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解殖华人区!一起来揭露并干预德国的殖民性。

Köln, in was für einer Stadt wollen wir eigentlich leben?
Diese Frage stellten wir uns vom Projekt RADAR vom 22.–26.11.2023 in Köln, wo wir Kontinuitäten des deut­schen Kolonialismus unter die Lupe nahmen, die sich auch alle in Köln zeigen.

Im soge­nannten Ehrenfelder „Chinesenviertel“ finden sich Takustraße, ‑platz und ‑feld, die Lansstraße und die Iltisstraße. Alle erinnern aus Perspektive der deut­schen Kolonialherren an die gewaltsame Kolonisierung von Teilen Chinas. In dieser Zeit ver­fes­tigen und ver­schlimmern sich kolo­niale Ausbeutung und ras­sis­tische Bilder, die Menschen aus vielen Teilen Asiens bis heute beein­flussen und die heutige BRD formen.

Gemeinsam mit Aktivist*innen, Wissenschaftler*innen und anderen Multiplikator*innen der poli­ti­schen Bildung gingen wir den Fragen nach:
Was bedeutet es konkret, die kolo­niale Geschichte Kölns zu behandeln? Welche Grundlagen, die kolo­niale Ausbeutung ermög­lichten, sind bis heute wirk­mächtig? Wie sieht eine Praxis der poli­ti­schen Bildung aus, die aktiv gegen fort­wäh­rende kolo­niale Ungerechtigkeit arbeitet?

Auf dieser Seite kommt ihr zur Dokumentation der Veranstaltungsreihe, sowie auch zum Programm.


Rückblick & Dokumentation 

Permalink: www.korientation.de/dokumentation-decolonize-chinesenviertel/

Programm

Permalink: www.korientation.de/decolonize-chinesenviertel-programm-2023/


Credits
Grafik: Salma Abdo und Fadi Elias


Gefördert von der Bundeszentrale für poli­tische Bildung

Die Veröffentlichung stellt keine Meinungsäußerung der BpB dar.
Für inhalt­liche Aussagen tragen die Autor*innen die Verantwortung.

Blog

von Kien Nghi Ha

Foto und Traueranzeige mit freund­licher Erlaubnis der Angehörigen.

Am 21. Mai 2023 ver­starb Dagmar Yu-Dembski nach län­gerer Krankheit mit 80 Jahren. Ihre außer­ge­wöhn­liche Geschichte spiegelt die his­to­ri­schen Verwerfungen in Deutschland im 20. Jahrhundert auf einer per­sön­lichen Ebene wider und begann unter bedroh­lichen Umständen: Sie wurde am 01. Februar 1943 in Berlin mitten während des Zweiten Krieges unehelich geboren, da chinesisch-deutsche Verbindungen auf­grund der kolo­ni­al­ras­sis­ti­schen NS-Rassengesetze nicht genehmigt wurden. Ihre Mutter (1921–2001), arbeitete als tech­nische Zeichnerin und wuchs in einer deutsch-russischen Migrantenfamilie in Kreuzberg auf. Ihr Vater war der aus Kanton stam­mende Hak-Ming Yu (1915–1976), der ab 1936 zunächst in Darmstadt und dann in Berlin Brückenbau stu­dierte und später als hoch­qua­li­fi­zierter Diplom-Ingenieur trotzdem keine Anstellung fand. In der Nachkriegszeit konnten die Eltern endlich hei­raten, und er eröffnete 1957 die ele­gante „Hongkong-Bar“ am Kurfürstendamm 210, die als ultra­mo­derne Stilikone zum begehrten Treffpunkt der Berliner High Society wurde. Später eröffnete ihr Vater mit chi­ne­si­schen Freunden eine Reihe von China-Restaurants und machte in der Boulevardpresse als „Berlins Chinesenkönig“ Schlagzeilen.

Wie Yu-Dembski in ihre Autobiografie „Chinaprinzessin. Meine deutsch-chinesische Familie“ (edition ebersbach 2013) erzählt, wuchs sie nicht nur in einer geteilten Stadt auf, sondern pen­delte täglich zwi­schen deut­schen, chi­ne­si­schen und rus­si­schen Familienwelten. Eine Zeit lang lebte sie mit ihrem Vater in West-Berlin, während ihr Bruder unter der Obhut der Mutter im Ostteil auf­wuchs. Ihre Eltern trennten sich als sie 13 Jahre alt war im Streit, und alles Chinesische wurde nun zunehmend von der Mutter vehement abgelehnt.

Erst mit dem Tod des Vaters begann Dagmar Yu-Dembski sich für die chi­ne­si­schen Anteile in ihr näher zu inter­es­sieren und hängte nach dem Magisterabschluss in Publizistik und Kunstgeschichte (1970) noch ein Zusatzstudium der Sinologie an der Freien Universität Berlin hinten dran. Inspiriert von der ersten Chinareise 1980 enga­gierte sie sich in der „Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft“ (GDCF) in Berlin und fun­gierte ab 1988 als lang­jährige Vereinsvorsitzende. Neben ihrer Forschung als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Publizistik an der FU Berlin, wo sie Frauenbilder in den Medien unter­suchte, gab sie von 1998 bis 2014 die Zeitschrift „das neue China – Zeitschrift für China und Ostasien“ für die GDCF mit heraus. Lange Zeit küm­merte sich sie auch um den „Chinaladen“ in der Innsbrucker Straße 3, den der Verein bis heute in Schöneberg betreibt. Dort orga­ni­sierte sie nicht nur Ausstellungen und Sprach- und Kalligrafiekurse mit, sondern baute hier auch eines der größten Buchhandelssortimente mit Chinabezug in Deutschland mit auf.

Im Sommer 1997 lernte ich Dagmar Yu-Dembski bei einem Besuch der chinesisch-amerikanischen Schriftstellerin Fae Myenne Ng in einem China-Restaurant in der Kantstraße kennen, deren Debütwerk „Bone“ (Hyperion 1993) kurz zuvor unter dem Titel „Der Tag der Diebe“ (Goldmann 1994) auf Deutsch erschienen war. Uns führte das gemeinsame Interesse an der chi­ne­si­schen Diaspora zusammen. Von daher war es kein Zufall, dass sie 1998 das Schwerpunktthema „Überseechinesen“ für eines der ersten Hefte der Zeitschrift „das neue China“ aus­wählte. Leider blieb es meine einzige direkte per­sön­liche Begegnung mit ihr, so dass ich sie haupt­sächlich nur als wis­sen­schaft­liche Autorin kannte.

Dagmar Yu-Dembski war eine Pionierin, die als com­munity scholar maß­geblich die Geschichte der Chinesen in Berlin“ erforschte und sie einer brei­teren Öffentlichkeit bekannt machte. Dazu trug nicht zuletzt die gleich­namige Ausstellung 2007 im Heimatmuseum Charlottenburg-Wilmersdorf ebenso wie das dazu­ge­hörige Begleitbuch in der berlin edition im be.bra Verlag bei. Diese Arbeiten führten frühere Forschungsergebnisse weiter aus, die eben­falls unter diesem Titel im gleich­na­migen Heft „Chinesen in Berlin“ (1996) der Berliner Ausländerbeauftragten erschienen waren. Sie unter­suchte darüber hinaus auch die Geschichte der deutsch-chinesischen Beziehungen, die Wahrnehmung Chinas in der west­lichen Reiseliteratur, die Deutschland-Erfahrungen von chi­ne­si­schen Intellektuellen und chinesisch-deutsche Ehen.

Im Dezember 2021 sah ich sie letzt­malig auf der Online-Tagung „Anti-asiatischer Rassismus in Deutschland“ des lange Zeit von ihr gelei­teten Konfuzius-Instituts an der Freien Universität Berlin, wo sie über anti-chinesischen Rassismus in der NS-Zeit refe­rierte. Ihr Beitrag zu diesem Thema im Ende 2022 im Lit-Verlag publi­zierten Tagungsband „Antichinesischer und anti­asia­ti­scher Rassismus“ (her­aus­ge­geben von Mechthild Leutner, Pan Lu, Kimiko Suda), war neben Rezensionen (u.a.„Wovon wir träumen“ von Lin Hierse) und einem Nachruf im Blog des GDCF auf den Sinologen und GDCF-Mitglied Jochen Noth im Mai 2022, der im Haus der Kulturen der Welt die erste große Ausstellung zu Chinese Contemporary Art unter dem Titel „China Avantgarde“ (1993) mit­kon­zi­pierte, eine ihrer letzten öffent­lichen Aktivitäten. Mein Versuch, sie im Frühjahr 2023 zu einem Vortrag im Rahmen der Filmreihe „Asiatische Präsenzen in der Kolonialmetropole“ ein­zu­laden, wurde lange Zeit nicht beant­wortet. Ich erahnte die Umstände der miss­glückten Kontaktanbahnung nicht bis mir ihre Tochter Monate später mit­teilte, dass Dagmar Yu-Dembski schwer erkrankt war. Meine Anteilnahme gilt den Familienangehörigen, die freund­li­cher­weise der Veröffentlichung der Traueranzeige in diesem Rahmen zuge­stimmt haben.

Mit Dagmar Yu-Dembski ist eine Grande Dame der deutsch-chinesischen Community von uns gegangen, die sich blei­bende Verdienste erworben hat und unser his­to­ri­sches Wissen über uns selbst grund­legend erweitert hat. Sie reprä­sen­tierte eine zweite Generation, die anhand der eigenen Biografie auf­zeigen kann, wie stark und wie lange die eigene (Familien-)Geschichte bereits in Deutschland ver­wurzelt ist. Wie viel­seitig inter­es­siert und begabt sie war, und welche mensch­liche Qualitäten und welcher Humor sich in ihrer Person ver­ei­nigte, zeigt auch ihr Kinderbuch „Lilli und das chi­ne­sische Frühlingsfest“ (Carlsen Verlag 2010). Sie wusste, dass die Geschichte niemals zu einem Ende kommt und wir nur Brücken in die Vergangenheit und Zukunft sind.

„Von seinem Wunsch, nach China zurück­zu­kehren und nach seinem Tod in der Heimat begraben zu werden, wusste ich nichts. Wir lebten in der gleichen Stadt, aber wir lebten in ver­schie­denen Welten“ (Dagmar Yu-Demski: Chinaprinzessin)

Kien Nghi Ha ist pro­mo­vierter Kultur- und Politikwissenschaftler und leitet den Arbeitsbereich Asian German Studies am Asien-Orient-Institut der Universität Tübingen. Er hat an der New York University sowie an den Universitäten in Bremen, Heidelberg und Bayreuth geforscht und wurde mit dem Augsburger Wissenschaftspreis für Interkulturelle Studien aus­ge­zeichnet. Neben zahl­reichen Publikationen zu post­ko­lo­nialer Kritik, Rassismus, Migration und Asian Diaspora Studies ist zuletzt der Sammelband Asiatische Deutsche Extended. Vietnamesische Diaspora and Beyond (Assoziation A, 2021) als erwei­terte Neuauflage erschienen. Aktuell edi­tiert er den Sammelband Asiatische Präsenzen in der Kolonialmetropole Berlin (Assoziation A, 2023) und schreibt am Essay Boat People – Vom schutz­wür­digen Flüchtling zur Zielscheibe des Anti-Asiatischen Rassismus für den Ausstellungskatalog „Alfredo Jaar – The Kindness of Strangers“ (2024) des Museums der Moderne Salzburg.

Im Erscheinen: Verwobene Geschichten in Hito Steyerls „Die leere Mitte“ (1998) aus Asiatisch-deutscher Perspektive. In: Ömer Alkin/Alena Strohmaier (Hg.): Rassismus und Film. Marburg: Schüren Verlag, 2023; Zur kolo­nialen Matrix des anti-Asiatischen Rassismus: Gelbe Gefahr, Unsichtbarkeit und Exotisierung. In: Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) (Hg.): Rassismusforschung: Rassismen, Communities und anti­ras­sis­tische Bewegungen, Bd. 2, Bielefeld: tran­script 2023; Das Pogrom in Rostock-Lichtenhagen als insti­tu­tio­na­li­sierter Rassismus. In: Gudrun Heinrich/David Jünger/Oliver Plessow/Cornelia Sylla (Hg.): Perspektiven aus der Wissenschaft auf 30 Jahre Lichtenhagen 1992. Berlin: Neofelis 2023.

BlogVeranstaltungen

Asian New Yorkers protest in August 2021

Call for Paper – PDF download

Conference “Anti-Asian Racism: History, Theory and Case Studies”

Venue: Schloss Hohentübingen at the University of Tübingen, Germany
Date: 07.07. – 08.07.2023, hybrid con­fe­rence
Conveners: Dr. Kien Nghi Ha and Prof. Dr. You Jae Lee
Host Institution: Department of Korean Studies, Institute of Asian and Oriental Studies at the University of Tübingen

Thematic Focus and Issues

In the trans­na­tional Corona pan­demic, Asian-related racism became common head­lines in the media of many Western immi­gration societies. In the course of this deve­lo­pment, the term as well as the topic of “anti-Asian racism” became more pro­minent – in Germany for the very first time. Although anti-Asian pro­jec­tions and its accom­panying colonial-racist con­s­truc­tions have been a con­sti­tutive com­ponent of Western modernity, they have hardly been per­ceived as a relevant topic in many European nations. This is also the case in German-speaking countries and its poli­tical, cul­tural and edu­ca­tional insti­tu­tions. Thus, the aca­demic research on the history and com­ple­xities of Asian German Diaspora, the sub­jec­ti­vities and needs of Asian immi­grant com­mu­nities is still largely mar­gi­na­lized and mostly deemed as unim­portant. This is espe­cially true for aca­demic rese­arches that centers the rich history of anti-Asian dis­courses and ste­reo­types as well as related con­tem­porary prac­tices, immi­gration policies and move­ments in Germany and other European countries.

To tackles this, the workshop aims at streng­thening local coope­ration as well as trans­na­tional net­working. We like invite scholars from all aca­demic disci­plines to con­tribute. Inquiries from the Humanities including but not limited to Asian German Studies, Asian Diasporic Studies, Asian American Studies, Asian Studies, European Studies, German Studies, Anthropology, Media Studies, History and Social Sciences in general as well as other fields of expertise are welcome. Through the inclusion of multi-disciplinary exch­anges and insights we seek to broaden our per­spec­tives and under­standing. We encourage espe­cially scholars of Color and young aca­demics to apply, who aims to explore this field of research in the German context.

The conference is divided into three sections:

1) The section “History” dis­cusses his­to­rical back­grounds of the origin of Asian dia­sporas in Western societies. In addition to legal frame­works and poli­tical prac­tices, the atti­tudes and reac­tions of the White main­stream are also relevant. Travel routes, work, housing, lan­guage, and gender dif­fe­rences and other social and spatial dimen­sions are also of great importance for the structure of Asian dia­sporic com­mu­nities. Likewise, the modes of response to racism, self-organization, and com­munity building are also important for the arrival and sett­lement pro­cesses. In this context, a com­pa­rative per­spective allows for infe­rences not only about local, regional, and national, but also about trans­na­tional ana­logies and differences.

2) The section “Theory” deals with approaches that his­to­ri­cally recon­s­truct, define, and ana­ly­ti­cally classify anti-Asian racism and its various mani­fes­ta­tions. In addition to the func­tioning of struc­tural exclu­sions and insti­tu­tio­na­lized dis­cri­mi­na­tions, the con­s­truction and mea­nings of cul­tural ste­reo­types in popular culture or media can also be examined. Intersectional rela­tions to other forms of racism and social cate­gories such as class, gender and sexuality are also of great interest.

3) The section “Case Studies” narrows down the object of study and, with its inductive approach, allows for a change of per­spective that high­lights inte­resting aspects that are easily over­looked in the macro view. Possible formats include his­to­rical, poli­tical, cultura eventsl, but also indi­vidual cases, smaller-scale the­matic aspects, bio­gra­phical ana­lyses, exem­plary reception his­tories of cul­tural arti­facts, and so on, which are also signi­ficant through their detailed view.

Practical informations

Due to budget limits, we can only provide a limited travel reim­bur­sement (up to 200,- €), hotel acco­mo­dation for one night in Tübingen and meals, snacks and soft drinks for the sel­ected sub­mis­sions. Online pre­sen­tation is pos­sible in order to give overseas scholars the chance to participate. 

Please send pro­posals (approx. 300 words) and a short CV (up to 150 words) to the orga­nizers. Please pass this CfP along to anyone else who might be inte­rested. Thank you for your interest!

Submission CfP

Deadline: 15.03.2023 for abs­tract (approx. 300 words) and short CV (up to 150 words)
Result Notification: 31.03.2023
Contact: Dr. Kien Nghi Ha, Email: nghi.ha@uni-tuebingen.de
More Information: Asian German Studies Tübingen https://uni-tuebingen.de/en/219396

Publication

Conference pro­cee­dings planned for 2024 by an inter­na­tional aca­demic publisher


Supported by the Platform Global Encounters of the University of Tübingen.
Funded by the Federal Ministry of Education and Research (BMBF) and the Ministry of Science Baden-Württemberg within the framework of the Excellence Strategy of the German Federal and State Governments.

Projekt PADBVerein

Recherche / Text: Anujah Fernando

Dieses Wissensmodul ist Teil des Projektes „Asiatische Präsenzen in Berlin“. Neben der Erstellung des Artikels Anujah Fernando, Linh Müller (2022): Asiatische Präsenzen im Berlin der Zwischenkriegszeit: Inder:innen, Koreaner:innen und Community über­grei­fende Begegnungen wurden zwei Wissensmodule in Form von the­ma­tisch fokus­sierten Materialsammlungen zusam­men­ge­stellt. Eine zu Koreaner:innen im Berlin der Zwischenkriegszeit sowie die vor­lie­gende Antikoloniale Vernetzung von Inder:innen im Berlin der Zwischenkriegszeit. Diese können als Ausgangspunkte für wei­ter­füh­rende Recherchen und inhalt­liche Vertiefungen genutzt werden.

Unter Wissensmodul ver­stehen wir in diesem Projekt the­ma­tisch fokus­sierte Materialsammlungen, die aus der Recherche zu dem Themenfeld „Asiatische Präsenzen im Berlin der Zwischenkriegszeit“ her­vor­ge­gangen sind.

Die fol­gende Chronologie zeichnet frag­menthaft die Präsenzen von Inder:innen in Berlin aus kolo­nialen und/oder post­ko­lo­nialen Kontexten nach. Grundlage der Sammlung ist ein weites Begriffsverständnis von Kolonialismus. Der Zeitraum erstreckt sich von der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Zeit Deutschlands bis zur Gründung des Deutschen Kaiserreichs. Die Dauer ihrer Anwesenheit ist sehr unter­schiedlich, ori­en­tiert sich jedoch daran, ob wider­ständige Praxen bzw. Ambivalenzen gegen und mit staat­lichen Regimen im Rahmen ihrer Präsenz nach­voll­ziehbar gemacht werden können. Die knappen Zusammenfassungen zu den anwe­senden Inder:innen ori­en­tieren sich daran, ihre Wirkungsstätten in Berlin auf­zu­greifen sowie ggf. ihre Verbindungen zu anderen Communities auf­zu­zeigen. Hinweise auf ver­tie­fende Literatur sind den jewei­ligen Abschnitten direkt unter­stellt. Zum Quellen ori­en­tierten Arbeiten ist dem Papier zum Ende ein Hinweis zu Primärquellen anheimgestellt.

