korientation ist eine (post)migrantische Selbstorganisation und ein Netzwerk für Asiatisch-Deutsche Perspektiven mit einem gesellschaftskritischen Blick auf Kultur, Medien und Politik.
korientation. Netzwerk für Asiatisch-Deutsche Perspektiven e.V. ist eine Selbstorganisation und ein Netzwerk von Asiatischen Deutschen und Asiat*innen mit dem Lebensschwerpunkt Deutschland mit einem gesellschaftskritischen Blick auf Kultur, Medien und Politik. Das Ziel ist es, vielfältige Lebenswirklichkeiten in Deutschland bewusst und sichtbar zu machen und damit Rassismus entgegen zu wirken.
Asiatisch-Deutsch als Selbstbezeichnung ist für korientation ein verbindendes Element, das der politischen Positionierung dient und sich weder auf nationale Grenzen noch auf eine kulturelle Essentialisierung bezieht. korientation versucht den Widerspruch und die Gleichzeitigkeit zu reflektieren, dass (Süd‑, West‑, Zentral‑, Nord‑, Ost- und Südost-)Asien Konstrukte sind und Bezüge, wie bspw. ‚tamilisch-‘, ‚südkoreanisch-‘, in Jakarta geboren und in Deutschland aufgewachsen-‚Sein‘ in den gelebten Erfahrungen eine Rolle spielen.
Wir suchen für unser neues Recherche-Projekt „Postkoloniale Asiatisch-Deutsche Präsenzenin Berlin“ –
2 wissenschaftliche Honorarkräfte mit MA-Abschluss auf Werkvertragsbasis vergütet mit 3.000 € (brutto) Vertragszeitraum bzw. Projektlaufzeit: 15.07. bis 30.11.2022.
Bewerbungsfrist: 05.07.2022 Bewerbung per Email an: info@korientation.de Hast Du Fragen? Melde Dich bei uns, auch gern per Email.
Wir laden insbesondere Schwarze Menschen und People of Color mit Bezügen zu Asien (Zur Klarstellung: Damit meinen wir Süd‑, West‑, Nord‑, Südost‑, Ost- und Zentralasien) und intersektionalen Identitäten ein, sich zu bewerben.
Das Projekt „Asiatisch-Deutsche Präsenzen in Berlin“ wird von der Berliner Landeszentrale für politische Bildung gefördert und soll einen Beitrag zur Schließung von Wissenslücken und Leerstellen zu Asiatisch-Deutschen Präsenzen in Berlin leisten. Es möchte auf die Brechung und Dekonstruktion eines kolonial konstruierten und homogenisierenden Narrativs von ‚Asien‘ und Asiatisch-Deutschen Präsenzen hinwirken. Dabei liegt ein besonderer Fokus auf lokalen Geschichten der Widerständigkeit, der Solidarisierung und der Gegennarrative als Strategie, postkoloniale Strukturen jenseits weißer und eurozentristischer Perspektiven zu analysieren.
Die Arbeitsaufträge umfassen
1. Die Recherche und Erstellung von je einer thematischen Materialsammlung zu postkolonialen Asiatisch-Deutschen Präsenzen in Berlin pro Honorarkraft, durch
Quellenbasierte historische Recherchen inkl. graue Literatur wie Flyer etc.
Bestandsaufnahme und Sichtung relevanter Quellen und Forschungsliteratur
Ggf. Interviews mit Expert*innen und Zeitzeug*innen
Auswertung und Aufbereitung der Ergebnisse aus den Recherchen
Zusammenstellung der Ressourcen als thematische Materialsammlung in digitaler Form
2. Das Verfassen eines analytischen Fachartikels zu postkolonialen Asiatisch-Deutschen Präsenzen in Berlin in Ko-Autor*innenschaft (30.000 Zeichen inklusive Leerzeichen)
Die komplette Stellenausschreibung inkl. Bewerbungsprofil, was Dich bei uns erwartet und Informationen zum Bewerbungsverfahren findest Du hier:
I desire a new language of belonging. A who-are-you space to gather with others, rather than the biological ‛what’ am I. This new language finds the political in the personal, and it requires me to ask who am I in the face of any new race-making that might be taking place. Who in me is the slave, who the plantation owner, who the indentured labourer, the bounty keeper, who the collaborator, who the perpetrator, who the victim? Who am I othering, as I write, as I speak, as I travel, as I shop? What borders am I erecting, who am I when I don´t feel I have enough? (McWatts 2019: 233)
Im deutschen Kontext sind DNA-Testkits für den Privatgebrauch bisher im Vergleich zum angloamerikanischen Kontext noch nicht so populär. Die Gründe dafür sind nur zu vermuten, sei es die NS-Vergangenheit, die ein negatives deutsches Verhältnis zu Humangenetik per se geschaffen hat, oder auch die vorherrschende unkritische Zufriedenheit mit einer konstruierten und unhinterfragten weißen deutschen Identität bei der Mehrheit der Deutschen. In ihrem essayistischen Band Shame On Me. A memoir of race and belonging zeichnet die kanadische Autorin Tessa McWatt den Weg einer emotionalen Selbstfindung und kritisch-intellektuellen Selbstpositionierung nach, der mit den Ergebnissen von zwei DNA-Tests und einem Einfordern einer politisch-solidarischen Haltung zum aktuellen Weltgeschehen, endet. Sie beschreibt den Prozess von der Internalisierung von rassistischen „Othering“-Begegnungen („What are you?“), und einer schwierigen Rollenzuweisung in ihrer Familie (Ersatz für einen früh verstorbenen Bruder), hin zu Suchbewegungen außerhalb von ethnischen Kategorien. Sie offenbart einen Reflexionsprozess, in dem sie sich unabhängiger macht von Eindeutigkeit und von der Anerkennung anderer. Sie hadert mit der Verinnerlichung eines weißen kanadischen Mittelschichtshabitus und damit einhergehenden Ideen von Erfolg und sozialer Mobilität und sieht gleichzeitig die daraus für ihren Lebensweg entstandenen Privilegien.
