asien-Orient-Instituts der Universität Tübingen. 

Mit Filmen aus dem Bestand der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung in Wiesbaden.

Gefördert im Programm „Förderung zeit­ge­schicht­licher und erin­ne­rungs­kul­tu­reller Projekte“ der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa.


ENGLISH VERSION

A Film Program of the Project
DARE (Decolonize Anti-Asian Racist Entanglements)

in co-operation with SİNEMA TRANSTOPIA, sup­ported by kori­en­tation

Asian Presences in the Colonial Metropolis of Berlin
Localizing Decolonialization – Dekolonialisierung loka­li­sieren
Movies – Lectures – Discussions
Curator and project leader: Dr. Kien Nghi Ha

At SİNEMA TRANSTOPIA from 11.04. to 20.06.2023
Lindower Str. 20–22, House C, 13347 Berlin, subway and train station: Wedding
Info: sinematranstopia.com

Flyer Download HERE

About the Film Program

After the end of Imperial Germany, colonial-racist fan­tasies and ambi­tions were incre­asingly trans­formed into an ima­ginary colo­niality. Their cine­matic sta­gings not only delighted a mass audience, but also led to an ambi­guous over­lapping of fiction and reality. Not only film sets but film pro­duction and con­sumption also became cul­tural colonial spaces. This film, lecture and dis­cussion program is a pio­neering explo­ration of the “wild cos­mo­po­litan metro­polis Berlin in the Golden Twenties” as a colonial cul­tural space with (anti-)Asian refe­rences. At the same time, the deco­lonial debate will be expanded to include anti-Asian racism and ori­en­talism, and thus becoming more multi-perspectival. A book is planned for the end of 2023 (Assoziation A).

Film Screenings

11.04.2023 at 19:00: Das indische Grabmal – Die Sendung des Yoghi (1921) by Joe May, OmU, 132 Min.

“The world’s greatest film” – this large-scale pro­duction with colonial ambience was a crowd puller. In it, Joe May con­jured up mys­tical India, trans­forming the film city of Berlin-Woltersdorf into an “Indian” space with magni­ficent temples and palaces, popu­lated by dummies in fantasy cos­tumes and ele­phants. Enriched with sexua­lized female exo­ticism, it tells an intricate story in which the evil maha­rajah seeks revenge on his native wife and her British lover. This setting was so fasci­nating that after a German remake in the 1930s, Fritz Lang, who was already involved in the first pro­duction, filmed this nar­rative again in 1959.

Introduction by Dr. Subin Nijhawan:
British Empire, German Illusion – Über Tiger und Grabmale in der Kolonialzeit

Moderation: Anujah Fernando / Kien Nghi Ha

25.04.2023 at 19:00: Die Herrin der Welt – Die Freundin des gelben Mannes (1919) by Joe May, OV, 90 Min. With live music by silent film pianist Jürgen Kurz

Immediately after the loss of the non-European colonies, a monu­mental colonial epic com­prising eight parts was made in the now for­gotten film city of Berlin-Woltersdorf. Shot at great expense, it tells the adven­turous story of Maud Gregaards, a young woman as beau­tiful as she is white. In the first part
of her world-spanning journey, the edu­cator falls into the clutches of the brutal brothel owner Hai-Fung in the sou­thern Chinese city of Canton. She is freed with the help of Dr. Kien Lung, who, however, also turns out to be a dubious character.

Introduction by Dr. Tobias Nagl (via Zoom)
Entfreundet: Die Freundin des gelben Mannes (1919/20), asia­tische Präsenz und anti­ras­sis­tische Filmproteste in der Weimarer Republik

Moderation: Joshua Kwesi Aikins / Kien Nghi Ha

09.05.2023 at 19:00: Sumurun (1920) by Ernst Lubitsch, OmeU, 103 Min.

Unlike Joe May, Ernst Lubitsch was not only a master of Weimar cinema, but also became a star director in Hollywood. In his early film work, he repea­tedly used Oriental and Roma ste­reo­types to advance his career in the enter­tainment industry. Already filmed and dra­ma­tized by Max Reinhardt for the theater in 1910, just ten years later Lubitsch staged the material again in a monu­mental manner with a star cast at the Ufa studios in Berlin-Tempelhof. Sumurun is Lubitsch’s version of One Thousand and One Nights – a jea­lousy drama set in the pre-modern Orient that plays with European fan­tasies about the harem, ens­laved dancers and ori­ental despotism.

Introduction by Prof. Dr. Qinna Shen
A Berliner’s One Arabian Night: Lubitsch Orientalist Parody

Moderation: Sun-ju Choi / Kien Nghi Ha

23.05.2023 at 19:00: Piccadilly – Nachtwelt (1929) by Ewald André Dupont, OmeU, 109 Min.

Unlike the other films in the series, “Piccadilly” is not set in an ima­ginary Asia, but takes place in the heart of modern London with exotic excur­sions to Chinatown. Despite this setting, the ste­reo­ty­pical roles remain vir­tually unch­anged: in this tragic drama of love and jea­lousy, the US star Anna May Wong embodies a Chinese woman who, with ethnic chic, rises to become a sexually desi­rable showgirl in a nightclub but meets a tragic end. She is an Asian migrant worker who, as a seductive femme fatale, threatens but also satisfies the White man whilst at the same time becoming a victim of her own cul­tural origins.

Introduction by Yumin Li
Anna May Wong – ein chinesisch-amerikanischer Hollywoodstar in Berlin

Moderation: Kimiko Suda / Kien Nghi Ha

This Screening is part of the korientation-Festival zu(sammen)künfte (20.–27.05.2023).

06.06.2023 at 19:00: Hito Steyerl SPECIAL – Babenhausen (1997), 4 Min., Die leere Mitte (1998), 62 Min. Normalität 1‑X, (1999–2001), 37 Min. With OmeU.

This trilogy of Hito Steyerl’s early work can be read in many dif­ferent ways. It is not only a document of con­tem­porary history and an artistic and activist posi­tioning, but also an out­standing film essay. Created between 1990–1998, the impressive long-term study “The Empty Center” examines the invi­sible con­nec­tions between anti-Semitism, colo­nialism and racism in Berlin’s cul­tural and urban spaces. One example is the history of the “Haus Vaterland” located at today’s Potsdamer Platz. At the same time, these films also focus on migrant protest move­ments and Asian-diasporic voices resisting colonial con­ti­nuity and racist violence.

Followed by a Talk with Hito Steyerl, Gülşah Stapel, Kien Nghi Ha

20.06.2023 at 19:00: Halfmoon Files (2006) by Philip Scheffner, OmeU, 87 Min.

Not far from Berlin, the voice of the British colonial soldier Mall Singh was recorded on December 11, 1916 in the pri­soner of war camp Wünsdorf. The recor­dings, com­mis­sioned by the military, science and enter­tainment industry, were part of the sound archive “All Peoples of the World”. Today they are housed in the sound archive of the Humboldt University Berlin and refer to the colonial cha­racter of the First World War and the camp: In order to present itself as a caring colonial power, Germany’s first mosque for reli­gious prac­tices was built in the halfmoon camp for African, Arab and (South) Asian pri­soners. At the
same time, the camp and its inmates were used as film sets for German colonial pro­pa­ganda. Halfmoon Files traces these blurred colonial con­nec­tions in the Berlin area.

Followed by a talk with Philip Scheffner, Merle Kröger, Kien Nghi Ha

Speakers

Joshua Kwesi Aikins is a poli­tical sci­entist and human rights activist. He works as a research assistant in the department of “Development Policy and Postcolonial Studies” at the University of Kassel and is active, among other things, on the advisory board of the Initiative Black People in Germany (ISD). His research inte­rests include cul­tural and poli­tical repre­sen­tation of the African dia­spora, colo­niality and the politics of memory. as well as empowerment and gender equality data. He is co-author of the “Afrozensus”, a survey of Black, African and Afrodiasporic people in Germany.

Sun-ju Choi studied lite­rature at the University of Cologne and screen­writing at the German Film and Television Academy in Berlin. Her dissertation,„Vater Staat und Mutter Partei: Familienkonzepte und Repräsentation von Familie im nord­ko­rea­ni­schen Film“ was published in 2017. She serves as an honorary member of the board of directors for ndo e.V. and kori­en­tation e.V.

Anujah Fernando works as a cul­tural scholar and curator based in Berlin. Her work focuses on the politics of coll­ective memory as they relate to migration and colo­nialism. She pro­duces research-based exhi­bi­tions, publi­ca­tions and docu­mentary film pro­jects. Her par­ti­cular interest is on the prac­tices first and second gene­ration of migrants use to nego­tiate lan­guage and culture. Most recently, she co-curated the exhi­bition „Despite All: Migration to the Colonial Metropolis of Berlin“ at the FHXB Museum.

Dr. Kien Nghi Ha, cul­tural and poli­tical sci­entist, is a Postdoc rese­archer of Asian German Studies at the University of Tübingen. Numerous publi­ca­tions on post­co­lonial cri­ticism, racism and migration. Editor of „Asiatische Deutsche Extended. Vietnamesische Diaspora and Beyond“ (Assoziation A, 2012; 2021). His mono­graph „Unrein und ver­mischt. Postkoloniale Grenzgänge durch die Kulturgeschichte der Hybridität und der kolo­nialen ‚Rassenbastarde‘“ (tran­script, 2010) was awarded with the Augsburg Science Prize for Intercultural Studies. https://uni-tuebingen.de/en/208381

Merle Kröger works as an author, dra­ma­turge and curator in Berlin and has been part of pong Film since 2001. She also works as a uni­versity lec­turer in Halle and Mainz. She has published five novels, including Grenzfall (2012), Havarie (2015) and Die Experten (2021). As a curator, she has worked with Arsenal Institut für Film und Videokunst e.V. since 2007 on pro­jects including Work in Progress, Living Archive, and Die fünfte Wand. Navina Sundaram: Innenansichten einer Außenseiterin oder Außenansichten einer Innenseiterin, which received a nomi­nation for the Grimme Online Award 2022. www.merlekroeger.de

Jürgen Kurz is an impro­vi­sation artist. Whether on the pre­pared grand piano, electric piano or dusty piano, he makes the strings sound and keys clink. After stu­dying at the Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin, he made a name for himself as a com­poser, theater musician (including Volksbühne) and pianist, espe­cially as a silent film pianist – live in the cinema, open-air and at fes­tivals. For example at the Freiluftkino Friedrichshain, the Berlin International Film Festival, in the cinemas Babylon, Krokodil and at the Fusion Festival. No two per­for­mances are the same, because the films, which are now around a hundred years old, always shine dressed with new impro­vised sound.

