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Eine Filmreihe des Projekts DARE (Decolonize Anti-Asian Racist Entanglements)
in Kooperation mit Sinema Transtopia/bi’bak, sup­ported von korientation

Asiatische Präsenzen in der Kolonialmetropole Berlin
Localizing Decolonialization – Dekolonialisierung loka­li­sieren
Filme – Vorträge – Diskussionen
Kurator und Projektleitung: Dr. Kien Nghi Ha

WO: SİNEMA TRANSTOPIA vom 11.04. – 20.06.2023
Lindower Str. 20–22, Haus C, 13347 Berlin, U+S‑Bahn Wedding

Flyer Download hier

Zur Filmreihe

Deutschlands kolonial-rassistischen Fantasien und Ambitionen wurde nach dem Abgang des Imperial
Germany ver­stärkt in eine ima­ginäre Kolonialität über­führt. Ihre fil­mi­schen Inszenierungen begeis­terten nicht nur ein Massenpublikum, sondern führten auch zu einer mehr­deu­tigen Überlagerung von Fiktion und Realität. Die Filmkulisse, aber auch ihre Produktion und Konsumption wurden selbst zum kul­tu­rellen Kolonialraum. Das Film‑, Vortrags- und Gesprächsprogramm leistet Pionierarbeit, indem wir die „wilde Weltmetropole Berlin der Goldenen Zwanziger“ als kolo­nialen Kulturraum mit (anti-)Asiatischen Bezügen erfor­schen. Gleichzeitig wird die deko­lo­niale Debatte um anti-Asiatischen Rassismus sowie Orientalismus erweitert und dadurch mul­ti­per­spek­ti­vi­scher. Ende 2023 wird ein Sammelband im Verlag Assoziation A erscheinen.

Filmprogramm mit Einführungsvorträgen und Gesprächen

11.04.2023 um 19 Uhr: Das indische Grabmal – Die Sendung des Yoghi (1921) von Joe May, OmU, 132 Min.

„Der Welt größter Film” – die so ange­kün­digte Großproduktion mit Kolonialambiente war ein Publikumsmagnet. Joe May beschwor darin das mys­tische Indien und ver­wan­delte die Filmstadt Berlin-Woltersdorf in einen „indi­schen“ Ort mit präch­tigen Tempeln und Palästen, der von Statist:innen in Fantasiekostümen und Elefanten bevölkert wird. Angereichert mit sexua­li­sierter weib­licher Exotik erzählt er eine ver­wi­ckelte Geschichte, in der der bös­artige Maharadscha Rache an seiner Frau und ihrem bri­ti­schen Geliebten nimmt. Dieses Setting war so fas­zi­nierend, dass nach einem Remake in den 1930ern Jahren Fritz Lang, der bereits an der ersten Produktion beteiligt war, 1959 den Stoff erneut verfilmte.

Einführung:
Dr. Subin Nijhawan, British Empire, German Illusion – Über Tiger und Grabmale in der Kolonialzeit

Moderation: Anujah Fernando / Kien Nghi Ha

25.04.2023 um 19 Uhr: Die Herrin der Welt – Die Freundin des gelben Mannes (1919) von Joe May,
OV, 90 Min.
Live-Musik: Stummfilmpianist Jürgen Kurz

Unmittelbar nach dem Verlust der außer­eu­ro­päi­schen Kolonien ent­stand 1919 unter der Regie von Joe May in der heute ver­ges­senen Filmstadt Berlin-Woltersdorf ein monu­men­taler Kolonialepos, der acht Teile umfasst. Unter großem Aufwand gedreht, wird die aben­teu­er­liche Geschichte der jungen, schönen wie Weißen Maud Gregaards erzählt. Im ersten Teil ihre welt­um­span­nenden Reise gerät die Erzieherin im süd­chi­ne­si­schen Kanton in die Fänge des bru­talen Bordellbesitzers Hai-Fung. Mit Hilfe von Dr. Kien
Lung wird sie befreit, der sich aber eben­falls als dubiose Gestalt herausstellt.

Einführung
Dr. Tobias Nagl (via Zoom), Entfreundet: Die Freundin des gelben Mannes (1919/20), asia­tische Präsenz und anti­ras­sis­tische Filmproteste in der Weimarer Republik

Moderation: Joshua Kwesi Aikins / Kien Nghi Ha

09.05.2023 um 19 Uhr: Sumurun (1920) von Ernst Lubitsch, OmeU, 103 Min.

Im Unterschied zu Joe May war Ernst Lubitsch nicht nur ein Meister des Weimarer Kinos, sondern avan­cierte auch zu einem Starregisseur in Hollywood. In seinem frühen Filmschaffen nutzte er mehrfach Orient- und Roma-Stereotypen um seine Karriere in der Unterhaltungsindustrie zu befördern. Bereits 1910 von Max Reinhardt für das Theater dra­ma­ti­siert und ver­filmt, wurde der Stoff 1920 mit Starbesetzung monu­mental in den Ufa-Studios in Berlin-Tempelhof erneut insze­niert. Sumurun ist Lubitschs Version von Tausendundeine Nacht – ein Eifersuchtsdrama im vor­mo­dernen Morgenland, dass mit euro­päi­schen Fantasien über das Harem, ver­sklavten Tänzerinnen und ori­en­ta­li­scher Despotie spielt.

Introduction
Prof. Dr. Qinna Shen: A Berliner’s One Arabian Night: Lubitsch’s Orientalist Parody

Moderation: Sun-ju Choi / Kien Nghi Ha

23.05.2023 um 19 Uhr: Piccadilly – Nachtwelt (1929) von Ewald André Dupont, OmeU, 109 Min.

„Piccadilly“ ist nicht wie die anderen Filme der Reihe in einem ima­gi­nären Asien ange­siedelt, sondern spielt sich im Herzen des modernen Londons mit exo­ti­schen Ausflügen nach Chinatown ab. Trotz dieses Settings bleiben die ste­reo­typen Rollen nahezu unver­ändert: Der US-Star Anna May Wong ver­körpert in diesem tra­gi­schen Liebes- und Eifersuchtsdrama eine Chinesin, die mit viel ethnic chic zum sexuell begeh­rens­werten Revuegirl im Nachtclub auf­steigt und dann tra­gisch endet. Sie ist eine asia­tische Arbeitsmigrantin, die als ver­füh­re­rische femme fatale den Weißen Mann bedroht, aber auch
befriedigt und gleich­zeitig Opfer ihrer eigenen kul­tu­rellen Herkunft wird.

Einführung
Yumin Li, Anna May Wong – ein chinesisch-amerikanischer Hollywoodstar in Berlin

Moderation: Kimiko Suda / Kien Nghi Ha

Dieses Screening findet als Teil des korientation-Festivals zu(sammen)künfte (20.–27.05.2023) statt.

06.06.2023 um 19 Uhr: Hito Steyerl Special – Babenhausen (1997), 4 Min. / Die leere Mitte (1998), 62 Min. / Normalität 1‑X (1999–2001), 37 Min. Alle Filme OmeU

Die Trilogie aus dem Frühwerk von Hito Steyerl lässt sich viel­schichtig lesen. Sie ist nicht nur zeit­his­to­ri­sches Dokument und künst­le­rische wie akti­vis­tische Positionierung, sondern stellt auch ein her­aus­ra­gendes Filmessay dar. Entstanden zwi­schen 1990–1998 unter­sucht die ein­drück­liche Langzeitstudie „Die leere Mitte“ die unsichtbar gemachten Zusammenhänge zwi­schen Antisemitismus, Kolonialismus und Rassismus im Berliner Kultur- und Stadtraum. Ein Beispiel ist die Geschichte des „Haus Vaterland“ am heu­tigen Potsdamer Platz. Gleichzeitig nehmen diese Filme auch migran­tische Protestbewegungen und asiatisch-diasporische Stimmen in den Fokus, die sich gegen kolo­niale Kontinuitäten und ras­sis­tische Gewalt zur Wehr setzen.

Mit anschlie­ßendem Gespräch: Hito Steyerl, Gülşah Stapel, Kien Nghi Ha

20.06.2023 um 19 Uhr: Halfmoon Files (2006) von Philip Scheffner, OmeU, 87 Min.