Anhand ihrer Familiengeschichte, sie wurde 1959 in Georgetown, Guayana geboren, werden die hierarchischen Verflechtungen unterschiedlicher rassifizierter Gruppen der damaligen britischen Kolonie dargestellt, und daraus wird die Vielschichtigkeit ihrer eigenen Identität abgeleitet. Für den Anbau von Zuckerrohr wurden versklavte Arbeiter*innen aus Afrika, verarmte Arbeiter*innen (indentured workers) aus Indien, Südchina und Portugal nach Guayana gebracht und mussten auf den Plantagen schuften. Den White Frame der anglophonen Gesellschaften bezeichnet sie daher auch als Plantagen-Setting[1], aus dem es kaum möglich ist auszubrechen, da sich postkoloniale Kontinuitäten durch alle gesellschaftlichen Strukturen und Interaktionen ziehen. Die Titel der einzelnen Kapitel des Bands sind im Sinne der Idee von embodied knowledge einerseits und Kritik an der Desubjektivierung von Menschen durch rassistische Zuschreibungen andererseits, aufgeteilt: die Einleitung lautet „What are you?“ und enthält als Einstieg kurze Vignetten der (zum Teil vermuteten) Schicksale ihrer Vorfahrinnen, gefolgt von den Kapiteln „Nase“, „Lippen“, „Augen“, „Haare“, „Arsch“, „Knochen“, „Haut“ und „Blut“. Das Abschlusskapitel lautet „Double Helix“[2] und enthält neben den DNA-Testergebnissen ein Plädoyer gegen die Absurdität von Rassifizierung.
Tessa McWatts Ururgroßvater väterlicherseits, dem sie ihren schottischen Familiennamen verdankt, war ihrer Vermutung nach ein Plantagenaufseher, eine Repräsentationsfigur von weißer Macht im kolonialenbritischen Governance-Régime. Ihre Ururgroßmutter wurde versklavt und vom afrikanischen Kontinent nach Guayana gebracht, und die Autorin unterstreicht kontinuierlich ihre Fragezeichen hinsichtlich der Freiwilligkeit der sexuellen Beziehung zwischen dem Aufseher und ihr. Sie führt dabei die historischen Aufzeichnungen eines Kolonialbeamten an, der mit lateinischen Abkürzungen die Inhalte von hunderten seiner „Dates“ mit versklavten Frauen dokumentierte und bewertete. Mit dieser Dokumentation als Referenz verweist sie auf die Normalität von sexueller und rassifizierter Gewalt in den kolonialen Plantagengesellschaften. Die Großmutter mütterlicherseits der Autorin hatte chinesische Vorfahr*innen und auch ihr ist sexuelle Gewalt widerfahren, laut einer Erzählung der Mutter der Autorin. Unterschiedliche Familienmitglieder hatten aufgrund unterschiedlicher Hautfarben und sozialer Klassen, unterschiedliche Zugangschancen zu Arbeitsplätzen in der Kolonie. Familienfotos visualisieren die beschriebenen „ethnisch gemischten“ Familienkonstellationen. Der Vater der Autorin kam aus armen Verhältnissen, schaffte es aber Geld zu sparen und Veterinärmedizin in Kanada zu studieren. Als die Lage aufgrund von rassistischen Pogromen in Guayana zunehmend angespannter wurde, folgte die Autorin im Alter von drei Jahren mit ihrer Schwester, Mutter und Großmutter ihrem Vater nach Kanada. Ihr Großvater konnte erst Jahre später in einer psychisch fragilen Verfassung nachgeholt werden, er konnte nicht mehr sprechen und war nur noch ein Geist seiner selbst.
Herausragend an dem Buch ist die Multidimensionalität der Verortung und Reflexion der Autorin. Sie spricht in einem Atemzug über rassistische Fremdzuschreibungen und Selbstethnisierung, bzw. ihre eigene unbewusste Ethnisierung von Familienmitgliedern bei ihrer Suche nach einem Ort der Zugehörigkeit. Sie verfolgt den postkolonialen Nachhall der Identitäten ihrer Familienmitglieder im kolonialen Britisch Guayana bis in die Gegenwart und in ihren Lebensalltag in Kanada, später in London und auch auf ihren Reisen in die Karibik, nach Südamerika, Afrika und Asien. Je nach Situation und Kontext, wird sie als lokal, „fremd“, als weiß, Asiatisch oder Schwarz gelesen, und sie reflektiert dann über den jeweiligen Marginalisierungs- bzw. Privilegierungseffekt, der daraus resultiert. Sie nimmt die rassistischen Diskurse und deren Auswirkungen auf sie selbst und die Körper rassifizierter Frauen per se als Beispiel und zeigt dabei deren Exotisierung, Hypersexualisierung und Objektivierung und ihre eigene Vulnerabilität in dieser Hinsicht, auf.
Mit persönlichen Beispielen, beispielsweise hinsichtlich ihrer Auswahl an Männern, die sie für ihre Liebesbeziehungen im Verlauf ihres Lebens ausgewählt hat, zeigt sie einen Prozess auf, in dem sie sich von einer Orientierung am weißen Status Quo, über die Suche nach einer Schwarzen Identität über eine Beziehung zu einer Person, die fest in einer Schwarzen Community zuhause ist, hin zu einer Psychoanalyse bewegt. Mit dieser Analyse schafft sie es, von einer Selbstverortung als nicht ausreichendem „Ersatz für den verstorbenen Bruder“ und einem „Mangel“ an Identität wegzukommen. Für ihre psychoanalytische Perspektive denkt sie mit Fanon, aber auch Jung und Freud, und stellt die gängigen Kategorien von „hell“ und „dunkel“ in der Psychoanalyse einerseits in Frage und verweist auf die Notwendigkeit zum Teil mit gegebenen Konzepten zu arbeiten.