Yumin Li is a cul­tural his­torian whose dis­ser­tation examines Anna May Wong’s career spanning several decades on four con­ti­nents. Together with
the coll­ective andcompany&Co. she is deve­loping the theater per­for­mance Shanzhai Express, which playfully deals with Anna May Wong (pre­mière 10.6.2023 at Volksbühne Berlin).

Dr. Tobias Nagl is a film and music critic, DJ, and has been Associate Professor of Film Studies at the University of Western Ontario in Canada since 2007. Research inte­rests: Film theory, silent film, avant-garde film, (post-)colonialism, Afro-German history before 1945, cri­tical theory. Book publi­ca­tions: “The Uncanny Machine: Race and Representation in Weimar Cinema” (2009) and (with Janelle Blankenship) “European Vision: Small Cinemas in Transition” (2015).

Dr. Subin Nijhawan is a research asso­ciate at the Institute of English and American Studies at Goethe University Frankfurt. His postdoc project gra­vi­tates around the nexus of mul­ti­l­in­gualism and sus­taina­bility, incor­po­rating lite­rature and media, in order to faci­litate an inter­sec­tional view. This also includes new models for global justice and a cos­mo­po­litan world citi­zenship, for pre­venting a Eurocentric domi­nance in discourses.

Philip Scheffner has been working as a visual artist since 1985. His feature-length artistic docu­men­taries The Halfmoon Files (2007), The Day of the Sparrow (2010), Revision (2012), And-Ek Ghes… (2016), and Havarie (2016) have been screened worldwide and won num­erous awards. Since 2021 he is Professor of Documentary Practices at the KHM Cologne. His new film Europe pre­miered at the Berlinale in 2022. Scheffner is part of the Berlin pro­duction platform / coll­ective pong (tog­ether with Merle Kröger, Alex Gerbaulet, Caroline Kirberg and Mareike Bernien).

Qinna Shen ist Associate Professor of German am Bryn Mawr College, Pennsylvania. Nach einem Germanistik-Studium in Beijing und Heidelberg pro­mo­vierte sie 2008 an der Yale Universität in den USA. Sie ist Autorin von „The Politics of Magic: DEFA Fairy-Tale Films“ und Mitherausgeberin von „Beyond Alterity: German Encounters with Modern East Asia.“ Sie hat viel über deutsch-asiatische Themen veröffentlicht.

Dr. Gülşah Stapel studied urban and regional planning at the TU Berlin with a focus on his­toric pre­ser­vation. Her research expertise lies in the study of identity and heritage con­s­truction in public space and Berlin urban history. Since 2020, she has worked as an out­reach curator for the Berlin Wall Foundation. She has just published her book „Recht auf Erbe in der Migrationsgesellschaft“ (Urbanophil 2023), a study on places of remem­berance of Berliners with a family back­ground from Turkey.

Hito Steyerl is pro­fessor of expe­ri­mental film and video at the Berlin University of the Arts. She is a media artist, film­maker, cul­tural critic and theorist. Her inter­na­tio­nally renowned media‑, technology- and culture-critical works have been awarded num­erous prizes. The exhi­bition „I Will Survive. Films and Installations“ (catalog published by Spector Books) is the largest retro­s­pective of her entire oeuvre to date and was first shown at the K21 of the Düsseldorf Ständehaus in 2020, then at the Centre Pompidou in Paris in 2021.

Dr. Kimiko Suda works at the Technical University of Berlin on insti­tu­tional racism in Germany. She is an active member of kori­en­tation e.V. and inte­rested in decolonial/antiracist memory culture. From 2011-
2017, she co-directed the Asian Film Festival Berlin with Dr. Sun-ju Choi.

Imprint

Curator and project leader: Dr. Kien Nghi Ha.

In coope­ration with bi’bak e.V., kori­en­tation. Netzwerk für Asiatisch-Deutsche Perspektiven e.V. and the
Department of Korean Studies, Institute of Asian and Oriental Studies at the University of Tübingen.

With films from the hol­dings of the Friedrich Wilhelm Murnau Foundation (www.murnau-stiftung.de) in Wiesbaden.

Funded by the program Promotion of Contemporary History and Remembrance Culture of the Berlin Senate Department for Culture and Europe.

Newsletter

Headerbild ©Hân Lê

Liebe korientation-Mitglieder, liebe Freund*innen,

wir hoffen, Ihr seid gut durch den Winter gekommen!

Wie Ihr viel­leicht gemerkt habt, haben wir schon länger keinen „echten“ Newsletter mehr ver­sandt. Wir nehmen den Faden mit dieser Ausgabe wieder auf und teilen mit Euch Recaps aus dem letzten Jahr, Neuigkeiten aus den Projekten und Save-the-Dates für unsere kom­menden Veranstaltungen!

Vorher möchten wir aber noch der acht Opfer des ras­sis­ti­schen Anschlags in Atlanta am 16. März 2021 gedenken.

Wir trauern um Daoyou Feng, Hyun Jung Grant, Suncha Kim, Soon Chung Park, Xiaojie Tan, Yong Ae Yue, Delaina Ashley Yaun, Paul Andre Michels.

Zwei Jahre später sind wir wei­terhin fas­sungslos, traurig und wütend über die grausame Ermordung von sechs chi­ne­si­schen und korea­ni­schen Migrantinnen sowie zwei weißer Menschen durch einen weißen christ­lichen Fundamentalisten. Der man­gelnden Aufarbeitung und Erinnerungsarbeit begneten Mitglieder der asia­ti­schen Diaspora/Asiatisch-Deutschen Community mit Kundgebungen unter anderem in Berlin und Köln und mit einem Offenen Brief, der am 16. April 2021 ver­öf­fent­licht wurde. Lest ihn hier nach.

Wer in Community gedenken möchte, kann am 18. März 2023 an der vom Spicy Ginko Collective orga­ni­sierten Gedenkveranstaltung „In Memory, In Resistance“ an der Friedensstatue in Moabit (Berlin) mit anschlie­ßendem Hangout teil­nehmen und/oder für diese spenden.

Lili für das MEGA Team


KORIENTATION-FESTIVAL

✨ korientation’s super sweet 15! ✨ \(◕ ◡ ◕\)

Save the date: korientation-Festival 20.–27. Mai 2023 in Berlin

Wir wollen eine Woche lang mit Euch feiern – in einem Community-Event mit allem, wofür unser Herz schlägt: Von Ausstellung über span­nendem Input durch Workshops und Talks bis hin zu Fun und Vernetzung durch Meet-Up und Party!

„zu(sammen)künfte“
In der Ausstellung möchten wir kori­en­tation vor­stellen, was wir gemacht haben, gerade machen und viel­leicht auch zukünftig machen wollen. Und wir möchten die Gelegenheit nutzen, weitere Akteur*innen vor­zu­stellen, weil kori­en­tation nur ein Teil einer viel grö­ßeren, viel­fäl­tigen Asiatisch-Deutschen Community und Bewegung ist.

Das Festival ist für uns ein Anlass, um zusam­men­zu­kommen und Grundlagen für Verbindungen und Vernetzungen zu schaffen, aus denen etwas für die Zukunft erwachsen kann.
…und dazu brauchen wir Euch!

📢 Aufruf an all unsere MITGLIEDER!
Liebe Mitglieder – wir würden uns sehr freuen, Euch alle bei unserem Festival zu sehen! Wir möchten Euch gern dazu auf­fordern, ein Statement, Gedanken, eine Erinnerung, einen Wunsch oder viel­leicht auch eine Vision als korientation-Mitglied anlässlich von 15 Jahren kori­en­tation an uns zu schicken. 
Wir möchten Eure Stimmen sammeln und in die Ausstellung inte­grieren, auch wenn es nur kurze Zitate sind!
Schickt uns eine E‑Mail mit maximal 350 Zeichen (inklusive Leerzeichen) unter Angabe des Namens, der ange­ge­benen werden soll.
→ 📩 Schreib an ausstellung@korientation.de

📢 Open Call: Ausstellung Vernetzungs-Space 🕸
In der Ausstellung planen wir drei Spaces:
1. kori­en­tation – History-Space
2. kori­en­tation – NOW!-Space
3. Vernetzungs-Space für Asiatisch-Deutsche Akteur*innen
Wir möchten Euch dazu ein­laden, Euch und Eure Gruppen/Initiativen/Kollektive/Projekte in unserer Ausstellung im Vernetzungs-Space vor­zu­stellen. Der Ausstellungsbeitrag erfolgt in Form eines Posters. Optional können kleinere Objekte oder auch mediale Beiträge, aller­dings nur nach Absprache, mit aus­ge­stellt werden.
Dieser Open Call richtet sich an alle Einzelpersonen, selbst­or­ga­ni­sierten Gruppen, Kollektive und Initiativen, die sich
1. selbst als Asiatisch-Deutsch, post­mi­gran­tisch und anti­ras­sis­tisch posi­tio­nieren
2. basis­ak­ti­vis­tisch, künst­le­risch, kulturell-medial, in der Politischen Bildung, wis­sen­schaftlich oder auf andere Weise mit gesell­schaft­lichen Verhältnissen aus­ein­an­der­setzen.
Wir freuen uns, von Euch zu hören!
⚡ Einsendefrist: 2. April 2023
→ Alle wich­tigen Infos sowie ein Kontaktformular dazu auf der Webseite.
→ 📩 Noch Fragen? Schreibt eine E‑Mail an aus­stellung@korientation.de

📢 Open Call: Helping Hands 🤝
Wir freuen uns über jede hel­fende Hand, auf bekannte sowie neue Gesichter. Wir sind dankbar für jede Unterstützung! Das kann Hilfe beim Ausstellungsaufbau/Abbau, Unterstützung als Awareness-Team, Graphik/Social Media Content-Skills, Medienunterstützung, Organisationsunterstützung all­gemein, Aufsicht, alles Mögliche sein, was bei einem Festival so anfällt!
→ Website: Anmeldungsformular
→ 📩 Schreib an info@korientation.de


SAVE THE DATE 📅

1. April 2023:
Mitgliederversammlung

kori­en­tation e.V.