Unweit von Berlin wurde am 11. Dezember 1916 im Kriegsgefangenenlager Wünsdorf die Stimme des bri­ti­schen Kolonialsoldaten Mall Singh auf­ge­nommen. Die Aufnahmen wurden im Auftrag von Militär, Wissenschaft und Unterhaltungsindustrie erstellt und waren Bestandteil des Tonarchivs „Sämtlicher Völker der Erde“. Heute befinden sie sich im Lautarchiv der Humboldt Universität Berlin und ver­weisen auf den kolo­nialen Charakter des Ersten Weltkrieges und des Lagers: Um sich als für­sorg­liche Kolonialmacht zu insze­nieren, wurde im Halbmondlager für afri­ka­nische, ara­bische und (süd-)asiatische Gefangene die erste Moschee Deutschlands für reli­giöse Praktiken gebaut. Gleichzeitig wurden Lager und Insassen als Filmkulisse für die deutsche Kolonial-propaganda genutzt. Der Film geht diesen ver­wischten kolo­nialen Verbindungen im Berliner Umland nach.

Mit anschlie­ßendem Gespräch: Philip Scheffner, Merle Kröger, Kien Nghi Ha

Sprecher:innen

Joshua Kwesi Aikins ist Politikwissenschaftler und Menschenrechtsaktivist. Er arbeitet als wis­sen­schaft­licher Mitarbeiter im Fachgebiet „Entwicklungspolitik und Postkoloniale Studien“ der Universität Kassel und enga­giert sich u.a. im Beirat der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD). Seine Forschungsschwerpunkte sind u.a. kul­tu­relle und poli­tische Repräsentation der afri­ka­ni­schen Diaspora, Kolonialität und Erinnerungspolitik. sowie Empowerment und Gleichstellungsdaten. Er ist Co-Autor des „Afrozensus“, einer Befragung Schwarzer, afri­ka­ni­scher und afro­dia­spo­ri­scher Menschen in Deutschland.

Sun-ju Choi stu­dierte Literatur an der Universität zu Köln und Drehbuch an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. 2017 erschien ihre Dissertation “Vater Staat und Mutter Partei: Familienkonzepte und Repräsentation von Familie im nord­ko­rea­ni­schen Film”. Sie enga­giert sich ehren­amtlich im Vorstand von ndo e.V. und kori­en­tation e.V..

Anujah Fernando arbeitet als Kulturwissenschaftlerin und Kuratorin. In recher­che­ba­sierten Ausstellungen und Texten sowie in doku­men­ta­ri­schen Filmprojekten, arbeitet sie zu erin­ne­rungs­po­li­ti­schen Themen rund um Migration und Kolonialismus. Sie inter­es­siert sich besonders für die sprach­lichen und kul­tu­rellen Aushandlungsprozesse zwi­schen erster und zweiter Migrationsgeneration. Zuletzt co-kuratierte sie die Ausstellung „Trotz Allem: Migration in die Kolonialmetropole Berlin“ am Museum FHXB.

Dr. Kien Nghi Ha, Kultur- und Politikwissenschaftler, forscht zu Asian German Studies an der Universität Tübingen. Zahlreiche Publikationen zu post­ko­lo­nialer Kritik, Rassismus und Migration. Herausgeber von Asiatische Deutsche Extended. Vietnamesische Diaspora and Beyond (2012/2021). Seine Monografie „Unrein und ver­mischt. Postkoloniale Grenzgänge durch die Kulturgeschichte der Hybridität und der kolo­nialen ‚Rassenbastarde‘“ (tran­script, 2010) wurde mit dem Augsburger Wissenschaftspreis für Interkulturelle Studien aus­ge­zeichnet. https://uni-tuebingen.de/de/208381

Merle Kröger arbeitet als Autorin, Dramaturgin und Kuratorin in Berlin und ist seit 2001 Teil von pong Film. Auch ist sie als Hochschuldozentin in Halle sowie Mainz tätig. Bisher hat sie fünf Romane ver­öf­fent­licht, dar­unter Grenzfall (2012), Havarie (2015) und Die Experten (2021). Als Kuratorin arbeitet sie seit 2007 mit dem Arsenal Institut für Film und Videokunst e.V., u.a. an den Projekten Work in Progress, Living Archive und Die fünfte Wand. Navina Sundaram: Innenansichten einer Außenseiterin oder Außenansichten einer Innenseiterin, das eine Nominierung für den Grimme Online Award 2022 erhielt. www.merlekroeger.de

Jürgen Kurz ist Improvisationskünstler. Ob am prä­pa­rierten Flügel, Elektro-Piano oder am ver­staubten Klavier, er bringt die Saiten zum Klingen und Tasten zum Klirren. Nach dem Studium an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin hat er sich als Komponist, Theatermusiker (u. a. Volksbühne) und Pianist einen Namen gemacht. Insbesondere als Stummfilmpianist – live im Kino, Open-Air und auf Festivals. So zum Beispiel im Freiluftkino Friedrichshain, bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin, im Kino Babylon, im Kino Krokodil oder auf dem Fusion Festival. Dabei gleicht keine Vorstellung der anderen, denn die nun um die hun­dert­jäh­rigen Filme, erstrahlen stets in neuen impro­vi­sierten Tongewändern.

Yumin Li ist Kulturwissenschaftlerin und unter­sucht in ihrer Dissertation Anna May Wongs mehrere Jahrzehnte umspan­nende Karriere auf vier Kontinenten. Zusammen mit dem Kollektiv andcompany&Co. erar­beitet sie die Theaterperformance „Shanzhai Express“, das sich spie­le­risch mit Anna May Wong befasst (Première 10.6.2023 Volksbühne Berlin).

Dr. Tobias Nagl ist Film- und Musikkritiker, DJ und seit 2007 Associate Professor für Filmwissenschaft an der University of Western Ontario in Kanada. Forschungsschwerpunkte: Filmtheorie, Stummfilm, Avantgardefilm, (Post-)Kolonialismus, afro­deutsche Geschichte vor 1945, kri­tische Theorie. Buchveröffentlichungen: „Die unheim­liche Maschine: Rasse und Repräsentation im Weimarer Kino“ (2009) und (zusammen mit Janelle Blankenship) „European Vision: Small Cinemas in Transition“ (2015).

Dr. Subin Nijhawan ist wis­sen­schaft­licher Mitarbeiter am Institut für England- und Amerikastudien der Goethe-Universität Frankfurt. In seinem Postdoc-Projekt arbeitet er zu dem Thema Mehrsprachigkeit und Nachhaltigkeit, was auch lite­ra­rische und künst­le­rische Quellen ein­schließt, um inter­sek­tionale Zugänge zu ermög­lichen. Hierzu gehören auch neue Modelle zur glo­balen Gerechtigkeit und einer kos­mo­po­li­ti­schen Weltbürger:innenschaft, um einer euro­zen­tri­schen Dominanz des Diskurses vorzubeugen.

Philip Scheffner arbeitet seit 1985 als Visual Artist. Seine abend­fül­lenden künst­le­ri­schen Dokumentarfilme The Halfmoon Files (2007), Der Tag des Spatzen (2010), Revision (2012), And-Ek Ghes… (2016) und Havarie (2016) wurden weltweit gezeigt und mit zahl­reichen Preisen aus­ge­zeichnet. Seit 2021 ist er Professor für Dokumentarische Praxen an der KHM Köln. Sein neuer Film Europe feierte 2022 Première auf der Berlinale. Scheffner ist Teil der Berliner Produktionsplattform / Kollektivs pong (zusammen mit Merle Kröger, Alex Gerbaulet, Caroline Kirberg und Mareike Bernien).

Qinna Shen ist Associate Professor of German am Bryn Mawr College, Pennsylvania. Nach einem Germanistik-Studium in Beijing und Heidelberg pro­mo­vierte sie 2008 an der Yale Universität in den USA. Sie ist Autorin von „The Politics of Magic: DEFA Fairy-Tale Films“ und Mitherausgeberin von „Beyond Alterity: German Encounters with Modern East Asia.“ Sie hat viel über deutsch-asiatische Themen veröffentlicht.