Sammlung zum Thema

1941: Gründung der “Zentrale Freies Indien”

  • Adresse?
  • Gründung einer pro­vi­so­ri­schen indi­schen Nationalregierung durch den antikolonial-nationalistischen Politiker Subhas Chandra Bose. Bose war zu Beginn 1941 nach Berlin geflohen und ver­folgte von hier seinen Befreiungskampf. In Kooperation mit NS-Deutschland, Versuch bri­tische Herrschaft über Indien zu beenden. In dem Kontext fand auch die Rekrutierung von indi­schen Studierenden und Kriegsgefangenen in Deutschland statt, die im Lager Annaburg (Sachsen-Anhalt) von deut­schen Militärangehörigen trai­niert wurden und als Legion Freies Indien, auch für das faschis­tische Deutschland kämpften.
  • In diesem Zusammenhang ist auch das Radio “Azad Hind” nen­nenswert: 1942 in Deutschland gegründet, sendete es Nachrichten über Indien und pro­pa­gierte für den Befreiungskampf.
  • Archivmaterial:
  • Abbildungen:
  • Quelle:
    • Oesterheld, Joachim & Günther, Lothar (1997). Inder in Berlin. Hrsg. von der Ausländerbeauftragten des Senats. Berlin.
    • Günther, Lothar (2003). Von Indien nach Annaburg. Indische Legion und Kriegsgefangene in Deutschland, Berlin: Edition Ost.
    • Günther, Lothar (2005). “Die Indische Legion”, in: Ulrich van der Heyden und Joachim Zeller (Hg.), „…Macht und Anteil an der Weltherrschaft“. Berlin und der deutsche Kolonialismus, Münster: Unrast 2005, S. 277–282.
    • Oesterheld, Joachim (2004). “Aus Indien an die Alma mater ber­o­li­nensis – Studenten aus Indien in Berlin vor 1945”, In: Periplus 2004, Jahrbuch für Außereuropäische

Geschichte (14. Jahrgang), Münster, S. 191–200.

1936: Teilnahme des indi­schen Hockey Teams an der Olympiade sowie Tour der Madame Menaka

  • indi­sches Hockeyteam gewann die Goldmedaille und wurde mit der indi­schen Tänzerin Madame Menaka sowie ihrer Tanzkompagnie foto­gra­fiert. Es folgte eine Tournee durch Deutschland.
  • Quelle für eine dif­fe­ren­zierte Einordnung hin­sichtlich medialer Präsenz des indi­schen Hockeyteams im NS-Deutschland: 

1930–1936: Hindustan-Haus

  • Restaurant, Versammlungs- und Kulturraum in der Uhlandstraße 179180
  • Abbildung:
    • Zeitgenössische Abbildung von 1999 der Hausfassade: Günther Lothar und Rehmer, Hans-Joachim (1999). Inder, Indien und Berlin. 100 Jahre Begegnung. Berlin: Lotus Verlag Roland Beer. S. 47ff.

1927–1933: Büro der Liga gegen Imperialismus

  • Gründung der Liga 1927, unter­stand der Kommunistischen Internationalen/ Komintern
  • Vernetzung von inter­na­tio­nalen Anti-Imperialist:innen, u.a. war hier auch der indische Kommunist Virendranath Chattopadhayaya, auch “Chatto” orga­ni­siert, sowie der Tscheche Bohmir Smeral und Willi Münzenberg 
    • Chatto, 1914 in Berlin ein­ge­schrieben als Student, begann er auch für die Nachrichtenstelle für den Orient zu arbeiten → 1915 begannen indische Aktivisten sich von NfO selbst­ständig zu machen in dem “Indischen Unabhängigkeitskommitee”, oder “Berlin Kommitee”
  • Adressen des Büros: von 1928 bis 1931: Friedrichstraße 24 , danach bis 1933 Hedemannstraße 13 (beides Kreuzberg heute)
  • eben­falls in Friedrichstraße ange­siedelt war das Büro zur “Liga der Verteidigung der N****rasse” ab Herbst 1929 – deut­scher Ableger der fran­zö­si­schen Vorbildorganisation. Gründungsmitglieder: Joseph Bilé, Louis Brody, Richard Dinn, Thomas Ngambi ul Kuo, Victor Bell, Thomas Manga Akwa und Manfred Kotto Priso
  • 1925 war in der Friedrichstraße 232 das Büro der “Chinese National Agency”, geleitet von Hansin Liau, auch Vertreter der Kuomintang in Berlin. Er sollte anti­ko­lo­niale Propaganda bzgl. China steuern, wurde hierbei von Moskau instruiert. Die gewalt­vollen Ausbrüche der Kuomintang 1927 über­raschten ihn, der kom­mu­nis­tisch ori­en­tiert war und in Folge dessen Büro und Tätigkeiten auf­ge­geben hat. (vgl. Terkessidis 2022: 270).
  • 1927, 10–15. Februar fand der “Kongress gegen kolo­niale Unterdrückung und Imperialismus” in Brüssel, im Palais Egmont, statt, initiiert von Willi Münzenberg. 174 Delegierte aus Ländern Europas, USA, Lateinamerikas, Kolonien Afrikas und Asiens, reisen an. U.a. hier anwesend: Jawaharlal Nehru, Nguyen Ai Quoc (Ho Chi Minh) und Mohammed Hatta (später indo­ne­si­scher Ministerpräsident)
  • Quellen:
    • Mark Terkessidis: https://kolonialismus-begegnen.de/geschichten/die-liga-gegen-den-imperialismus/,
    • Manjapra, Kris (2014). Age of Entanglement: German and Indian Intellectuals across Empire. Harvard: University Press
    • Laursen, Ole Birk (2019), ‘Anti-Colonialism, Terrorism and the “Politics of Friendship”: Virendranath Chattopadhyaya and the European Anarchist Movement, 1910–1927’, Anarchist Studies, 27:1, S. 47–62.
    • Oesterheld, Joachim (2004). Aus Indien an die Alma mater ber­o­li­nensis Studenten aus Indien in Berlin vor 1945, In: Periplus 2004, Jahrbuch für Außereuropäische

Geschichte (14. Jahrgang), Münster, S. 191–200ff.

  • Stöcker, Helene (1927): Der Brüsseler Kongreß gegen kolo­niale Unterdrückung und Imperialismus, in Die Friedenswarte, Bd. 27, Nr. 3, S. 10–15. [Auch online] https://pm20.zbw.eu/mirador/?manifestId=https://pm20.zbw.eu/iiif/folder/co/065567/manifest.json.
  • Petersson, Frederik (2013): “We Are Neither Visionaries nor Utopian Dreamers”. Willi Münzenberg, the League against Imperialism, and the Comintern, 1925–1933. [online] https://www.doria.fi/bitstream/handle/10024/90023/petersson_fredrik.pdf [abge­rufen am 2.12.2022]
  • Terkessidis, Mark (2022), 1929 – Die Liga gegen den Imperialismus bekommt ein neues Büro in der Friedrichstraße. In: Die post­ko­lo­niale Stadt lesen. Historische Erkundungen in Friedrichshain-Kreuzberg. Hrsg. von Natalie Bayer und Mark Terkessidis. Berlin: Verbrecher Verlag.
  • Adi, Hakim, (2008), »Pan-Africanism and Communism: the Comintern, the ›Negro Question‹ and the First International Conference of Negro Workers, Hamburg 1930«, African and Black Diaspora: An International Journal, Bd. 1, Nr. 2.
  • Bildmaterial:
    • Fotografie von Chatto: Terkessidis, Mark. 1929 – Die Liga gegen den Imperialismus bekommt ein neues Büro in der Friedrichstraße. In: Die post­ko­lo­niale Stadt lesen. Hrsg. von Natalie Bayer und Mark Terkessidis. Berlin: Verbrecher Verlag, 2022. S. 264.

1926: Proteste gegen sog. “Indienschau”

  • Berliner Zoo
  • “Völkerschau” durch John Hagenbeck, Halbbruder Carl Hagenbecks, mit Teilnahme indi­scher Artist:innen. Inder:innen in Berlin pro­tes­tieren dagegen medi­en­wirksam, hier war u.a. Chatto aktiv, aber auch Protest von Verein der Inder in Zentraleuropa
  • Quelle:
    • Zeitungsbericht, Autor:in unbe­kannt, “Der Zoo, ein neuer Lunapark. Der Schwindel in der Indienschau”, In: Die Welt am Abend, 3. Juli 1926.
  • Bildmaterial:

1922–1945: “Deutsches Institut für Ausländer an der Berliner Universität”

  • Adresse?
  • etwa 5000 Inder:innen hielten sich in den 1920ern in Berlin auf (vgl. Terkessidis 2022: 267); Sprachkurse für Nicht-deutschsprachige, eigene Bibliothek, Studienraum und Wohnheim
  • Quelle:
    • Oesterheld, Joachim (2004). Aus Indien an die Alma mater ber­o­li­nensis Studenten aus Indien in Berlin vor 1945, In: Periplus 2004, Jahrbuch für Außereuropäische

Geschichte (14. Jahrgang), Münster, S. 191–200ff.

1921: Gründung des Indian News Service and Information Bureau (INSIB), “Indischen Nachrichten- und Informationsbüro”, von 1929 bis Ende 1930: “Indisches Informationsbüro”

  • Räumlichkeiten in Halensee
  • Ziel war deutsche wie auch indische Medien mit unab­hän­gigen Nachrichten zu ver­sorgen, auch Inder:innen in Deutschland zu unterstützen
  • zuständig für Visaangelegenheiten, Unizulassung, Praktika an Berliner Betrieben, Studentenjobs
  • getragen von Indischen Nationalkongress, gab Infomaterial an indi­schen Studenten und Praktikanten heraus
  • Quelle:
    • Oesterheld, Joachim (2004). Aus Indien an die Alma mater ber­o­li­nensis Studenten aus Indien in Berlin vor 1945, In: Periplus 2004, Jahrbuch für Außereuropäische

Geschichte (14. Jahrgang), Münster, S. 191–200ff.

  • Terkessidis, Mark (2022), 1929 – Die Liga gegen den Imperialismus bekommt ein neues Büro in der Friedrichstraße. In: Die post­ko­lo­niale Stadt lesen. Historische Erkundungen in Friedrichshain-Kreuzberg. Hrsg. von Natalie Bayer und Mark Terkessidis. Berlin: Verbrecher Verlag.

1921: Gründung des sog. “Orient Klub”

ab 1919: Zunahme indi­scher Studierender in Berlin

  • bis etwa 1945 etwa 500 indische Studierende in Berlin, im vgl. waren es 1500 japa­nische Studierende im selben Zeitraum. Etwa 50 Dissertationen wurden von indi­schen Studierenden eingereicht
  • Gründe für den Anstieg von Studierenden in Berlin: Aufruf der Nichtzusammenarbeit mit Kolonialmacht Großbritannien sowie wach­sender Bedarf nach Fachkräften in Industrialisierten Zweigen Indiens: neben Technischen Hochschule, Industrieunternehmen wie AEG, Siemens und Bergmann-Borsig sowie Schering als Ausbildungsorte
  • Quelle:
    • Oesterheld, Joachim (2004). Aus Indien an die Alma mater ber­o­li­nensis Studenten aus Indien in Berlin vor 1945, In: Periplus 2004, Jahrbuch für Außereuropäische

Geschichte (14. Jahrgang), Münster, S. 191–200ff.

1918, Jan: Gründung des “Bund Freunde Indiens”

  • ange­gliedert an den Berliner Schriftstellerklub in der Kurfürstenstraße
  • deutsch-nationalistisch ori­en­tierte Vereinigung, die die deutsch-indische Völkerverständigung vor­an­treiben wollte. Erste Vereinigung dieser Art. Löste sich zum Kriegsende auf

1915: Einrichtung von Kriegsgefangenenlagern

  • in Wünsdorf und Zossen, bei Berlin durch Deutschland.
  • Konzentrierung von mus­li­mi­schen, dar­unter auch indi­schen Kriegsgefangenen. Strategie der Agitation; Versuch die Kriegsgefangenen zum Übertritt für den Kampf gegen die fran­zö­sische und bri­tische Kolonialherrschaft zu gewinnen. Deutschland und das Osmanische Reich hatten Interesse daran. Hafterleichterungen sowie Möglichkeiten zur Ausübung von Religion → Bau einer Moschee 1915, die dem Lager Wünsdorf den Beinamen “Haldmondlager” ein­brachte. Zugleich auch pro­pa­gan­dis­tische Inszenierung Deutschlands als guter Kriegsherr durch bspw. Versendung von Postkarten mit Abbildungen der Moschee
  • anthro­po­lo­gische und eth­no­lo­gische Untersuchungen im Lager, sowie Laut-Aufnahmen, die heute im Archiv der HU lagern
  • 1917 wurden alle indi­schen und ein Großteil der afri­ka­ni­schen Gefangenen nach Rumänien, in von Deutschland besetzt gebiete verlegt: zahl­reiche Kriegsgefangenen hatten zuvor den Winter in Brandenburg nicht überlebt
  • Quellen:
  • Bildmaterial:

191415: Gründung des “Indischen Unabhängigkeitskomitee”, oder “Berlin Komitee“ oder “Indian Independence Committee (IIC)

  • Büro in Charlottenburg, Wielandstraße 38 (laut Lothar und Rehmer steht das Haus unver­sehrt durch beide Weltkriege, vgl. S. 54).
  • Gründung im September 1914 durch Chatto und Abinash Bhattacharya, beide damals in Halle lebend (vgl. Günter et al. 1999: 53). Kopf und Leiter des Komitees war Chatto, wenn auch häufig auf Reisen und dadurch in Berlin ver­treten durch B.N. Dutta → “Das Komitee betrachtete sich als pro­vi­so­rische Exilregierung eines freien Indien. Im Juli 1915 ver­kündete das Komitee den Kriegszustand mit Großbritannien. Die ent­spre­chende Erklärung endete mit den Worten: Wir haben ein Recht für die Freiheit zu kämpfen und werden nicht auf­hören, bis Indien frei ist.” (Lothar und Rehmer 1999: 56).
  • gründete sich aus indi­schen Aktivisten, die zuvor in der Nachrichtenstelle für den Orient (NfO) tätig waren und ver­han­delte direkt mit dem Auswärtigen Amt. Chatto fun­gierte hier als Botschafter
  • aus­gehend von IIC auch Afghanistan Mission von 1915 sowie Sabotageakte am Suezkanal mit tür­ki­scher Unterstützung, beide mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes, um die bri­tische Kolonialherrschaft in Indien zu schwächen. Ersteres durch Unterstützung des indi­schen Aufstands aus Afghanistan heraus und zwei­teres durch Verhinderung von Waffennachschub für bri­tische Westfront in Europa via Australien und Indien
  • bis Ende 1917 finan­zielle Unterstützung durch Auswärtiges Amt/ Nachrichtenstelle für den Orient. Ende 1918 Auflösung des IIC. (Lothar & Rehmer 1999: 57).
  • Quelle:
    • Terkessidis, Mark (2022), 1929 – Die Liga gegen den Imperialismus bekommt ein neues Büro in der Friedrichstraße. In: Die post­ko­lo­niale Stadt lesen. Historische Erkundungen in Friedrichshain-Kreuzberg. Hrsg. von Natalie Bayer und Mark Terkessidis. Berlin: Verbrecher Verlag.
    • Günther Lothar und Rehmer, Hans-Joachim. Inder, Indien und Berlin. 100 Jahre Begegnung. Berlin: Lotus Verlag Roland Beer. 1999, S. 53ff.

1914: Gründung des “Indian National Party” in Berlin

  • gegründet durch Chempakaraman Pillai, der im Juni 1912 in Zürich Pro-India-Commitee gebildet hatte und die Zeitschrift “Pro India” herausgab
  • Indian National Party stand dem deut­schen Generalstab nahe; weitere Mitglieder: Har Dayal, Taraknath Das, Barakatullah, Chandra Kumar Chakravarty und Hermambalal Gupta, sowie Chatto
  • Veröffentlichung von „British Rule in India – Condemned by the British Themselves” 1915
  • von Hindus domi­niertes Komitee, durch Abdul Jabbr Khairi und Abdus Sattar Khairi und Maulana Barakatullah, stießen indische Muslime hinzu.

1908: laut Polizeibericht nur 3 Inder an Berliner Universitäten eingeschrieben

  • namentlich:
    • Sarat Kumar Datta aus Deuli bei Kalkutta, geb. am 12.9.1878, stu­dierte Elektrotechnik.
    • Byramji Saklatwalla aus Mumbai (Bombay). ge. ab 20.7.1881, stu­dierte Chemie
    • Shirarang Moreshwar Sane aus Allahabad, geb. 1.9.1883, stu­dierte Chemie
    • Mehrzahl der indi­schen Studenten leben in Berlin Charlottenburg
  • Quelle:
    • Günther Lothar und Rehmer, Hans-Joachim (1999). Inder, Indien und Berlin. 100 Jahre Begegnung. Berlin: Lotus Verlag Roland Beer. S. 31ff.
    • Horst Krüger, “Inder in Berlin vor dem Ersten Weltkrieg”, Nachlass im Archiv des Zentrum Moderner Orient, Leipzig. S. 12. https://repositorium.zmo.de/receive/himport_mods_00005048

1870er: Erste indische Studenten in Berlin

  • 1873 war ver­mutlich ein Anglo-Inder, A.J. Ebel in der Friedrich-Wilhelms-Universität für das Sommersemester in Philologie ein­ge­schrieben. Wohnhaft: Königgrätzer Straße 54 (heutige Stresemannstraße)
  • 1874–1877: Ramchandar Pradan aus Calcutta war dann der erste Inder aus Indien, ein­ge­schrieben für Philologie. Wohnhaft: Oranienburger Straße 2, sowie Unter den Linden 57
  • Quelle:
    • Günther, Lothar und Rehmer, Hans-Joachim (1999). Inder, Indien und Berlin. 100 Jahre Begegnung. Berlin: Lotus Verlag Roland Beer. S. 31ff.
    • Oesterheld, Joachim und Günter, Lothar (1997). Inder in Berlin. Aus der Reihe: mit­ein­ander leben in Berlin. die Ausländerbeauftragte des Senats. Berlin.