Per Mail haben wir Euch (v.a. die Aktiven, Ordentliche Mitglieder) bereits ein­ge­laden. Die MV findet in Präsenz statt – wir möchten die Satzung ändern, um zukünftig auch digitale MVs abhalten zu können.

💌 Guckt in Euren Postfächern nach und meldet Euch bis 27. März 2023 an!

14. April 2023: Vernetzungstreffen: MEGA goes Nord

Wir orga­ni­sieren ein Vernetzungstreffen im schönen Kölibri in Hamburg St. Pauli und möchten Euch treffen, ken­nen­lernen und uns mit Euch aus­tau­schen! Bei einem 🫓🍛🥟🥥 Potluck-Buffet wollen wir gemütlich einen Abend lang klönen, essen und uns vernetzen.

🍹 Das Vernetzungstreffen ist ein Community-Event. Meldet Euch bis zum 12. April hier an!

20. April 2023: Digitaler Salon „VaryAsians#3: Asian enough?“

In unserem dritten, exklu­siven Mitgliedersalon zum Austausch über unser diverses Asiatisch-Deutsch-Sein sprechen wir darüber, ob und wie sehr wir uns als „aus­rei­chend“ Asian ver­stehen und fühlen, und warum. Mit dabei: Vorstandsmitglieder Sue Glaeser und Maria Nguyen. Weitere Infos tbc.

🙌 Members only!
Hier kannst Du noch schnell Mitglied werden.

3.–4. Juni 2023
RADAR-Zukunftswerkstatt

Kolonialismuskritische Horizonte für die poli­tische Bildung

Ein Angebot für Asians in der poli­ti­schen Bildungsarbeit

Wie sieht poli­tische Bildungsarbeit aus kolo­nia­lis­mus­kri­ti­scher Perspektive aus?
Was haben Identität und Selbstzuschreibungen mit Kolonialismus zu tun?
Wie können wir Praxen in der poli­ti­schen Bildungsarbeit schaffen und aus­bauen, die auf Solidarität mit anderen ras­si­fi­zierten und mar­gi­na­li­sierten Communities basieren?

Wir werden gemeinsam diesen und wei­teren Fragen nach­gehen und dabei immer wieder die Verbindung zur Reflektion über Kolonialität beibehalten.

Wir laden Aktive aus der poli­ti­schen Bildungsarbeit nach Köln ein! ⚡ Anmeldefrist: 2. April 2023

Programm, Anmeldung und weitere Infos findet Ihr hier.


BEMERKENSWERTES

Podium
Am 21. März 2023 findet die Tagung „Perspektive Rassismuskritik“ der Berliner Landeszentrale für Politische Bildung im Rahmen der inter­na­tio­nalen Wochen gegen Rassismus statt. Auf dem Abschlusspanel kommt unter anderem unser Vorstandsmitglied Sun-Ju Choi zu Wort. Wer dabei sein will, kann sich hier anmelden: www.berlin.de/politische-bildung. ­ ­ ­ ­
­Veranstaltungstipp
Am 11. April 2023 startet die Filmreihe „Asiatische Präsenzen in der Kolonialmetropole Berlin: Localizing Decolonialization – Dekolonialisierung loka­li­sieren“ des Projekts DARE (Decolonize Anti-Asian Racist Entanglements), die von unserem Mitglied Kien Nghi Ha kon­zi­piert und kura­tiert wird. Das Ganze findet in Kooperation mit bi’bak statt und wird sup­ported von Community-Partner kori­en­tation. Die Filme und ein sehr inter­es­santes Diskursprogramm finden im SİNEMA TRANSTOPIA in Berlin-Wedding statt. Infos sind bald auf www.sinematranstopia.com zu finden! 
­ ­ ­Medienkritik
Am 16.02.2023 erschien im Lokalteil der Süddeutschen Zeitung der Artikel „Die fal­schen Chinesen zu Dietfurt“ von Lisa Schnell. Diese Berichterstattung zeigt lehr­buch­artig auf, wie weite Teile der deut­schen Medien wei­terhin mit ras­sis­ti­schen Phänomenen sowie ras­sis­mus­kri­ti­schen Ansätzen umgehen. Lest hier den Kommentar und Offenen Brief unseres Vorstandstandmitglieds Su-Ran Sichling dazu. 
­Laufende Kampagnen!
Unterstützt „Pass(t) uns allen“ - Kampagne für ein gerechtes Staatsbürgerschafts‑, Einbürgerungs- und Wahlrecht. Wir sind als Bündnispartner dabei und möchten Euch bitten, die Petition zu unter­zeichnen und zu ver­breiten und bei Interesse ihrem Insta-Kanal zu folgen.
Ein Beispiel für die Bedeutung dieser Kampagnen ist der absurde, wütend machende Fall von Pham Phi Son, der vor über 35 Jahren als viet­na­me­si­scher Vertragsarbeiter nach Deutschland kam und wegen einer Formalität (wegen ärzt­licher Behandlung zu lange im Ausland gewesen) die Aufenthaltserlaubnis ver­loren hat. Die ganze Familie inklusive eines Schulkindes soll nun abge­schoben werden – die Härtefallkommission bleibt hart. Auch dies ist kein Einzelfall. Unterstützt diese Kampagne: www.openpetition.de/petition/online/nach-35-jahren-in-sachsen-familie-pham-nguyen-muss-bleiben-phamphisonbleibt

AUS DEM VEREIN

Team-News

Es gibt ein paar Änderungen und Neuigkeiten in unserem Team und wir freuen uns, die neu­esten und neueren und nicht ganz so neuen Menschen bei kori­en­tation vorzustellen:

akiko (keine Pronomen) ist bereits seit Oktober letzten Jahres bei kori­en­tation dabei und freut sich, im Rahmen vom Projekt RADAR die Themenbereiche Asiatisch-Deutsche Gegenwart & Geschichte und poli­tische Bildungsarbeit zusam­men­zu­bringen.
akiko mag es nämlich Verbindungen zu ziehen, Punkte, Themen und Räume neu kreativ mit­ein­ander zu con­necten und Spaces für Vernetzung zu gestalten und geht dabei der Frage nach, wie wir ver­schiedene Kämpfe mehr mit­ein­ander ver­binden können, während wir Unterschiede aner­kennen.
Seit 2017 ist akiko in die poli­tische Bildungsarbeit ein­ge­taucht und fokus­siert macht­kri­tisch die Themen Rassismus, Intersektionalität, Queerfeminismus, Empowerment, Powersharing und poli­tische Körperarbeit.
In den letzten Jahren lernt akiko immer mehr und immer weiter unsere Körper in allen Sphären und auch in der Bildungsarbeit mit­zu­nehmen und lernt von tollen Menschen Embodied Social Justice (Verkörperung von Social Justice) zu fokus­sieren.
Außerdem: Bei allem was mit Teigtaschen 🥟und Nudelsuppen 🍜 zu tun hat ist akiko dabei und ver­bringt auch gerne min­destens einen Tag pro Woche draußen ohne Bildschirm.

Vee haben wir nach der ersten Zusammenarbeit im letzten Jahr als Social Media-Person ins MEGA-Team geholt. Hier eine kleine Nachricht von Ihr an Euch:
Helu, ich bin Vee (alle Pronomen) und auf Social Media für alle korientation-Themen zuständig. Mein Alltag besteht darin zu über­legen, wie ich euch dazu ver­führe, zu unseren Events zu kommen, wie ich die Teammitglieder zwinge, ein Video zu machen und wie wir die Community noch mehr sup­porten können. 
Ich bin die Person, die all eure lieben Nachrichten liest und sieht, wenn ihr mit Herzchen auf unsere Beiträge oder Reposts reagiert. Das zeigt uns, dass die Themen für euch ebenso wertvoll sind wie für uns und für diese Bestätigung möchte ich mich bedanken.
Hoffentlich kann ich euch alle mal auf unseren Vernetzungstreffen kennen lernen und schicke bis dahin viel Liebe!
Eure Social Veedia

PS: Vee ist auch als Musiker*in/Sänger*in aka Planet Veenus bekannt. Hört und guckt mal rein! Zuletzt war Vee auf der Rice & Shine Abschiedsparty mit einem phä­no­me­nalen Auftritt zu sehen!

Ich, Lili (sie/ihr), unter­stütze kori­en­tation, ins­be­sondere das MEGA-Team seit Neuestem, nämlich seit Anfang Februar.
Ich inter­es­siere mich für Re-Präsentationsformen und die Möglichkeiten der Sichtbarmachung des weniger Sichtbaren durch ver­schiedene Medien. Mein Herz schlägt besonders für Comics, Bücher und Musik, die unbe­kannte Perspektiven und Lebensrealitäten greifbar(er) machen (u.a. habe ich diese auch in meinen Studien zu Kunst, Musik und Medien sowie Kulturwissenschaft und ‑semiotik untersucht).😍

🙌 Wir freuen uns sehr darüber, dass nun alle zusammen im Team sind! Willkommen an Board, wir drei! 🙌


VERGANGENE VERANSTALTUNGEN

Wir haben für Euch hier ins­be­sondere aus den Projekten die wich­tigsten Veranstaltungen und Aktivitäten zusam­men­ge­fasst. Mehr findet Ihr natürlich auf unserer Webseite.


PROJEKT MEGA

Ein gemüt­liches MEGA New Year Vernetzungstreffen fand am 21. Januar 2023 im BIWOC* Rising in Berlin statt. Wir haben uns über alle gefreut, die mit uns gemeinsam in das neue (🐱/🐰)-Jahr gefeiert haben – bei einem super­le­ckeren Potluck-Mahl und inter­es­santen Begegnungen! To be con­tinued im Mai…

Das MEGA-Team hat sich am 10. Dezember 2022 mit einem MEGA openUP an dem Open House-Wochenende des Hausprojekts Schwarzenberg e.V. beteiligt – da sitzen wir nämlich drin und dort wird auch unser Festival statt­finden. Eine Pop-Up Ausstellung mit Arbeiten aus den lau­fenden Projekten gewährte bei Keksen und Tee Einblicke in die Vereinsarbeit und die Büroräume von korientation.