Dr. Gülşah Stapel stu­dierte Stadt- und Regionalplanung an der TU Berlin mit einem Schwerpunkt auf Denkmalpflege. Ihre Forschungsexpertise liegt in der Untersuchung von Identitäts- und Erbekonstruktionen im öffent­lichen Raum und Berliner Stadtgeschichte. Seit 2020 arbeitet sie als Kuratorin für Outreach für die Stiftung Berliner Mauer. Soeben ist ihr Buch „Recht auf Erbe in der Migrationsgesellschaft. Eine Studie an Erinnerungsorten tür­kei­stäm­miger Berliner:innen“ (Urbanophil 2023) erschienen.

Hito Steyerl ist Professorin für Experimentalfilm und Video an der Universität der Künste Berlin. Sie ist Medienkünstlerin, Filmemacherin, Kulturkritikerin und ‑theo­re­ti­kerin. Ihre inter­na­tional bekannten medien‑, technologie- und kul­tur­kri­ti­schen Arbeiten wurden mit zahl­reichen Preisen aus­ge­zeichnet. Die Ausstellung „I Will Survive. Films and Installations“ (gleich­na­miger Katalog von Spector Books) bildet die bisher größte Retrospektive ihres Gesamtwerks und wurde 2020 zunächst im K21 des Düsseldorfer Ständehaus, dann 2021 im Pariser Centre Pompidou gezeigt.

Dr. Kimiko Suda arbeitet an der Technischen Universität Berlin zu insti­tu­tio­nellem Rassismus in Deutschland. Sie ist ehren­amtlich bei kori­en­tation e.V. zu dekolonialer/antirassistischer Erinnerungskultur aktiv. Von 2011–2017 hat sie mit Dr. Sun-ju Choi das Asian Film Festival Berlin geleitet.

Impressum

Kurator und Projektleitung: Dr. Kien Nghi Ha.

In Kooperation mit bi’bak e.V., kori­en­tation. Netzwerk für Asiatisch-Deutsche Perspektiven e.V. und der Abteilung Koreanistik des Asien-Orient-Instituts der Universität Tübingen. 

Mit Filmen aus dem Bestand der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung in Wiesbaden.

Gefördert im Programm „Förderung zeit­ge­schicht­licher und erin­ne­rungs­kul­tu­reller Projekte“ der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa.


ENGLISH VERSION

A Film Program of the Project
DARE (Decolonize Anti-Asian Racist Entanglements)

in co-operation with SİNEMA TRANSTOPIA, sup­ported by kori­en­tation

Asian Presences in the Colonial Metropolis of Berlin
Localizing Decolonialization – Dekolonialisierung loka­li­sieren
Movies – Lectures – Discussions
Curator and project leader: Dr. Kien Nghi Ha

At SİNEMA TRANSTOPIA from 11.04. to 20.06.2023
Lindower Str. 20–22, House C, 13347 Berlin, subway and train station: Wedding
Info: sinematranstopia.com

Flyer Download HERE

About the Film Program

After the end of Imperial Germany, colonial-racist fan­tasies and ambi­tions were incre­asingly trans­formed into an ima­ginary colo­niality. Their cine­matic sta­gings not only delighted a mass audience, but also led to an ambi­guous over­lapping of fiction and reality. Not only film sets but film pro­duction and con­sumption also became cul­tural colonial spaces. This film, lecture and dis­cussion program is a pio­neering explo­ration of the “wild cos­mo­po­litan metro­polis Berlin in the Golden Twenties” as a colonial cul­tural space with (anti-)Asian refe­rences. At the same time, the deco­lonial debate will be expanded to include anti-Asian racism and ori­en­talism, and thus becoming more multi-perspectival. A book is planned for the end of 2023 (Assoziation A).

Film Screenings

11.04.2023 at 19:00: Das indische Grabmal – Die Sendung des Yoghi (1921) by Joe May, OmU, 132 Min.

“The world’s greatest film” – this large-scale pro­duction with colonial ambience was a crowd puller. In it, Joe May con­jured up mys­tical India, trans­forming the film city of Berlin-Woltersdorf into an “Indian” space with magni­ficent temples and palaces, popu­lated by dummies in fantasy cos­tumes and ele­phants. Enriched with sexua­lized female exo­ticism, it tells an intricate story in which the evil maha­rajah seeks revenge on his native wife and her British lover. This setting was so fasci­nating that after a German remake in the 1930s, Fritz Lang, who was already involved in the first pro­duction, filmed this nar­rative again in 1959.

Introduction by Dr. Subin Nijhawan:
British Empire, German Illusion – Über Tiger und Grabmale in der Kolonialzeit

Moderation: Anujah Fernando / Kien Nghi Ha

25.04.2023 at 19:00: Die Herrin der Welt – Die Freundin des gelben Mannes (1919) by Joe May, OV, 90 Min. With live music by silent film pianist Jürgen Kurz

Immediately after the loss of the non-European colonies, a monu­mental colonial epic com­prising eight parts was made in the now for­gotten film city of Berlin-Woltersdorf. Shot at great expense, it tells the adven­turous story of Maud Gregaards, a young woman as beau­tiful as she is white. In the first part
of her world-spanning journey, the edu­cator falls into the clutches of the brutal brothel owner Hai-Fung in the sou­thern Chinese city of Canton. She is freed with the help of Dr. Kien Lung, who, however, also turns out to be a dubious character.

Introduction by Dr. Tobias Nagl (via Zoom)
Entfreundet: Die Freundin des gelben Mannes (1919/20), asia­tische Präsenz und anti­ras­sis­tische Filmproteste in der Weimarer Republik

Moderation: Joshua Kwesi Aikins / Kien Nghi Ha

09.05.2023 at 19:00: Sumurun (1920) by Ernst Lubitsch, OmeU, 103 Min.

Unlike Joe May, Ernst Lubitsch was not only a master of Weimar cinema, but also became a star director in Hollywood. In his early film work, he repea­tedly used Oriental and Roma ste­reo­types to advance his career in the enter­tainment industry. Already filmed and dra­ma­tized by Max Reinhardt for the theater in 1910, just ten years later Lubitsch staged the material again in a monu­mental manner with a star cast at the Ufa studios in Berlin-Tempelhof. Sumurun is Lubitsch’s version of One Thousand and One Nights – a jea­lousy drama set in the pre-modern Orient that plays with European fan­tasies about the harem, ens­laved dancers and ori­ental despotism.

Introduction by Prof. Dr. Qinna Shen
A Berliner’s One Arabian Night: Lubitsch Orientalist Parody

Moderation: Sun-ju Choi / Kien Nghi Ha

23.05.2023 at 19:00: Piccadilly – Nachtwelt (1929) by Ewald André Dupont, OmeU, 109 Min.

Unlike the other films in the series, “Piccadilly” is not set in an ima­ginary Asia, but takes place in the heart of modern London with exotic excur­sions to Chinatown. Despite this setting, the ste­reo­ty­pical roles remain vir­tually unch­anged: in this tragic drama of love and jea­lousy, the US star Anna May Wong embodies a Chinese woman who, with ethnic chic, rises to become a sexually desi­rable showgirl in a nightclub but meets a tragic end. She is an Asian migrant worker who, as a seductive femme fatale, threatens but also satisfies the White man whilst at the same time becoming a victim of her own cul­tural origins.

Introduction by Yumin Li
Anna May Wong – ein chinesisch-amerikanischer Hollywoodstar in Berlin

Moderation: Kimiko Suda / Kien Nghi Ha

This Screening is part of the korientation-Festival zu(sammen)künfte (20.–27.05.2023).

06.06.2023 at 19:00: Hito Steyerl SPECIAL – Babenhausen (1997), 4 Min., Die leere Mitte (1998), 62 Min. Normalität 1‑X, (1999–2001), 37 Min. With OmeU.

This trilogy of Hito Steyerl’s early work can be read in many dif­ferent ways. It is not only a document of con­tem­porary history and an artistic and activist posi­tioning, but also an out­standing film essay. Created between 1990–1998, the impressive long-term study “The Empty Center” examines the invi­sible con­nec­tions between anti-Semitism, colo­nialism and racism in Berlin’s cul­tural and urban spaces. One example is the history of the “Haus Vaterland” located at today’s Potsdamer Platz. At the same time, these films also focus on migrant protest move­ments and Asian-diasporic voices resisting colonial con­ti­nuity and racist violence.