Ein anderes wiederkehrendes Thema, ist die Frage nach dem Versuch sich trotz rassistischer Gesellschaftsstrukturen oder gerade aufgrund der Entbehrungen, die ihr Vater für sie durch die Migration nach Kanada auf sich genommen hat, mehr zu leisten und zu schaffen als der Durchschnitt. Sie vergleicht dabei ihren Lebenslauf mit dem ihrer Geschwister, ihr Bruder ist ein erfolgreicher Geschäftsmann und ihre Schwester ist Richterin geworden. Dann schaut sie auf die nächste Generation, die leiblichen und adoptierten Kinder ihrer Geschwister, um im Verlauf der Zeit nachzuvollziehen, welche Rolle phänotypische Aspekte für rassistische Zuschreibungen und soziale Hierarchien spielen. Ihre Analysen sind immer historisch verankert und intersektionell, machtkritisch und mit Referenzen versehen und daher in der Verbindung von größeren Diskursen und Analysen mit individuellen Beobachtungen und Erlebnissen überzeugend.
Im Vergleich, beispielsweise zu Ocean Vuongs[3] autobiographischem Roman On Earth We’re Briefly Gorgeous. A Novel, der im gleichen Jahr, 2019, erschienen ist, ist in Tessa McWatts Band die Sicherheit der gebildeten Mittelschichtsfamilie als Ausgangspunkt zu spüren, die ökonomische Stabilität, die Rassifizierungseffekte punktuell abfedern kann. Sie ist (zumindest in den in dieser Hinsicht relevanten beschriebenen Situationen) heterosexuell und es bleibt ihr daher eine Ebene der Diskriminierung und Identitätssuche erspart, die für Vuongs queeren Protagonisten mit im Zentrum steht. Sie berichtet über sprachliche und „epistemische Gewalt“ in ihrem Lebensumfeld seit ihrer Kindheit, aber nicht über unmittelbare physische, wie sie für Ocean Vuong präsent ist. Die Vergewaltigungen ihrer Ururgroßmutter väterlicherseits und Großmutter mütterlicherseits, die zu Beginn als Vignette erwähnt werden, tauchen im Verlauf des Bands immer wieder auf und werfen einen unübersehbaren Schatten aus der Vergangenheit; gleichzeitig findet jedoch auch eine intergenerationelle Kommunikation zwischen Großmutter und Enkelin, Mutter und Tochter statt, die auch wie ein Heilungsprozess gesehen werden kann im Vergleich zu Ocean Vuongs Sprachlosigkeit gegenüber seiner Mutter und Großmutter zu deren Lebzeiten. Auch Ocean Vuong denkt über die rassifizierten und geschlechtsspezifischen Gewaltdynamiken nach, mit der weiße DNA über einen US-amerikanischen Soldaten in seine Familiengeschichte gekommen ist. Seine Großmutter war in Vietnam gezwungen, als Sexarbeiterin ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und ist in dem Kontext schwanger geworden.
Für den Vergleich zwischen Tessa McWatts und Ocean Vuongs autobiographischen Zugängen ist dann auch die Generationenfrage und eine unterschiedliche Distanz zu bestimmten Lebensphasen mitzudenken. Während Ocean Vuongs 1988 in Ho-Chi-Minh-Stadt in Vietnam geboren wurde, und seine Jugend noch nicht so lange her ist, und er die Atmosphäre der Erlebnisse dieser Zeit auf emotional eindrückliche und oftmals beklemmende Art aus der Perspektive einer Romanfigur beschreibt, hat Tessa McWatt bereits eine psychoanalytisch reflektierte intellektuelle Distanz zu vielen erlebten Situationen im längeren Verlauf ihres Lebens für sich hergestellt. Dementsprechend sind die einzelnen Situationen beispielsweise von Diskriminierung als eine bereits verarbeitete und somit abgeschlossene Angelegenheit beschrieben und es ist ihr vermutlich leicht gefallen aus der unmittelbaren Ich-Perspektive zu schreiben. Ocean Vuong und Tessa Watt teilen das bewusste Abschütteln von Scham über ihre Herkunft und ihre Identitäten außerhalb von weißen Mittelschichtsnormen. Sie teilen auch das Gefühl der Notwendigkeit der konsequenten und kritischen Auseinandersetzung mit ihrer Identität angesichts der Sterblichkeit ihrer Mütter, mit deren (drohendem) Tod einerseits Wissen insbesondere über familiäre Migrationsgeschichte(n) und Ereignisse vor der Migration, und vor allem sie selbst als emotionales Gegenüber, zu verschwinden drohen. Zusammenfassend lässt sich sagen: Shame On Me ist eine politische Reflexionsanleitung über Marginalisierung, Privilegien und das emotionale und intellektuelle Abschütteln von jeglichen Rassifizierungskategorien.
Tessa McWatt (2021): Shame On Me. A memoir of race and belonging, Scribe Publications: London, 260 Seiten, ISBN-13: 9781913348229; ISBN-10: 1913348229
[1] Im deutschen Kontext ist 2008 das Buch Plantation Memories. Episodes of Everyday Racism – Kurzgeschichten in englischer Sprache von Grada Kilomba, erschienen, in dem sie auch das „Plantagen-Setting“ aufgreift, um auf strukturellen Rassismus und dessen Erscheinungsformen und Reproduktion im Alltag zu verweisen.