Relevante Archive und Archivmaterial

  • Zentrum Moderner Orient. Online Repositorium: https://repositorium.zmo.de/content/index.xml
  • Staatsbibliothek zu Berlin, Archiv der Studierendenorganisationen 
    • u.a. hier: Organ der Hauptgemeinschaft Ausländischer Studierenden. Neue Horizonte. 1. Heft, 1. Jahrgang. Berlin: 1928.
  • Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin, Ausländerkartei Indien, 1928–1938: Verzeichnis der ein­ge­schrie­benen indi­schen Student:innen.
  • Lautabteilung der Preußischen Staatsbibliothek. sog. Lautarchiv mit Tonaufzeichnungen aus dem Kriegsgefangenenlager im Ersten Weltkrieg. Online Repositorium: https://www.sammlungen.hu-berlin.de/sammlungen/

Weitere Ressourcen

  • Fischer-Tiné, Harald: “The Cult of Aisanism”: Asiendiskurse in Indien zwi­schen Nationalismus und Internationalismus (ca. 1885–1955), aus: Zeitschrift für Globalgeschichte und ver­glei­chende Gesellschaftsforschung 18. Heft 6, S. 16–33.
Projekt PADBVerein

Recherche/Text: Linh Müller

Dieses Wissensmodul ist Teil des Projektes „Asiatische Präsenzen in Berlin“. Neben der Erstellung des Artikels Anujah Fernando, Linh Müller (2022): Asiatische Präsenzen im Berlin der Zwischenkriegszeit: Inder:innen, Koreaner:innen und Community über­grei­fende Begegnungen wurden zwei Wissensmodule in Form von the­ma­tisch fokus­sierten Materialsammlungen zusam­men­ge­stellt. Die vor­lie­gende zu Koreaner:innen im Berlin der Zwischenkriegszeit sowie eine weitere zu Antikoloniale Vernetzung von Inder:innen im Berlin der Zwischenkriegszeit. Diese können als Ausgangspunkte für wei­ter­füh­rende Recherchen und inhalt­liche Vertiefungen genutzt werden.

Unter Wissensmodul ver­stehen wir in diesem Projekt the­ma­tisch fokus­sierte Materialsammlungen, die aus der Recherche zu dem Themenfeld „Asiatische Präsenzen im Berlin der Zwischenkriegszeit“ her­vor­ge­gangen sind.

Leitfragen

  • Warum sind sie in Berlin? Warum dürfen sie in Berlin sein? Wer pro­fi­tiert von ihrer Präsenz?
  • Welche ver­schie­denen Identitäten nehmen sie an? Welchen Pass besitzen sie? Welche natio­nalen Identitäten werden ihnen zuge­schrieben und welche schreiben sie sich selbst zu?
  • Welche Rolle spielt das Label “asia­tisch” für sie? Nutzen sie diesen Begriff, um ihre eigene Positionalität und Kämpfe zu beschreiben? Ist es eine Fremdzuschreibung?
  • Welche Orte sind von Bedeutung für sie?
  • Inwiefern sind sie widerständig?
  • Welche glo­balen kolo­nialen und anti-kolonialen Verbindungen spiegeln sich auf der lokalen Berliner Ebene wider?

Einleitung

  • Kolonialer Hintergrund Koreas:Seit 1910 offi­ziell japa­nische Kolonie
  • Starke Repressionen, Ausbeutung, Unterdrückung von poli­ti­scher Aktivität
  • März 1919: Als Reaktion auf Ende des Ersten Weltkrieges und die Äußerungen Woodrow Wilsons (US-Amerikanischer Präsident) ent­steht Bewegung des ersten Märzes (Protestbewegung), nie­der­ge­schlagen durch japa­ni­sches Militär und Polizei
  • Viele Koreaner:innen fliehen, viele nach Shanghai, wo Exilregierung gegründet wird
  • Wohlhabende Familien schicken ihre Kinder oft nach Europa zum stu­dieren – mit japa­ni­schem Pass (Koreaner:innen waren japa­nische Kolonialsubjekte) wird in 1920er und 1930er Jahren kein Visum für Deutschland benötigt
  • Andere (poli­tisch aktive und/oder anti-japanische) Koreaner:innen kommen über das Exil in China, mit Pass aus­ge­stellt durch chi­ne­sische Regierung

Allgemeine Quellen: Historische Perspektiven auf Korea und Kolonialismus sowie Koreas Beziehung zu Deutschland

  • Cho,Joanne Miyang / Lee M. Roberts (2018): Transnational Encounters between Germany and Korea: Affinity in Culture and Politics Since the 1880s, New York: Palgrave Macmillan.
  • Dudden, Alexis (2006): Japanese Colonization of Korea: Discourse and Power, Honolulu: University of Hawai’i Press.
  • Duus, Peter (1998): The Abacus and the Sword: The Japanese Penetration of Korea, 1895–1910, Berkeley und Los Angeles: University of California Press.
  • Hoffmann, Frank (2015): Berlin Koreans and Pictured Koreans, Wien: Praesens.

An Pong-gŭn: Ein korea­ni­scher Migrant mit vielen Rollen

  • An Pong-gŭn ist Cousin von An Chung-gŭn (korea­ni­scher Nationalheld, der Attentat auf Ito Hirobumi verübte)
  • Kommt mit Missionaren nach Deutschland – zu diesem Zeitpunkt in natio­nalem deut­schen Interesse, korea­ni­schen Nationalismus vor­an­zu­treiben gegen Japan; Religion und Kirche hilf­reich in Kommunikation mit Korea – unklar, wer von wem profitierte
  • inter­niert als japa­ni­scher Staatsbürger für 6 Wochen in Kaiserslautern (Erster Weltkrieg)
  • wird später bei Grenzüberquerung in die Niederlande ver­haftet, fest­ge­halten von der Japanischen Botschaft, die Koreaner in Europa über­wacht, wird nach Japan “abge­schoben”, via Shanghai kehrt er einige Jahre später nach Deutschland zurück
  • An Pong-gŭn ist Aktivist und betreibt Bildungsarbeit für die korea­nische Sache: arbeitet als Experte für das Völkerkunde Museum in Dresden, ver­öf­fent­licht Kurzgeschichte, Artikel über korea­ni­sches Schulsystem, pro­du­ziert Radiosendung über Korea, arbeitet für Martin Heydrich (Anthropologe, der später füh­render Kopf der Nazi Rassenideologie wird)
  • Nach Hitlers Machtübernahme öffnet An seine eigene Tofufabrik, zieht von Kreuzberg in die Kantstraße (chinesisch-dominiertes Viertel – mut­maß­liche Kontakte zu wohl­ha­benden Chines:innen)
  • Spielt mit in diversen deut­schen Spielfilmen – u.a. als “indi­scher” Charakter, Tierwärter “Shing”
  • 1936 besuchen die korea­ni­schen Sportler des japa­ni­schen Olympiateams An mehrmals, essen zusammen. Dort sieht Son Ki-jŏng zum ersten Mal eine korea­nische Flagge
  • Eventuell wird An Sachverständiger für Sojabohnenanbau in Deutschland – Kollaborateur?
  • Letzten Kriegsjahre ver­bringt An in Italien: Wird auf Heimreise nach Korea 1945 noch in Italien krank und verstirbt
  • → Viele ver­schiedene Rollen, zum Teil fremd­zu­ge­schrieben, zum Teil frei­ge­wählt: Zeigt Ambivalenzen und Wandelbarkeit in Existenz als korea­ni­scher Migrant in Deutschland auf

Quelle

  • Hoffmann, Frank (2015): Berlin Koreans and Pictured Koreans, Wien: Praesens.

Orte

  • Kantstraße (Kantstr. 132)

Potentielle Anknüpfungen und Vertiefungen 

  • An Pong-gŭn in deut­schen Spielfilmen: Welche Filme? Welche Rollen als asia­tische Person? Welches Bild von “Asien” wird pro­du­ziert? Andere nicht-weiße Schauspieler:innen zur gleichen Zeit?
  • Geschichte von Tofu im Nationalsozialismus und in Deutschland allgemein
  • Geschichten, wis­sen­schaft­liche Texte, etc. von An Pong-gŭn näher betrachten; Einfluss auf deut­sches Bild von Korea untersuchen

Son Ki-jŏng: Ein Olympiasieger unter fal­scher Flagge im Nationalsozialismus

  • Son Ki-jŏng, Koreaner, tritt unter japa­ni­scher Flagge (da Korea japa­nische Kolonie war) bei Olympischen Spielen 1936 in Deutschland an und gewinnt den Marathon
  • Bei Siegerehrung wendet er Blick von japa­ni­scher Flagge ab; weigert sich, in Berlin mit japa­ni­schen Namen zu unterschreiben
  • Wird Nationalheld in Korea: Zeitung druckt Foto ab, auf dem japa­nische Flagge auf seinem Trikot retu­schiert ist; auch heute noch Symbolfigur für korea­ni­schen Widerstand
  • Präsenz von Sportler:innen wie Son oder Jesse Owens erlaubt Nationalsozialisten, ein offenes Bild der deut­schen Gesellschaft zu pro­pa­gieren – während und vor Olympischen Spielen werden ras­sis­tische und anti­se­mi­tische Äußerungen in Presse ver­boten, um Bild zu wahren
  • Dennoch: Stereotype Beschreibung von “japa­ni­schen” Athlet:innen als “zierlich” oder “klein”, Erfolg wird bestimmten Attributen der asia­ti­schen “Rasse” zugeschrieben
  • Zugleich muss Sonderstatus von Japan und ost­asia­ti­schen Menschen in Naziideologie all­gemein her­vor­ge­hoben werden: Japan wird glo­ri­fi­ziert für mili­tä­rische, diplo­ma­tische Errungenschaften, lange “Kulturgeschichte” sowie für “ras­sische Reinheit”
    • Viele Menschen vom asia­ti­schen Kontinent ver­lassen Berlin nach Machtergreifung Hitlers, aber einige bleiben: Sind Diskriminierung aus­ge­setzt, aber können wohl ihr Leben (soweit poli­tisch nicht aktiv) weiter leben
  • Nicht uner­wähnt sollte bleiben, dass es durchaus auch gezielte Verfolgung von Menschen mit Bezug zum asia­ti­schen Kontinent, nach­weislich Chines:innen, im Nationalsozialismus gab.
    • 1942 wurden nach Beitritt Chinas in den Zweiten Weltkrieg auf Seiten der Alliierten 300 Chines:innen in Berlin ver­haftet und inter­niert auf­grund der Vermutung von poli­ti­scher Aktivität (Hoffmann 35).
    • 1944 wurden in der soge­nannten “Chinesenaktion” wurden 1944 Chines:innen in Hamburg St. Pauli fest­ge­nommen, miss­handelt, gefoltert und zum Teil in KZs inter­niert. Einige starben an den Folgen der Misshandlungen. Überlebende wurden nie entschädigt. 
    • 1945 wird das chinesisch-deutsche Ehepaar Tung aus ihrem Haus gejagt, der deut­schen Frau wird der Kopf rasiert und sie wird auf der offenen Straße bloßgestellt.
  • Andere Koreaner sind aktive Kollaborateure des Naziregimes: Kim Paek‑p’yŏng, Eugeniker und Rassenforscher am Kaiser Wilhelm Institut für Anthropologie in Dahlem, Komponist An Ik‑t’ae, Tänzer Kuni Masami, Wissenschaftler Chang Kŭk

Primärquellen

  • 2. Olympia-Sonderheft (1936): Berliner Illustrierte Zeitung, Berlin: Ullstein A. G. Berlin.
  • Cigaretten-Bilderdienst Altona-Bahrenfeld (1936): Die Olympischen Spiele 1936, Bd. 2, Hamburg: Cigaretten-Bilderdienst Altona-Bahrenfeld.
  • Riefenstahl, Leni (1938): Olympia – Fest der Völker, Teil 1 und 2. 

Sekundärquellen

  • Bi, Yingrui (2021): Die Hong-Kong Bar im Hamburger Stadtteil St. Pauli, Re-Mapping Memories, [online] https://www.re-mapping.eu/de/erinnerungsorte/hong-kong-bar [abge­rufen am 30.11.2022].
  • Guttmann, Allen (2006): Berlin 1936: The Most Controversial Olympics, in Alan Tomlinson / Christopher Young (Hrsg.), National Identity and Global Sports Events: Culture, Politics, and Spectacle in the Olympics and the Football World Cup, Albany: SUNY Press.
  • Kitei Son (o.D.): Olympic Games, [online] https://olympics.com/en/athletes/kitei-son [abge­rufen am 29.11.2022].
  • Krebs, Gerhard (2015): Racism under Negotiation: The Japanese Race in the Nazi-German Perspective”, in Rotem Kowner / Walter Demel (Hrsg.), Race and Racism in Modern East Asia, Vol. II: Interactions, Nationalism, Gender and Lineage, Leiden: Brill.
  • Krüger, Arnd / William Murray (2003): The Nazi Olympics: Sport, Politics, and Appeasement in the 1930s, Champaign: University of Illinois Press.
  • Law, Ricky W. (2009): Runner-up: Japan in the German Mass Media during the 1936 Olympic Games, in: Southeast Review of Asian Studies, Bd. 31, S. 164–80.
  • Law, Ricky W. (2019): Transnational Nazism: Ideology and Culture in German-Japanese Relations, 1919–1936, Cambridge: Cambridge University Press.
  • Podoler, Guy (2021): From the Berlin Olympics marathon to a park in Seoul: Sohn Kee-Chung and the con­s­truction of sports heritage in South Korea, in: Sport in Society.
  • Spannagel, Lars (2016): Olympische Geschichte in Berlin: Rückkehr unter wahrer Flagge, in: Tagesspiegel, 13.12.2016, [online] https://www.tagesspiegel.de/sport/ruckkehr-unter-wahrer-flagge-3780817.html [abge­rufen am 29.11.2022].
  • von Piechowski, Nadine (2019): “St. Pauli war Hamburgs Chinatown“: Die Geschichte der Hong-Kong Bar, in FINK.HAMBURG, 28.01.2019, [online] https://fink.hamburg/2019/01/chinesenaktion-hamburg-marietta-solty/ [abge­rufen am 30.11.2022].
  • Yu-Dembski, Dagmar (2007): Chinesen in Berlin, Berlin: berlin edition.

Orte

  • Tafel am Olympiastadion mit Namen der Gewinner:innen
  • Statue von Son Ki-jŏngin der Glockenturmstraße
  • Kaiser Wilhelm Institut für Anthropologie

Potentielle Anknüpfungen und Vertiefungen 

  • Kim Paek‑p’yŏng am KWI‑A und seine Veröffentlichungen
  • Vertiefung: Rassenideologie der Nationalsozialisten in Bezug auf ver­schiedene Nationen auf dem asia­ti­schen Kontinent
  • Vertiefung: Bedeutung von Sport und sport­lichen Wettkämpfen und Antikolonialismus/Dekolonialismus (C.L.R. James, diverse Publikationen über Sport in Korea)
  • Analyse von Berichterstattung über Olympische Spiele in Berliner Zeitungen oder anderen Veröffentlichungen
  • Analyse von Son Ki-jŏng und Jesse Owens in Leni Riefenstahls Olympia
  • Kollaborateure der Nazis: Nationalsozialismus als trans­na­tionale Ideologie
  • Begriff von “Rasse” in Japan und Korea zu ver­schie­denen Zeiten näher untersuchen
  • Nähere Analyse: Anti-asiatischer Rassismus im Nationalsozialismus

Antikolonialer und kom­mu­nis­ti­scher Aktivismus (u.a. von Koryŏ Student Corps)

  • Berlin als Zentrum anti­ko­lo­nialer Aktivität in den 1920er Jahren – niedrige Lebenshaltungskosten, poli­tische Stimmung, Deutschland ver­liert eigene Kolonien nach Erstem Weltkrieg, gute Universitäten → viele Studierende aus Kolonien kommen nach Berlin
  • 1921: Gründung des Koryŏ Student Corps – Sitz in Kantstraße 122 (dicht an chi­ne­si­schen Studierendenverband)
  • 1923: Organisation von großem Protest gegen Japan, Druck von 7000 Flugblättern in ver­schie­denen Sprachen
  • 1927: “Kongress gegen kolo­niale Unterdrückung und Imperialismus” in Brüssel: 174 Delegierte und zahl­reiche Gäste nehmen an der Konferenz teil, 137 Organisationen und Parteien aus 37 Ländern sind vertreten
    • 4 korea­nische Delegierte: Li Kolu (Yi Kŭng-no) und Wovil Whang (Hwang U‑il) ver­treten Verein Koreanischer Schriftsteller und Journalisten, Kin Fa Lin (Kim Pŏm-nin) ver­tritt Verein der Koreaner in Frankreich, Yi King Li (Mirok Li) ver­tritt Verein Koreanischer Studenten in Deutschland (Koryŏ Student Corps)
    • 2 korea­nische Reporter (Namen mir nicht bekannt)
    • Resolution der korea­ni­schen Delegation: “Korea [hat] seinen Anspruch auf völlige Unabhängigkeit vor der ganzen Welt begründet”, falls Japan diese Unabhängigkeit nicht aner­kenne, sehe man sich gezwungen “den Kampf gegen den japa­ni­schen Imperialismus bis aufs äußerste fortzusetzen”
    • Rede von Sen Katayama: “Der Kampf des korea­ni­schen Volkes gegen Japan”
  • 1929: “II. Anti-Imperialistischer Kongreß in Frankfurt a.M.” – Koreaner:innen eben­falls vertreten
    • Frauen- und Friedensaktivistin Helene Stöcker: “Der passive Widerstand ist – nach dem Bericht des korea­ni­schen Berichterstatters – gescheitert; nur eine gemeinsame Massenbewegung aller unter­drückten Völker könne das Land noch retten”
  • Vernetzung von korea­ni­schen Aktivist:innen mit indi­schen, japa­ni­schen Aktivist:innen
    • alle in KPD organisiert
    • Koreaner:innen knüpfen Kontakt zu linker japa­ni­scher Gruppe „Vereinigung der revo­lu­tio­nären Asiaten” ab 1926
  • Vereinigung der revo­lu­tio­nären Asiaten gibt von 1932 bis 1933 Zeitschrift heraus: Revolutionäres Asien: Das Organ der Vereinigung der revo­lu­tio­nären Asiaten
    • “[…] Auf dem asia­ti­schen Kontinent wächst die revo­lu­tionäre Welle, in China, in Indien, in Indochina, in Indonesien, ebenso in den Ländern des nahen Ostens. In dem impe­ria­lis­ti­schen Japan wie auch in den impe­ria­lis­ti­schen Ländern Europas und Amerikas kämpfen die revo­lu­tio­nären Arbeiter ener­gisch gegen die kapi­ta­lis­tische Herrschaft. […] Die Schaffung der revo­lu­tio­nären Solidarität zwi­schen der kolo­nialen und halb­ko­lo­nialen Bevölkerung Asiens, und der Solidarität zwi­schen ihnen und dem Proletariat der kapi­ta­lis­ti­schen Länder, ist ein mäch­tiger Schlag gegen den Imperialismus und seine Lakaien. Zu diesem Zweck ist die Vereinigung der revo­lu­tio­nären Asiaten in Berlin gegründet. Sie ist die Organisation der revo­lu­tio­nären Elemente aus allen Teilen Asiens. Die Vereinigung ist für den kom­pro­miss­losen Kampf gegen den Imperialismus und seine Lakaien. Das Hauptziel der Organisation ist die Schaffung der Solidarität zwi­schen den Asiaten in Deutschland, und die Befestigung der Verbundenheit und Sympathie zwi­schen der deut­schen Bevölkerung und den Unterdrückten in Asien.” (Revolutionäres Asien 1923, Nr. 1.: 4f)
  • Interessante Figuren u.a. Yi Kŭng-no, Yi Kang-guk

Primärquellen

  • Liga gegen Imperialismus (1927): Das Flammenzeichen vom Palais Egmont, Offizielles Protokoll des Kongresses gegen Koloniale Unterdrückung und Imperialismus, Brüssel 10–15. Februar 1927, Berlin: Neuer Deutscher Verlag.
  • Revolutionäre Asiaten (1932): Revolutionäres Asien: Das Organ der Vereinigung der revo­lu­tio­nären Asiaten, Nr. 1 und 2, Berlin: MOPR-Verlag Berlin.
  • Stöcker, Helene (1927): Der Brüsseler Kongreß gegen kolo­niale Unterdrückung und Imperialismus, in Die Friedenswarte, Bd. 27, Nr. 3, S. 81–82.
  • Stöcker, Helene (1929): Der II. Anti-Imperialistische Kongreß in Frankfurt a. M, in Die Friedenswarte, Bd. 29, Nr. 9, S. 270–274.