Unser Talk „Being Stopped and Unstoppable“ als zweiter Teil der Talkreihe „Shut Up and Listen“ fand am 06.10.2022 im BIWOC* Rising, Berlin statt. Die tollen Gäst*innen Sarah Naqvi, Olivia Hyunsin Kim, Thu Hoài Trần, mode­riert von Shivā Amiri sprachen über die Bedeutung von Körper/arbeit in Diskussionen um Empowerment und Widerstand. Ihr findet Infos und die Videodokumentation auf unserer Webseite.

Am 16. September 2022 fand unser Panel zu „30 Jahre nach dem Pogrom von Rostock-Lichtenhagen. Community-übergreifende Erinnerungskultur als wider­ständige Praxis“ statt. Dabei waren sowohl Perspektiven aus der viet­na­me­si­schen als auch der Rom*nja-Community ver­treten. Das Panel wurde durch zwei ein­füh­rende Vorträge ein­ge­leitet. Ihr findet Infos und die Videodokumentation auf unserer Webseite.

Das Projekt MEGA wird im Rahmen des Demokratie leben!-Programms durch das BMFSFJ gefördert sowie im PartInt-Programm durch das Land Berlin.


PROJEKT RADAR

RADAR ist unser erstes großes Projekt im Bereich der poli­ti­schen Bildung und steht für Ressourcen von/für Asiatische Deutsche gegen anti-asiatischen Rassismus.

Das Projektteam hat mit dem Projektstart im August 2022 direkt los­gelegt und arbeitet derzeit an einer digi­talen Broschüre, die als Ausgangspunkt für die inhalt­liche Auseinandersetzung mit den zen­tralen Themenstellungen im Projekt dienen soll. Veröffentlichung ist bald!

Das erste Netzwerktreffen für poli­tische Bildner*innen fand am 27. Januar 2023 online statt. Die Team-Mitglieder Cuso und akiko und Moderation Methu waren über­wältigt von der Resonanz und dem Interesse an diesen Formaten.

Eine Folgeveranstaltung in Form der ersten Zukunftswerkstatt wird am 3./4. Juni 2023 darauf auf­bauend in Köln statt­finden, siehe Ankündigung weiter oben unter Save-the-Dates.

Und wir freuen uns darauf, akiko und Cuso im Rahmen des korientation-Festivals im Mai in Berlin zu sehen, wo sie das Projekt und ihre Arbeit vor­stellen werden!

RADAR wird von der Bundeszentrale für Politische Bildung gefördert.


Postkoloniale Asiatisch-Deutsche Präsenzen in Berlin

In dem Themenfeld „Postkoloniale Asiatisch-Deutsche Präsenzen“ ent­wi­ckeln wir Projekte, um kolonial kon­stru­ierte und homo­ge­ni­sie­rende Narrative von ‚Asien‘ und Asiatisch-Deutschen Präsenzen zu brechen und zu dekonstruieren.

Wir haben letztes Jahr ein erstes Recherche-Projekt durch­ge­führt, für das wir Anujah Fernando und Linh Müller gewinnen konnten. Beide haben zum Thema Postkoloniale Asiatisch-Deutsche Präsenzen in Berlin recher­chiert und geschrieben und zusammen den Artikel „Asiatische Präsenzen im Berlin der Zwischenkriegszeit: Inder:innen, Koreaner:innen und Community über­grei­fende Begegnungen“ ver­fasst. Der Artikel wurde mit ver­tie­fenden Materialsammlungen zu den beiden Themenschwerpunkten „Koreaner:innen im Berlin der Zwischenkriegszeit“ sowie „Antikoloniale Vernetzung von Inder:innen im Berlin der Zwischenkriegszeit“ von ihnen ergänzt. Ihr findet alles auf unserer Webseite.

Das Projekt wurde von der Berliner Landeszentrale für Politische Bildung gefördert.


Teilnahme am Projekt #CommunitiesSolidarischDenken und Broschüre
„Zusammen als People of Color?!

Wir haben 2022 an dem Projekt #CommunitiesSolidarischDenken – Zusammen als People of Color?!Überlegungen zu nach­hal­tiger Community-Zusammenarbeit III von xart splitta teil­ge­nommen. Dabei ging es ins­be­sondere um das Thema Selbstbezeichnungen, Positionierungen und Identitätsmarker, den Ein- und Ausschlüssen, die damit ein­her­gehen, begriffs- und bewe­gungs­ge­schicht­lichen Kontextualisierungen und Konjunkturen und die Wiederkehr und Weiterentwicklung von Diskursen rund um das Thema – wie wollen wir uns bezeichnen (oder nicht) und wie wollen wir weshalb wozu damit umgehen.

Hierzu hat xart splitta eine Broschüre her­aus­ge­geben, die unter­schied­liche Positionen der Teilnehmenden und darüber hinaus zu den Begriffen PoC/BPoC/BIPoC ver­sammelt – hier geht es zum Download der Broschüre.




HINWEISE

YoungUP!
Für das Programm „YoungUp!“ von April bis Dezember 2023 werden Teilnehmende gesucht. „YoungUP!“ richtet sich an junge BIPoC; sowohl Politik-Newbies als auch erfahrene Aktivist*innen von 17 bis 35 Jahren. Das Programm bietet den Teilnehmenden einen Raum, in dem sie ihre Handlungsfähigkeit stärken, Ideen ent­wi­ckeln, kon­struktiv streiten und poli­tische Veränderungen anstoßen können.
Weitere Infos auf der Projekt-Website


Bleibt mit uns in Kontakt und schreibt uns, wenn Ihr Ideen und Anregungen für unsere Arbeit habt oder etwas in unseren Newsletter auf­nehmen lassen wollt! 💌


AllgemeinProjekt RADARVeranstaltungen

Ein Angebot für Asians in der politischen Bildungsarbeit

Sa. 03. & So. 04. Juni 2023 in der Alten Feuerwache Köln

Wie sieht poli­tische Bildungsarbeit aus kolo­nia­lis­mus­kri­ti­scher Perspektive aus? Was haben Identität und Selbstzuschreibungen mit Kolonialismus zu tun? Wie können wir Praxen in der poli­ti­schen Bildungsarbeit schaffen und aus­bauen, die auf Solidarität mit anderen ras­si­fi­zierten und mar­gi­na­li­sierten Communities basieren? Welche Werkzeuge und Strategien brauchen wir, um den Mythos der Vorzeigeminderheit auf­zu­decken und aktiv gegen das Teile-und-Herrsche-Prinzip vor­zu­gehen? Auf welche Art und Weise ver­mitteln wir Wissen in den Lernräumen, die wir kre­ieren? Und wie kann ein gemein­samer Austausch aus­sehen, in dem wir uns in Selbstkritik und Verantwortungsübername in unserer Praxis üben?

Das Projekt RADAR von kori­en­tation lädt Anfang Juni Aktive aus der poli­ti­schen Bildungsarbeit zu einer zwei-tägigen Zukunftswerkstatt nach Köln ein. Wir werden gemeinsam diesen Fragen nach­gehen und dabei immer wieder die Verbindung zur Reflektion über Kolonialität bei­be­halten. Wir freuen uns auf euch!

Ihr könnt euch bis zum 02.04.2023 anmelden.
Zum Anmeldeformular kommt ihr weiter unten.

Ziele

  • Reflexion über Identitätskonstruktionen und eigene Verbindung zu ihnen
  • Selbstkritischer Blick auf die eigene Praxis der poli­ti­schen Bildungsarbeit
  • Methodenentwicklung zur Thematisierung vom Mythos Vorzeigeminderheit
  • Erkundung von Notwendigkeiten und Möglichkeiten zur Solidarisierung mit ver­schie­denen Positionierungen
  • Materialsammlung für eine kri­tische, deko­lo­niale poli­tische Bildungsarbeit mit Schwerpunkten auf ver­schiedene asia­tische Diasporen entwickeln


Programm

Samstag 03.06.Sonntag 04.06.
10.00- 11.30
Uhr
Ankommen, Kennenlernen,
Thematische Einführung

Thematischer Input zur Verbindung von kri­ti­schen Perspektiven auf poli­tische Bildung und wieso kolo­ni­al­kri­tische Perspektiven aus­schlag­gebend für das Netzwerktreffen sind.
Ankommen und Open Space

Möglichkeit Bedürfnisorientierte Spaces zu gestalten.


11.45- 13.45Block 1
Selbstzuschreibung und Identität

„Ich fühl mich so zwi­schen zwei Stühlen hin- und her­ge­rissen.“
Wir wollen wissen, wie diese Stühle gebaut werden und wieso Menschen sich so fühlen, als müssten sie einen guten Stuhl für sich finden.
Block 3
Interkommunale Solidarität

Bildungsräume schaffen, die posi­tio­niert arbeiten und sich gleich­zeitig in Solidarität mit anderen Positionierungen treffen.


Pause
14.45- 16.45Block 2
Mythos Vorzeigeminderheit


Gemeinsam Strategien finden, den Mythos zu the­ma­ti­sieren & auf­zu­decken, wie er die realen Gewalterfahrungen unsichtbar macht, aber auch ver­sucht Asians als Schachfiguren weißer Vorherrschaft ein­zu­setzen. Nicht mit Uns.
Block 4
Intervisions- und Reflexionsräume auf­bauen


Praxisübung zu kol­le­gialer Fallberatung und Aufbau eines regel­mä­ßigen Intervisionstreffens. Austausch zu Räumen der (Selbst-)Kritik und Verantwortungsübernahme.
Pause
17.00- 17.30Abschluss und Ausblick Tag 2Abschluss
Optionales gemein­sames Abendessen


Ressourcen nach Themenblöcken

Im Laufe der Zukunftswerkstatt werden wir die Themenblöcke behandeln und die Ressourcen darauf unter­suchen, inwiefern sie mit Theorien, Praktiken und Verständnissen zusam­men­hängen, die gewaltsam durch Kolonialismus eta­bliert wurden.

Diese Liste wird sich immer weiter mit Ressourcen füllen.