Followed by a Talk with Hito Steyerl, Gülşah Stapel, Kien Nghi Ha

20.06.2023 at 19:00: Halfmoon Files (2006) by Philip Scheffner, OmeU, 87 Min.

Not far from Berlin, the voice of the British colonial soldier Mall Singh was recorded on December 11, 1916 in the pri­soner of war camp Wünsdorf. The recor­dings, com­mis­sioned by the military, science and enter­tainment industry, were part of the sound archive “All Peoples of the World”. Today they are housed in the sound archive of the Humboldt University Berlin and refer to the colonial cha­racter of the First World War and the camp: In order to present itself as a caring colonial power, Germany’s first mosque for reli­gious prac­tices was built in the halfmoon camp for African, Arab and (South) Asian pri­soners. At the
same time, the camp and its inmates were used as film sets for German colonial pro­pa­ganda. Halfmoon Files traces these blurred colonial con­nec­tions in the Berlin area.

Followed by a talk with Philip Scheffner, Merle Kröger, Kien Nghi Ha

Speakers

Joshua Kwesi Aikins is a poli­tical sci­entist and human rights activist. He works as a research assistant in the department of “Development Policy and Postcolonial Studies” at the University of Kassel and is active, among other things, on the advisory board of the Initiative Black People in Germany (ISD). His research inte­rests include cul­tural and poli­tical repre­sen­tation of the African dia­spora, colo­niality and the politics of memory. as well as empowerment and gender equality data. He is co-author of the “Afrozensus”, a survey of Black, African and Afrodiasporic people in Germany.

Sun-ju Choi studied lite­rature at the University of Cologne and screen­writing at the German Film and Television Academy in Berlin. Her dissertation,„Vater Staat und Mutter Partei: Familienkonzepte und Repräsentation von Familie im nord­ko­rea­ni­schen Film“ was published in 2017. She serves as an honorary member of the board of directors for ndo e.V. and kori­en­tation e.V.

Anujah Fernando works as a cul­tural scholar and curator based in Berlin. Her work focuses on the politics of coll­ective memory as they relate to migration and colo­nialism. She pro­duces research-based exhi­bi­tions, publi­ca­tions and docu­mentary film pro­jects. Her par­ti­cular interest is on the prac­tices first and second gene­ration of migrants use to nego­tiate lan­guage and culture. Most recently, she co-curated the exhi­bition „Despite All: Migration to the Colonial Metropolis of Berlin“ at the FHXB Museum.

Dr. Kien Nghi Ha, cul­tural and poli­tical sci­entist, is a Postdoc rese­archer of Asian German Studies at the University of Tübingen. Numerous publi­ca­tions on post­co­lonial cri­ticism, racism and migration. Editor of „Asiatische Deutsche Extended. Vietnamesische Diaspora and Beyond“ (Assoziation A, 2012; 2021). His mono­graph „Unrein und ver­mischt. Postkoloniale Grenzgänge durch die Kulturgeschichte der Hybridität und der kolo­nialen ‚Rassenbastarde‘“ (tran­script, 2010) was awarded with the Augsburg Science Prize for Intercultural Studies. https://uni-tuebingen.de/en/208381

Merle Kröger works as an author, dra­ma­turge and curator in Berlin and has been part of pong Film since 2001. She also works as a uni­versity lec­turer in Halle and Mainz. She has published five novels, including Grenzfall (2012), Havarie (2015) and Die Experten (2021). As a curator, she has worked with Arsenal Institut für Film und Videokunst e.V. since 2007 on pro­jects including Work in Progress, Living Archive, and Die fünfte Wand. Navina Sundaram: Innenansichten einer Außenseiterin oder Außenansichten einer Innenseiterin, which received a nomi­nation for the Grimme Online Award 2022. www.merlekroeger.de

Jürgen Kurz is an impro­vi­sation artist. Whether on the pre­pared grand piano, electric piano or dusty piano, he makes the strings sound and keys clink. After stu­dying at the Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin, he made a name for himself as a com­poser, theater musician (including Volksbühne) and pianist, espe­cially as a silent film pianist – live in the cinema, open-air and at fes­tivals. For example at the Freiluftkino Friedrichshain, the Berlin International Film Festival, in the cinemas Babylon, Krokodil and at the Fusion Festival. No two per­for­mances are the same, because the films, which are now around a hundred years old, always shine dressed with new impro­vised sound.

Yumin Li is a cul­tural his­torian whose dis­ser­tation examines Anna May Wong’s career spanning several decades on four con­ti­nents. Together with
the coll­ective andcompany&Co. she is deve­loping the theater per­for­mance Shanzhai Express, which playfully deals with Anna May Wong (pre­mière 10.6.2023 at Volksbühne Berlin).

Dr. Tobias Nagl is a film and music critic, DJ, and has been Associate Professor of Film Studies at the University of Western Ontario in Canada since 2007. Research inte­rests: Film theory, silent film, avant-garde film, (post-)colonialism, Afro-German history before 1945, cri­tical theory. Book publi­ca­tions: “The Uncanny Machine: Race and Representation in Weimar Cinema” (2009) and (with Janelle Blankenship) “European Vision: Small Cinemas in Transition” (2015).

Dr. Subin Nijhawan is a research asso­ciate at the Institute of English and American Studies at Goethe University Frankfurt. His postdoc project gra­vi­tates around the nexus of mul­ti­l­in­gualism and sus­taina­bility, incor­po­rating lite­rature and media, in order to faci­litate an inter­sec­tional view. This also includes new models for global justice and a cos­mo­po­litan world citi­zenship, for pre­venting a Eurocentric domi­nance in discourses.

Philip Scheffner has been working as a visual artist since 1985. His feature-length artistic docu­men­taries The Halfmoon Files (2007), The Day of the Sparrow (2010), Revision (2012), And-Ek Ghes… (2016), and Havarie (2016) have been screened worldwide and won num­erous awards. Since 2021 he is Professor of Documentary Practices at the KHM Cologne. His new film Europe pre­miered at the Berlinale in 2022. Scheffner is part of the Berlin pro­duction platform / coll­ective pong (tog­ether with Merle Kröger, Alex Gerbaulet, Caroline Kirberg and Mareike Bernien).

Qinna Shen ist Associate Professor of German am Bryn Mawr College, Pennsylvania. Nach einem Germanistik-Studium in Beijing und Heidelberg pro­mo­vierte sie 2008 an der Yale Universität in den USA. Sie ist Autorin von „The Politics of Magic: DEFA Fairy-Tale Films“ und Mitherausgeberin von „Beyond Alterity: German Encounters with Modern East Asia.“ Sie hat viel über deutsch-asiatische Themen veröffentlicht.

Dr. Gülşah Stapel studied urban and regional planning at the TU Berlin with a focus on his­toric pre­ser­vation. Her research expertise lies in the study of identity and heritage con­s­truction in public space and Berlin urban history. Since 2020, she has worked as an out­reach curator for the Berlin Wall Foundation. She has just published her book „Recht auf Erbe in der Migrationsgesellschaft“ (Urbanophil 2023), a study on places of remem­berance of Berliners with a family back­ground from Turkey.

Hito Steyerl is pro­fessor of expe­ri­mental film and video at the Berlin University of the Arts. She is a media artist, film­maker, cul­tural critic and theorist. Her inter­na­tio­nally renowned media‑, technology- and culture-critical works have been awarded num­erous prizes. The exhi­bition „I Will Survive. Films and Installations“ (catalog published by Spector Books) is the largest retro­s­pective of her entire oeuvre to date and was first shown at the K21 of the Düsseldorf Ständehaus in 2020, then at the Centre Pompidou in Paris in 2021.

Dr. Kimiko Suda works at the Technical University of Berlin on insti­tu­tional racism in Germany. She is an active member of kori­en­tation e.V. and inte­rested in decolonial/antiracist memory culture. From 2011-
2017, she co-directed the Asian Film Festival Berlin with Dr. Sun-ju Choi.

Imprint

Curator and project leader: Dr. Kien Nghi Ha.

In coope­ration with bi’bak e.V., kori­en­tation. Netzwerk für Asiatisch-Deutsche Perspektiven e.V. and the
Department of Korean Studies, Institute of Asian and Oriental Studies at the University of Tübingen.