[2] Double Helix ist die Beschreibung der Struktur eines DNA-Molekuls.
[3] Sein vietnamesischer Name lautet Vương Quốc Vinh.
Am 4. und 5. Februar 2022 wird das MEGA Team für korientation bei der Asian German Studies Tagung in Tübingen dabei sein, die von Prof. Dr. You Jae Lee und Dr. Kien Nghi Ha (Universität Tübingen) für die deutsche Forschungslandschaft organisiert wird. Weitere Infos zum Programm findet Ihr auf der Webseite!
von Kimiko Suda, Sabrina J. Mayer, Christopher Nguyen
Antiasiatischer Rassismus existiert nicht erst seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Basierend auf tatsächlichen und imaginierten Besuchen Asiens,[1] haben seit dem 13. Jahrhundert Europäer*innen Narrative konstruiert und verbreitet, die bis heute wirkmächtig sind. In ihnen erscheinen Asiat*innen als „anders“, „exotisch“ und „gefährlich“.[2] Auch in Deutschland lässt sich anhand von historischen Beispielen eine klare Kontinuität und Systemimmanenz von antiasiatischem Rassismus aufzeigen.[3]
So wurde beispielsweise die Errichtung der deutschen Kolonie Kiautschou 1897 zeitgenössisch mit der angeblichen Überlegenheit der Deutschen gegenüber den Chines*innen innerhalb eines rassistischen Systems und dem Ziel der christlichen Missionierung und sogenannten Zivilisierung „im Namen einer höheren Gesittung“ legitimiert.[4] Wenige Jahre später, am 27. Juli 1900, argumentierte Kaiser Wilhelm II. in seiner „Hunnenrede“ zum Abschied deutscher Marinesoldaten, die zur Bekämpfung des „Boxeraufstands“ (1899–1901) nach China geschickt wurden, dass die Chines*innen mit ihrem Akt des Widerstands gegen die Kolonialmächte ihr Recht auf Leben verwirkt hätten. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialist*innen waren auch die damals in Deutschland lebenden Chines*innen unmittelbar von der NS-Rassenpolitik betroffen: Sie wurden ausgewiesen oder in Konzentrations- und Zwangsarbeiterlager verschleppt und dort ermordet.[5]
Als schwerwiegendste Fälle antiasiatischer Gewalt nach 1945 sind die Pogrome in Hoyerswerda 1991 und Rostock-Lichtenhagen 1992 in das kollektive Gedächtnis asiatischer Deutscher eingegangen. Wohngebäude, in denen eine größere Anzahl von Vietnames*innen lebte, wurden unter den Augen applaudierender Zuschauer*innen von gewalttätigen Rechtsradikalen angegriffen. Die Polizei wartete in beiden Fällen tagelang, bis sie geringfügig eingriff. Die verantwortlichen Politiker*innen kapitulierten vor der rechten Gewalt und ließen in beiden Fällen die Angegriffenen evakuieren, statt für die Verhaftung der Angreifer*innen zu sorgen. Die Pogrome von Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen sind dabei nicht nur als eine Folge der Vereinigungspolitik einzuordnen, sondern als Ausdruck einer kontinuierlichen Existenz von Rassismus in der deutschen Bevölkerung.[6]
Eine Anerkennung dieser spezifischen Form struktureller Diskriminierung erfolgte jedoch erst in jüngster Zeit. Beispielsweise sind die rassistisch motivierten Morde an Nguyen Ngọc Chau und Do Anh Lan, die am 20. August 1980 in Hamburg bei einem von Rechtsterroristen verübten Brandanschlag starben, bis heute kaum bekannt.[7] Während die Pogrome in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen noch als situationsbezogene „Fremdenfeindlichkeit“ gegenüber „Ausländer*innen“ galten, wird im Kontext der Corona-Pandemie, die weltweit mit steigender rassistischer Diskriminierung und Übergriffen auf asiatisch gelesene Menschen einherging, nun vermehrt über antiasiatischen Rassismus in Deutschland gesprochen.
Asiatisch gelesene Menschen in Deutschland sind in widersprüchlicher Weise sowohl von positivem als auch negativem Rassismus betroffen. Einerseits werden sie vielfach als „Vorzeigemigrant*innen“ beschrieben und gegen andere (post)migrantische Gruppen ausgespielt; andererseits werden sie als homogene Masse dargestellt, von der eine Gefahr für die Weiße[8] Mehrheitsgesellschaft ausgehe. Antiasiatischer Rassismus in Deutschland umfasst unterschiedliche Formen von Gewalt. Diese reichen von verbalen Mikroaggressionen über strukturelle Diskriminierung bis hin zu körperlichen Angriffen und Morden. In Kitas und Schulen werden Kinder in Lehrbüchern und bei Festen mit rassifizierten Missrepräsentationen von „asiatischen Körpern“ und „asiatischer Kultur“ konfrontiert.[9] Dabei unterscheiden sich die in Populärkultur und medialer Berichterstattung weit verbreiteten rassifizierten Zuschreibungen auch nach Geschlecht: So werden asiatisch gelesene Frauen sexualisiert, exotisiert und infantilisiert, Männer dagegen desexualisiert und feminisiert.[10]
Diese bereits bestehenden Muster verstärkten sich im Kontext der Corona-Pandemie. So berichten asiatisch gelesene Menschen vermehrt von körperlichen Übergriffen im öffentlichen Raum und fühlen sich physisch und sozial gemieden.[11] Um diese und ähnliche Entwicklungen wissenschaftlich zu erfassen, sammelt das Kooperationsprojekt „Soziale Kohäsion in Krisenzeiten. Die Corona-Pandemie und anti-asiatischer Rassismus in Deutschland“ seit August 2020 Daten über die gesellschaftliche Wahrnehmung von asiatisch gelesenen Menschen und die Auswirkungen der Pandemie auf diese Wahrnehmungen. Unser Beitrag nutzt die Ergebnisse einer dabei Ende August 2020 umgesetzten Umfrage, um antiasiatischen Rassismus in Deutschland anhand von aktuellen Beispielen zu skizzieren, diese mit historischen Entwicklungen zu verknüpfen sowie Leerstellen hinsichtlich der Prävention, Dokumentation und Bekämpfung von antiasiatischem Rassismus in Deutschland aufzuzeigen.[12]