Allgemein

Block 1: Selbstzuschreibung und Identität

Block 2: Mythos Vorzeigeminderheit

Block 3: Interkommunale Solidarität

Block 4 Feedback, (Selbst-)Kritik und Reflexion


Für wen ist die Zukunftswerkstatt

Sie richtet sich an in der poli­ti­schen Bildungsarbeit aktive BIPoC, die Bezüge zu Nord-/Süd-/Ost-/Südost-/Vorder- oder Zentralasien stra­te­gisch für sich wählen (können), um ihre viel­fäl­tigen Lebensrealitäten sichtbar zu machen und Fragen von Rassismus und anderen Ausschlüssen aus einer spe­zi­fi­schen Perspektive soli­da­risch anzu­sprechen.
Wenn Du Zweifel hast und nicht weißt, ob diese Selbstbezeichnung für Dich funk­tio­niert oder Du dich dar­unter wie­der­findest, melde Dich gerne bei uns und wir sprechen darüber!

Anmeldungen

Ihr könnt Euch bis zum 02.04.2023 für die Zukunftswerkstatt in Köln anmelden.

Falls mehr Anmeldungen ein­gehen, als wir Plätze ver­geben können, wählen wir nach the­ma­ti­schen Überschneidungen mit der Praxis der poli­ti­schen Bildungsarbeit und Wohngebiet aus, da wir eine selbst­or­ga­ni­sierte Schlafplatzbörse anstoßen werden.

Die Anmeldungen sind geschlossen.

Unterkunft und Anfahrt

Die Anfahrtskosten können über­nommen werden. Schlafplätze können wir leider nicht stellen, und werden daher eine selbst­or­ga­ni­sierte Schlafplatzbörse anhand eurer Anmeldungen ein­leiten. Alle Personen, die ange­nommen werden und keine Unterkunft in Köln haben, werden einen Schlafplatz bekommen.
Für die Leute, die näher an Berlin dran sind: wir werden eine ähn­liche Zukunftswerkstatt im Herbst in Berlin anbieten, stay tuned!

Barrieren

  • Hinkommen: Die Zukunftswerkstatt wird in der Alten Feuerwache in Köln statt­finden. Die nächsten Bus- & Bahnhaltestellen sind ca. 5 Minuten zu Fuß ent­fernt. Falls du Parkplätze direkt an der Feuerwache benö­tigst, schreib uns gerne eine Mail.
  • Reinkommen: Wir werden in Räumen sein, die nur durch Treppen zugänglich sind. Die Zukunftswerkstatt ist umsonst.
  • Klarkommen: Wir werden am Anfang eine Accessibility Need Runde (Bedürfnisrunde zu Zugänglichkeit & Barrieren) machen, in der alle ihre Bedürfnisse äußern können, um gut an der Zukunftswerkstatt teil­nehmen zu können.
  • Corona: Wir werden uns alle an beiden Morgen auf Covid selbst­testen. Weitere Hygieneabstimmungen können wir gemeinsam treffen.

Schreib uns auch gerne im Vorhinein und teil uns mit, was du brauchst, um gut am Treffen teil­nehmen zu können.


Kontakt
Falls ihr Fragen oder Unsicherheiten bzgl. der Zukunftswerkstatt habt, kon­tak­tiert uns sehr gerne!
Team: radar(at)korientation.de 
Cuso Ehrich: cuso.ehrich(at)korientation.de
akiko rive: akiko.rive(at)korientation.de



Credits
Illustration RADAR Logo: Sophia Brown 


RADAR ist ein Projekt des kori­en­tation e.V.

Gefördert von der Bundeszentrale für poli­tische Bildung

Die Veröffentlichung stellt keine Meinungsäußerung der BpB dar.
Für inhalt­liche Aussagen tragen die Autor*innen die Verantwortung.

RAA Berlin Region Nord-Nordwest

BlogMedienkritikVerein

Am 16.02.2023 erschien im Lokalteil der Süddeutschen Zeitung der Artikel „Die fal­schen Chinesen zu Dietfurt“ von Lisa Schnell. Für diesen Artikel wurde sehr kurz­fristig der kori­en­tation e.V. um ein Interview ange­fragt und durch unser Mitglied Dr. Kien Nghi Ha beant­wortet. Diese Berichterstattung zeigt lehr­buch­artig auf, wie weite Teile der deut­schen Medien wei­terhin mit ras­sis­ti­schen Phänomenen sowie ras­sis­mus­kri­ti­schen Ansätzen umgehen. – womit sich auch der fol­gende Kommentar unseres Vorstandstandmitglied Su-Ran Sichling beschäftigt, der auch als Offener Brief an die Redaktion der SZ geschickt wird.
Der SZ-Artikel ver­schwand kurz nach seiner Veröffentlichung hinter einer Paywall. 

Beobachtungen zu wiederkehrenden Argumentationsmustern in deutschen Medien

Äußern sich weiße Journalist*innen deut­scher Medien über ras­sis­tische Phänomene – seien es Debatten um ras­sis­tische Sprache in Kinderbüchern oder umstrittene Karnevalspraktiken wie im Artikel „Die fal­schen Chinesen von Dietfurt“ von Lisa Schnell – zeigen sich die immer gleichen Argumentationsmuster. Dass dabei jour­na­lis­tische Genauigkeit auf der Strecke bleiben, ist leider ebenso oft zu beobachten.

Dieser Kommentar möchte nicht erneut beur­teilen, ob in Dietfurt ras­sis­tische Stereotype repro­du­ziert werden. Vielmehr möchte er die medialen Argumentationsmuster in den Blick nehmen, die bemer­kenswert oft zu beob­achten sind, wenn deutsche (weiße) Medien sich zu Rassismuskritik äußern.

Zuerst – so der popu­lis­tische Fahrplan der Journalist*innen – müssen gesell­schaft­liche Fronten gezogen werden: Zwischen denen, die lachen und das alles nicht so ernst nehmen (müssen) und all den anderen – die Schreiberin Lisa Schnell weiß anscheinend selbst nicht so genau, wer über­haupt etwas gegen den „Riesenspaß eines Chinesenfaschings“ haben könne: Vielleicht, so ver­mutet die Schreiberin, ließen sie sich unter den größten gemein­samen Nenner des Gendersternchens sub­su­mieren. Gerne werden in Artikeln zu Rassismusvorwürfen alle poli­ti­schen Kämpfe um Feminismus, Gendergerechtigkeit, Antisemitismus und Antirassismus[1] in einen Topf geworfen. Dabei geht es mit­nichten darum, den Kritiker*innen mehr Gewicht oder Stimme zu geben – vielmehr sollen die spe­zi­fi­schen Forderungen der ein­zelnen Kämpfe ent­kräftet werden. So genau will es eine weiße Dominanzgesellschaft aber auch nicht wissen, worum im Einzelnen gekämpft wird. Des Öfteren werden hier auch Begrifflichkeiten ver­wechselt, um dann in Folge, Praktiken der weißen Mehrheitsgesellschaft doch positiv inter­pre­tieren zu können, wie es bei­spiels­weise Ewald Hetrodt in seinem Artikel „Die Angst vor dem schwarzen Mann“[2] vor­nimmt. Hier wird „Blackfacing“ ersetzt durch den Begriff der kul­tu­rellen Aneignung, der – laut Hetrodt – eine stärkere Differenzierung erlaubt, um dann in Folge auch ver­meintlich positive Beispiele von kul­tu­reller Aneignung zu nennen. Was „Blackfacing“ mit kul­tu­reller Aneignung zu tun hat, erschließt sich der Schreiberin dieses Artikels aller­dings nicht.

Leider kann sich die Schreiberin Schnell nicht einer gewissen Parteilichkeit ver­wehren. Interviewpartner*innen wie der Kultur- und Politikwissenschaftler Kien Nghi Ha werden als größt­mög­liche Krach[-macher] ange­kündigt, denen man aber zu Beginn des Artikels dann lieber doch nicht das Wort geben möchte. „Angemessen“ – so der Artikel – ist es dann eher, zuerst einen Befürworter des Karnevals sprechen zu lassen. Neben der par­tei­ischen Wortwahl hat Schnell aber auch eine grund­le­gende Sache miss­ver­standen: Geht es der weißen Mehrheit bei Rassismusfragen meist darum, die eigene Meinung gelten zu lassen und dass man sich laut Autorin einfach „an einen Tisch setzen sollte“, so stellt sich bei Angehörigen einer dis­kri­mi­nierten Minderheit oft die Frage nach Rassismus als struk­tu­relles Problem. Oft würden sich von Rassismus betroffene Menschen lieber über das Phänomen Rassismus äußern als über per­sön­liche Erfahrungen. Einer weißen Mehrheit ist es anscheinend aber auch nach gedul­digem Erklären (Kien Nghi Ha hat es bewun­derns­werter Weise wieder einmal ver­sucht) nicht möglich nach­zu­voll­ziehen, dass die Benachteiligung in Deutschlands Institutionen, Gesetzen, Schulen und Behördenroutinen pas­siert. Und dass dahinter oft keine indi­vi­duelle, böse Absicht stecken muss, sich also Jede*r immer wieder ver­si­chern kann, dass man ja selbst niemals ras­sis­tisch handeln würde.

Noah Sow schreibt in diesem Zusammenhang, dass weiße Deutsche von Geburt an u.a. das Privileg haben, jede andere Kultur nach­äffen oder sich in Teilen aneignen zu können. Dass sie auch bestimmen dürfen, inwiefern die Errungenschaften und Meinungen aller Menschen, die nicht weiß sind, zählen.

Der Artikel von Lisa Schnell offenbart einmal wieder die abwer­tenden medialen Praktiken, die die bestehenden Hierarchien und sozio­kul­tu­rellen Ausschlüsse ver­fes­tigen. Kien Nghi Ha kommt an einer anderen Stelle zu dem Schluss, dass auf­grund dieser weißen medialen Deutungshoheit vielen Menschen mit einer Migrationsbiographie öffent­liche Sichtbarkeit ver­wehrt bleibt. Zwar werden sie mitt­ler­weile gerne von Journalist*innen inter­viewt, aber nur um den humor­losen „Krachmacher*innen“ mit einer Gegenstimme – dem „einzig echten Chinesen von Dietfurt“ – im Nachgang zu beweisen, dass das, was man tut, in keinem Fall ras­sis­tisch ist. Dass sich aller­dings zu allem und jedem immer eine Stimme (die, even­tuell auch sozial, öko­no­misch etc. abhängig ist von der Mehrheitsmeinung) finden lässt, um die Kritik an der Sache zu ent­kräften, dürfte eigentlich klar sein.