With films from the hol­dings of the Friedrich Wilhelm Murnau Foundation (www.murnau-stiftung.de) in Wiesbaden.

Funded by the program Promotion of Contemporary History and Remembrance Culture of the Berlin Senate Department for Culture and Europe.

Blog

von Kimiko Suda, Sabrina J. Mayer, Christopher Nguyen 


Antiasiatischer Rassismus exis­tiert nicht erst seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Basierend auf tat­säch­lichen und ima­gi­nierten Besuchen Asiens,[1] haben seit dem 13. Jahrhundert Europäer*innen Narrative kon­struiert und ver­breitet, die bis heute wirk­mächtig sind. In ihnen erscheinen Asiat*innen als „anders“, „exo­tisch“ und „gefährlich“.[2] Auch in Deutschland lässt sich anhand von his­to­ri­schen Beispielen eine klare Kontinuität und Systemimmanenz von anti­asia­ti­schem Rassismus auf­zeigen.[3]

So wurde bei­spiels­weise die Errichtung der deut­schen Kolonie Kiautschou 1897 zeit­ge­nös­sisch mit der angeb­lichen Überlegenheit der Deutschen gegenüber den Chines*innen innerhalb eines ras­sis­ti­schen Systems und dem Ziel der christ­lichen Missionierung und soge­nannten Zivilisierung „im Namen einer höheren Gesittung“ legi­ti­miert.[4] Wenige Jahre später, am 27. Juli 1900, argu­men­tierte Kaiser Wilhelm II. in seiner „Hunnenrede“ zum Abschied deut­scher Marinesoldaten, die zur Bekämpfung des „Boxeraufstands“ (1899–1901) nach China geschickt wurden, dass die Chines*innen mit ihrem Akt des Widerstands gegen die Kolonialmächte ihr Recht auf Leben ver­wirkt hätten. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialist*innen waren auch die damals in Deutschland lebenden Chines*innen unmit­telbar von der NS-Rassenpolitik betroffen: Sie wurden aus­ge­wiesen oder in Konzentrations- und Zwangsarbeiterlager ver­schleppt und dort ermordet.[5]

Als schwer­wie­gendste Fälle anti­asia­ti­scher Gewalt nach 1945 sind die Pogrome in Hoyerswerda 1991 und Rostock-Lichtenhagen 1992 in das kol­lektive Gedächtnis asia­ti­scher Deutscher ein­ge­gangen. Wohngebäude, in denen eine größere Anzahl von Vietnames*innen lebte, wurden unter den Augen applau­die­render Zuschauer*innen von gewalt­tä­tigen Rechtsradikalen ange­griffen. Die Polizei wartete in beiden Fällen tagelang, bis sie gering­fügig ein­griff. Die ver­ant­wort­lichen Politiker*innen kapi­tu­lierten vor der rechten Gewalt und ließen in beiden Fällen die Angegriffenen eva­ku­ieren, statt für die Verhaftung der Angreifer*innen zu sorgen. Die Pogrome von Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen sind dabei nicht nur als eine Folge der Vereinigungspolitik ein­zu­ordnen, sondern als Ausdruck einer kon­ti­nu­ier­lichen Existenz von Rassismus in der deut­schen Bevölkerung.[6]

Eine Anerkennung dieser spe­zi­fi­schen Form struk­tu­reller Diskriminierung erfolgte jedoch erst in jüngster Zeit. Beispielsweise sind die ras­sis­tisch moti­vierten Morde an Nguyen Ngọc Chau und Do Anh Lan, die am 20. August 1980 in Hamburg bei einem von Rechtsterroristen ver­übten Brandanschlag starben, bis heute kaum bekannt.[7] Während die Pogrome in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen noch als situa­ti­ons­be­zogene „Fremdenfeindlichkeit“ gegenüber „Ausländer*innen“ galten, wird im Kontext der Corona-Pandemie, die weltweit mit stei­gender ras­sis­ti­scher Diskriminierung und Übergriffen auf asia­tisch gelesene Menschen ein­herging, nun ver­mehrt über anti­asia­ti­schen Rassismus in Deutschland gesprochen.

Asiatisch gelesene Menschen in Deutschland sind in wider­sprüch­licher Weise sowohl von posi­tivem als auch nega­tivem Rassismus betroffen. Einerseits werden sie vielfach als „Vorzeigemigrant*innen“ beschrieben und gegen andere (post)migrantische Gruppen aus­ge­spielt; ande­rer­seits werden sie als homogene Masse dar­ge­stellt, von der eine Gefahr für die Weiße[8] Mehrheitsgesellschaft ausgehe. Antiasiatischer Rassismus in Deutschland umfasst unter­schied­liche Formen von Gewalt. Diese reichen von ver­balen Mikroaggressionen über struk­tu­relle Diskriminierung bis hin zu kör­per­lichen Angriffen und Morden. In Kitas und Schulen werden Kinder in Lehrbüchern und bei Festen mit ras­si­fi­zierten Missrepräsentationen von „asia­ti­schen Körpern“ und „asia­ti­scher Kultur“ kon­fron­tiert.[9] Dabei unter­scheiden sich die in Populärkultur und medialer Berichterstattung weit ver­brei­teten ras­si­fi­zierten Zuschreibungen auch nach Geschlecht: So werden asia­tisch gelesene Frauen sexua­li­siert, exo­ti­siert und infan­ti­li­siert, Männer dagegen desexua­li­siert und femi­ni­siert.[10]

Diese bereits bestehenden Muster ver­stärkten sich im Kontext der Corona-Pandemie. So berichten asia­tisch gelesene Menschen ver­mehrt von kör­per­lichen Übergriffen im öffent­lichen Raum und fühlen sich phy­sisch und sozial gemieden.[11] Um diese und ähn­liche Entwicklungen wis­sen­schaftlich zu erfassen, sammelt das Kooperationsprojekt „Soziale Kohäsion in Krisenzeiten. Die Corona-Pandemie und anti-asiatischer Rassismus in Deutschland“ seit August 2020 Daten über die gesell­schaft­liche Wahrnehmung von asia­tisch gele­senen Menschen und die Auswirkungen der Pandemie auf diese Wahrnehmungen. Unser Beitrag nutzt die Ergebnisse einer dabei Ende August 2020 umge­setzten Umfrage, um anti­asia­ti­schen Rassismus in Deutschland anhand von aktu­ellen Beispielen zu skiz­zieren, diese mit his­to­ri­schen Entwicklungen zu ver­knüpfen sowie Leerstellen hin­sichtlich der Prävention, Dokumentation und Bekämpfung von anti­asia­ti­schem Rassismus in Deutschland auf­zu­zeigen.[12]

Geschichten asiatischer Migration

Asien ist der größte und ein­woh­ner­stärkste Erdteil, der durch eine Vielzahl von Migrationsströmen geprägt ist. Daher stellt sich die Frage, von wem die Rede ist, wenn wir über „Asiat*innen“ sprechen. Menschen aus Westasien, etwa aus Iran, werden in Deutschland eher als mus­li­misch denn als asia­tisch wahr­ge­nommen, Menschen aus Zentralasien eher mit der ehe­ma­ligen Sowjetunion ver­knüpft. Hinsichtlich des anti­asia­ti­schen Rassismus unter­scheiden sich die Stereotypen und Vorurteile wie­derum zwi­schen Südasien (zum Beispiel Indien), Südostasien (zum Beispiel Indonesien) und Ostasien (zum Beispiel China). Antiasiatischer Rassismus ist dabei kon­text­ab­hängig – er unter­scheidet sich etwa in Großbritannien und Deutschland – und his­to­risch gewachsen. Vielfach wird er über ein­zelne, medial prä­sente Herkunftsländer ver­mittelt. Auf die Frage, welche Gruppen man mit Personen aus Asien ver­binde, ant­wor­teten in unserer Befragung 75 Prozent der Befragten mit Personen aus China, 46 Prozent mit Personen aus Japan und 13 bis 15 Prozent jeweils mit Personen aus Thailand, Südkorea, Indien und Vietnam. Westasiatische Länder wie Iran und Afghanistan wurden von weniger als zwei Prozent genannt und nur gering­fügig mit Asien assoziiert.