Geschichten asiatischer Migration
Asien ist der größte und einwohnerstärkste Erdteil, der durch eine Vielzahl von Migrationsströmen geprägt ist. Daher stellt sich die Frage, von wem die Rede ist, wenn wir über „Asiat*innen“ sprechen. Menschen aus Westasien, etwa aus Iran, werden in Deutschland eher als muslimisch denn als asiatisch wahrgenommen, Menschen aus Zentralasien eher mit der ehemaligen Sowjetunion verknüpft. Hinsichtlich des antiasiatischen Rassismus unterscheiden sich die Stereotypen und Vorurteile wiederum zwischen Südasien (zum Beispiel Indien), Südostasien (zum Beispiel Indonesien) und Ostasien (zum Beispiel China). Antiasiatischer Rassismus ist dabei kontextabhängig – er unterscheidet sich etwa in Großbritannien und Deutschland – und historisch gewachsen. Vielfach wird er über einzelne, medial präsente Herkunftsländer vermittelt. Auf die Frage, welche Gruppen man mit Personen aus Asien verbinde, antworteten in unserer Befragung 75 Prozent der Befragten mit Personen aus China, 46 Prozent mit Personen aus Japan und 13 bis 15 Prozent jeweils mit Personen aus Thailand, Südkorea, Indien und Vietnam. Westasiatische Länder wie Iran und Afghanistan wurden von weniger als zwei Prozent genannt und nur geringfügig mit Asien assoziiert.
Die potenziell von antiasiatischem Rassismus betroffene soziale Gruppe in Deutschland besteht aus unterschiedlichen Generationen und ist heterogen in Hinsicht auf sozioökonomische Hintergründe und Migrationsgeschichten. Die beiden Gruppen, die am ehesten mit Ländern aus Asien verbunden wurden, sind dabei nicht die zahlenmäßig stärksten Gruppen – Personen aus Japan sind zahlenmäßig deutlich weniger vertreten als Personen aus Vietnam (Tabelle).
Ein wichtiger Teil asiatischer Migrationsgeschichten ist die staatlich organisierte Arbeitsmigration in die Bundesrepublik seit Ende der 1950er Jahre. Neben einigen Hundert japanischen und 8.000 koreanischen Bergarbeitern immigrierten ab 1966 auch mehr als 10.000 koreanische Krankenschwestern. Weitere Krankenschwestern aus Indien, Indonesien und den Philippinen folgten.[13] Als sich nach dem Anwerbestopp 1973 die Rücksendeabsicht der Bundesregierung abzeichnete, erkämpfte die Koreanische Frauengruppe in Deutschland mit einer Unterschriftenaktion 1978 erfolgreich ihr Bleiberecht.[14] Seit dem 1. März 2020 werden im Rahmen des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes medizinische Pflegekräfte aus den Philippinen und Vietnam angeworben, erneut ohne die rechtliche Perspektive auf dauerhafte Niederlassung. Die Geschichte der Diskriminierung asiatischer Arbeitsmigrant*innen droht, sich zu wiederholen.
Zusätzlich migrierten vor dem Hintergrund des Vietnamkriegs und der vietnamesischen Wiedervereinigung ab 1975 über 40.000 Geflüchtete aus Vietnam in die Bundesrepublik. Tausende waren mit Booten über das Südchinesische Meer geflüchtet und wurden daher als „Boat People“ bezeichnet. Als Kontingentflüchtlinge erhielten sie und nachgezogene Familienmitglieder einen unbefristeten Aufenthaltstitel.[15]
Ein weiterer Teil kollektiver vietnamesischer Migrationsgeschichte ist die von der DDR staatlich organisierte Arbeitsmigration ab 1980. Die Vertragsarbeiter*innen, darunter ein Drittel Frauen, waren im Maschinenbau sowie in der Leicht- und Schwerindustrie beschäftigt. Sie sollten, ähnlich wie die Arbeitsmigrant*innen in der Bundesrepublik, für eine festgelegte Zeit dort arbeiten und sich nicht dauerhaft niederlassen. 1989 lebten und arbeiteten fast 60.000 vietnamesische Vertragsarbeiter*innen in der DDR. Bilaterale Abkommen wurden in geringerem Umfang auch 1982 mit der Mongolei sowie 1986 mit China und Nordkorea abgeschlossen.[16] Nach der Wende blieben knapp ein Drittel der vietnamesischen Vertragsarbeiter*innen in Deutschland, viele von ihnen kämpften jahrelang um Aufenthaltsgenehmigungen und ihre Existenzsicherung, bis 1997 mit der zweiten Bleiberechtsregelung im deutschen Ausländergesetz eine rechtliche Grundlage dafür geschaffen wurde.[17]
Die Geschichte der chinesischen Communities in Deutschland ist insbesondere für die Metropolen Hamburg und Berlin seit dem Ende des 19. Jahrhunderts dokumentiert. Um 1900 arbeiteten mehrere Tausend chinesische Heizer und Seeleute auf deutschen Dampfschiffen und ließen sich ab 1919 in Hamburg nieder, eröffneten Geschäfte, Restaurants und gründeten Familien. In den 1920er und 1930er Jahren studierten prominente chinesische Intellektuelle wie zum Beispiel der spätere Premierminister Zhou Enlai in Berlin.[18] Nach dem Beginn der Reform- und Öffnungspolitik in der Volksrepublik China unter Deng Xiaoping kamen ab 1980 immer mehr chinesische Studierende nach Berlin, gegenwärtig stellen Chines*innen an vielen deutschen Universitäten die größte Gruppe an ausländischen Studierenden.[19] Zudem leben Kulturschaffende, Wissenschaftler*innen und Geschäftsleute aus der Volksrepublik, Taiwan und Hongkong insbesondere in Berlin und haben dort Strukturen zur kulturellen Selbstrepräsentation wie das „Times Art Center“ etabliert, die für die Etablierung von Gegenperspektiven zu rassistischen Narrativen notwendig sind.