Sekundärquellen

  • Hoffmann, Frank (2015): Berlin Koreans and Pictured Koreans, Wien: Praesens.
  • Jones, Jean (1996): The League Against Imperialism, in Socialist History Society Occasional Pamphlet Series, Bd. 4.
  • Kuck, Nathanael (2014): Anti-colonialism in a Post-Imperial Environment – The Case of Berlin, 1914–33, in Journal of Contemporary History, Bd. 49, Nr. 1, Special Issue: Migration in Germany’s Age of Globalization, S. 134–159.
  • Piazza, Hans (1987): Die Antiimperialistische Liga – die erste anti­ko­lo­niale Weltorganisation, in: Die Liga gegen Imperialismus und für nationale Unabhängigkeit 1927–1937, Zur Geschichte und Aktualität einer wenig bekannten anti­ko­lo­nialen Weltorganisation, Protokoll einer wis­sen­schaft­lichen Konferenz am 9. und 10. Februar 1987 an der Karl-Marx-Universität Leipzig.

Orte

  • Bildschirmaufnahme von An Pong-gŭn als indi­scher Tierwärter “Shing” in dem Film Männer müssen so sein
    • Abb. gesehen in Hoffmann 2015: 32, Fig. (8)
  • Foto Son Ki-jŏng Statue in Berlin
    • Statue in der Glockenturmstraße – ent­weder selbst auf­nehmen oder aus dem Tagesspiegel Artikel von Spannagel (c LSB/Engler)
  • Foto Siegerehrung nach Son Ki-jŏngs Olympiasieg
  • Scan einer Seite im Zigarettenbilderalbum (dort ist auch ein Foto von Sons Lauf zu sehen)
    • Cigaretten-Bilderdienst Altona-Bahrenfeld, Olympia 1936 Band II, „Der klas­sische Lauf“, S. 55.
  • Foto von Kim Paek‑p’yŏng mit einem Kollegen am KWIA beim Vermessen
    • gesehen in Hoffmann 2015: 139, Fig. 63, c Archive der Max-Planck-Gesellschaft Berlin, Bild #II/8
  • Scan Flyer vom Koryŏ Student Corps
    • Abb. gesehen in Hoffmann 2015:63, Fig. 18, Kukka Pohunch’ŏ, comp., Haeoeŭi han’guk tongnip undong saryo, vol. 1, Seoul: Kukka Pohunch’ŏ, 199, page 150.
  • Foto Generalrat Brüsseler Kongreß
    • Der vom Kongreß gewählte Generalrat in Liga gegen Imperialismus, Das Flammenzeichen vom Palais Egmont, 1927: 251.
  • Cover von Zeitschrift “Revolutionäres Asien”
  • Kantstraße 122

Potentielle Anknüpfungen und Vertiefungen

  • Seminar für Orientalische Sprachen: Wer lehrt dort wann, was für Überschneidungen gibt es (z.B. zwi­schen Inder:innen und Koreaner:innen)?
  • Beziehung zwi­schen chi­ne­si­schen, japa­ni­schen und korea­ni­schen Aktivist:innen
  • Analyse des Protokolls der Brüsseler Konferenz
  • Kontakt zu “ein­fachen” Menschen vom asia­ti­schen Kontinent in Berlin – z.B. Chines:innen im Schlesischen Viertel
  • Analyse von Revolutionäres Asien und Versuch, weitere Bände zu finden
  • Berichte korea­ni­scher Zeitungen über Aktivismus in Berlin

Abbildungen

  • Bildschirmaufnahme von An Pong-gŭn als indi­scher Tierwärter “Shing” in dem Film Männer müssen so sein
    • Abb. gesehen in Hoffmann 2015: 32, Fig. (8)
  • Foto Son Ki-jŏng Statue in Berlin
    • Statue in der Glockenturmstraße – ent­weder selbst auf­nehmen oder aus dem Tagesspiegel Artikel von Spannagel (c LSB/Engler)
  • Foto Siegerehrung nach Son Ki-jŏngs Olympiasieg
  • Scan einer Seite im Zigarettenbilderalbum (dort ist auch ein Foto von Sons Lauf zu sehen)
    • Cigaretten-Bilderdienst Altona-Bahrenfeld, Olympia 1936 Band II, „Der klas­sische Lauf“, S. 55.
  • Foto von Kim Paek‑p’yŏng mit einem Kollegen am KWIA beim Vermessen
    • gesehen in Hoffmann 2015: 139, Fig. 63, c Archive der Max-Planck-Gesellschaft Berlin, Bild #II/8
  • Scan Flyer vom Koryŏ Student Corps
    • Abb. gesehen in Hoffmann 2015:63, Fig. 18, Kukka Pohunch’ŏ, comp., Haeoeŭi han’guk tongnip undong saryo, vol. 1, Seoul: Kukka Pohunch’ŏ, 199, page 150.
  • Foto Generalrat Brüsseler Kongreß
    • Der vom Kongreß gewählte Generalrat in Liga gegen Imperialismus, Das Flammenzeichen vom Palais Egmont, 1927: 251.
  • Cover von Zeitschrift “Revolutionäres Asien”

Das Projekt wurde 2022 von der Berliner Landeszentrale für Politische Bildung gefördert.

BlogProjekt PADBVerein

Text und Recherchen: Anujah Fernando, Linh Müller

Dieser Artikel ist Teil des Projektes „Asiatische Präsenzen in Berlin“. Im Rahmen dieses Projektes wurde der vor­lie­gende Artikel sowie zwei Wissensmodule in Form von the­ma­tisch fokus­sierten Materialsammlungen erstellt: Antikoloniale Vernetzung von Inder:innen im Berlin der Zwischenkriegszeit sowie Koreaner:innen im Berlin der Zwischenkriegszeit. Diese können als Ausgangspunkte für wei­ter­füh­rende Recherchen und inhalt­liche Vertiefungen genutzt werden.

Zitiervorschlag Artikel: Anujah Fernando und Linh Müller (2022): Asiatische Präsenzen im Berlin der Zwischenkriegszeit: Inder:innen, Koreaner:innen und Community über­grei­fende Begegnungen, kori­en­tation, https://www.korientation.de/asiatische-prasenzen-berlin-zwischenkriegszeit-inderinnen-koreanerinnen-begegnungen, abge­rufen am [DATUM].

Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Anwesenheit von Menschen aus dem asia­ti­schen Raum im Berlin der Zwischenkriegszeit, im Speziellen mit Menschen aus dem korea­ni­schen und indi­schen Kontext. Indem wir den Blick auf die Präsenzen von Menschen aus dem asia­ti­schen Raum in Berlin richten, möchten wir zum Einen his­to­ri­sches Wissen ver­mitteln und Lücken und Leerstellen in domi­nanter Geschichtserzählung schließen. Zum Anderen erhoffen wir uns, in der Vermittlung dieser Fallbeispiele auch mit ver­ein­fa­chenden Narrativen von Asien zu brechen, indem wir die kom­plexen Verflechtungen kolo­nialer Geschichte anhand kon­kreter Lebenswege in Berlin skiz­zieren. Zuletzt möchten wir außerdem mit einem beson­deren Fokus auf die poli­tische Selbstorganisierung von Koreaner:innen und Inder:innen[1] im Berlin der 1920er die Perspektive der Community-über­grei­fenden Begegnung und Solidarisierung ein­fangen und sichtbar machen.

Auf Grundlage des aktu­ellen deutsch- und eng­lisch­spra­chigen Forschungsstands ver­suchen wir, die Anwesenheit korea­ni­scher und indi­scher Kolonialmigrant:innen in Berlin zu rekon­stru­ieren, his­to­risch zu kon­tex­tua­li­sieren, wenn möglich räumlich zu ver­orten, und somit jene ansonsten dis­parat beforschten Communities hier in Verbindung zu bringen. Durch ein sen­sibles Gegenlesen der aktu­ellen Forschung und diverser Primärquellen iden­ti­fi­zieren wir Momente der Eigensinnigkeit und Widerständigkeit sowie der Verbindung und der lokalen Kooperation zwi­schen Koreaner:innen und Inder:innen in Berlin. Da die aus­ge­wählten Fallbeispiele im Berlin der Weimarer Zeit sich auch unter dem Vorzeichen des anti­ko­lo­nialen Befreiungskampfs begeg­neten, der sich auch über Berlins Grenzen hinweg fort­setzte, gehen wir auf zen­trale trans­na­tionale Begegnungen ein, wie bei­spiels­weise den Brüsseler Kongress. Die Methode des Gegenlesens aus dem Jetzt birgt dabei stets die Gefahr der nach­träg­lichen Romantisierung his­to­ri­scher Ereignisse und Personen. Dem begegnen wir, indem wir den Fokus auf kon­krete his­to­rische Akteur:innen und ihr jewei­liges poli­ti­sches Handeln legen – und, wo möglich, auf die ambi­va­lenten und stel­len­weise stra­te­gi­schen Positionierungen der Akteur:innen hin­weisen, ob in Organisationsgründungen, poli­ti­schen Aktionen oder Kollaborationsbemühungen.

In der Annäherung aus der Gegenwart an indische und korea­nische Kolonialgeschichte in Berlin braucht es auch einen wachen Umgang mit natio­na­lis­tisch geprägten Begriffen wie Indien, aber auch mit Umbrella Terms wie Asien. All diesen Konzepten ist gemeinsam, dass sie je nach his­to­ri­schem und poli­ti­schem Kontext unter­schiedlich genutzt wurden und zum Teil diver­gente Zielsetzungen damit ver­bunden sind.[2] Auch begegnen wir den his­to­ri­schen Akteur:innen aus dem Jetzt mit der Zuschreibung von aus der Gegenwart geprägten Konzepten, wie etwa dem Community-Begriff. Wir haben uns dazu ent­schieden, das Konzept nutzbar zu machen, weil es uns die jeweilige soziale Verräumlichung der in Berlin anwe­senden korea­ni­schen und indi­schen Menschen ermög­licht. Für diesen Artikel ver­folgen wir indes die Strategie, auf den Konstruktionscharakter dieser Begriffe und Konzepte zu ver­weisen, indem wir gewisse Begriffe kursiv setzen. Eine ähn­liche Herausforderung stellt sich bei der Zuschreibung von Geschlecht. Die his­to­rische Quellenlage, meist aus euro­zen­tri­scher Perspektive geschrieben, ver­weist dabei auf Männer. Somit haben wir weniger das Handeln von Frauen, gar nicht von Non-Binären oder Trans*Menschen in unseren Fallbeispielen ein­be­ziehen können. Für den Artikel haben wir uns dazu ent­schlossen, an jenen Stellen, wo die geschlecht­liche Selbstpositionierung unklar ist bzw. aus den Quellen nicht explizit her­vorgeht, wie sich die Bezeichneten selbst beschreiben, mög­lichst gender-inklusiv zu for­mu­lieren und so Ausschließungen zu verhindern.

Zunächst steigen wir in den glo­bal­ge­schicht­lichen Kontext Britisch-Indiens und des Deutschen Kaiserreichs ein und skiz­zieren die Verflechtung der kolo­nialen Infrastruktur beider Regionen. Vor diesem Hintergrund kon­zen­trieren wir uns sodann auf die Präsenz von Inder:innen in Berlin und beschreiben die Rahmenbedingungen ihres Ankommens und Lebens bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Diese Abschnitte ver­folgen eine vor­rangig chro­no­lo­gische Argumentation und beziehen sich größ­ten­teils auf indische Studierende und Kriegsgefangene. Mit Virendranath Chattopadhyaya stellen wir einen Aktivisten im Kontext der indi­schen Selbstorganisierung in Berlin zentral vor. Nach einer Skizzierung des glo­bal­ge­schicht­lichen Rahmens korea­ni­scher Migration führen wir die chro­no­lo­gische Erzählung anhand der Biografie von An Pong-gŭn fort, um so die Rahmenbedingungen und Vielschichtigkeit von korea­ni­schen Präsenzen in Deutschland und Berlin zu erzählen. Hieran schließt sich eine nähere Betrachtung des Olympiasiegs und Aufenthalts von dem Läufer Son Ki-jŏng in Berlin zu Zeiten des deut­schen Nationalsozialismus an. Die asyn­chrone Anordnung der indi­schen und korea­ni­schen Biografien soll den kon­kreten Vergleich ver­meiden, um so auto­ma­ti­sierten Rückschlüssen und Kategorisierungen vor­zu­beugen, sowie Perspektiven auf Strukturen Berlins sowie die ver­räum­lichten Begegnungsmöglichkeiten in den Fokus rücken. Daran anknüpfend gehen wir mit dem Büro der Liga gegen Imperialismus auf einen Begegnungsraum in Berlin-Kreuzberg ein und weiten den Blick auf den Brüsseler Kongress, wo wir uns auf die Aktivitäten der korea­ni­schen und indi­schen Delegierten kon­zen­trieren. Anschließend wenden wir uns erneut dem Berliner Raum zu und suchen nach den wenigen Hinweisen von Cross Asian Encounters.

Indische Präsenzen in Berlin

Der euro­päische Kolonialismus hatte auf dem indi­schen Subkontinent eine lange Geschichte: Während ab dem 15. Jahrhundert por­tu­gie­sische Kolonialmächte tätig waren, kamen im 17. Jahrhundert nie­der­län­dische, bri­tische, dänisch-norwegische und fran­zö­sische kolo­niale Unternehmungen auf dem indi­schen Kontinent hinzu. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurden lokale Imperien auch durch den Eingriff euro­päi­scher Mächte desta­bi­li­siert, sodass im späten 18. Jahrhundert vor allem bri­tische und fran­zö­sische Kolonialmächte um die Dominanz vor Ort kämpften. Mit der Niederschlagung des Indischen Aufstandes von 1857 durch die Engländer wurde Britisch-Indien gegründet und die bri­tische Vorherrschaft offi­ziell dekla­riert. Britisch-Indien umfasste zur Zeit seiner größten Ausdehnung nicht nur das Territorium der heu­tigen Republik Indien, sondern auch die Territorien der heu­tigen Staaten Pakistan, Bangladesch und Myanmar.

Das Deutsche Kaiserreich und Britisch-Indien unter­hielten im 19. Jahrhundert einen regen Austausch. Auch wenn das Deutsche Kaiserreich erst ab 1884 offi­ziell als Kolonialmacht tätig wurde und ihr poli­ti­scher Wirkungsgrad nie offi­ziell mit Britisch-Indien ver­bunden war, waren etwa deutsche Unternehmer:innen, Wissenschaftler:innen und Künstler:innen Teil der kolo­nialen Infrastruktur. Wissenschaftler:innen beforschten indische Kulturen, Künstler:innen ver­mit­telten Bilder von Indien und Unternehmer:innen waren in Britisch-Indien wirt­schaftlich[3] tätig. Obwohl die Reiserichtung bis zum Ersten Weltkrieg von Deutschen nach Britisch-Indien überwog, nutzten dennoch einige Inder:innen die Ausbildungsmöglichkeiten in der deut­schen Metropole und kamen etwa zum Studium oder für ein Praktikum in einem indus­tri­ellen Betrieb nach Berlin. Indische Gelehrte wie­derum folgten dem deut­schen Interesse an der indi­schen Kultur und bereisten auf ihren Vortragsreisen das Deutsche Kaiserreich. Als Teil von sog. Völkerschauen waren indische Artist:innen zu Beginn des 20. Jahrhunderts in deut­schen Zoos, Parks und auf Volksfesten präsent. Die fol­genden Abschnitte beleuchten diese kolo­nialen Verstrickungen tie­fer­ge­hender und skiz­zieren zugleich den Wandel ange­sichts global-politischer Zäsuren.

1870–71 bis zum Ersten Weltkrieg: Berlin als Studienstandort

Schon vor der Reichsgründung 187071 bestand ein wis­sen­schaft­liches Interesse deut­scher Indolog:innen, Ethnolog:innen, Archäolog:innen an indi­schen Kulturen. Die Reisen deut­scher Wissenschaftler:innen nach Indien brachten wie­derum Artefakte und alte Manuskripte für Museen und Bibliotheken nach Berlin[4]. Auch die Einrichtung des Hindustani-Sprachstudiums am 1887 gegrün­deten “Seminar für Orientalische Sprachen”[5] in Berlin zeugte vom deut­schen Interesse am indi­schen Kontinent. Mediziner wie Robert Koch wie­derum reisten im staat­lichen Auftrag nach Indien, u.a. 1883 zur Erforschung von Cholera sowie 1897 zur Erforschung der Beulenpest im heu­tigen Mumbai (vgl. Günther & Rehmer 1999: 27).

Während nun deutsche Wissenschaftler:innen nach Britisch-Indien reisten und das sich so erworbene Wissen im Deutschen Kaiserreich ver­breitete, traten ebenso indische Studierende den Reiseweg Richtung Berlin an: 1873 stu­dierte und wohnte A.J. Ebel, ver­mutlich ein Inder aus dem angel­säch­si­schen Raum, in der Königgrätzer Straße 54 (heute Stresemannstraße, Kreuzberg). Ramchandar Pradan wohnte von 1874 bis 1878 in der Oranienburger Straße 2 sowie Unter den Linden 57. Beide stu­dierten Philologie an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. Die 1809 gegründete Einrichtung genoss unter aus­län­di­schen Studierenden einen guten Ruf. Für Studierende von Ingenieurberufen kam die 1879 gegründete Königlich-Technische Hochschule in Charlottenburg hinzu, der heu­tigen Technischen Universität. An der Charité, der Universitätsklinik, lehrten nam­hafte Mediziner:innen wie Rudolf Virchow oder der schon erwähnte Robert Koch – und trugen so auch dazu bei, dass Berlin als Studienstandort für indische Studierende an Attraktivität zunahm.