Dass Artikel dieser Art durch die Gegenüberstellung gesell­schaft­licher Fronten oft sehr bewusst einen Aufschrei („…und sie wird wieder los­gehen, die Debatte um den Dietfurter „Chinesenfasching“) pro­vo­zieren wollen, um somit Aufmerksamkeit zu gene­rieren, scheint anscheinend in Krisenzeiten von Printmedien immer wieder das heils­ver­spre­chende Mittel gegen eine schwin­dende Leser*innenschaft. Journalist*innen dieser Medien gehen hier von tra­genden Teilen der Gesellschaft aus, die mehr­heitlich weiß ist. Die, so Hetrodt in oben genanntem Artikel, „regis­trieren, dass das Normale plötzlich skan­da­li­siert und das Vertraute aus dem öffent­lichen Leben gedrängt wird“. Weiter sagt er: „Und sie [die tra­genden Teile der Gesellschaft, Anm.] schauen auf das Bild, das im öffent­lichen Diskurs von dem Staat gezeichnet wird, den sie mit­tragen und mitfinanzieren.“ 

Hier zeigt sich, dass Medien ein bestimmtes Weltbild kon­stru­ieren und damit auch ver­bundene Normen- und Wertesysteme. Doch: In einer Gesellschaft in der mitt­ler­weile beinahe 30 % der Menschen einen soge­nannten Migrationshintergrund[3] haben (Tendenz steigend) stellt sich die Frage: Welche medial dar­ge­stellte Welt bleibt also heute noch für den Großteil der Menschen nach­voll­ziehbar? Und: Wer sind die tra­genden Teile der Gesellschaft?

Die Autorin Su-Ran Sichling ist Vorstandsmitglied des kori­en­tation e.V.


[1] Siehe auch der Artikel „Die kleine Hexenjagd“ von Ulrich Greiner, in: Die ZEIT, 17.01.2013, https://www.zeit.de/2013/04/Kinderbuch-Sprache-Politisch-Korrekt?

[2] Siehe auch der Artikel „Die Angst vor dem schwarzen Mann.“ von Ewald Hetrodt, in: Die FAS, 19.02.2023, https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/blackfacing-an-karneval-mohr-bei-fastnacht-in-hessen-18686690.html

[3] 2021 lebten in Deutschland rund 22,6 Millionen Menschen mit einem soge­nannten Migrationshintergrund – das ent­spricht 27,5 Prozent der Bevölkerung (2020 lag der Anteil bei 26,7 Prozent), Quelle: Statistisches Bundesamt.

BlogVeranstaltungen

Asian New Yorkers protest in August 2021

Call for Paper – PDF download

Conference “Anti-Asian Racism: History, Theory and Case Studies”

Venue: Schloss Hohentübingen at the University of Tübingen, Germany
Date: 07.07. – 08.07.2023, hybrid con­fe­rence
Conveners: Dr. Kien Nghi Ha and Prof. Dr. You Jae Lee
Host Institution: Department of Korean Studies, Institute of Asian and Oriental Studies at the University of Tübingen

Thematic Focus and Issues

In the trans­na­tional Corona pan­demic, Asian-related racism became common head­lines in the media of many Western immi­gration societies. In the course of this deve­lo­pment, the term as well as the topic of “anti-Asian racism” became more pro­minent – in Germany for the very first time. Although anti-Asian pro­jec­tions and its accom­panying colonial-racist con­s­truc­tions have been a con­sti­tutive com­ponent of Western modernity, they have hardly been per­ceived as a relevant topic in many European nations. This is also the case in German-speaking countries and its poli­tical, cul­tural and edu­ca­tional insti­tu­tions. Thus, the aca­demic research on the history and com­ple­xities of Asian German Diaspora, the sub­jec­ti­vities and needs of Asian immi­grant com­mu­nities is still largely mar­gi­na­lized and mostly deemed as unim­portant. This is espe­cially true for aca­demic rese­arches that centers the rich history of anti-Asian dis­courses and ste­reo­types as well as related con­tem­porary prac­tices, immi­gration policies and move­ments in Germany and other European countries.

To tackles this, the workshop aims at streng­thening local coope­ration as well as trans­na­tional net­working. We like invite scholars from all aca­demic disci­plines to con­tribute. Inquiries from the Humanities including but not limited to Asian German Studies, Asian Diasporic Studies, Asian American Studies, Asian Studies, European Studies, German Studies, Anthropology, Media Studies, History and Social Sciences in general as well as other fields of expertise are welcome. Through the inclusion of multi-disciplinary exch­anges and insights we seek to broaden our per­spec­tives and under­standing. We encourage espe­cially scholars of Color and young aca­demics to apply, who aims to explore this field of research in the German context.

The conference is divided into three sections:

1) The section “History” dis­cusses his­to­rical back­grounds of the origin of Asian dia­sporas in Western societies. In addition to legal frame­works and poli­tical prac­tices, the atti­tudes and reac­tions of the White main­stream are also relevant. Travel routes, work, housing, lan­guage, and gender dif­fe­rences and other social and spatial dimen­sions are also of great importance for the structure of Asian dia­sporic com­mu­nities. Likewise, the modes of response to racism, self-organization, and com­munity building are also important for the arrival and sett­lement pro­cesses. In this context, a com­pa­rative per­spective allows for infe­rences not only about local, regional, and national, but also about trans­na­tional ana­logies and differences.

2) The section “Theory” deals with approaches that his­to­ri­cally recon­s­truct, define, and ana­ly­ti­cally classify anti-Asian racism and its various mani­fes­ta­tions. In addition to the func­tioning of struc­tural exclu­sions and insti­tu­tio­na­lized dis­cri­mi­na­tions, the con­s­truction and mea­nings of cul­tural ste­reo­types in popular culture or media can also be examined. Intersectional rela­tions to other forms of racism and social cate­gories such as class, gender and sexuality are also of great interest.

3) The section “Case Studies” narrows down the object of study and, with its inductive approach, allows for a change of per­spective that high­lights inte­resting aspects that are easily over­looked in the macro view. Possible formats include his­to­rical, poli­tical, cultura eventsl, but also indi­vidual cases, smaller-scale the­matic aspects, bio­gra­phical ana­lyses, exem­plary reception his­tories of cul­tural arti­facts, and so on, which are also signi­ficant through their detailed view.

Practical informations

Due to budget limits, we can only provide a limited travel reim­bur­sement (up to 200,- €), hotel acco­mo­dation for one night in Tübingen and meals, snacks and soft drinks for the sel­ected sub­mis­sions. Online pre­sen­tation is pos­sible in order to give overseas scholars the chance to participate. 

Please send pro­posals (approx. 300 words) and a short CV (up to 150 words) to the orga­nizers. Please pass this CfP along to anyone else who might be inte­rested. Thank you for your interest!

Submission CfP

Deadline: 15.03.2023 for abs­tract (approx. 300 words) and short CV (up to 150 words)
Result Notification: 31.03.2023
Contact: Dr. Kien Nghi Ha, Email: nghi.ha@uni-tuebingen.de
More Information: Asian German Studies Tübingen https://uni-tuebingen.de/en/219396

Publication

Conference pro­cee­dings planned for 2024 by an inter­na­tional aca­demic publisher


Supported by the Platform Global Encounters of the University of Tübingen.
Funded by the Federal Ministry of Education and Research (BMBF) and the Ministry of Science Baden-Württemberg within the framework of the Excellence Strategy of the German Federal and State Governments.

BlogProjekt RADARVerein

Das neue zwei­jährige Projekt RADAR – Ressourcen von/für Asiatische Deutsche gegen anti- asia­ti­schen Rassismus des kori­en­tation e.V. ist zum 15.08.2022 gestartet. Ziel des auf zwei Jahre ange­legten Modellprojektes ist die inhalt­liche Qualifizierung und Professionalisierung von (Asiatisch- Deutschen) Multiplikator*innen der ras­sis­mus­kri­ti­schen Bildungsarbeit zum Thema „anti-asiatischer Rassismus“ durch:

  • die Aufbereitung von Wissen zu anti-asiatischem Rassismus und Asiatisch-Deutschen
    Perspektiven:
  • die Schaffung von Räumen für Asiatisch-Deutsche Multiplikator*innen für Empowerment und Austausch;
  • Cross-Community Knowledge-Transfer bei der Produktion von inter­sek­tio­nalem Wissen zu anti-asiatischem Rassismus;
  • Erarbeitung eines dekon­stru­ierten, kol­la­bo­rativ neu­be­setzten und inter­sek­tional dis­ku­tierten Konzepts von anti-asiatischen Rassismus als Grundlage für zukünftige ras­sis­mus­kri­tische Bildungsarbeit, Transfer und Aufbereitung kom­plexer Zusammenhänge in die prak­tische Bildungsarbeit.

Wir suchen für unser neu ange­lau­fenes Projekt RADAR eine

Assistenz der Projektleitung
35% Stelle in Anlehnung an TVöD-Bund E09‑1
Arbeitsbeginn: 01.10.2022

Bewerbungsfrist: 14.09.2022
Bewerbung per Email an: info@korientation.de
Hast Du Fragen? Melde Dich bei uns, auch gern per Email.

Wir laden ins­be­sondere BPoC mit Bezügen zu Asien (Zur Klarstellung: Damit meinen wir Süd‑, West‑, Nord‑, Südost‑, Ost- und Zentralasien) und inter­sek­tio­nalen Identitäten ein, sich zu bewerben.