Die poten­ziell von anti­asia­ti­schem Rassismus betroffene soziale Gruppe in Deutschland besteht aus unter­schied­lichen Generationen und ist hete­rogen in Hinsicht auf sozio­öko­no­mische Hintergründe und Migrationsgeschichten. Die beiden Gruppen, die am ehesten mit Ländern aus Asien ver­bunden wurden, sind dabei nicht die zah­len­mäßig stärksten Gruppen – Personen aus Japan sind zah­len­mäßig deutlich weniger ver­treten als Personen aus Vietnam (Tabelle).

Tabelle: Anzahl von Personen asia­ti­scher Herkunft und ihrer Nachkommen in Deutschland. Die Tabelle umfasst alle Gruppen aus Süd‑, Südost- und Ostasien, die Separat aus­ge­wiesen sind und mehr als 30.000 Personen umfassen. Die Zahlen wurden auf 1.000 gerundet. (© Mikrozensus 2016)

Ein wich­tiger Teil asia­ti­scher Migrationsgeschichten ist die staatlich orga­ni­sierte Arbeitsmigration in die Bundesrepublik seit Ende der 1950er Jahre. Neben einigen Hundert japa­ni­schen und 8.000 korea­ni­schen Bergarbeitern immi­grierten ab 1966 auch mehr als 10.000 korea­nische Krankenschwestern. Weitere Krankenschwestern aus Indien, Indonesien und den Philippinen folgten.[13] Als sich nach dem Anwerbestopp 1973 die Rücksendeabsicht der Bundesregierung abzeichnete, erkämpfte die Koreanische Frauengruppe in Deutschland mit einer Unterschriftenaktion 1978 erfolg­reich ihr Bleiberecht.[14] Seit dem 1. März 2020 werden im Rahmen des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes medi­zi­nische Pflegekräfte aus den Philippinen und Vietnam ange­worben, erneut ohne die recht­liche Perspektive auf dau­er­hafte Niederlassung. Die Geschichte der Diskriminierung asia­ti­scher Arbeitsmigrant*innen droht, sich zu wiederholen.

Zusätzlich migrierten vor dem Hintergrund des Vietnamkriegs und der viet­na­me­si­schen Wiedervereinigung ab 1975 über 40.000 Geflüchtete aus Vietnam in die Bundesrepublik. Tausende waren mit Booten über das Südchinesische Meer geflüchtet und wurden daher als „Boat People“ bezeichnet. Als Kontingentflüchtlinge erhielten sie und nach­ge­zogene Familienmitglieder einen unbe­fris­teten Aufenthaltstitel.[15]

Ein wei­terer Teil kol­lek­tiver viet­na­me­si­scher Migrationsgeschichte ist die von der DDR staatlich orga­ni­sierte Arbeitsmigration ab 1980. Die Vertragsarbeiter*innen, dar­unter ein Drittel Frauen, waren im Maschinenbau sowie in der Leicht- und Schwerindustrie beschäftigt. Sie sollten, ähnlich wie die Arbeitsmigrant*innen in der Bundesrepublik, für eine fest­ge­legte Zeit dort arbeiten und sich nicht dau­erhaft nie­der­lassen. 1989 lebten und arbei­teten fast 60.000 viet­na­me­sische Vertragsarbeiter*innen in der DDR. Bilaterale Abkommen wurden in gerin­gerem Umfang auch 1982 mit der Mongolei sowie 1986 mit China und Nordkorea abge­schlossen.[16] Nach der Wende blieben knapp ein Drittel der viet­na­me­si­schen Vertragsarbeiter*innen in Deutschland, viele von ihnen kämpften jah­relang um Aufenthaltsgenehmigungen und ihre Existenzsicherung, bis 1997 mit der zweiten Bleiberechtsregelung im deut­schen Ausländergesetz eine recht­liche Grundlage dafür geschaffen wurde.[17]

Die Geschichte der chi­ne­si­schen Communities in Deutschland ist ins­be­sondere für die Metropolen Hamburg und Berlin seit dem Ende des 19. Jahrhunderts doku­men­tiert. Um 1900 arbei­teten mehrere Tausend chi­ne­sische Heizer und Seeleute auf deut­schen Dampfschiffen und ließen sich ab 1919 in Hamburg nieder, eröff­neten Geschäfte, Restaurants und grün­deten Familien. In den 1920er und 1930er Jahren stu­dierten pro­mi­nente chi­ne­sische Intellektuelle wie zum Beispiel der spätere Premierminister Zhou Enlai in Berlin.[18] Nach dem Beginn der Reform- und Öffnungspolitik in der Volksrepublik China unter Deng Xiaoping kamen ab 1980 immer mehr chi­ne­sische Studierende nach Berlin, gegen­wärtig stellen Chines*innen an vielen deut­schen Universitäten die größte Gruppe an aus­län­di­schen Studierenden.[19] Zudem leben Kulturschaffende, Wissenschaftler*innen und Geschäftsleute aus der Volksrepublik, Taiwan und Hongkong ins­be­sondere in Berlin und haben dort Strukturen zur kul­tu­rellen Selbstrepräsentation wie das „Times Art Center“ eta­bliert, die für die Etablierung von Gegenperspektiven zu ras­sis­ti­schen Narrativen not­wendig sind.

Antiasiatischer Rassismus und Covid-19

Die Verstärkung von anti­asia­ti­schem Rassismus im Kontext der Corona-Pandemie lässt sich vor dem Hintergrund (post)kolonialer Narrative zu „Asien“ his­to­risch ein­ordnen. Seit dem 19. Jahrhundert wird die „Gelbe Gefahr“ mit der Entstehung und Verbreitung von Epidemien wie der Pest, in der jün­geren Vergangenheit mit Infektionskrankheiten wie Sars (severe acute respi­ratory syn­drome) ver­knüpft.[20] Das biologisch-medizinische Phänomen einer Pandemie wird ras­si­fi­ziert und kul­tu­ra­li­siert; Ess‑, Wohn- und Hygienegewohnheiten werden als Teil einer ima­gi­nierten „asia­ti­schen Kultur“ für die Entstehung und Verbreitung von Pandemien ver­ant­wortlich gemacht. Der his­to­rische und der aktuelle Diskurs unter­scheiden sich jedoch in einem Aspekt: Während China früher als „tra­di­tionell“, „unzi­vi­li­siert“ und „unter­ent­wi­ckelt“ ein­ge­ordnet wurde, wird das Land inzwi­schen als eine für Europa öko­no­misch, geo­po­li­tisch und tech­nisch gefähr­liche Konkurrenz bewertet.[21]

Wenn also der „Spiegel“ seine Ausgabe zur Corona-Pandemie am 1. Februar 2020 mit dem Schriftzug „Made in China. Wenn die Globalisierung zur töd­lichen Gefahr wird“ in gelber Farbe betitelt, drängen sich Vergleiche zu kolo­nialen Narrativen unmit­telbar auf. Ähnliche Zuschreibungen erfolgten auch in anderen deutsch­spra­chigen Medienbeiträgen zu Covid-19 implizit oder explizit.[22] Auf der Straße und im Internet wird asia­tisch gele­senen Menschen zudem will­kürlich ein „Chinesischsein“ zuge­schrieben, um sie auf eine ver­meintlich nied­rigere soziale Position zu ver­weisen bezie­hungs­weise ihnen eine Existenz in Deutschland abzu­sprechen. Auch die Erinnerungstafel für chi­ne­sische NS-Opfer in der Hamburger Schmuckstraße, in deren Nachbarschaft sich in den 1920er und 1930er Jahren das „Chinesenviertel“ Hamburgs befand, wurde nach dem Beginn der Corona-Pandemie von Unbekannten stark beschädigt.[23] Als Reaktion auf diese anti­asia­ti­schen Narrative und Übergriffe bildete sich aber auch medialer Widerstand. So ging bei­spiels­weise im Mai 2020 die von asia­tisch gele­senen Menschen initi­ierte inter­aktive, digitale Plattform „Ich bin kein Virus“ online.[24]

Die seit dem Beginn der Pandemie von asia­tisch gele­senen Menschen erlebten Ausgrenzungen sind keine Einzelfälle. So ist es in Anbetracht der stark auf China fokus­sierten medialen Diskussion nicht über­ra­schend, dass etwa 29 Prozent der Befragten die Verantwortlichkeit für die Corona-Pandemie zumindest teil­weise in Asien – und dort ins­be­sondere in China – sehen. Diese Einschätzung kann nicht ohne weitere Informationen als anti­asia­ti­scher Rassismus ein­ge­stuft werden, weist jedoch auf eine deut­liche Verknüpfung der Pandemie mit Asien hin. Eine expli­zitere Verbindung zwi­schen nega­tiven Stereotypen und zuge­schrie­bener Verantwortlichkeit zeigt sich in der Annahme, dass asia­tische Essgewohnheiten, etwa der ver­mutete Konsum von Fledermäusen, und man­gelnde Hygienebedingungen, zum Beispiel durch soge­nannte wet markets, auf denen Obst und Gemüse, frisch her­ge­stellte Lebensmittel wie Nudeln, Sojaprodukte und Brotfladen, Fisch und Fleisch, zum Teil auch lebendes Geflügel und Seetiere ver­kauft werden, zum Ausbruch der Pandemie geführt hätten. Diese Wahrnehmung haben immerhin zehn Prozent aller Befragten.