Der Erste Weltkrieg: Politische Organisierung in Berlin

Der Beginn des Ersten Weltkriegs brachte eine Zäsur für die Berlin lebenden Inder:innen:  In Berlin und Umgebung blieben einige Studenten, die der Krieg über­rascht hatte. Hinzu kamen neue, poli­tisch enga­gierte Studierende, indische Freiheitskämpfer sowie indische Kriegsgefangene. Berlin wurde zum Zentrum der indi­schen Aktivitäten gegen Großbritannien.

Die mili­tä­rische Aufrüstung im Ersten Weltkrieg führte auch zur Verpflichtung von Menschen aus den jewei­ligen kolo­nialen Kontexten, für das Heer der Kolonialmacht zu kämpfen. So gelangten neben fran­zö­si­schen Kolonialsoldaten auch die des bri­ti­schen Heeres in deutsche Kriegsgefangenschaft. Dabei waren mus­li­mische Kolonialsoldaten von beson­derem Interesse für die preu­ßische Regierung: In Absprache mit dem Osmanischen Reich als Kriegsverbündeten bestand die Absicht, Muslim:innen gegen “ihre” fran­zö­si­schen und bri­ti­schen Kolonialmächte auf­zu­wiegeln. So ließ das Deutsch Kaiserreich Ende 1914 das Kriegsgefangenenlager Wünsdorf süd­westlich von Berlin vor­rangig erbauen, um mus­li­mische Kriegsgefangene zu inter­nieren. Die deutsche Strategie sah auch vor, die mus­li­mi­schen Kriegsgefangenen durch eine bevor­zugte Behandlung für den Kampf gegen die bri­ti­schen und fran­zö­si­schen Kolonialmächte zu über­zeugen – etwa mittels des Rechts zur freien Religionsausübung. So wurde im Juli 1915 eine Moschee eröffnet, die dem Lager den Beinamen “Halbmondlager”[6] ein­brachte. Einige der mus­li­mi­schen Kriegsgefangenen stammten vom indi­schen Subkontinent. Unter ihnen befanden sich auch Sikhs und Hindus.

Die pro­pa­gan­dis­tische Beeinflussung scheint rück­bli­ckend wenig Erfolg für die deutsche Seite gehabt zu haben: Von den ins­gesamt 16.000 Kriegsgefangenen in Zossen und Wünsdorf liefen nur circa 1800 über (vgl. Liebau 2015). Jedoch wurde die Nähe der Menschen aus kolo­nialen Kontexten zur Kolonialmetropole von Anthropolog:innen und Ethnolog:innen Berlins für ihre Zwecke aus­ge­nutzt, wovon akri­bische Schädelvermessungen und Audio-Aufnahmen der Kriegsgefangenen in ihren jewei­ligen Sprachen und Dialekten zeugen. Die indi­vi­du­ellen Geschichten der Kriegsgefangenen lassen sich nur beschwerlich rekon­stru­ieren[7]. 1917 wurden alle indi­schen und ein Großteil der afri­ka­ni­schen Gefangenen nach Rumänien in von Deutschland besetzte Gebiete verlegt. Zahlreiche Kriegsgefangene hatten zuvor den Winter in Brandenburg nicht überlebt. Noch heute zeugen die Grabstätten von 206 Indern auf dem Friedhof bei Zehrensdorf, unweit von Wünsdorf, von ihrer Präsenz (vgl. Oesterheld & Günther 1997).

Die Anwesenheit der indi­schen Kriegsgefangenen im Berliner Umland wurde indes auch von den indi­schen anti­ko­lo­nialen und natio­na­lis­ti­schen Aktivisten, die sich zunehmend seit Beginn des Ersten Weltkriegs in Berlin auf­hielten, wahr­ge­nommen und in ihr poli­ti­sches Handeln ein­be­zogen. Einer der bemer­kens­wer­testen Aktivisten war Virendranath Chattopadhyaya, auch Chatto genannt (vgl. Barooah 2004).

Chatto selbst kam aus einer intel­lek­tu­ellen Brahmanen-Familie der ben­ga­li­schen Region. Sein Studium begann er in Madras und Kalkutta, bevor er 1902, wie auch zahl­reiche andere natio­na­lis­tisch ein­ge­stellte indische Studierende, in die Kolonialmetropole London ging und sich neben seinem Jura-Studium ver­stärkt in sozia­lis­ti­schen und sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Kreisen auf­hielt. Da die staat­lichen Repressionen in London gegen indische Aktivist:innen zunahmen, ver­legte Chatto sein Handeln 1910 in die Kolonialmetropole Paris. Hier erhoffte er sich Vernetzung mit anderen anti­ko­lo­nialen Aktivist:innen, ohne dem Druck der bri­ti­schen Kolonialmacht aus­ge­setzt zu sein (vgl. Liebau 2017). Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs und der sich abzeich­nenden Allianz zwi­schen den Entente-Mächten Frankreich und Großbritannien zog Chatto nach Deutschland und schrieb sich an der Universität Halle für Vergleichende Literaturwissenschaften ein. Schon im September 1914 zog er nach Berlin und gründete gemeinsam mit seinem indi­schen Kommilitonen Abinash Bhattacharya das Indische Unabhängigkeitskomitee[8] mit einem Büro in der Charlottenburger Wielandstraße 38.

Unterstützt wurde das Indische Unabhängigkeitskomitee durch die sog. Nachrichtenstelle für den Orient. Die 1914 vom Auswärtigen Amt gegründete Behörde mit Sitz in Charlottenburg hatte zum Ziel, durch Propaganda-Aktivitäten die Mittelmächte zu desta­bi­li­sieren. Teil dessen war u.a. die Publikation von Zeitschriften in Hindi, Urdu, Persisch oder Türkisch, die im Ausland ver­teilt wurden oder als Lagerzeitschriften in Wünsdorf zir­ku­lierten. Neben deut­schen Beamten arbei­teten indische Studierende, Sprachlektoren des oben erwähnten“Seminar für Orientalische Sprachen” wie auch Internierte des Kriegsgefangenenlagers für die Nachrichtenstelle (vgl. Manjapra 2014). Zugleich nutzten die indi­schen Aktivist:innen das Wissen und die Ressourcen ihrer Anstellung, um ihren anti­ko­lo­nialen Kampf vor­an­zu­treiben. Chatto sah sich darin selbst als Botschafter zwi­schen den Tätigkeiten des Indischen Unabhängigkeitskomitees und der Nachrichtenstelle (vgl. Liebau 2017).

Das Komitee betrachtete sich als pro­vi­so­rische Exilregierung eines freien Indien, was besonders prä­gnant darin wurde, als es im Juli 1915 den Kriegszustand mit Großbritannien ver­kündete. Die ent­spre­chende Erklärung endete mit den Worten: “Wir haben ein Recht für die Freiheit zu kämpfen und werden nicht auf­hören, bis Indien frei ist” (zit. nach Lothar und Rehmer 1999: 56). Neben Stellungnahmen dieser Art gingen vom Komitee in Kooperation mit der Nachrichtenstelle auch Sabotageakte aus, wie etwa am Suezkanal. Mit tür­ki­scher Unterstützung, ver­mittelt durch das Auswärtige Amt, sollte der Waffennachschub an der bri­ti­schen Westfront nach Australien und Indien unter­bunden und somit auch die bri­tische Kolonialherrschaft in Indien geschwächt werden. Diese und andere Aktionen zeigten jedoch nicht den erhofften Wirkungsgrad. Als Ende 1917 die finan­zielle Unterstützung durch das Auswärtige Amt ver­siegte, löste sich das Indische Unabhängigkeitskomitee auf (ebd.: 57). Jawaharlal Nehru, der in den 1910er Jahren in Berlin zu Besuch war, Mitglied der indi­schen Delegation beim Brüsseler Kongress sein wird und später der erste Ministerpräsident des unab­hän­gigen Indiens werden würde, schrieb dazu:

“Der Krieg ging zu Ende, und damit auch das indische Komitee in Berlin. Das Leben hatte sich für die Mitglieder, deren Hoffnungen nun zer­schellt waren, ver­düstert. Sie hatten um hohe Einsätze gespielt und ver­loren … die Inder durften nicht in ihre Heimat zurück­kehren, und das besiegte Deutschland nach dem Kriege bot keinen ange­nehmen Aufenthaltsort. Einigen von ihnen wurden später von der bri­ti­schen Regierung die Rückkehr nach Indien gestattet, doch viele mußten bleiben, in recht eigen­ar­tiger Lage. Sie waren staa­tenlos; sie hatten keine Pässe. Es war kaum möglich, außerhalb Deutschlands zu reisen, sogar der Aufenthalt innerhalb Deutschlands bot Schwierigkeiten und hing ganz von der Ortspolizei ab. Es war ein Leben in der Unsicherheit und Not, ein Leben stän­diger Sorgen um den Lebensunterhalt.” (zit. nach Oesterheld & Günther 1997: 15f).

Nehrus Aufzeichnungen ver­deut­lichen die prekäre Lage von Inder:innen in Berlin kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs. Britisch-indische Staatsangehörige wurden staa­tenlos, als ihnen die Pässe auf­grund ihrer poli­ti­schen Aktivitäten ent­zogen wurden. Einige schrieben sich dar­aufhin erneut an den Berliner Universitäten ein, was ihren Aufenthalt für kurze Zeit legi­ti­mierte (Lothar & Rehmer 1999). Andere ver­la­gerten ihre poli­ti­schen Aktivitäten in die ent­ste­hende Sowjetunion, die sich als neuer Antagonist auf der impe­rialen Weltkarte zu Großbritannien ent­wi­ckelte. Auch Chatto hatte zum Ende des Kriegs während einiger Aufenthalte im neu­tralen Schweden Kontakte mit der Kommunistischen Internationalen geknüpft, die sich ihm und seinen Mitstreiter:innen später für die poli­ti­schen Kämpfe als nützlich erwiesen haben werden werden, wie wir weiter unten auf­greifen werden.

Koreanische Präsenzen in Berlin

Um die Geschichte von Koreaner:innen[9] in Berlin erzählen zu können, muss zunächst sehr kurz der geschicht­liche Kontext und der kolo­niale Hintergrund Koreas erläutert werden. Nachdem Korea 1905 zu einem Protektorat von Japan geworden war, wurde es 1910 offi­ziell von Japan annek­tiert und zur japa­ni­schen Kolonie, nachdem der Unabhängigkeitskämpfer An Chung-gŭn[10] den japa­ni­schen Generalgouverneur Itō Hirobumi erschossen hatte.[11] Es folgten starke Repressionen und die Unterdrückung jeg­licher poli­ti­scher Aktivität in Korea. Im März 1919 ent­stand unter anderem als Reaktion auf das Ende des Ersten Weltkrieges und die Äußerungen Woodrow Wilsons, dem dama­ligen US-amerikanischen Präsidenten, zum Selbstbestimmungsrecht der Völker eine große Protestbewegung. Diese soge­nannte Bewegung des ersten Märzes, die sich in ganz Korea aus­breitete, wurde jedoch brutal vom japa­ni­schen Militär und der japa­ni­schen Polizei nie­der­ge­schlagen. Als Konsequenz flohen viele Koreaner:innen ins Ausland. In Shanghai wurde eine Exilregierung gegründet.

Die Familien der korea­ni­schen Elite schickten ihre Kinder zum Studieren oft an japa­nische Universitäten, doch ab dem Anfang der 1920er Jahre auch immer häu­figer in die USA und nach Europa (vgl. Hoffmann 2015: 12). Die Studierenden waren nicht als Koreaner:innen an den Universitäten ein­ge­schrieben, sondern als japa­nische Bürger:innen. In den 1920er und 1930er Jahren konnten sie daher ohne Visa nach Deutschland ein­reisen (vgl. Lee and Mosler 2018: 34). Andere Koreaner:innen ver­ließen Korea aus poli­ti­schen Gründen. Oftmals flohen sie ins chi­ne­sische Exil. In Shanghai konnten sie einen Pass von der chi­ne­si­schen Regierung aus­ge­stellt bekommen und weiter nach Europa reisen (vgl. Hoffmann 2015: 12f.). Auch Berlins Status als offene Metropole, in der sich Menschen ver­schie­denster poli­ti­scher Gruppierungen sam­melten, dürfte die Stadt für viele von ihnen inter­essant gemacht haben (vgl. Yu-Dembski 2007: 40, Kuck 2014: 158). Koreaner:innen waren vor­rangig als Studierende, Wissenschaftler:innen oder Künstler:innen in Berlin und stammten aus gut­si­tu­ierten Familien. Anders als bei Chines:innen in Berlin[12] gibt es keine Berichte darüber, dass korea­nische Arbeiter:innen in Berlin präsent waren und sich eine ent­spre­chende Trennung ver­schie­dener korea­ni­scher Bevölkerungsgruppen im Stadtbild abbildete. 

In den 1920er Jahren lebten etwa 60 Koreaner:innen in Deutschland, 40 von ihnen in Berlin (vgl. Lee and Mosler 2018: 48). Konkrete Zahlen zu bestimmten Jahren lassen sich schwer nach­voll­ziehen, da die Koreaner:innen nicht als solche erfasst wurden. Auch des­wegen stellt Frank Hoffmanns Buch Berlin Koreans and Pictured Koreans einen wich­tigen Einschnitt in die bis­herige Forschungslage zu Koreaner:innen in Berlin dar, weil es unter anderem einen aus­führ­lichen Überblick über korea­ni­sches Leben in Berlin gibt. Im ersten Teil des Buches beschreibt Hoffmann detail­liert die Biografien von ver­schie­denen Koreanern, die zeit­weilig in Berlin gelebt haben. Basierend auf seinen Nachforschungen wird nach­folgend bei­spielhaft die Biografie von An Pong-gŭn besprochen, um die Rahmenbedingungen der Leben der Koreaner:innen in Deutschland und Berlin zu beschreiben und die vielen Ambivalenzen und kom­plexen Verstrickungen ihrer Präsenzen aufzuzeigen.

An Pong-gŭn: Ein koreanischer Migrant mit vielen Rollen

An Pong-gŭn war Mitglied einer ein­fluss­reichen Familie und Cousin des wohl größten korea­ni­schen Nationalhelden, dem schon zuvor erwähnten poli­ti­schen Attentäter An Chung-gŭn. Er kam das erste Mal 1914 nach Deutschland, zusammen mit dem bene­dik­t­i­ni­schen Missionar Vater Wilhelm, der der katho­li­schen Familie An ver­bunden war. Es lag zu dieser Zeit im natio­nalen deut­schen Interesse, Koreaner:innen zu helfen und sie in ihrem Unabhängigkeitskampf zu unter­stützen, da Japan im Ersten Weltkrieg mit Großbritannien ver­bündet war. Gleichzeitig benutzen An und andere Koreaner:innen die euro­päi­schen Missionare als ihr Ticket nach Europa (vgl. Hoffmann 2015: 20f.).

Als der Erste Weltkrieg aus­brach, wurden japa­nische Staatsbürger:innen in Deutschland in Schutzhaft genommen und in Polizeigefängnissen fest­ge­halten. An Pong-gŭn, der wegen Koreas Kolonialstatus als japa­ni­sches Subjekt galt, saß fünf bis sechs Wochen in Kaiserslautern im Gefängnis, wo er hun­gerte und fast zu Tode geschlagen wurde (vgl. ebd.). Nur durch die Bemühungen der Missionare kam er frei. Er begann Deutsch zu lernen und bereitete sich auf ein Studium als Maschinenbauingenieur vor. Das Elend des Ersten Weltkrieges ließ ihn die Entscheidung fassen, über die Niederlande nach Korea zurück­zu­kehren. Doch sobald er die nie­der­län­dische Grenze über­querte, wurde er fest­ge­nommen und von der japa­ni­schen Botschaft fest­ge­halten, die über alle Koreaner:innen in Europa infor­miert war. Ihm wurde Spionage für die Deutschen vor­ge­worfen und er wurde unter Gewalteinwirkung von japa­ni­schen Polizeiagenten erst nach Japan und schließlich nach Korea gebracht (vgl. ebd.: 25). An wurde in Europa und Deutschland situa­ti­ons­ab­hängig sowohl als japa­nisch als auch als korea­nisch angesehen.

Jahre später kehrte An über das Exil in Shanghai und mit Hilfe der Benediktiner nach Europa zurück. Es ist unklar, wo er zu Beginn der 1920er lebte, doch ist bekannt, dass er Bildungsarbeit für die korea­nische Sache betrieb: Er arbeitete als Experte für das Völkerkunde-Museum in Dresden, ver­öf­fent­lichte eine Kurzgeschichte und Artikel über das korea­nische Schulsystem, pro­du­zierte Radiosendungen über Korea und arbeitete für Martin Heydrich (ein Anthropologe, der später füh­render Kopf der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Rassenideologie wurde) an einem Buch über korea­nische Agrarwirtschaft (vgl. ebd.: 26ff.). Frank Hoffmann stellt die Vermutung an, dass An Pong-gŭn sich auf dem linken poli­ti­schen Spektrum befand. So war er zum Beispiel als Kontaktperson für Korea in der Zeitschrift Proletarische Sozialpolitik, her­aus­ge­geben von der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) von 1928 bis 1933, gelistet. Dass dies eigentlich im Gegensatz zu seinem Katholizismus stand, demons­triere, so Hoffmann, dass poli­tische Ideologien und Religion für korea­nische Aktivist:innen in erster Linie Instrumente waren, um für die korea­nische Unabhängigkeit zu kämpfen (vgl. ebd.: 29).

An Pong-gŭns Präsenz in Berlin ging jedoch über wis­sen­schaft­liches Arbeiten oder poli­ti­schen Aktivismus hinaus. Spätestens mit der Machtergreifung Hitlers war sozia­lis­ti­scher, kom­mu­nis­ti­scher und poli­ti­scher Aktivismus in Berlin nicht mehr möglich. An blieb in Berlin und suchte sich ein neues Standbein: Er baute eine Tofufabrik auf. Er ver­diente gutes Geld damit, Tofu für die asia­ti­schen Studierenden in Berlin zu pro­du­zieren und impor­tierte Waren zu ver­kaufen. Er zog von Kreuzberg nach Charlottenburg in die Kantstraße, damals domi­niert von wohl­ha­benden Chines:innen (vgl. ebd.: 30). Später spielt er in diversen deut­schen Spielfilmen mit – u.a. 1939 als “indi­scher” Charakter, dem Tierwärter “Shing”, im Film Männer müssen so sein[13] (vgl. ebd.: 34).

Als der Zweite Weltkrieg aus­brach, ver­ließen die meisten der wenigen japa­ni­schen und korea­ni­schen Menschen, die nach Hitlers Machtergreifung in Berlin geblieben waren, die Stadt. Einige, dar­unter An, blieben jedoch zurück. Frank Hoffmann spe­ku­liert, dass An sogar mit den Nazis kol­la­bo­riert haben könnte: So finde sich ein Hinweis darauf, dass An nach den Olympischen Spielen Sachverständiger für Sojabohnenanbau in Deutschland geworden sei (vgl. ebd.: 36). Die letzten Jahre des Krieges lebte An in Italien. Auf seiner Reise 1945 zurück nach Korea erkrankte er schon in Italien und ver­starb letzt­endlich dort (vgl. ebd.: 37).