Zu deinen Aufgaben gehören

  • Aufbereitung bestehender Wissensressourcen zu anti-asiatischem Rassismus
  • Konzeption und Organisation von Maßnahmen und Veranstaltungen im Projekt mit gemeinsam mit der Projektleitung
  • Mitarbeit an der Projektbroschüre in digital und Print sowie der Projektwebseite
  • Betreuung eines Netzwerks von Asiatisch-Deutschen Multiplikator*innen der
    ras­sis­mus­kri­ti­schen Bildungsarbeit
  • Mitarbeit an Texten für die interne und externe Kommunikation sowie Mitarbeit bei der Öffentlichkeitsarbeit

Das wün­schen wir uns von Dir

  • Erste Erfahrungen in der dis­kri­mi­nie­rungs­sen­siblen und ras­sis­mus­kri­ti­schen Bildung und der Arbeit in gemein­nüt­zigen Vereinen 
  • Kenntnisse aktu­eller Diskurse im Themenfeld Rassismus, Intersektionalität, post­ko­lo­niale Ansätze, Empowerment und Asiatisch-Deutsche Migrationsgeschichten
  • Identifikation mit den Kernzielen des Vereins
  • Sehr gute deutsche und eng­lische Sprachkenntnisse, ein gutes Sprachgefühl und hohe Textsicherheit
  • Hohes Maß an Teamfähigkeit und Freude an der Arbeit im Team
  • Sehr gute Microsoft-Office Kenntnisse
  • Grundlegende Social Media Kompetenzen (Instagram, Twitter, Facebook)
  • Teilnahme an Workshops zu Organisationsentwicklung des Vereins

Was Dich bei uns erwartet

  • Mitarbeit in einem Empowerment-Projekt von und für Asiatische Deutsche
  • 35% Teilzeitstelle (13,5 Wochenstunden) in Anlehnung an TVöD-Bund E09‑1
  • Vertragsbeginn ab 01.10.2022
  • Flexible, bedarfs­ori­en­tierte Arbeitszeiten; Arbeit aus dem Home-Office mit mit­tel­fris­tiger Perspektive auf einen Projektbüro-Arbeitsplatz in Köln
  • Raum für eigen­ständige inhalt­liche Arbeit und Austausch
  • Eine par­ti­zi­pative Arbeitsorganisation und soli­da­rische Organisationskultur mit flachen Hierarchien
  • Die Möglichkeit, die Zukunft eines wach­senden bun­des­weiten Netzwerks von Asiatischen Deutschen mitzugestalten
  • Zusammenarbeit mit einem kleinen, enga­gierten Team mit einem breiten Kompetenzfeld im Bereich Community- und Vereinsarbeit, Kultur- und Projektmanagement, Wissenschaftliche Arbeit
  • Und das Wichtigste: Lots of good Food and Community-love

Wir freuen uns auf Deine Bewerbung
Wir laden ins­be­sondere BPoC mit Bezügen zu Asien (Zur Klarstellung: Damit meinen wir Süd‑, West‑,Nord‑, Südost‑, Ost- und Zentralasien) und inter­sek­tio­nalen Identitäten ein, sich zu bewerben. Der Wohnort Köln oder Umgebung wäre im Hinblick auf ein Projektbüro wünschenswert.


Bitte schicke Deine Bewerbung aus­schließlich in elek­tro­ni­scher Form als PDF-Dokument per Email an info [at] korientation.de mit den fol­genden Unterlagen:
• Anschreiben (gerne mit Angabe des bevor­zugten Pronomens)
• Lebenslauf ohne Foto
• Motivationsschreiben
• Zeugnis des letzten Abschlusses
• Gegebenenfalls ergän­zende Unterlagen, wie Arbeitszeugnisse

Hier findest Du die Ausschreibung als PDF zum Download.

BlogPolitikVerein

kori­en­tation unter­stützt das Bündnis Gedenken an das Pogrom. Lichtenhagen 1992., das das Gedenken anlässlich des 30. Jahrestages orga­ni­siert hat. Die zen­trale Veranstaltung war die bun­des­weite Demo am 27.08.2022 in Rostock-Lichtenhagen, siehe Aufruf zur Demo.
Wir ver­öf­fent­lichen mehrere Redebeiträge auf unserer Webseite zur Dokumentation. Es folgt hier der Redebeitrag, der auf der Abschlusskundgebung von Kien Nghi Ha gehalten wurde.

Entschädigung und Rückkehrrecht für die Betroffenen des Pogroms

Bereits vor zehn Jahren war ich an diesem Ort, um meine Rede „Ich bin hier, weil ihr hier seid“ zu halten. 2012 war ich einer der wenigen Menschen of Color und meines Wissens nach der einzige Vietdeutsche, der damals ange­fragt wurde, inhaltlich bei­zu­tragen. Die Situation heute hat sich stark ver­bessert. Ich bin sehr froh, dass so viele ver­schiedene Perspektiven aus unter­schied­lichen Communities of Color hier ver­treten sind. Dieses inter­kom­munale und soli­da­rische Gedenken stärkt mich und ich weiß, dass wir zusammen erinnern, gedenken und kämpfen können. 

Die viet­na­me­si­schen Bewohner:innen des Sonnenblumenhauses kamen als Vertragsarbeiter:innen in die DDR, wo sie in iso­lierten Heimen wohnten, als Asiat:innen im Alltag exo­ti­siert wurden, aber auch mit ras­sis­ti­schen Zumutungen wie ungleichem Lohn und Diskriminierung am Arbeitsplatz zu kämpfen hatten. Die Ethnisierung der Arbeitslosigkeit im Zuge der Abwicklung der DDR-Betriebe ver­schärfte ihre auf­ent­halts­rechtlich wie sozial prekäre Situation nochmals. Wenn wir uns an den jah­re­langen Kampf für das Bleiberecht der ehe­ma­ligen Vertragsarbeiter:innen in Erinnerung rufen, dann wird schnell klar, wie müh­selig, kos­ten­in­tensiv und ner­ven­auf­reibend die Auseinandersetzung mit dem Ausländeramt für die Betroffenen für jede auf wenige Monate befristete Duldung war. Es fiel der Politik sehr schwer das rigide Régime des Ausländerrechts zu lockern und als 1997 dann eine Bleibeperspektive zustande kam, wurden mög­lichst hohe Auflagen ein­gebaut. Viele mussten in die Zwangsselbstständigkeit gehen, um nicht durch Sozialhilfebezug ihr Aufenthaltsrecht zu gefährden und über­lebten diese Situation nur durch selbst­aus­beu­te­rische Arbeitsbedingungen. Auch die Polizei spielte nicht nur in dieser Zeit eine sehr unrühm­liche Rolle, wobei die auf­se­hen­er­re­genden Missbrauchsfälle auf dem Polizeirevier Bernau im Jahr 1994 nur eine von vielen Fällen des insti­tu­tio­na­li­sierten Rassismus in dieser Behörde dar­stellt. Insoweit wider­spricht das Pogrom nicht den bis dato gemachten Deutschlanderfahrungen, sondern reiht sich als nega­tiver Höhepunkt in die Serie von ras­sis­ti­schen Diskriminierungs, Marginalisierungs- und Gewalterfahrungen ein.

Angesichts der Tatumstände und der Verstricktheit von Politik, Medien und Sicherheitsorganen erwar­teten die ange­grif­fenen Communities keine Hilfe von der Weißen Mehrheitsgesellschaft. Ihre Erfahrungen waren dies­be­züglich ein­deutig: Statt Entschädigung und eine ange­messene juris­tische Aufarbeitung der ras­sis­ti­schen Gewalt, waren sie von der Abschiebung bedroht. Gerade die stän­digen Konflikte mit deut­schen Verwaltungen auf­grund des unge­si­cherten Aufenthaltsrechts, löste grund­sätz­liche Ängste aus. Wer mit solchen fort­dau­ernden exis­tenz­be­dro­henden Problemen kon­fron­tiert ist, hat natürlich nicht den Kopf frei sich mit den viel­fäl­tigen Auswirkungen des Pogroms aus­ein­an­der­zu­setzen. Die viet­deutsche Community in Rostock war und ist aktiv. Der Glaube, dass sie passiv und unsichtbar seien, ist ein Klischee. Sie hat sich sehr wohl vor Ort für ein bes­seres und inter­kul­tu­relles Zusammenleben ein­ge­setzt. So wie sie sich während des Pogroms selbst­or­ga­ni­siert, ver­teidigt und sich selbst über das Dach aus dem bren­nenden Haus gerettet hat, so hat sie später das Bleiberecht gegen Widerstände aus Politik und Verwaltung erstritten und sich aktiv für den Aufbau ihrer lokalen Gemeinschaft ein­ge­setzt. Für diese Verdienste gebührt ihr viel Respekt und Anerkennung.

Vor 30 Jahren lebte ich als junger Student der Politikwissenschaft in Berlin. Ich kam als Kind einer Boat-People Familie nach West-Berlin wuchs eigentlich mit dem Wunsch auf, aner­kannter Teil der deut­schen Gesellschaft zu sein und wollte wie viele Menschen of Color wie selbst­ver­ständlich dazu gehören. Ich wollte in Deutschland einfach ent­spannt leben.

Aber das Pogrom gegen die viet­na­me­sische Community in Rostock-Lichtenhagen räumte grund­legend mit meinen Illusionen über Deutschland auf. Je natio­na­lis­ti­scher der deutsche Wiedervereinigungsprozess eska­lierte und je stärker die ras­sis­ti­schen Exzesse in den Parlamentsdebatten und die auf­het­zende Medienberichterstattung über die angeb­liche „Asylantenflut“ wurden, desto wach­samer und poli­ti­scher wurde ich. Ich habe in dieser Zeit so viel über die Weiße deutsche Gesellschaft gelernt und hatte das Gefühl, erstmals hinter die Fassade der liberal-bürgerlichen Idylle zu blicken. Was ich dann in Rostock-Lichtenhagen unge­schminkt sah, war ein ras­sis­ti­scher Abgrund, der blanke Horror. So viel mas­sen­hafter dumpfer Hass gepaart mit dem selbst­ver­liebten Selbstbild als auf­ge­klärte Nation der Dichter, Denker und Dauersäufer. Die live im Fernsehen über­tra­genen Bilder von dem bren­nenden Sonnenblumenhaus, das tagelang wie bei einer mit­tel­al­ter­lichen Belagerung sturmreif ange­griffen wurde, waren einfach unfassbar: Es sprengte alles, was ich mir bis dahin vor­stellen konnte im modernen, angeblich so zivi­li­sierten und demokratisch-rechtsstaatlichen Deutschland. Rostock-Lichtenhagen war für mich ein erneuter Zivilisationsbruch! Meine Gefühle waren eine bizarre und wider­sprüch­liche Mischung aus abso­lutem Unglauben, Entsetzen, Abscheu, Wut, Trauer, Hilfslosigkeit und Trotz. In der unmit­tel­baren Situation wusste ich mir nicht besser zu helfen als einen Leserbrief an die taz zu schreiben.