Antiasiatischer Rassismus und Covid-19
Die Verstärkung von antiasiatischem Rassismus im Kontext der Corona-Pandemie lässt sich vor dem Hintergrund (post)kolonialer Narrative zu „Asien“ historisch einordnen. Seit dem 19. Jahrhundert wird die „Gelbe Gefahr“ mit der Entstehung und Verbreitung von Epidemien wie der Pest, in der jüngeren Vergangenheit mit Infektionskrankheiten wie Sars (severe acute respiratory syndrome) verknüpft.[20] Das biologisch-medizinische Phänomen einer Pandemie wird rassifiziert und kulturalisiert; Ess‑, Wohn- und Hygienegewohnheiten werden als Teil einer imaginierten „asiatischen Kultur“ für die Entstehung und Verbreitung von Pandemien verantwortlich gemacht. Der historische und der aktuelle Diskurs unterscheiden sich jedoch in einem Aspekt: Während China früher als „traditionell“, „unzivilisiert“ und „unterentwickelt“ eingeordnet wurde, wird das Land inzwischen als eine für Europa ökonomisch, geopolitisch und technisch gefährliche Konkurrenz bewertet.[21]
Wenn also der „Spiegel“ seine Ausgabe zur Corona-Pandemie am 1. Februar 2020 mit dem Schriftzug „Made in China. Wenn die Globalisierung zur tödlichen Gefahr wird“ in gelber Farbe betitelt, drängen sich Vergleiche zu kolonialen Narrativen unmittelbar auf. Ähnliche Zuschreibungen erfolgten auch in anderen deutschsprachigen Medienbeiträgen zu Covid-19 implizit oder explizit.[22] Auf der Straße und im Internet wird asiatisch gelesenen Menschen zudem willkürlich ein „Chinesischsein“ zugeschrieben, um sie auf eine vermeintlich niedrigere soziale Position zu verweisen beziehungsweise ihnen eine Existenz in Deutschland abzusprechen. Auch die Erinnerungstafel für chinesische NS-Opfer in der Hamburger Schmuckstraße, in deren Nachbarschaft sich in den 1920er und 1930er Jahren das „Chinesenviertel“ Hamburgs befand, wurde nach dem Beginn der Corona-Pandemie von Unbekannten stark beschädigt.[23] Als Reaktion auf diese antiasiatischen Narrative und Übergriffe bildete sich aber auch medialer Widerstand. So ging beispielsweise im Mai 2020 die von asiatisch gelesenen Menschen initiierte interaktive, digitale Plattform „Ich bin kein Virus“ online.[24]
Die seit dem Beginn der Pandemie von asiatisch gelesenen Menschen erlebten Ausgrenzungen sind keine Einzelfälle. So ist es in Anbetracht der stark auf China fokussierten medialen Diskussion nicht überraschend, dass etwa 29 Prozent der Befragten die Verantwortlichkeit für die Corona-Pandemie zumindest teilweise in Asien – und dort insbesondere in China – sehen. Diese Einschätzung kann nicht ohne weitere Informationen als antiasiatischer Rassismus eingestuft werden, weist jedoch auf eine deutliche Verknüpfung der Pandemie mit Asien hin. Eine explizitere Verbindung zwischen negativen Stereotypen und zugeschriebener Verantwortlichkeit zeigt sich in der Annahme, dass asiatische Essgewohnheiten, etwa der vermutete Konsum von Fledermäusen, und mangelnde Hygienebedingungen, zum Beispiel durch sogenannte wet markets, auf denen Obst und Gemüse, frisch hergestellte Lebensmittel wie Nudeln, Sojaprodukte und Brotfladen, Fisch und Fleisch, zum Teil auch lebendes Geflügel und Seetiere verkauft werden, zum Ausbruch der Pandemie geführt hätten. Diese Wahrnehmung haben immerhin zehn Prozent aller Befragten.
In unserer Umfrage zeigte sich zudem, dass asiatisch gelesene Menschen (weiterhin) oft als „Vorzeigemigrant*innen“ wahrgenommen werden. Während wir substanzielle Differenzen in der Wahrnehmung von muslimischen Menschen und Deutschen ohne Migrationshintergrund finden, gibt es grundsätzlich keinen statistisch sicheren Unterschied zwischen der Beurteilung von asiatisch gelesenen Menschen und Deutschen ohne Migrationshintergrund. Durch die Pandemie scheint sich dieses Verhältnis zu ändern. So zeigen unsere Ergebnisse, dass Menschen, die die Verantwortung für die Pandemie in Asien verorten, asiatisch gelesene Menschen auch innerhalb Deutschlands grundsätzlich negativer wahrnehmen. Obwohl dabei keine klare kausale Abfolge zwischen der Zuschreibung der Verantwortlichkeit und negativen Wahrnehmungen getestet werden konnte, legen die Ergebnisse nahe, dass der Kontext der Pandemie antiasiatischen Rassismus aktiviert oder zumindest sichtbar(er) gemacht hat.
