
Wir sind traurig.
Wir sind wütend.
Acht Menschen, davon sechs Frauen mit asiatischer Einwanderungsgeschichte wurden am 16. März in Atlanta, Georgia, USA, ermordet. Als Frauen, als Migrantinnen, waren sie an einem stigmatisierten Arbeitsort beschäftigt, in einer niedrig zugeordneten sozialen Position. Diese sechs ermordeten asiatischen Frauen in Atlanta waren im Alltagsleben potentiell von intersektionaler Diskriminierung betroffen.
Ein weißer Pastorensohn sah sich symbolisch legitimiert, ihnen das Leben zu nehmen. In einem gesellschaftlichen und medialen Umfeld, in dem eine Abwertung von asiatischen Frauen als Norm gesehen wird, lautet die Reaktion auf die Ermordung von acht Menschen: – „He just had a bad day“ – .
Wir sagen laut und klar: Dazu hatte er kein Recht.
Weiße rassistische Terroristen sind Terroristen. Weiße rassistische Terroristen sind keine bedauernswerten Männer mit individuellen Problemen, die das Ermorden von Migrant*innen rechtfertigen. Weiße rassistische Terroristen sollten mit dem vollen Strafmaß für Mord bedacht werden, ohne Strafmilderung aufgrund von „psychologischen Beeinträchtigungen“.
Wer waren die ermordeten asiatischen Frauen? Sie waren sechs starke Frauen aus China und Korea. Sie haben zum Teil auch noch in hohem Alter sehr hart gearbeitet, nicht nur für sich, sondern darüber hinaus, um ihre Familie zu unterstützen. Ihre Geschichte ist in vielerlei Hinsicht universal. In vielen Ländern dieser Erde, auch in Deutschland, arbeiten Migrantinnen aus asiatischen Ländern, um ihre Familien zu unterstützen. Sie arbeiten dabei zum Teil unter sehr prekären Bedingungen. Sie verdienen unsere Anerkennung und unseren Respekt.
Rest in Power. Wir werden euch nicht vergessen.
Der Jahrestag von Hanau ist noch nicht lange her. Es lassen sich nicht alle Aspekte mit den Ereignissen in Atlanta vergleichen. Dennoch sind einige Parallelen im institutionellen Umgang mit rassistischer Gewalt sichtbar. An beiden Orten wurde viel zu spät, wenn überhaupt, auf Anrufe reagiert. Gegebenenfalls hätten noch mehr Menschen vor dem Tod bewahrt werden können, hätte die Polizei den Täter nach den ersten Schüssen am ersten Tatort festgesetzt. Sind rassifizierte Orte, also Orte, an denen sich Migrant*innen aufhalten, den konsequenten Schutz durch den deutschen Staat nicht wert?
Nicht nur Donald Trump sprach und spricht vom „China-Virus“, wenn er Covid-19 meint. Auch in Deutschland haben wir eine rassistische Berichterstattung über die Corona-Pandemie. Der Virus wird rassifiziert und kulturalisiert. Der Virus wird China und asiatischen Körpern herkunftsübergreifend zugeschrieben. Es werden in den deutschen Medien immer wieder Meldungen und Artikel mit Bildern von asiatischen Gesichtern mit Masken illustriert, auch wenn es sich um Infektionsherde in Ischgl handelt. Es wurde ein Sündenbock-Narrativ geschaffen, mit postkolonialen Anleihen – wie beispielsweise die Reproduktion des Begriffs „gelbe Gefahr“, vermischt mit einer Prise Verschwörungstheorien. Mit diesem Medialen Framing wird eine symbolische Legitimation für Angriffe auf und Diskriminierung von asiatischen und Asiatisch-Deutschen Menschen geschaffen. Und die Anzahl der Angriffe und Diskriminierungsfälle, insbesondere im öffentlichen Raum, ist seit dem Beginn dieser Berichterstattung nachweislich hochgegangen.
Anti-asiatischer Rassismus besteht natürlich nicht erst seit dem Beginn der Corona-Pandemie und seit den Morden von Atlanta. In unserem kollektiven Gedächtnis befinden sich die deutsche Kolonialpolitik in China, die „Chinesenaktion“ von 1944, die Pogrome von Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen, um nur einige historischen Ereignisse zu nennen. Es gibt eine unvollständige Liste von individuellen rassistischen Morden an asiatischen Menschen, dazu gehören Đỗ Anh Lân und Nguyễn Ngọc Châu (1980 in Hamburg), Phan Văn Toản (1997) oder Lie Yangjie (2016).
Mit Atlanta und Hanau als aktuelle und krasse Höhepunkte rassistischer Gewalt vor Augen müssen wir uns alle dafür einsetzen, dass diese Morde nicht im normativen Alltagsgeschehen untergehen und vergessen werden. Wir zeigen Solidarität mit den Opfern dieser Anschläge und ihren Freund*innen und Familien.
Das bedeutet für uns gleichzeitig, auch für unsere eigene Zukunft, unsere eigene Sicherheit und Gleichberechtigung in diesem Land zu kämpfen!
Die Demokratie in der wir leben, muss strukturell von Grund auf diskriminierungsärmer gestaltet werden. Es muss ein gesellschaftliches Klima geschaffen werden, in dem Rassist*innen keine Legitimation mehr finden, auf keiner Ebene.
Forderungen:
- Wir fordern von der deutschen Regierung und Gesellschaft eine konsequente und transparente strafrechtliche Verfolgung von rassistischen Morden und Straftaten.
- Wir fordern eine klare und deutliche Verurteilung von Rassismus und rassistisch motivierten Gewalttaten durch Politiker:innen, Behörden, Schulen, Polizei und Verwaltung sowie Personen des öffentlichen Lebens aus allen Bereichen der Gesellschaft.
- Wir fordern Sensibilisierungsmaßnahmen zu anti-asiatischem Rassismus für alle Angestellten im öffentlichen Dienst, dazu gehört auch die Polizei.
- Wir fordern die Anerkennung von anti-asiatischem Rassismus im Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus.
- Wir fordern die Einführung einer migrantische Quote von 30% im öffentlichen Dienst.
- Wir fordern die Aufnahme der deutschen Kolonialgeschichte sowie von Asiatisch-Deutschen Migrationsgeschichte(n) in das reguläre Curriculum von Insitutionen mit Bildungsauftrag.
- Wir fordern eine solidarische Parteilichkeit mit von Rassismus Betroffenen.