Was ich in diesen Jahren eben­falls erlebte und was mich bis heute prägt, war aber auch die Erfahrung in migran­ti­schen, anti­ras­sis­ti­schen Zirkeln von People of Color, dass selbst­or­ga­ni­sierter Widerstand möglich ist, dass wir soli­da­rische Strukturen auf­bauen können und trotz unserer beschränkten Mittel nicht wehrlos sind.

Vor dem Pogrom in Lichtenhagen dachten alle, dass sowas nach der Nazizeit in Deutschland nicht mehr möglich sei. Das dachte ich auch. Bis zum Pogrom lebte ich in einer rea­li­täts­fernen Blase und dachte ich sei inte­griert, weil ich den deut­schen Pass habe. Rostock-Lichtenhagen und die explo­si­ons­artige ras­sis­tische Gewaltwelle in den 1990er Jahren zeigten mir, dass es ein anderes, sehr dumpfes und immer noch ziemlich schwarz­braunes Deutschland gibt. Das Pogrom dauerte vier Tage. Es war ein Volksfest mit Deutschlandweit ange­reisten Teilnehmenden. Es gab Bratwurstbuden, viel Bier und ein jubelndes Publikum. Und obwohl dieses ras­sis­tische Spektakel in aller Öffentlichkeit zele­briert und im Fernsehen live über­tragen wurde, war das absolut Unmögliche trotzdem möglich bzw. wurde durch das Versagen der Weißen Institutionen möglich gemacht. Solange es einen struk­tu­rellen Rassismus in der Gesellschaft gibt und die Institutionen dieses Machtungleichgewicht abbilden und ras­sis­tische Hierarchien mit Leben füllen, ist Rassismus in jeder Form denkbar und möglich. Wir müssen daher wachsam und soli­da­risch bleiben.

Forderungen

1) Auch nach 30 Jahren ist es nicht zu spät, die Rom*nja und viet­deut­schen Betroffenen des Pogroms mate­riell zu ent­schä­digen und ihnen ein Rückkehrrecht anzu­bieten. Wenn die offi­zielle Entschuldigung der Stadt Rostock von 2002 nicht nur eine leere Floskel ohne Konsequenzen ist, wäre es jetzt dringend geboten, ein groß­zügig aus­ge­stat­teten Fond zur Wiedergutmachung des his­to­ri­schen Unrechts ein­zu­richten. Nach dem skan­da­lösen Versagen von Politik, Stadtverwaltung und Justiz fordern wir die staat­lichen Institutionen auf, zumindest jetzt ein Mindestmaß an rechts­staat­lichen und ethi­schen Anstand zu zeigen.

2) Wir fordern die Kultur- und Wissenschaftsbetriebe auf, sich stärker mit den Pogromen und der ras­sis­ti­schen Gewalt in den 1990er Jahren aus­ein­an­der­setzen. Diese Zeit ist so grund­legend wichtig und gerade der Komplex Rostock-Lichtenhagen wurde bisher nur unzu­rei­chend erforscht und ist kul­turell kaum verarbeitet.

3) Wir fordern die Stadt Rostock auf, dass dezen­trale Gedenkkonzept zu über­ar­beiten und die bisher unver­ständ­lichen Denkmäler so zu ergänzen, dass sie dazu ein­laden sich inhaltlich mit dem Pogrom auseinanderszusetzen.

4) Wir fordern alle Menschen und spe­ziell die Medien dazu auf, das Pogrom in Rostock-Lichtenhagen nicht weiter als „aus­län­der­feind­liche Gewaltexzesse“ oder als „frem­den­feind­liche Ausschreitungen“ klein­zu­reden und zu ver­harm­losen sowie die Verantwortung staat­licher Institutionen und poli­ti­scher Eliten unsichtbar zu machen. Das Pogrom ist ein Pogrom, weil staat­liche Institutionen und Verantwortungsträger unpro­fes­sionell han­delten. Sie haben versagt, die Gewalt zuge­lassen und tole­riert. Und in nicht wenigen Fälle wurde der Rassismus – inten­diert oder nicht – poli­tisch und medial gefördert. Wer die his­to­rische Tatsachen – so bitter und unbequem sie auch sind – leugnet, setzt ras­sis­tische Praktiken fort, die die Betroffenen des Pogroms erneut dis­kri­mi­niert. Das wollen und werden wir nicht zulassen. Dagegen werden wir uns heute und in Zukunft mit aller Macht gemeinsam wehren.

BlogPolitikVeranstaltungen

kori­en­tation unter­stützt das Bündnis Gedenken an das Pogrom. Lichtenhagen 1992., das das Gedenken anlässlich des 30. Jahrestages orga­ni­siert hat. Die zen­trale Veranstaltung war die bun­des­weite Demo am 27.08.2022 in Rostock-Lichtenhagen, siehe Aufruf zur Demo.

Wir ver­öf­fent­lichen mehrere Redebeiträge auf unserer Webseite zur Dokumentation. Es folgt der Redebeitrag der Gedenkinitiative Phan Văn Toàn in Fredersdorf bei Berlin (https://phanvantoan.de), mit der wir kooperieren. 

Im Gedenken an Phan Văn Toàn.

Es ist der 31. Januar 1997, die Temperatur in Fredersdorf aus­serhalb von Berlin liegt um den Gefrierpunkt. Um den Lebensunterhalt seiner Familie zu sichern, steht der 42-jährige Phan Văn Toàn auch in der Kälte draussen und ver­kauft Zigaretten.

Mit dem Ende der DDR waren viele ehe­malige Vertragsarbeiter_innen in ihrer Existenz bedroht.
In der von der CDU und rechten Medien geschürten, ras­sis­ti­schen und natio­na­lis­ti­schen Stimmung der 1990er Jahre, waren sie nicht nur ständig der Gefahr staatlich legi­ti­mierter Gewalt aus­ge­setzt, sondern auch öko­no­misch kom­plett auf sich allein gestellt.

Die Arbeit, die Phan Văn Toàn ver­richtete, war ille­ga­li­siert und stän­digen Anfeindungen aus­ge­setzt. Gleichzeitig wurde sie viel und gerne in Anspruch genommen. Auch von den­je­nigen, die ihn dafür anfein­deten – auch von Rassist_innen – auch von Nazis.

Die perfide Verschränkung der Ausbeutung von – und Hetze gegen ille­ga­li­sierte Arbeit hat System.

Noch heute ist sie ein Grundstein bun­des­deut­scher Wirtschaftspolitik. Arbeiter_innen in solchen Bereichen tragen ein hohes Risiko zu Opfern von Gewalt zu werden, weil Menschenfeinde ihre schwierige Lage erkennen und ausnutzen.

So geschah es auch Phan Văn Toàn. Die Nazis, welche am S‑Bahnhof Fredersdorf eine Fahrradaufbewahrung betrieben, klauten wieder einmal Zigaretten aus seinem Lager. Als Phan Văn Toàn not­ge­drungen das Gespräch sucht, wird er von zwei der Nazis lebens­ge­fährlich ver­letzt. Drei Monate kämpft er im Krankenhaus um sein Leben und stirbt am 30. April 1997 an den Folgen des Angriffs.

Trotz ras­sis­ti­scher Parolen im Gerichtssaal will das Landgericht Frankfurt (Oder) später keinen ideo­lo­gi­schen Hintergrund der Tat sehen. Stattdessen wird die Darstellung der Täter in das Urteil über­nommen. Nicht Habgier und Rassismus stehen im Fokus der Verhandlung, sondern die ille­ga­li­sierte Arbeit von Phan Văn Toàn. Einige Jahre später wird die­selbe Kammer auch beim Mord am Punk Enrico Schreiber kein poli­ti­sches Motiv bei den neo­na­zis­ti­schen Tätern erkennen.

Das besondere Verständnis der deut­schen Justiz für Neonazis hat lange Tradition.

Mehr als 20 Jahre nach dem Mord gibt es seitens der Kommune noch immer kein Gedenken an Phan Văn Toàn. Keine Unterstützung für seine Hinterbliebenen. Kein Wort der Verantwortung, des Bedauerns, Nichts. Im Gegenteil: Als im Januar 2020 erstmals Initiativen mit einer Kundgebung daran erinnern, drückt der CDU-Bürgermeister offensiv sein Missfallen aus. Nach der Kundgebung wird der pro­vi­so­risch errichtete Gedenkort zerstört.

Der Mord an Phan Văn Toàn ist nun 25 Jahre her. Das Pogrom von Rostock Lichtenhagen 30 Jahre.
Die bür­ger­liche Geschichtsschreibung möchte beides gerne ver­gessen. Weil wir sie nicht lassen, wird ver­sucht „Erinnern“ zu einer Gruselgeschichte über längst ver­gangene Tage zu machen.

Ihr Erinnern heißt Vergessen.

Auch das ist deutsche Tradition. Der Nationalsozialismus wird zu einer Verführungsgeschichte umge­deutet, Lichtenhagen zum Mysterium und die vielen ras­sis­ti­schen Morde zu Einzelfällen ver­klärt. Jedes schreck­liche Mal auf’s Neue tut man über­rascht, dass Rassist_innen morden.

Diese wider­liche Heuchelei können die sich sonst wohin stecken.

Wer selbst ras­sis­tisch hetzt, Nazis zu „besorgten Bürgern“ adelt oder die Augen vor der ras­sis­ti­schen Tyrannei deut­scher Institutionen ver­schließt, ist selbst Teil des Problems und trägt Mitverantwortung für die Gewalt.

Unser Erinnern heißt Verändern.

Als Gedenkinitiative setzen wir uns dafür ein, Phan Văn Toàn wür­devoll zu gedenken.
Damit sind wir in der Pflicht ras­sis­tische Gewalt in all ihren Formen – durch Schläge, Zeitungsartikel oder Gesetze – zu benennen. Auch die Parallelen und Verbindungen von klas­sis­ti­scher und ras­sis­ti­scher Gewalt müssen benannt werden.

Die deutsche Tradition brechen.
Fredersdorf ist auch bei dir im Ort.
Phan Văn Toàn ist nicht vergessen.