Neben Veränderungen der allgemeinen Wahrnehmung von asiatisch gelesenen Menschen interessierte uns auch, inwiefern die Corona-Pandemie den alltäglichen Umgang miteinander verändert hat. Deshalb wurden auch Alltagssituationen analysiert, etwa die Platzwahl in öffentlichen Verkehrsmitteln. Dabei wurden die Befragten mit der Situation konfrontiert, zwischen einem Platz neben einem asiatisch und einem als der „Normalbevölkerung“ angehörig gelesenen Menschen auswählen zu können.
Auch hier zeigte sich, dass die Corona-Pandemie das Verhalten der Menschen beeinflusst. Konfrontiert mit der Alltagssituation vor der Pandemie, wählten 51 Prozent aller Befragten den „asiatischen“ Sitznachbarn. Diese Auswahl lässt sich von einer zufälligen Entscheidung statistisch nicht unterscheiden, sodass – im Gegensatz zur Wahl anderer Sitznachbarn mit Migrationshintergrund[25] – keine klaren Ausgrenzungsmuster identifiziert werden können. Anders verhält es sich unter Corona-Bedingungen. Waren Menschen mit Masken abgebildet, wählten nur noch 46 Prozent aller Befragten den Sitzplatz neben den asiatisch gelesenen Menschen, sodass ein Vermeidungsverhalten identifiziert werden kann. Dieses Verhalten war besonders unter Menschen, die der AfD nahestehen, präsent. Sie bevorzugten unter Corona-Bedingungen zu fast 70 Prozent einen Weißen Sitznachbarn, während im Szenario ohne Maske dieser Anteil bei 53 Prozent liegt.
Die Ergebnisse dieser Umfrage zeigen, wie widersprüchlich, heterogen, aber auch fragil und kontextabhängig die Wahrnehmung asiatisch gelesener Menschen in der deutschen Gesellschaft ist. Im Vergleich zu anderen (post)migrantischen Gruppen erleben sie weniger häufig direkte Ablehnung und Ausgrenzung und werden von der „Normalbevölkerung“ positiver wahrgenommen. Die Ergebnisse zeigen aber auch, wie unsicher dieser Zustand ist. Bestehende Vorurteile und Ablehnungen können in realen oder imaginären Krisensituationen schnell aktiviert werden und zu kleinen und großen Ausprägungen von antiasiatischem Rassismus führen.
Ausblick
Die strukturelle Basis von Rassismus in der deutschen Gesellschaft lässt vermuten, dass auch zukünftig mit Ausbrüchen kollektiver antiasiatischer rassistischer Gewalt gerechnet werden muss.
Das Fortwähren von rassifizierten Zuschreibungen und deren Wirkungsweisen lässt sich unter anderem auf den Mangel an inhaltlicher und personeller Diversität in Institutionen zurückführen. Dieser besteht insbesondere in Hinsicht auf die Repräsentation von asiatischer Migration in der Wissenschaft, in Bildungsinstitutionen und ‑formaten, in den Medien und in der Kultur. Ohne die Schließung dieser Leerstellen lässt sich auch keine Sensibilisierung der Öffentlichkeit gegenüber antiasiatischem Rassismus nachhaltig gestalten, da sich kein Grundwissen etablieren kann. Zudem wurde die deutsche Kolonialpolitik in China zwar zum Teil wissenschaftlich untersucht,[26] jedoch politisch nicht aufgearbeitet.
Knapp zwei Wochen nach den rassistisch motivierten Morden in Hanau am 19. Februar 2020 wurde beim elften Integrationsgipfel im Bundeskanzleramt die Einrichtung eines Kabinettsausschusses gegen Rechtsextremismus und Rassismus beschlossen. Die Interessen der asiatisch-deutschen Communities sind durch den Verein „Korientation“ in der Bundeskonferenz der Migrantenorganisationen in diesem Ausschuss vertreten. Diese Vertretung ist ein erster Schritt einer Repräsentation auf der bundespolitischen Ebene.
Knapp eine Million asiatische Deutsche und Asiat*innen leben in Deutschland und sind potenziell von antiasiatischem Rassismus betroffen. Antiasiatischer Rassismus ist dabei nicht nur für asiatisch-gelesene Menschen relevant, sondern Teil und Symptom eines gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Systems. Dieses wird von hier lebenden Menschen vor dem Hintergrund eines spezifischen historischen Kontextes reproduziert. Die Verstärkung der Diskriminierung von asiatisch gelesenen Menschen in Zeiten der Corona-Pandemie macht eine öffentliche Positionierung von politischen Handlungsträger*innen und letztlich jeder Person, die Zeug*in einer Diskriminierung wird, notwendig. Weitere Studien und eine systematische Dokumentation von antiasiatischem Rassismus sind zudem unabdingbar, um diesen wirkungsvoller bekämpfen zu können.
Wir danken Noa K. Ha und Jonas Köhler für die hilfreichen Anregungen und Kommentare zu diesem Beitrag.
Fußnoten
1 Die Begriffe „Asien“ und „asiatisch“ werden sowohl als Kenntlichmachung einer Imagination Europas bzw. als Fremdzuschreibung durch Europäer*innen und andere Personen als auch für Menschen genutzt, die sich selbst als „asiatisch“, „asiatische Deutsche“ oder „asiatisch-diasporisch“ bezeichnen.
2 Vgl. Michael Keevak, Becoming Yellow. A Short History of Racial Thinking, Princeton–Oxfordshire 2011.
3 Rassismus wird in diesem Beitrag nicht als persönliche oder politische Einstellung, sondern als „institutionalisiertes System, in dem soziale, wirtschaftliche, politische und kulturelle Beziehungen für weißen Alleinherrschaftserhalt wirken“, verstanden. Noah Sow, Rassismus, in: Susan Arndt/Nadja Ofuatey-Alazard (Hrsg.), (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk, Münster 2019, S. 37.