An Pong-gŭn nahm in seinem Leben in Deutschland viele ver­schiedene Rollen ein, von Kulturvermittler bis Staatsfeind, Wissenschaftler, Autor, Schauspieler, poli­ti­schem Aktivist und Anhänger eines bene­dik­t­i­ni­schen Ordens. Sein bewegtes Leben zeigt, dass der Status, den er als Koreaner inne­hatte, stetig im Wandel war und seine Behandlung durch den deut­schen Staat und die deutsche Gesellschaft, abhängig vom momen­tanen poli­ti­schen Klima stark vari­ierte. Seine Rollen waren zum Teil fremd­zu­ge­schrieben – zum Beispiel wenn er als japa­ni­sches Subjekt inter­niert wurde – doch oftmals auch von ihm gewählt. Natürlich war er in seinen Entscheidungen nicht voll­kommen frei – so musste er sich seine Lebensgrundlage als Ausländer und Exilant in Berlin sichern. Doch lässt seine Biografie darauf schließen, dass er durchaus eigen­mächtig han­delte und seinen ver­schie­denen Interessen aktiv nachging. Dabei begegnete er auch immer wieder anderen Koreaner:innen und Menschen vom asia­ti­schen Kontinent. Seine Wohnung in der Kantstraße war umgeben von chi­ne­si­schen Restaurants und Geschäften der chi­ne­si­schen Mittel- und Oberklasse in Berlin und seine Wohnung scheint ein Mittelpunkt der korea­ni­schen Community in Berlin gewesen zu sein: So waren etwa die korea­ni­schen Mitglieder der japa­ni­schen Olympiamannschaft mehrfach zum Essen bei An zu Gast (vgl. Hoffmann 2015: 31). Einer von ihnen war der Gewinner des Olympischen Marathons von 1936, Son Ki-jŏng.

Son Ki-jŏng: Ein Olympiasieger unter falscher Flagge im Nationalsozialismus

In der Glockenturmstraße, nahe dem Olympiastadion, findet sich eine Bronzestatue von einem Läufer. Dieser Läufer ist Son Ki-jŏng[14], Olympiasieger im Marathon von 1936. Auf den Steintafeln am Olympiastadion, die alle Namen der Gewinner:innen auf­führen, liest man “Marathonlauf 42195m Son Japan”. Denn der Koreaner Son war gezwungen, unter japa­ni­scher Flagge bei den Olympischen Spielen anzu­treten, da Korea zu diesem Zeitpunkt eine Kolonie Japans war.[15] Son Ki-jŏng wird auch als “trau­rigster Olympiasieger aller Zeiten” betitelt: Während der Siegerehrung wendete er seinen Blick von der japa­ni­schen Flagge ab und senkte seinen Kopf. Den Eichen-Schößling, welchen die Sieger über­reicht bekamen, plat­zierte er vor der japa­ni­schen Flagge auf seinem Trikot (vgl. Spannagel 2016). Während seiner Zeit in Berlin wei­gerte er sich, mit seinem japa­ni­schen Namen zu unter­schreiben und benutzte statt­dessen seinen korea­ni­schen Namen (vgl. ebd.). Später wird er sagen: “Ich bin nicht für die Japaner gelaufen. Ich bin für mich gelaufen. Und für mein geschun­denes Volk.” (vgl. ebd.). In Korea wurde sein Foto in einer großen Tageszeitung abge­druckt und die japa­nische Flagge auf seinem Trikot weg­re­tu­schiert. Als Konsequenz wurde die Zeitung ver­boten und die Angestellten schwer bestraft (vgl. Podoler 2021). Son Ki-jŏng wurde so zur Symbolfigur des korea­ni­schen anti­ko­lo­nialen Widerstands.

Dass aus­ge­rechnet Nazi-Deutschland zur Bühne von Son Ki-jŏngs anti-kolonialem Protest wurde, lässt inne­halten und hin­ter­fragen: Wie wurde Son in der deut­schen Gesellschaft und in den deut­schen Medien wahr­ge­nommen? Was lässt sich von seiner Präsenz in Berlin und seiner Behandlung auf den Status von anderen Menschen vom asia­ti­schen Kontinent in Deutschland und Berlin in den Zeiten des Nationalsozialismus schließen?

Die Olympischen Spiele 1936 in Berlin sind wohl die kon­tro­ver­sesten Olympischen Spiele der Moderne. Im Vorfeld wurde über mehrere Jahre ein Boykott dis­ku­tiert. Im Nachhinein wurde an vielen Stellen dis­ku­tiert, ob die Olympischen Spiele ein Triumph für die Nationalsozialisten waren oder ob die Siege des afro­ame­ri­ka­ni­schen Leichtathleten Jesse Owens[16] und von Son Ki-jŏng Momente der Subversion und Widerlegung der Nazi-Ideologie dar­stellten (vgl. Guttmann 2006: 65). Mittlerweile sind sich die meisten Historiker:innen zumindest in einem Punkt einig: Die Olympischen Spiele 1936 ermög­lichten es den Nationalsozialisten, einen fal­schen Eindruck von ihrem Régime in der Welt zu ver­breiten, indem weder Nationalismus noch Rassenideologie während der Spiele betont wurden (vgl. ebd.: 73). Während und vor den Olympischen Spielen wurde es der Presse ver­boten, über­mäßig anti­se­mi­tische oder ras­sis­tische Inhalte zu ver­öf­fent­lichen. Es durfte weder abwertend über Schwarze Menschen (afro­ame­ri­ka­nische Sportler:innen aus den USA) noch über Jüd:innen geschrieben werden. Zeitungen, die sich an diese Vorgabe nicht hielten, wurden bestraft. Auch Anfeindungen in der Öffentlichkeit wurden zu ver­hindern ver­sucht (vgl. Krüger 2003: 24f.).[17]

Son Ki-jŏng wurde in den deut­schen Medien nicht als Koreaner iden­ti­fi­ziert, sondern stets als Japaner bezeichnet (vgl. Law 2009: 178). Es ist unklar, ob dies aus Absicht oder Ignoranz geschah. Die Berichterstattung über ihn und andere Athlet:innen, die unter japa­ni­scher Flagge antraten, war von Stereotypen geprägt – so wurden die Athlet:innen, auch wenn sie sich in ihrer Statur nicht wesentlich von euro­päi­schen Sportlern unter­schieden, oft als “zierlich” oder “klein” betitelt (vgl. ebd.: 172). In einem Bericht über den Marathonlauf in einem Zigarettenbildersammelalbum heißt es:

“Klein und leicht, begabt mit einem außer­ge­wöhnlich ergie­bigen Schritt, der locker und unge­künstelt stun­denlang bei­be­halten werden kann, bringt Son für diesen Langstreckenkampf die ganze Zähigkeit seiner Rasse mit. Die uner­schöpf­liche Geduld, die immer wieder bereit ist, neue und schwere Strapazen auf sich zu nehmen, die tra­di­ti­ons­mäßige und vor­bild­liche Willensschulung der Japaner, bilden die Grundlagen der ziel­bewußt seit 1928 ange­strebten Erfolge.” (Cigaretten-Bilderdienst Altona-Bahrenfeld 1936: 55)

Diese Beschreibung deutet darauf hin, dass die deutsche Öffentlichkeit ein gewisses Bild und Verständnis von ost­asia­ti­schen Menschen hatte, das in den Medien repro­du­ziert wurde.[18] Son Ki-jŏng und Jesse Owens der gleichen Kategorie zuzu­ordnen, da beide nicht “arisch” waren, greift jedoch zu kurz und wird der Komplexität der Konstruktion von Rasse im Nationalsozialismus nicht gerecht.

Schon vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten schwankte die Wahrnehmung der Deutschen von Japan zwi­schen Angst und Faszination. So wurde Japans expan­sio­nis­tische Kolonialpolitik im Deutschen Kaiserreich mit Sorge, aber auch Bewunderung betrachtet: Kaiser Wilhelm II warnte vor der “Gelben Gefahr” (Law 2019: 10). Mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten änderte sich die öffent­liche Darstellung von Japan noch einmal gra­vierend, denn Japaner:innen hatten einen Sonderstatus in der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ideologie: Sportliche, mili­tä­rische und diplo­ma­tische Errungenschaften Japans wurden glo­ri­fi­ziert und die “ras­sische Reinheit” ihrer Gesellschaft gelobt (vgl. ebd.: 298). 1945 bezeichnet Hitler Japan und China sogar als eben­bürtig und betont ihre lange Kulturgeschichte (vgl. Krebs 2015: 240). Auch der Koreaner Son Ki-jŏng pro­fi­tierte daher von seinem offi­zi­ellen Status als Japaner. Das japa­nische Olympiateam wurde bewundert für seine Erfolge.

Trotz ihres Sonderstatus waren Japaner:innen dennoch offi­ziell nicht-arisch, sodass auch Ehen zwi­schen Deutschen und Japaner:innen ver­boten werden sollten. Dies stellte ein großes diplo­ma­ti­sches Problem für Deutschland und Japan, die Verbündete waren, dar und es wurden diverse absurde Verrenkungen vor­ge­nommen, um einer­seits die natio­nal­so­zia­lis­tische Rassenideologie bei­zu­be­halten und ande­rer­seits den japa­ni­schen Verbündeten nicht allzu sehr vor den Kopf zu stoßen. 1933 wurde zum Beispiel nach Beschwerde des japa­ni­schen Außenministeriums die Bezeichnung “Gelbe Gefahr” und das Wort “gelb” als Beschreibung von Japaner:innen durch das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda ver­boten (vgl. Krebs 2015: 219f.).

Nach Hitlers Machtergreifung gingen dennoch, wie zuvor erwähnt, die Zahlen ost­asia­ti­scher Studierender in Berlin rapide zurück. Politische Aktivitäten wurden ver­boten, das Klima gegen Menschen vom asia­ti­schen Kontinent ver­schlech­terte sich und ras­sis­tische Ressentiments wurden offen aus­gelebt. Besonders Chines:innen waren, nachdem China dem Zweiten Weltkrieg auf Seiten der Alliierten bei­getreten war, gewalt­voller Verfolgung aus­ge­setzt.[19] Doch einige ost­asia­tische Menschen – so auch eine Zahl von Koreaner:innen[20] – blieben und konnten teil­weise bis zum Kriegsende im natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Deutschland leben (vgl. Hoffmann 2015: 34, Law 2019: 297). Diese Erfahrung unter­scheidet sich maß­geblich von der aktiven Verfolgung, die Jüd:innen, Sinti:zze und Rom:nja und Schwarze Menschen in Deutschland erlebten. 

Manche Koreaner waren sogar aktive Kollaborateure des natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Regimes und hatten sich vollends der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ideologie ver­schrieben. Dazu zählen unter anderem der Komponist An Ik‑t’ae und der Tänzer Kuni Masami (vgl. Hoffmann 2015: 117), sowie der Eugeniker Kim Paek‑p’yŏng, der am Kaiser Wilhelm Institut für Anthropologie in Dahlem als “Schädelspezialist” arbeitete und dessen Mentor Eugen Fischer, ein füh­render Rassentheoretiker des Nationalsozialismus, war (vgl. ebd.: 137ff.). Son Ki-jŏngs Einstellung zu Deutschland und dem Nationalsozialismus ist nicht bekannt. Jedoch pflegte er eine lang­jährige Freundschaft mit der umstrit­tenen Filmemacherin Leni Riefenstahl,[21] in deren Dokumentarfilm über die Olympischen Spiele er eine wichtige Rolle einnahm (Guttmann 2006: 74).

Community-übergreifende Begegnungen im Berlin der Weimarer Zeit

Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Abschluss des Versailler Vertrags ver­än­derte sich auch die Wahrnehmung der Welt von Deutschland. Das Deutsche Kaiserreich hatte den Krieg ver­loren und musste zugleich auch die Kolonialgebiete abtreten. Antikoloniale Aktivist:innen erschien die ehe­malige Kolonialmetropole Berlin nun als “neu­traler” Ort, von dem aus eine poli­tische Vernetzung zum Kampf gegen die Kolonialmächte orga­ni­siert werden konnte. Das liberale Prinzip der natio­nalen Selbstbestimmung gewann an Beachtung und gleich­zeitig befeuerte der Aufstieg der Sowjetunion und des marxistisch-leninistischen Kommunismus anti-koloniale Bestrebungen. Es gab immer mehr Menschen, die aus den Kolonien nach Europa kamen, sich orga­ni­sierten und unter­ein­ander aus­tauschten, sodass auch Verbindungen zwi­schen Kolonialmigrant:innen ver­schie­dener Herkunft ent­standen. Berlin wurde in dieser Zeit also zu einem tem­po­rären Zuhause für anti­ko­lo­niale Bewegungen. Dies hatte neben den bereits genannten Umständen auch andere prak­tische (gute Universitäten), wirt­schaft­liche (hohe Inflation und günstige Lebenshaltungskosten) und poli­tische (Deutschlands Unterstützung von anti­ko­lo­nialen Bewegungen gegen Großbritannien und die Stärke der Kommunistischen Partei Deutschlands) Gründe. Zudem ernannte die Kommunistische Internationale (Komintern) Berlin zum Zentrum anti­ko­lo­nialer Aktivitäten außerhalb der Sowjetunion. Chinesische, indische und ara­bische Studierende und Aktivist:innen stellten die größten Gruppen unter den Kolonialmigrant:innen dar (vgl. Kuck 134 ff).

In den 1920er Jahren kamen auch viele junge Koreaner:innen als Studierende nach Deutschland, die durch die Bewegung des ersten Märzes poli­ti­siert worden waren, und enga­gierten sich poli­tisch. 1921 wurde die Koryŏ Studentenvereinigung[22] in Deutschland gegründet. Der Studierendenverband hatte seinen Sitz in der Kantstraße, unweit der Büros des deutlich grö­ßeren, eben­falls anti­ko­lonial aus­ge­rich­teten, chi­ne­si­schen Studierendenverbandes.[23] Im Oktober 1923 orga­ni­sierten die korea­ni­schen Studierenden einen Protest gegen die japa­nische Regierung als Antwort auf ein Massaker an Koreaner:innen. Zu diesem Anlass wurden bis zu 7.000 Exemplare eines zwei­sei­tigen Flugblattes mit dem Titel “Japans blutige Herrschaft in Korea” (“Japan’s Bloody Rule in Korea”) auf Deutsch, Englisch und Chinesisch gedruckt (vgl. Hoffmann 2015: 60f.). Der Druck in ver­schie­denen Sprachen und der Standort der Büroräume lassen darauf schließen, dass die korea­ni­schen Aktivist:innen mit anderen linken Studierenden ver­netzt waren und zusammenarbeiteten.

Auch auf indische Menschen übte die ehe­malige Kolonialmetropole Berlin mit seinem Ruf als “neu­traler Ort” einen Reiz aus: Indische Studierende gingen in den 1920ern wieder ver­mehrt an die Berliner Universitäten, und auch Ausbildungsorte wie die Industrieunternehmen von AEG, Siemens oder Schering waren wieder reizvoll um den Fachkräftemangel in den indus­tria­li­sierten Zweigen Indiens abzu­decken (vgl. Oesterheld 2004: 191ff). Die stei­gende Präsenz von Inder:innen im Berlin der 1920er wurde begleitet von zahl­reichen Neugründungen indi­scher Selbstorganisationen. Diese Vereinigungen dienten einer­seits zur Vernetzung von Inder:innen im Exil, boten Unterstützung im Alltag an und ermög­lichten ande­rer­seits poli­tische Mobilisierung. Nicht selten waren ihre Mitglieder in meh­reren Vereinigungen aktiv. Hervorzuheben ist der 1922 gegründete “Verein der Inder in Zentraleuropa”[24], der u.a. mit einem umfang­reichen Kulturprogramm die indische Geschichte dem Berliner Publikum näher brachte. So lud der Verein die Berliner Öffentlichkeit etwa zu einem Tee-Abend mit der indi­schen Dichterin und Feministin Sarojini Naidu, dessen Bruder der oben erwähnte Chatto war[25]. Diese Abende waren zugleich auch Anlass für Community-internen Austausch. Aber auch ver­schiedene poli­tische Organisationen des anti­ko­lo­nialen Spektrums kamen auf Initiative des Vereins zusammen, wie bspw. anti­ko­lonial aktive Ägypter:innen (vgl. Günther & Rehmer 1999: 163ff).

Auch Chatto wurde wieder im Berlin der Weimarer Zeit poli­tisch tätig und prägte somit die poli­tische Mobilisierung von indi­schen Menschen in Berlin ent­scheidend mit. So gründete er etwa 1921 das in Halensee ansässige “Indische Nachrichten- und Informationsbüro”[26]. Getragen vom Indischen Nationalkongress unter­stützte das Büro indische Studierende in orga­ni­sa­to­ri­schen Belangen wie Visaangelegenheiten, Einschreibungsformalitäten und ver­mit­telte Praktika in Berliner Betriebe. Eine weitere Aufgabe des Büros bestand darin, deutsche wie auch indische Medien mit unab­hän­gigen Nachrichten zu ver­sorgen (vgl. Oesterheld 2004: 191 ff). Selbstorganisationen wie diese ermög­lichten die Vernetzung von Menschen des indi­schen Subkontinents innerhalb Berlins und erlaubten im Bedarfsfall eine rasche Mobilisierung für den Protestfall. Dies geschah etwa gegen die sog. Indienschau von 1926 im Berlin Zoo. Der Halbbruder Carl Hagenbecks, John Hagenbeck, war im Sommer 1926 mit einer Gruppe von Menschen vom süd­asia­ti­schen Kontinent im Berliner Zoo anwesend und warb damit, das authen­tische Leben Indiens in der Metropole zur Schau zu stellen. Dies rief enormen Protest indi­scher Menschen in Berlin hervor, der sich u.a. medi­en­wirksam in Zeitungsberichten nie­der­schlug.[27] Organisator:innen der Proteste waren u.a. der Verein der Inder in Zentraleuropa, aber auch Chatto selbst (vgl. Manjapra 2014).

Chattos poli­tische Aktivitäten waren primär ori­en­tiert am anti­ko­lo­nialen Kampf gegen die bri­tische Kolonialherrschaft in Indien und lassen sich über die euro­päi­schen Kolonialmetropolen London, Paris und Berlin hinweg nach­zeichnen. Seine poli­tische Praxis war zum Einen daran ori­en­tiert, aus den kolo­nialen Zentren heraus für die Sache der indi­schen Unabhängigkeit zu mobi­li­sieren, und zum Anderen, kolo­niale Verhältnisse in der Metropole zu kri­ti­sieren, wie die Proteste von 1926 andeuten. Zugleich richtete er seinen poli­ti­schen Aktivismus mehr und mehr in Richtung der Kommunistischen Internationale aus und erhoffte sich mit der Sowjetunion als Unterstützung, seinem vor­ran­gigen Ziel der Befreiung Indiens von der Kolonialherrschaft näher­zu­kommen (vgl. Manjapra 2014) . Ähnlich gingen auch Aktivist:innen anderer kolo­nialer Kontexte vor, wie im Weiteren zu erläutern sein wird.