In unserer Umfrage zeigte sich zudem, dass asia­tisch gelesene Menschen (wei­terhin) oft als „Vorzeigemigrant*innen“ wahr­ge­nommen werden. Während wir sub­stan­zielle Differenzen in der Wahrnehmung von mus­li­mi­schen Menschen und Deutschen ohne Migrationshintergrund finden, gibt es grund­sätzlich keinen sta­tis­tisch sicheren Unterschied zwi­schen der Beurteilung von asia­tisch gele­senen Menschen und Deutschen ohne Migrationshintergrund. Durch die Pandemie scheint sich dieses Verhältnis zu ändern. So zeigen unsere Ergebnisse, dass Menschen, die die Verantwortung für die Pandemie in Asien ver­orten, asia­tisch gelesene Menschen auch innerhalb Deutschlands grund­sätzlich nega­tiver wahr­nehmen. Obwohl dabei keine klare kausale Abfolge zwi­schen der Zuschreibung der Verantwortlichkeit und nega­tiven Wahrnehmungen getestet werden konnte, legen die Ergebnisse nahe, dass der Kontext der Pandemie anti­asia­ti­schen Rassismus akti­viert oder zumindest sichtbar(er) gemacht hat.

Neben Veränderungen der all­ge­meinen Wahrnehmung von asia­tisch gele­senen Menschen inter­es­sierte uns auch, inwiefern die Corona-Pandemie den all­täg­lichen Umgang mit­ein­ander ver­ändert hat. Deshalb wurden auch Alltagssituationen ana­ly­siert, etwa die Platzwahl in öffent­lichen Verkehrsmitteln. Dabei wurden die Befragten mit der Situation kon­fron­tiert, zwi­schen einem Platz neben einem asia­tisch und einem als der „Normalbevölkerung“ ange­hörig gele­senen Menschen aus­wählen zu können.

Auch hier zeigte sich, dass die Corona-Pandemie das Verhalten der Menschen beein­flusst. Konfrontiert mit der Alltagssituation vor der Pandemie, wählten 51 Prozent aller Befragten den „asia­ti­schen“ Sitznachbarn. Diese Auswahl lässt sich von einer zufäl­ligen Entscheidung sta­tis­tisch nicht unter­scheiden, sodass – im Gegensatz zur Wahl anderer Sitznachbarn mit Migrationshintergrund[25] – keine klaren Ausgrenzungsmuster iden­ti­fi­ziert werden können. Anders verhält es sich unter Corona-Bedingungen. Waren Menschen mit Masken abge­bildet, wählten nur noch 46 Prozent aller Befragten den Sitzplatz neben den asia­tisch gele­senen Menschen, sodass ein Vermeidungsverhalten iden­ti­fi­ziert werden kann. Dieses Verhalten war besonders unter Menschen, die der AfD nahe­stehen, präsent. Sie bevor­zugten unter Corona-Bedingungen zu fast 70 Prozent einen Weißen Sitznachbarn, während im Szenario ohne Maske dieser Anteil bei 53 Prozent liegt.

Die Ergebnisse dieser Umfrage zeigen, wie wider­sprüchlich, hete­rogen, aber auch fragil und kon­text­ab­hängig die Wahrnehmung asia­tisch gele­sener Menschen in der deut­schen Gesellschaft ist. Im Vergleich zu anderen (post)migrantischen Gruppen erleben sie weniger häufig direkte Ablehnung und Ausgrenzung und werden von der „Normalbevölkerung“ posi­tiver wahr­ge­nommen. Die Ergebnisse zeigen aber auch, wie unsicher dieser Zustand ist. Bestehende Vorurteile und Ablehnungen können in realen oder ima­gi­nären Krisensituationen schnell akti­viert werden und zu kleinen und großen Ausprägungen von anti­asia­ti­schem Rassismus führen.

Ausblick

Die struk­tu­relle Basis von Rassismus in der deut­schen Gesellschaft lässt ver­muten, dass auch zukünftig mit Ausbrüchen kol­lek­tiver anti­asia­ti­scher ras­sis­ti­scher Gewalt gerechnet werden muss.

Das Fortwähren von ras­si­fi­zierten Zuschreibungen und deren Wirkungsweisen lässt sich unter anderem auf den Mangel an inhalt­licher und per­so­neller Diversität in Institutionen zurück­führen. Dieser besteht ins­be­sondere in Hinsicht auf die Repräsentation von asia­ti­scher Migration in der Wissenschaft, in Bildungsinstitutionen und ‑for­maten, in den Medien und in der Kultur. Ohne die Schließung dieser Leerstellen lässt sich auch keine Sensibilisierung der Öffentlichkeit gegenüber anti­asia­ti­schem Rassismus nach­haltig gestalten, da sich kein Grundwissen eta­blieren kann. Zudem wurde die deutsche Kolonialpolitik in China zwar zum Teil wis­sen­schaftlich unter­sucht,[26] jedoch poli­tisch nicht aufgearbeitet.

Knapp zwei Wochen nach den ras­sis­tisch moti­vierten Morden in Hanau am 19. Februar 2020 wurde beim elften Integrationsgipfel im Bundeskanzleramt die Einrichtung eines Kabinettsausschusses gegen Rechtsextremismus und Rassismus beschlossen. Die Interessen der asiatisch-deutschen Communities sind durch den Verein „Korientation“ in der Bundeskonferenz der Migrantenorganisationen in diesem Ausschuss ver­treten. Diese Vertretung ist ein erster Schritt einer Repräsentation auf der bun­des­po­li­ti­schen Ebene.

Knapp eine Million asia­tische Deutsche und Asiat*innen leben in Deutschland und sind poten­ziell von anti­asia­ti­schem Rassismus betroffen. Antiasiatischer Rassismus ist dabei nicht nur für asiatisch-gelesene Menschen relevant, sondern Teil und Symptom eines gesell­schaft­lichen, wirt­schaft­lichen, poli­ti­schen und kul­tu­rellen Systems. Dieses wird von hier lebenden Menschen vor dem Hintergrund eines spe­zi­fi­schen his­to­ri­schen Kontextes repro­du­ziert. Die Verstärkung der Diskriminierung von asia­tisch gele­senen Menschen in Zeiten der Corona-Pandemie macht eine öffent­liche Positionierung von poli­ti­schen Handlungsträger*innen und letztlich jeder Person, die Zeug*in einer Diskriminierung wird, not­wendig. Weitere Studien und eine sys­te­ma­tische Dokumentation von anti­asia­ti­schem Rassismus sind zudem unab­dingbar, um diesen wir­kungs­voller bekämpfen zu können.

Wir danken Noa K. Ha und Jonas Köhler für die hilf­reichen Anregungen und Kommentare zu diesem Beitrag.

Fußnoten

1 Die Begriffe „Asien“ und „asia­tisch“ werden sowohl als Kenntlichmachung einer Imagination Europas bzw. als Fremdzuschreibung durch Europäer*innen und andere Personen als auch für Menschen genutzt, die sich selbst als „asia­tisch“, „asia­tische Deutsche“ oder „asiatisch-diasporisch“ bezeichnen.