4 Zit. nach Mechthild Leutner/Harald Bräuner, „Im Namen einer höheren Gesittung“. Die Kolonialperiode, 1897–1914, in: Mechthild Leutner/Dagmar Yü-Dembski (Hrsg.), Exotik und Wirklichkeit. China in Reisebeschreibungen vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, München 1990, S. 41–52.
5 Vgl. Kien Nghi Ha, Chinesische Präsenzen in Berlin und Hamburg bis 1945, in: ders. (Hrsg.), Asiatische Deutsche. Vietnamesische Diaspora and Beyond, Berlin–Hamburg 2012, S. 280–287; Dagmar Yü-Dembski, Chinesenverfolgung im Nationalsozialismus. Ein weiteres Kapitel verdrängter Geschichte, in: Bürgerrechte & Polizei 3/1997, S. 70–76.
6 Vgl. Noa K. Ha, Vietdeutschland und die Realität der Migration im vereinten Deutschland, in: APuZ 28–29/2020, S. 30–34; Dan Thy Nguyen, Rechte Gewalt, die DDR und die Wiedervereinigung, in: Bengü Kocatürk-Schuster et al. (Hrsg.), Unsichtbar. Vietnamesisch-Deutsche Wirklichkeiten, Köln 2017, S. 6–23.
10 Zum aktuellen Kontext vgl. Sumi K. Cho, Converging Stereotypes in Racialized Sexual Harassment. Where the Model Minority Meets Suzie Wong, in: The Journal of Gender, Race and Justice 1/1997, S. 178–211. Zu historischen Entwicklungen vgl. Mechthild Leutner, „Schlitzäugige Schöne“ und „gehorsame Dienerin des Mannes“. Deutsche Bilder von chinesischen Frauen in der Kolonialperiode, in: dies./Marianne Bechhaus-Gerst (Hrsg.), Frauen in den deutschen Kolonien, Berlin 2009, S. 194–204.
12 Wir bedanken uns bei Jonas Köhler für die tatkräftige Hilfe bei der Kodierung.
13 Vgl. Urmila Goel, Wer sorgt für wen auf welche Weise? Migration von Krankenschwestern aus Indien in die Bundesrepublik Deutschland, in: Beate Binder et al. (Hrsg.), Care: Praktiken und Politiken der Fürsorge. Ethnographische und geschlechtertheoretische Perspektiven, Opladen 2019, S. 97–109; Florian Pölking, Schlaglichter auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ehemaliger koreanischer Bergarbeiter und Krankenschwestern in Deutschland, in: Yong-Seoun Chang-Gusko/Nataly Jung-Hwa Han/Arnd Kolb (Hrsg.), Unbekannte Vielfalt. Einblicke in die koreanische Migrationsgeschichte in Deutschland, Köln 2014, S. 42–69; You Jae Lee/Sun-ju Choi, Umgekehrte Entwicklungshilfe. Die koreanische Arbeitsmigration in Deutschland, in: Kölnischer Kunstverein et al. (Hrsg.), Projekt Migration, Köln 2005, S. 735–742.
15 Vgl. Phi Hong Su/Christina Sanko, Vietnamesische Migration nach Westdeutschland. Ein historischer Zugang, in: Kocatürk-Schuster et al. (Anm. 6), S. 6–23.
16 Vgl. Mike Dennis, Vietnamesische Migration in den 1980er Jahren: Arbeiten in einem kommunistischen Paradies, in: Kocatürk-Schuster et al. (Anm. 6), S. 78–97; Ann-Judith Rabenschlag, Arbeiten im Bruderland. Arbeitsmigranten in der DDR und ihr Zusammenleben mit der deutschen Bevölkerung, 15.9.2016, http://www.bpb.de/233678«.
17 Vgl. Karin Weiss, Vietnamesische „Vertragsarbeiter*innen“ der DDR seit der deutschen Wiedervereinigung, in: Kocatürk-Schuster et al. (Anm. 6), S. 111–125.
18 Vgl. Kien Nghi Ha, Chinesische Präsenzen in Berlin und Hamburg bis 1945, in: ders. (Hrsg.), Asiatische Deutsche. Vietnamesische Diaspora and Beyond, Berlin–Hamburg 2012, S. 280–287.
19 Im Wintersemester 2018/2019 gab es an Hochschulen in Deutschland 42676 Studierende aus China. Vgl. Statista, Anzahl der ausländischen Studierenden an Hochschulen in Deutschland im Wintersemester 2018⁄19 nach Herkunftsländern, Oktober 2019, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/301225«.
21 Vgl. Christos Lynteris, Yellow Peril Epidemics: The Political Ontology of Degeneration and Emergence, in: Franck Billé/Sören Urbansky (Hrsg.), Yellow Perils. China Narratives in the Contemporary World, Honolulu 2018, S. 35–59
25 So würden z.B. nur 44 Prozent aller Befragten einen Schwarzen statt einen Weißen Sitznachbarn auswählen. „Schwarz“ wird hier großgeschrieben, um auf die Selbstbezeichnung der Schwarzen Menschen in Deutschland und, ebenso wie beim Wort „Weiß“, auf die Konstruiertheit von Ethnizität zu verweisen.
26 Für einen Überblick vgl. Mechthild Leutner, Kiautschou: Deutsche „Musterkolonie“ in China?, in: Ulrich van der Heyden/Joachim Zeller (Hrsg.), „… Macht und Anteil an der Weltherrschaft“. Berlin und der deutsche Kolonialismus, Münster 2005, S. 203–212.