Die Liga gegen Imperialismus: internationalistische Begegnungsräume in Berlin

Mit der Präsenz des Internationalen Sekretariats der Liga gegen Imperialismus ab 1927 in der Friedrichstraße 24 fand die Vernetzung anti­ko­lo­nialer Aktivist:innen in Berlin[28] – unab­hängig von ihrer Herkunft – eine kon­krete Form. Die Genese der – in heu­tigen Begriffen – eth­nisch divers zusam­men­ge­setzten Bündnisorganisation lässt sich gut in den ver­schie­denen Vorgängerorganisationen und Zielsetzungen nach­zeichnen: Aus ver­ein­zelten Solidaritätsbekundungen in Berlin gegen die kolo­niale Unterdrückung in Syrien und Marokko Mitte der 1920er wie auch der Kampagne “Hände weg von China“ von 1926[29] orga­ni­sierte sich die Liga gegen Kolonialgreuel und Unterdrückung, aus deren Wirkungskreis später die Liga gegen Imperialismus ent­stand (vgl. Dinkel 2015, Terkessidis 2022). Mitinitiator der Kampagnen sowie der Liga war der gebürtige Erfurter und kom­mu­nis­tische Aktivist Willi Münzenberg. Er zählte 1919 zu den ersten KPD-Mitgliedern und orga­ni­sierte im Auftrag Moskaus etwa die Internationale Arbeiterhilfe 1921 mit Sitz in Berlin (vgl. Bayerlein & Sonnenberg 2013). Sein Engagement und seine Vernetzung mit anti­ko­lo­nialen Aktivist:innen unter­schied­licher Herkunftsregionen in Berlin ist zentral, um das Community-über­grei­fende Bündnis der Liga gegen Imperialismus einzuordnen.

Aus der Initiative der Liga gegen Kolonialgreuel und Unterdrückung und auf Geheiß der kom­mu­nis­ti­schen Zentrale[30] in Moskau erfolgte die Planung und Vorbereitung eines inter­na­tio­nalen Kongresses, der ein breites Bündnis von Arbeiter:innen und kolonial Unterdrückten zusam­men­bringen sollte (vgl. Petersson 2013). Ursprünglich ange­dacht waren als Kongressorte Berlin oder Paris, jedoch hatten die Organisator:innen Probleme, ent­spre­chend reprä­sen­tative Räumlichkeiten zu finden. Erst mit der Unterstützung des sozia­lis­ti­schen Außenministers Émile Vandervelde ließ sich in der Kolonialmetropole Brüssel der Palais d’Egmont als Kongressort gewinnen – im Gegenzug wurde das Thema der bel­gi­schen Kongopolitik von der Tagesordnung gestrichen (vgl. Dinkel 2015: 34).

Brüsseler Kongress

Im Februar 1927 fand der Kongress gegen kolo­niale Unterdrückung und Imperialismus in Brüssel statt. Laut dem offi­zi­ellen Protokoll nahmen 174 Delegierte und zahl­reiche Gäste an der Konferenz teil (vgl. Liga gegen Imperialismus 1927: 227), die 137 Organisationen und Parteien aus 37 Ländern ver­traten (vgl. Piazza 1987: 6). An anderen Stellen listet das Protokoll ins­gesamt 212 Namen (vgl. ebd.), einige von ihnen pro­mi­nente Intellektuelle, z.B. Henri Barbusse, Upton Sinclair und Maxim Gorki. Albert Einstein war nicht anwesend, schickte aber einen unter­stüt­zenden Brief (vgl. Jones 1996: 7). Auf der Konferenz wurde die Liga gegen Imperialismus offi­ziell gegründet (vgl. ebd.: 6). China stand im Mittelpunkt der Konferenz und war am stärksten ver­treten – etwa 60 bis 80 chi­ne­sische Vertreter:innen hatten sich ange­meldet, unter ihnen sowohl Vertreter:innen der Kuomintang Partei als auch Generäle und Vertreter:innen der Gewerkschaften (vgl. Piazza 1987: 22). Die Vielfältigkeit seiner Teilnehmer:innen und der Beschluss von breiten Bündnissen zeichnete den Brüsseler Kongresses aus und machte ihn zu einem ein­zig­ar­tigen Ereignis: Es waren “Kommunisten, Sozialdemokraten, Anarchisten, Pazifisten, bür­ger­liche Intellektuelle oder Freiheitskämpfer” (ebd.: 26) ver­treten, die alle durch ihr anti­im­pe­ria­lis­ti­sches Bestreben geeint waren.[31]

Unter den Teilnehmer:innen befanden sich vier korea­nische Delegierte, zwei weitere nahmen als Reporter teil (vgl. Hoffmann 2015: 76). Der Verein Koreanischer Schriftsteller und Journalisten, Seoul, war ver­treten durch Li Kolu (Yi Kŭng-no) und Wovil Whang (Hwang U‑il), die beide zu dieser Zeit in Berlin lebten. Kin Fa Lin (Kim Pŏm-nin) vertrat den Verein der Koreaner in Frankreich. Yi King Li (Mirok Li) vertrat als ein­ziger den Verein Koreanischer Studenten in Deutschland (Koryŏ Studentenvereinigung) (vgl. Liga gegen Imperialismus 1927: 234). Mirok Li war Schriftsteller und einer der pro­mi­nen­testen Koreaner:innen in Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg, der in Süddeutschland stu­dierte und lebte und mit der Veröffentlichung des auto­bio­gra­phi­schen Romans Der Yalu fließt Bekanntheit erlangte. Er war kein Sozialist, doch er ver­fasste zusammen mit Yi Kŭng-no (Li Kolu), der über­zeugter marxistisch-leninistischer Aktivist in Berlin war, die Resolution der korea­ni­schen Delegation (Hoffmann 77). In der Resolution heißt es, dass “Korea seinen Anspruch auf völlige Unabhängigkeit vor der ganzen Welt begründet [hat]”. Falls Japan diese Unabhängigkeit nicht aner­kenne, sehe man sich gezwungen “den Kampf gegen den japa­ni­schen Imperialismus bis aufs äußerste fort­zu­setzen” (vgl. Liga gegen Imperialismus 1927: 261).

Sen Katayama, Begründer der japa­ni­schen Arbeiterbewegung und Mitbegründer der Japanischen Kommunistischen Partei, hielt auf der Konferenz eine Rede mit dem Titel “Der Kampf des korea­ni­schen Volkes gegen Japan”. Im Namen der korea­ni­schen Delegation sprach der Vertreter des korea­ni­schen Verbandes in Frankreich, Kim Pŏm-nin, aka Kin Fa Lin (vgl. Liga gegen Imperialismus 1927: 148), der auch als Mitglied des Generalrates gewählt worden war (vgl. ebd. 242). Seine lei­den­schaft­liche Rede, welche die Auswirkungen des japa­ni­schen Imperialismus und Kolonialismus beschrieb, war extrem detail­liert und lang – er nutzte die Tatsache aus, dass es keine fixierte Redezeit gab (vgl. Piazza 1987: 23).

Auch eine indische Delegation war auf dem Kongress vertreten:Jawahar Lal Nehru wurde vom Allindischen National-Kongress ent­sandt. Gemeinsam mit A.C.N. Nambiar[32] und Chatto

(beide Verband indi­scher Journalisten) sowie dessen Neffen Jayasurya Naidu (Verband der Inder in Zentraleuropa), waren alle vier in ver­schie­dener Weise und Zeiten in Berlin im anti­ko­lo­nialen bzw. natio­na­lis­ti­schen Kampf aktiv. Teil der indi­schen Delegation, jedoch im angel­säch­si­schen Kontext ver­ortet waren Bakar Ali Mirza (Indische Vereinigung Oxford), Sinha (Indisches Informationsbüro der I.L.P, London) und Professor M. Baraktulla (Indische Freiheitspartei Amerika, vgl. Das Flammenzeichen: 35).

Nehrus Rede vor dem Kongress unter­strich die Dringlichkeit der Befreiung Indiens von der bri­ti­schen Kolonialherrschaft. Bemerkenswert an seiner Rede ist jedoch Indiens Solidarisierung mit den Kämpfen der Chines:innen gegen die bri­tische Herrschaft, wie damalige Protokollant:innen des Kongresses notieren (vgl. ebd.: 13). Um dies ein­zu­ordnen, sollte auch in Betracht gezogen werden, dass die Lage Chinas Hauptthema des Kongresses war und die poli­tische Situation zeit­his­to­risch Dringlichkeit besaß.

Der fünf­tägige Kongress, den eine beein­dru­ckende Presseberichterstattung begleitete, endete mit der offi­zi­ellen Gründung der Liga gegen Imperialismus und der Verabschiedung der Statuten (nach­zu­lesen unter ebd.: 37ff.) sowie der Wahl des Generalrats. Nehru wurde bei der Wahl zum Exekutiv-Mitglied des Generalrats gewählt (neben u.a. Willi Münzenberg, Liau Hanson, Lamine Senghor, vgl. ebd. 27). Im Anschluss an den Kongress folgte die Gründung von regio­nalen Sektionen und der offi­zi­ellen Einberufung des Verbindungsbüro der Liga in der besagten Friedrichstraße 24.

Nach[33] dem Brüsseler Kongress: Verbindungen

Der Auftrieb, den der Brüsseler Kongress für die anti­ko­lo­niale und ‑impe­ria­lis­tische Bewegung weltweit bedeutete (wie etwa der Konferenz von Bandung von 1955), aber auch die Grenzen seiner Wirkmacht, inneren Spaltungen bis zur still­schwei­genden Auflösung 1937, sind in der Forschung hin­länglich dis­ku­tiert worden (vgl. u.a. Dinkel 2015: 44ff). Wir möchten uns nun nochmals auf den räum­lichen Kontext Berlins fokussieren.

Den Aufwind des Brüsseler Kongresses schlug sich in Berlin auch durch die zuneh­mende Vernetzung von anti­ko­lo­nialen Aktivist:innen aus. Beispielhaft sei hier eine linke japa­nische Studierendengruppe genannt, die sich unter dem Namen Vereinigung der revo­lu­tio­nären Asiaten ver­sam­melte. Es ist davon aus­zu­gehen, dass sowohl korea­nische als auch indische Aktivist:innen in Kontakt mit dieser Gruppierung standen (vgl. Hoffmann 2015: 79f. ). Die Gruppierung gab von März 1932 bis Januar 1933 die Zeitschrift Revolutionäres Asien: Das Organ der Vereinigung der revo­lu­tio­nären Asiaten heraus (vgl. Hoffmann 2015: 79f.). In der ersten Ausgabe hieß es:

“[…] Auf dem asia­ti­schen Kontinent wächst die revo­lu­tionäre Welle, in China, in Indien, in Indochina, in Indonesien, ebenso in den Ländern des nahen Ostens. In dem impe­ria­lis­ti­schen Japan wie auch in den impe­ria­lis­ti­schen Ländern Europas und Amerikas kämpfen die revo­lu­tio­nären Arbeiter ener­gisch gegen die kapi­ta­lis­tische Herrschaft. […] Die Schaffung der revo­lu­tio­nären Solidarität zwi­schen der kolo­nialen und halb­ko­lo­nialen Bevölkerung Asiens, und der Solidarität zwi­schen ihnen und dem Proletariat der kapi­ta­lis­ti­schen Länder, ist ein mäch­tiger Schlag gegen den Imperialismus und seine Lakaien. Zu diesem Zweck ist die Vereinigung der revo­lu­tio­nären Asiaten in Berlin gegründet. Sie ist die Organisation der revo­lu­tio­nären Elemente aus allen Teilen Asiens. Die Vereinigung ist für den kom­pro­miss­losen Kampf gegen den Imperialismus und seine Lakaien. Das Hauptziel der Organisation ist die Schaffung der Solidarität zwi­schen den Asiaten in Deutschland, und die Befestigung der Verbundenheit und Sympathie zwi­schen der deut­schen Bevölkerung und den Unterdrückten in Asien.” (Revolutionäres Asien 1923, Nr. 1.: 4f)

Die Zeitschrift und Vereinigung kann als Versuch ver­standen werden, den impe­ria­lis­ti­schen pan-Asiatismus, den Japan in seiner Expansionspolitik betrieb, stra­te­gisch umzu­drehen – als eine Vernetzung von ver­schie­denen unter­drückten Völkern in Asien (und darüber hinaus) gegen jeden Imperialismus. Dass in beiden Heften auch Beiträge zur Situation in Indien vor­handen sind, deutet darauf hin, dass die Aktivist:innen unter­ein­ander in Kontakt standen und japa­nische und korea­nische Aktivist:innen es als poli­tisch wichtig ansahen, den indi­schen Kampf mit dem ost­asia­ti­schen Kampf zu ver­knüpfen. So beinhalten die Zeitschriften auch stets einen Aufruf, für die Thematik rele­vante Beiträge einzuschicken.

Leider ließ sich im Rahmen unserer Recherchen nicht weiter rekon­stru­ieren, wer konkret an der Erstellung der Zeitschrift beteiligt war und wie die Wege der Verbindungen mit anderen anti­ko­lo­nialen Aktivist:innen im Berlin der Weimarer Zeit zustande kamen. In der Ansprache können wir jedoch davon aus­gehen, dass die Autor:innen davon aus­gingen, von indi­schen und korea­ni­schen Aktivist:innen im deutsch­spra­chigen Raum gelesen zu werden.

Berlin als Ort der Begegnung

Anhand der in diesem Artikel betrach­teten Fallbeispiele lassen sich neben den Präsenzen indi­scher und korea­ni­scher Menschen im Berlin der 1920er und frühen 1930er auch die poli­tische Organisierung mitsamt der Ambivalenzen ver­schie­dener Akteur:innen im anti­ko­lo­nialen Kampf nach­voll­ziehen. Ihre Selbstpositionierungen und Fremdzuschreibungen waren kon­text­ab­hängig. Zudem lassen sie sich auf einem breiten poli­ti­schen Spektrum ver­orten. Auch wenn die poli­tische Zielsetzung – die Befreiung von kolo­nialer Unterdrückung – ihnen gemeinsam war, so gab es doch diver­gente natio­na­lis­tische, kom­mu­nis­tische, liberale, faschis­tische, sozia­lis­tische und kon­ser­vative Ausrichtungen der jewei­ligen Akteur:innen, die auf kom­plexe Art und Weise in das Weimarer und das natio­nal­so­zia­lis­tische Berlin ver­wi­ckelt waren. Mit Blick auf den von uns lose ver­wen­deten Community-Begriff wird daran deutlich, dass zwar von einem gemein­samen Ziel, aber zu keinem Zeitpunkt von einer homo­genen poli­ti­schen Haltung innerhalb der jewei­ligen Communities gesprochen werden kann.

Hilfreich ist der Community-Begriff gewesen, um die Vernetztheit der jewei­ligen Akteur:innen in Berlin auf­zu­zeigen: Koreaner:innen teilten unter­ein­ander andere Räume als Inder:innen es in Berlin taten; zum Teil über­schnitten sie sich. Die indische Präsenz im Weimarer Berlin war stark geprägt von bil­dungs­af­finen Menschen, häufig aus einer geho­benen sozialen Schicht. Der Community-Begriff ermög­licht dabei eine Benennung dieser sozialen Gruppen im Berliner Raum, ohne den Blick aus­schließlich auf eth­no­na­tionale Beschreibungen essen­tia­li­sierend zu verengen.

Es wird deutlich, dass der Asien-Begriff, wie bereits ein­gangs erläutert, schon immer instabil gewesen ist. Dies zeigt sich sowohl in der Fremdbetrachtung der Akteur:innen durch deutsche Autoritäten, Medien und Gesellschaft als auch in der Nutzung des Asien-Begriffs durch die betrach­teten Akteur:innen selbst. Am Beispiel der Revolutionären Asiaten wird deutlich, dass Asien bzw. asia­tisch durchaus als Selbstbezeichnung gewählt wurde, aber an ein stra­te­gi­sches Verständnis von Asien im anti­ko­lo­nialen Kampf gegen die Unterdrückung geknüpft war.

Insbesondere wenn wir uns räumlich vor Augen halten, wo es indische und korea­nische Präsenzen im Berlin der Zwischenkriegszeit gab und an welchen Orten und welchen Institutionen sich Aktivist:innen ein­ge­bracht haben, wird deutlich, dass es Berührungspunkte und Begegnungsorte zwi­schen ver­schie­denen Gruppen von Menschen mit Asien-Bezug gegeben haben muss. Einige dieser Orte und Kontexte haben wir ver­sucht nach­zu­zeichnen – andere bleiben an diesem Punkt spe­ku­lativ. Doch ist es leicht sich vor­zu­stellen, dass ähn­liche Räume fre­quen­tiert wurden und es zu vielen Begegnungen kam – ob auf der Friedrichstraße, der Kantstraße oder an den Universitäten. Ein frucht­voller Ansatz für weitere Recherchen wäre in unseren Augen eine sys­te­ma­tische Verräumlichung. Durch Arbeit mit z.B. Zeitungsartikeln, Protokollen, Briefen, Flugblättern, Adressbüchern, Stadtkarten und anderen rele­vanten Materialien aus Archiven würden sich kon­kretere Rückschlüsse auf Begegnungsorte ziehen lassen.

Unser Artikel bietet einen Einstieg in ein solches Projekt und lädt dazu ein, weitere ansonsten his­to­rio­gra­fisch getrennt beforschte Communities in Verbindung zu betrachten und damit auch den his­to­ri­schen Raum von Berlin unter der Perspektive seiner Community-über­grei­fenden Begegnungen in den Blick zu nehmen.

AUTOR*INNEN

Anujah Fernando ist Kulturwissenschaftlerin. In Ausstellungen, Filmprojekten und Texten arbeitet sie zum Themenbereich Gegenerzählungen von Migration und Kolonialismus. Sie inter­es­siert sich besonders für die sprach­lichen und kul­tu­rellen Aushandlungsprozesse zwi­schen der ersten und zweiten Generation von Migrant:innen.
https://anujahfernando.net

Linh Müller hat Nordamerikastudien an der Freien Universität Berlin, am Middlebury College und an der Yale University stu­diert. Sie inter­es­siert sich sowohl für die affektive Reproduktion und Repräsentation von race und natio­naler Zugehörigkeit in Popkultur als auch für das mate­rielle und imma­te­rielle Erbe von Kolonialismus. Sie grübelt außerdem über ihre ver­schie­denen Identitäten und Positionierungen und ver­handelt diese, oft im Zusammenhang mit ihrer Familiengeschichte, in Texten und Audioformaten.

LITERATURVERZEICHNIS

PRIMÄRLITERATUR

2. Olympia-Sonderheft (1936): Berliner Illustrierte Zeitung, Berlin: Ullstein A. G. Berlin.

Cigaretten-Bilderdienst Altona-Bahrenfeld (1936): Die Olympischen Spiele 1936, Bd. 2, Hamburg: Cigaretten-Bilderdienst Altona-Bahrenfeld.