2 Vgl. Michael Keevak, Becoming Yellow. A Short History of Racial Thinking, Princeton–Oxfordshire 2011.

3 Rassismus wird in diesem Beitrag nicht als per­sön­liche oder poli­tische Einstellung, sondern als „insti­tu­tio­na­li­siertes System, in dem soziale, wirt­schaft­liche, poli­tische und kul­tu­relle Beziehungen für weißen Alleinherrschaftserhalt wirken“, ver­standen. Noah Sow, Rassismus, in: Susan Arndt/Nadja Ofuatey-Alazard (Hrsg.), (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kri­ti­sches Nachschlagewerk, Münster 2019, S. 37.

4 Zit. nach Mechthild Leutner/Harald Bräuner, „Im Namen einer höheren Gesittung“. Die Kolonialperiode, 1897–1914, in: Mechthild Leutner/Dagmar Yü-Dembski (Hrsg.), Exotik und Wirklichkeit. China in Reisebeschreibungen vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, München 1990, S. 41–52.

5 Vgl. Kien Nghi Ha, Chinesische Präsenzen in Berlin und Hamburg bis 1945, in: ders. (Hrsg.), Asiatische Deutsche. Vietnamesische Diaspora and Beyond, Berlin–Hamburg 2012, S. 280–287; Dagmar Yü-Dembski, Chinesenverfolgung im Nationalsozialismus. Ein wei­teres Kapitel ver­drängter Geschichte, in: Bürgerrechte & Polizei 3/1997, S. 70–76.

6 Vgl. Noa K. Ha, Vietdeutschland und die Realität der Migration im ver­einten Deutschland, in: APuZ 28–29/2020, S. 30–34; Dan Thy Nguyen, Rechte Gewalt, die DDR und die Wiedervereinigung, in: Bengü Kocatürk-Schuster et al. (Hrsg.), Unsichtbar. Vietnamesisch-Deutsche Wirklichkeiten, Köln 2017, S. 6–23.

7 Vgl. Gedenken an ersten offi­zi­ellen ras­sis­ti­schen Mord nach 1945, 24.8.2020, http://www.migazin.de/2020/08/24/vor-40-jahren-gedenken-an-ersten-offiziellen-rassistischen-mord-nach-1945«. Siehe auch die Initiative für ein Gedenken an Nguyen Ngọc Chau und Do Anh Lan, https://inihalskestrasse.blackblogs.org/author/inihalskestrasse«.

8 „Weiß“ wird hier groß­ge­schrieben, um auf die Konstruiertheit von Ethnizität zu verweisen.

9 Vgl. „Kostüme sind nicht unschuldig“. Interview mit Noa K. Ha, 8.2.2018, http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018–02/noa-k-ha-karneval-kolonialismus-interview«.

10 Zum aktu­ellen Kontext vgl. Sumi K. Cho, Converging Stereotypes in Racialized Sexual Harassment. Where the Model Minority Meets Suzie Wong, in: The Journal of Gender, Race and Justice 1/1997, S. 178–211. Zu his­to­ri­schen Entwicklungen vgl. Mechthild Leutner, „Schlitzäugige Schöne“ und „gehorsame Dienerin des Mannes“. Deutsche Bilder von chi­ne­si­schen Frauen in der Kolonialperiode, in: dies./Marianne Bechhaus-Gerst (Hrsg.), Frauen in den deut­schen Kolonien, Berlin 2009, S. 194–204.

11 Vgl. Daniel Leber, „Er sagte, man müsse mich mit Sagrotan ein­sprühen“, 18.4.2020, http://www.tagesspiegel.de/25750740.html«.

12 Wir bedanken uns bei Jonas Köhler für die tat­kräftige Hilfe bei der Kodierung.

13 Vgl. Urmila Goel, Wer sorgt für wen auf welche Weise? Migration von Krankenschwestern aus Indien in die Bundesrepublik Deutschland, in: Beate Binder et al. (Hrsg.), Care: Praktiken und Politiken der Fürsorge. Ethnographische und geschlech­ter­theo­re­tische Perspektiven, Opladen 2019, S. 97–109; Florian Pölking, Schlaglichter auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ehe­ma­liger korea­ni­scher Bergarbeiter und Krankenschwestern in Deutschland, in: Yong-Seoun Chang-Gusko/Nataly Jung-Hwa Han/Arnd Kolb (Hrsg.), Unbekannte Vielfalt. Einblicke in die korea­nische Migrationsgeschichte in Deutschland, Köln 2014, S. 42–69; You Jae Lee/Sun-ju Choi, Umgekehrte Entwicklungshilfe. Die korea­nische Arbeitsmigration in Deutschland, in: Kölnischer Kunstverein et al. (Hrsg.), Projekt Migration, Köln 2005, S. 735–742.

14 Vgl. Kook-Nam Cho-Ruwwe, 30 Jahre der korea­ni­schen Frauengruppe in Deutschland, o.D., https://koreanische-frauengruppe.tistory.com/266?category=615060«.

15 Vgl. Phi Hong Su/Christina Sanko, Vietnamesische Migration nach Westdeutschland. Ein his­to­ri­scher Zugang, in: Kocatürk-Schuster et al. (Anm. 6), S. 6–23.

16 Vgl. Mike Dennis, Vietnamesische Migration in den 1980er Jahren: Arbeiten in einem kom­mu­nis­ti­schen Paradies, in: Kocatürk-Schuster et al. (Anm. 6), S. 78–97; Ann-Judith Rabenschlag, Arbeiten im Bruderland. Arbeitsmigranten in der DDR und ihr Zusammenleben mit der deut­schen Bevölkerung, 15.9.2016, http://www.bpb.de/233678«.

17 Vgl. Karin Weiss, Vietnamesische „Vertragsarbeiter*innen“ der DDR seit der deut­schen Wiedervereinigung, in: Kocatürk-Schuster et al. (Anm. 6), S. 111–125.

18 Vgl. Kien Nghi Ha, Chinesische Präsenzen in Berlin und Hamburg bis 1945, in: ders. (Hrsg.), Asiatische Deutsche. Vietnamesische Diaspora and Beyond, Berlin–Hamburg 2012, S. 280–287.

19 Im Wintersemester 2018/2019 gab es an Hochschulen in Deutschland 42676 Studierende aus China. Vgl. Statista, Anzahl der aus­län­di­schen Studierenden an Hochschulen in Deutschland im Wintersemester 201819 nach Herkunftsländern, Oktober 2019, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/301225«.

20 Vgl. Keevak (Anm. 2).

21 Vgl. Christos Lynteris, Yellow Peril Epidemics: The Political Ontology of Degeneration and Emergence, in: Franck Billé/Sören Urbansky (Hrsg.), Yellow Perils. China Narratives in the Contemporary World, Honolulu 2018, S. 35–59

22 Für einen Überblick über anti­asia­tische Medienberichte siehe http://www.korientation.de/corona-rassismus-medien«.

23 Vgl. Rosa Fava, Gedenktafel für chi­ne­sische NS-Opfer in Hamburg ange­griffen und beschmutzt, 20.4.2020, http://www.belltower.news/anti-asiatischer-rassismus-gedenktafel-fuer-chinesische-ns-opfer-in-hamburg-angegriffen-und-beschmutzt-98467«.

24 Siehe http://www.ichbinkeinvirus.org«.

25 So würden z.B. nur 44 Prozent aller Befragten einen Schwarzen statt einen Weißen Sitznachbarn aus­wählen. „Schwarz“ wird hier groß­ge­schrieben, um auf die Selbstbezeichnung der Schwarzen Menschen in Deutschland und, ebenso wie beim Wort „Weiß“, auf die Konstruiertheit von Ethnizität zu verweisen.

26 Für einen Überblick vgl. Mechthild Leutner, Kiautschou: Deutsche „Musterkolonie“ in China?, in: Ulrich van der Heyden/Joachim Zeller (Hrsg.), „… Macht und Anteil an der Weltherrschaft“. Berlin und der deutsche Kolonialismus, Münster 2005, S. 203–212.


Autoren/-innen: Kimiko Suda, Sabrina J. Mayer, Christoph Nguyen für: Aus Politik und Zeitgeschichte/bpb.de, APuZ Heft 42–44, 2020 vom 08.10.2020. Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz „CC BY-NC-ND 3.0 DE ver­öf­fent­licht. Zweitveröffentlichung auf korientation.de.