Protokoll des Kongresses gegen Koloniale Unterdrückung und Imperialismus, Brüssel 10–15. Februar 1927, Berlin: Neuer Deutscher Verlag.

Revolutionäre Asiaten (1932): Revolutionäres Asien: Das Organ der Vereinigung der revo­lu­tio­nären Asiaten, Nr. 1 und 2, Berlin: MOPR-Verlag Berlin.

Riefenstahl, Leni (1938): Olympia – Fest der Völker, Teil 1 und 2. 

Stöcker, Helene (1927): Der Brüsseler Kongreß gegen kolo­niale Unterdrückung und Imperialismus, in Die Friedenswarte, Bd. 27, Nr. 3, S. 81–82. [Auch online] https://pm20.zbw.eu/mirador/?manifestId=https://pm20.zbw.eu/iiif/folder/co/065567/manifest.json [abge­rufen am 2.12.2022].

Stöcker, Helene (1929): Der II. Anti-Imperialistische Kongreß in Frankfurt a. M, in Die Friedenswarte, Bd. 29, Nr. 9, S. 270–274.

Zeitungsbericht, Autor:in unbe­kannt (1926): “Der Zoo, ein neuer Lunapark. Der Schwindel in der Indienschau”, In: Die Welt am Abend, 3. Juli 1926

SEKUNDÄRLITERATUR

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Yu-Dembski, Dagmar (2007): Chinesen in Berlin, Berlin: berlin edition.

(HISTORISCHE) FOTOS (hier keine Abbildungen)

Straßenbeschilderung in Wünsdorf, die an “Halbmondlager” erinnert:

Fotografie der Moschee auf dem Wünsdorfer Kriegsgefangenenlager, ver­mutlich 1915:

Zehrensdorfer Friedhof

Porträt von Chatto.

  • Abb. gesehen in Terkessidis, Mark (2022): 1929 – Die Liga gegen den Imperialismus bekommt ein neues Büro in der Friedrichstraße, In: Die post­ko­lo­niale Stadt lesen. his­to­rische Erkundungen in Friedrichshain-Kreuzberg, Hrsg. von Natalie Bayer und dems., Berlin: Verbrecher Verlag, 2022. S. 264, ver­mutlich aus: Sehanbish, Chinmohan (1973): Rush Biplab O Prabasi Baratiya Biplabi, Kolkate: Manisha Granthalaya, S. 95.

Bildschirmaufnahme von An Pong-gŭn als indi­scher Tierwärter “Shing” in dem Film Männer müssen so sein

  • Abb. gesehen in Hoffmann 2015: 32, Fig. (8)

Foto Son Ki-jŏng Statue in Berlin

  • Statue in der Glockenturmstraße – ent­weder selbst auf­nehmen oder aus dem Tagesspiegel Artikel von Spannagel (c LSB/Engler)

Foto Siegerehrung nach Son Ki-jŏngs Olympiasieg

Scan einer Seite im Zigarettenbilderalbum (dort ist auch ein Foto von Sons Lauf zu sehen)

  • Cigaretten-Bilderdienst Altona-Bahrenfeld, Olympia 1936 Band II, „Der klas­sische Lauf“, S. 55

Foto von Kim Paek‑p’yŏng mit einem Kollegen am KWIA beim Vermessen

  • gesehen in Hoffmann 2015: 139, Fig. 63, c Archive der Max-Planck-Gesellschaft Berlin, Bild #II/8

Scan Flyer vom Koryŏ Student Corps

  • Abb. gesehen in Hoffmann 2015:63, Fig. 18, Kukka Pohunch’ŏ, comp., Haeoeŭi han’guk tongnip undong saryo, Vol. 1, Seoul: Kukka Pohunch’ŏ, 199, page 150.

Foto Generalrat Brüsseler Kongreß

  • Der vom Kongreß gewählte Generalrat in Liga gegen Imperialismus, Das Flammenzeichen vom Palais Egmont, 1927: 251.

Cover von Zeitschrift “Revolutionäres Asien”


[1] Der Begriff Indien bzw. indisch wird in diesem Beitrag kur­si­viert gesetzt, um auf die ambi­va­lente Hervorbringung dieses natio­nalen Konstrukts hin­zu­weisen. Teils durch die Wissensproduktion euro­päi­scher Wissenschaften und Kunst, teils im Rahmen der anti­ko­lo­nialen und natio­na­lis­ti­schen Unternehmungen der indi­schen Unabhängigkeitsbewegung her­vor­ge­bracht, ver­mittelt der Begriff eine Homogenität, dessen gesell­schaft­liches Konstrukt wir anlässlich dieses Beitrags im Besonderen her­vor­heben möchten.

[2] Für einen detail­lierten Überblick in die Debatten zum Begriff “Asien” sowie “Asiatisch-Deutsch”, sei im Besonderen auf den zuerst 2012 erschie­nenen Sammelband Asiatische Deutsche. Vietnamese Diaspora and Beyond, her­aus­ge­geben von Kien Nghi Ha, ver­wiesen. Eine erwei­terte Neuauflage mit aktua­li­sierten Beiträgen erschien 2021.

[3] Ein nen­nens­wertes Beispiel aus dem indus­tri­ellen Sektor ist die Tätigkeit des Berliner Betriebs Siemens zur Etablierung der kolo­nialen Infrastruktur zwi­schen Britisch-Indien und dem bri­ti­schen Zentrum: Siemens begann 1866 mit dem Bau einer 11.000 km langen Verbindung von London nach Calcutta. Auf vor­handene Verbindungen von England nach Deutschland wurde zurück­ge­griffen und der Bau wurde nur bis zur indi­schen Grenze durch Siemens durch­ge­führt, da die Engländer innerhalb der indi­schen Begrenzungen bauen wollten. Die Telegraphen-Verbindung ging über Land- und Unterwasserseekabel durch das Schwarze Meer, 1870 wurde die Telegramm-Verbindung in Betrieb genommen. (vgl. Günther & Rehmer 1999: 22). Zu der Zeit hatte das Vorhaben eine Strahlkraft, die die Reputation deut­scher Wissenschaft und Industrie in Indien hervorhob.

[4] Erwähnenswert ist hier die Tätigkeit des deut­schen Ethnologen Adolf Bastian, der erst­malig 1859 nach Indien reiste, ab 1868 mit der Verwaltung der eth­no­gra­phi­schen Abteilung der Berliner Museen betraut wurde und in dieser Funktion 187980 nochmals nach Indien reiste. Seine Sammlungstätigkeiten gingen in das Berliner Museum für Völkerkunde ein, aus dem 1963 die “Indische Kunstabteilung” in der Stiftung Preußische Kulturbesitz her­aus­gelöst wurde.

[5] ab Oktober 1887, asso­ziiert an die Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin (spätere Humboldt Universität) mit oben genannten Sprachen sowie Swahili. Neben Sprachwissen, wurde hier Kenntnisse der Geografie, Ökonomie und des Rechts ver­mittelt. In der Lehre ver­mit­telten Dozenten theo­re­ti­sches Wissen und die Wissenschaften, Lektoren und Sprachgehilfen die sprach­lichen Kenntnisse. Letzteres wurde häufig durch Lehrende aus den jewei­ligen geo­gra­fi­schen Kontexten bewerkstelligt.

[6] In zeit­ge­nös­si­schen Berichterstattungen wurde häufig von “Deutschlands erster Moschee” gesprochen. Dies wurde durch eine umfang­reiche Bewerbung dieser Moschee in Form von Postkarten begleitet, die durch ent­spre­chende Regierungsstellen ver­an­lasst und in Umlauf gebracht worden sind und das Bild von “Deutschlands erster Moschee” unter­strichen. Dies muss rück­bli­ckend auch im Kontext der sog. “Dschihad-Strategie” bewertet werden. Daher sollte der Verweis auf “Deutschlands erster Moschee” mit Vorsicht vor­ge­nommen werden. Tatsächlich stand die aus Holz erbaute Moschee in Wünsdorf etwa 10 Jahre, bevor sie 1925 abge­rissen wurde. Sie war ver­mutlich nicht auf Dauer angelegt (vgl. Liebau 2015, DLF Interview).

[7] Einen Versuch unter­nimmt der Filmemacher Philipp Scheffner in dem Dokumentarfilm “Halfmoon Files”, in dem er aus­gehend von einer Audio-Aufnahme des indi­schen Kriegsgefangenen Mall Singh, die heute im sog. Lautarchiv der Humboldt-Universität lagert, die Spuren seines Lebens zu rekon­stru­ieren versuchte.

[8] Auch Indian Independence Committee (IIC) oder Berlin Komitee genannt.

[9] Mit dem Begriff “Koreaner:innen” sind in diesem Artikel sowohl Menschen aus dem heu­tigen Südkorea als auch Nordkorea ein­ge­schlossen. Zu dem dama­ligen Zeitpunkt gab es nur ein Korea – die Teilung wurde als Konsequenz des Zweiten Weltkrieges voll­zogen, als Japan die Kolonie Korea abtreten musste und eine sowje­tische sowie eine ame­ri­ka­nische Besatzungszone begründet wurden. Die Grenze verlief am 38. Breitengrad und war ursprünglich nur als tem­porär ange­dacht. Die heutige Teilung Koreas kann somit sowohl auf Japans Imperialismus als auch auf den Kalten Krieg zurück­ge­führt werden. Zudem lässt sich zu der Begriffswahl “Koreaner:innen” hin­zu­fügen, dass in keiner hier behan­delten Quelle korea­nische Frauen in Deutschland erwähnt werden. Diese gra­vie­rende Lücke sollte als Anlass genommen werden, weitere Nachforschungen anzu­stellen, ob sich tat­sächlich korea­nische Frauen in Deutschland befanden. Um auto­ma­tische Ausschlüsse zu ver­meiden, ist in diesem Text an meh­reren Stellen von “Koreaner:innen” die Rede.

[10] Die Schreibweise korea­ni­scher Namen ori­en­tiert sich in diesem Artikel an der McCune-Reischauer Romanisierung.

[11] Siehe zu Hintergründen der impe­ria­lis­ti­schen Expansion Japans und Kolonialisierung Koreas auch Peter Duus, The Abacus and the Sword: The Japanese Penetration of Korea, 1895–1910 sowie Alexis Dudden, Japanese Colonization of Korea: Discourse and Power, 2006.

[12] Um den ehe­ma­ligen Schlesischen Bahnhof (heute Ostbahnhof) lebten vor allen Dingen chi­ne­sische Arbeiter:innen, Händler:innen und Hausierer:innen„ während in der Kantstraße und in Charlottenburg wohl­ha­bende Studierende und Intellektuelle lebten (vgl. Yu-Dembski 2007: 20ff).

[13] Die Österreicherin Hertha Feiler, die später Heinz Rühmanns zweite Frau wurde, war die weib­liche Hauptdarstellerin. Bemerkenswert ist hier, wie beliebig die eth­ni­sierte Rollenzuschreibung von korea­ni­schem Schauspieler und indi­scher Figur ist.

[14] Eine andere Schreibweise seines Namens ist Sohn Kee-Chung. In diesem Artikel wird die McCune-Reischauer-Romanisierung für alle korea­ni­schen Namen verwendet.

[15] Die Bronzestatue bildet Son in einem Trikot ab, auf dem die korea­nische Flagge zu sehen ist. In der Realität war auf seinem Trikot jedoch die japa­nische Flagge abgebildet.

[16] James Cleveland “J.C.” Owens wird als Sohn eines Sharecroppers im Süden der USA geboren. Sein Großvater war noch ver­sklavt gewesen. Die Familie zog auf der Suche nach bes­seren Chancen nach Ohio. Aufgrund seines Südstaaten-Akzents ver­stand seine Lehrerin seinen Namen falsch – so wurde “J.C.” zu “Jesse” (vgl. Owens / Neimark 1970: 19). Die Bedeutung von Owens’ Präsenz und Medaillen in den Olympischen Spielen 1936 sowie seine nach­fol­gende Behandlung in den USA ver­dienen sehr viel mehr Aufmerksamkeit als ihnen hier gegeben werden kann.

[17] 600 Rom:nja und Sinti:zze wurden jedoch in der gleichen Zeit aus Berlin in ein Lager am Stadtrand depor­tiert und dort inter­niert, um sie vor den Tourist:innen der Olympischen Spiele zu ver­bergen. Dieses Camp bestand bis 1943, als die betrof­fenen Rom:nja und Sinti:zze nach Auschwitz depor­tiert und dort ermordet wurden (vgl. Krüger 2003: 25).

[18] In gewissem Maße findet man ähn­liche Körperbeschreibungen ras­si­fi­zierter Menschen auch heute noch in der Sportberichterstattung. Es gibt eine klare Kontinuität von ras­sis­ti­schen Stereotypen im Sport.

[19] 1942 wurden 300 Chines:innen in Berlin ver­haftet und auf­grund der Vermutung von poli­ti­scher Aktivität inter­niert (vgl. Hoffmann 2015: 35). In Hamburg wurden 1944 im Zuge der soge­nannten “Chinesenaktion” Chines:innen fest­ge­nommen, miss­handelt, gefoltert und zum Teil in KZs inter­niert. Einige starben an den Folgen der Misshandlungen. Überlebende wurden nie ent­schädigt (vgl. von Piechowski 2019, Bi 2021). 1945 wird das chinesisch-deutsche Ehepaar Tung aus ihrem Haus gejagt, der deut­schen Frau wird der Kopf rasiert und sie wird auf der offenen Straße bloß­ge­stellt (vgl. Hoffmann 2015: 35). Bis zum Kriegsende blieben jedoch etwa 400 Chinesen in Deutschland, die Staatsangehörige der pro-japanischen Nanking-Regierung waren (vgl. Yu-Dembski 2007: 73).

[20] Zu diesem Zeitpunkt war die korea­nische Elite und damit die ver­blei­benden Studierenden in Deutschland voll­ständig in das Japanische Kaiserreich inte­griert und ver­schrieb sich den japa­ni­schen Interessen (vgl. Hoffmann 2015: 106).

[21] Leni Riefenstahl bestritt bis zuletzt, dass ihr Werk über die Olympischen Spiele Propaganda für die Nationalsozialisten gewesen sei (vgl. Guttmann 2006: 65). Unbestreitbar ist die Tatsache, dass sie eine freund­schaft­liche Beziehung mit Adolf Hitler verband und sie die Regie führte für den NS-Propagandafilm Triumph des Willens (vgl. ebd.: 74).

[22] Übersetzung durch die Autorin; Koryŏ Student Corps auf Englisch und Yudŏk Koryŏ Haguhoe auf Koreanisch

[23] Es ist zu ver­muten, dass es sich hierbei um den “Hauptverband der Chinesischen Studenten in Deutschland” handelt. Dieser Verein hieß ehemals “Verein der Chinesischen Studenten” und hatte etwa 280 haupt­sächlich bür­ger­liche Mitglieder, bis er von “revo­lu­tio­nären Studenten” umbe­nannt wurde. Die Büros lagen in der Kantstr. 122 (vgl. Yu-Dembski 2007: 45f.).

[24] Auch als Hindusthan Association of Central Europe geführt, Büro in der Fasanenstraße 23. (Vgl. Neue Horizonte 1928: 9)

[25] ver­tiefend zur Familiengeschichte, siehe Tapan Raychanduri 2004.

[26] von 1929 bis 1930 als “Indisches Informationsbüro”

[27] Beispielhaft sei hier der Zeitungsbericht mit dem Titel “Der Zoo, ein neuer Lunapark. Der Schwindel in der Indienschau” einer anonymen Autor:in in der Welt am Abend vom 3. Juli 1926 erwähnt.

[28] Das Büro befand sich ab 1927 in der Friedrichstraße 24 , danach bis 1933 Hedemannstraße 13 (beides heute Kreuzberg).

[29] Das sog. Shanghai-Massaker vom 30.5.1925 war Anlass von Protesten in Berlin, u.a. am 8.7.1925 in der Siemens-Oberschule in Charlottenburg, und auch Anlass zum Kongress “Hände weg von China” am 25.8.1925 in Berlin.

[30] Mit Blick auf die Fragestellung ver­zichten wir in diesem Artikel auf eine aus­führ­liche Darstellung der Verflechtung von anti­ko­lo­nialen Kämpfen und den Zielen der Kommunistischen Internationale und ver­weisen auf wei­ter­füh­rende Literatur, wie etwa Hakim Ali 2008, Harald Fischer-Tiné 2008. 

[31] Nach dem Brüsseler Kongress zerfiel dieses breite Bündnis, unter anderem, weil die Partnerschaft zwi­schen der Kuomintang Partei und den Kommunist:innen in China von Chiang Kai-shek, Führer der Kuomintang, beendet wurde. Beim Zweiten Kongress waren Sozialdemokraten und natio­nal­bür­ger­liche Organisationen nicht mehr ver­treten (vgl. Piazza 1987: 33f.) und der Einfluss Moskaus sowie der Komintern war stark gestiegen (vgl. Jones 1996: 13). In den Folgejahren traten diverse national-reformistische Organisationen aus der Liga aus (vgl. Piazza 1987: 34).

[32] A.C.N. Nambiar war im Nazi-Deutschland zusammen mit Subhas Chandra Bose wei­terhin im indi­schen Befreiungskampf aktiv. Nambiar leitete bspw. den Propagandasender Azad Hind Radio, das mit finan­zi­eller Unterstützung Deutschlands zunächst von Deutschland aus gegen die Britische Kolonialherrschaft Nachrichten sendete. Weiterführend zu Boses and Nambiars Tätigkeiten in Deutschland, siehe Günther 2005.

[33] Bei dem nach­fol­genden “II. Anti-Imperialistischen Kongreß in Frankfurt a.M.”, nun explizit kom­mu­nis­tisch aus­ge­richtet, waren laut Frauen- und Friedensaktivistin Helene Stöcker, die einen Bericht über die Konferenz in der Friedens-Warte ver­öf­fent­lichte, wieder sowohl Inder:innen als auch Koreaner:innen ver­treten. Inder:innen seien durch zwei Hauptgruppen ver­treten gewesen: “einmal die mehr bür­ger­lichen, Gandhi nahe­ste­henden, durch Gupta reprä­sen­tierten Kreise — von denen ihre Gegner aller­dings behaupten, daß kaum 2 Prozent der indi­schen Bevölkerung hinter dem “all­in­di­schen Nationalkongreß” ständen, — die aber heute noch freund­schaftlich mit der Liga und Sowjetrußland zusam­men­gehen, und zweitens die Kommunisten” (vgl. 271f.). Was sich hier abzeichnet ist die innere Spaltung der Liga gegen Imperialismus nach den gewalt­samen Ausschreitungen der ver­meintlich linken Kuomintang Bewegung gegen ver­bündete chi­ne­sische Kommunist:innen 1927, kurz nach dem Brüsseler Kongress (vgl. Dinkel 2015: 46).


Das Projekt wurde 2022 von der Berliner Landeszentrale für Politische Bildung gefördert.