korientation ist eine (post)migrantische Selbstorganisation und ein Netzwerk für Asiatisch-Deutsche Perspektiven mit einem gesellschaftskritischen Blick auf Kultur, Medien und Politik.
Unser 2‑tägiger kreativer Workshop war eine haarige Angelegenheit: Wir haben eigene Geschichten, Erfahrungen und Gedanken zu dem Thema Körperhaar durch kreative/ künstlerische Methoden erkundet. Welchen Urteilen und gesellschaftlichen Druck sind wir auf Grund von Körperhaar-Normierung ausgesetzt und wie gehen wir damit um? Was brauchen wir, um uns mit unseren Körpern wohl zu fühlen? Durch kreative Schreibelemente, Comics und Illustrationen haben wir versucht, mehr Bewusstsein zu finden, einen eigenen Ausdruck zu formen, der sich in wütenden, traurigen oder auch lustigen Geschichten verarbeiten ließ.
Workshopleitung
Elnaz ist ein*e queere person of colour, ist Autor*in, Dichter*in und Aktivist*in. Im Schreiben beschäftigt sich Elnaz mit den Themen Familie, Ancestors, Spiritualität, Flucht, Healing und mental Health. Elnaz hat den Master „Biografisches und Kreatives Schreiben“ an der Alice Salomon Hochschule in Berlin studiert, gibt Schreibworkshops und macht Bildungsarbeit zu intersektionalen Themen. Außerdem praktiziert Elnaz Reiki und gibt Healing Sessions.
Patu zeichnet und schreibt Comics, die Themen wie Community, Freund*innenschaft und multiple Perspektiven erkunden und reflektieren. Sie sind oft autofiktiv und mit magisch-realistischen Elementen erzählt. Inspiration dafür findet Patu im eigenen Leben als Queer of Color Person, aber auch in Träumen, in den Ecken und Kanten der Stadt, in politischen Bewegungen und beim herumstreunern in der Natur. Seit 2012 veröffentlicht Patu Comic Zines und ist damit auf diversen internationalen Zine- und Comicfestivals vertreten.
In Diskussionen rund um Empowerment und Widerstand gegen Unterdrückungsverhältnisse wird die Bedeutung des Körpers immer öfter hervorgehoben. Selbstverteidigungskurse wie auch Körper- und Stimmübungen aus den Bereichen Theater, Tanz, Performance und Gesang kommen als Empowermenttools in antirassistischen und queer-feministischen Bewegungskontexten im Umgang mit dem Aufgehalten- und Gestopptwerden im Alltag, in Behörden, in der Schule und anderen Bildungskontexten zunehmend zum Einsatz.
Frei nach dem brasilianischen Theatermacher Augusto Boal, der einmal sagte “It may be that theater in itself is not revolutionary, but have no doubt: it’s a rehearsal for revolution!” – “Es mag sein, dass das Theater an sich nicht revolutionär ist, aber zweifeln Sie nicht daran: Es ist eine Probe für die Revolution!” haben wir für die 2. Edition unserer MEGA Talkreihe „Shut Up And Listen!” Gäst*innen eingeladen, die uns erzählen, welches Potenzial sie vor allem in Tanz‑, Perfomance- und somatischer Körperarbeit für persönliche und körperliche Befreiungsmomente sehen, und welche biographischen oder beruflichen Bezüge sie dazu haben.
Vielen Dank an Sarah Naqvi, Olivia Hyunsin Kim, Thu Hoài Trần und Shivā Amiri!
Gäst*innen
Olivia Hyunsin Kim
Fotocredits: Christian Cattelan
Olivia Hyunsin Kim (올리비아 Hyunsin 金) geboren in Siegen, arbeitet als Künstlerin, Dozentin und Kuratorin in Berlin, Frankfurt a.M. und Seoul. Sie gewann den ersten Platz des Amadeu Antonio Kunstpreises 2019 für „Miss Yellow and Me – I wanna be a musical“. Sie schloss ihren Master in Choreografie und Performance am Institut für Angewandte Theaterwissenschaft Gießen und der HfMDK Frankfurt und ihren Bachelor in Germanistik mit Fokus aus Politikwissenschaften an der Seoul National University mit Auszeichnung ab. 2017 war sie danceWEB Stipendiatin beim Impulstanz, 2020–21 Stipendiatin der Kulturakademie Tarabya und ist 2022 Stipendiatin beim Goethe-Institut Montréal/Choreographisches Zentrum Circuit-Est und Goethe Institut Salvador Bahia.
Unter dem Namen ddanddarakim arbeitet sie in wiederkehrenden Konstellationen mit Künstler*innen aus unterschiedlichen Sparten an choreographischen Arbeiten zu den Themen Körper, Identität und Feminismus. Ihre Arbeiten wurden u.a. in den Sophiensælen Berlin, im Art Sonje Center Seoul, am Mousonturm Frankfurt, im Museo Universitario del Chopo Mexiko City, in der Roten Fabrik Zürich, Rubanah Jakarta, zeitraumexit Mannheim gezeigt. Ihre letze Arbeit „History has failed us, but…“ feierte im Februar 2022 in den Sophiensaelen Première. www.ddanddarakim.net
Sarah Naqvi
Sarah Naqvi‘s Arbeit ist situiert an den Intersektionen von Körpern, Wissen(sproduktion) und kollektiver Befreiung. Sarah biete somatische Körperarbeit an, welche sie machtkritisch und trauma-informiert gestaltet. Sie arbeitet bei Zusammenleben Willkommen und ist Teil des Vorstands von korientation e.V.. Nebenbei ist sie in Form von Workshops und Bildungsarbeit freiberuflich tätig u.a. zu Postkolonialismus, dekolonialer Heilung und Antirassismus.
Thu Hoài Trần
Thu Hoài Tran ist Theaterregisseur*in und arbeitet an der Schnittstelle von Theater, Wissenschaft & Empowerment. Bisherige Theaterarbeiten liegen im Bereich des partizipatorisch-politischen Theaters. Hoài entwickelte mit einem Ensemble von BIPoC-FLINTA die Performance HALT am Berliner Ringtheater. Als Mitbegründer*in des Instituts für Affirmative Sabotage inszenierte Hoài „Eine Erinnerung, dass wir Viele sind“ am Staatstheater Nürnberg. Wiederkehrendes Element der künstlerischen Arbeiten ist, welche Bedeutung Emotionen für Empowerment- und Solidaritätsprozesse haben. Darüber hinaus ist Hoài als freie*r Bildungsvermittler*in zu Themen wie Rassismuskritik und intersektionaler Feminismus tätig.
Moderation
Shivā Amiri ist ein*e multimediale Künstler*in, Theatermacher*in, Kurator*in. Shivā arbeitet künstlerisch zu den Themen nicht-binäre queere Realitäten, Rassismus, Trauer und Healing. Shivā sehnt sich nach Orten & Residenzen, um mehr Theater zu machen. Shivā ist Empowertment- und Antidiskriminierungstrainer*in und arbeitet zu den Themen embodied social justice, Rassismus, kritisches Weißsein, Klassismus sowie Cis- und Heteronormativiät. Shivā bietet bundesweit (Theater-)Workshops, Fortbildungen und intersektionale Prozessbegleitung an.
Kooperationspartner
BIWOC* Rising is an empowerment project for women*, transgender and non-binary people, who are facing intersectional discrimination. By creating a safe® work and social club, including training programs, we promote social, professional and economic advancement through an intersectional community.
Zur MEGA-Talkreihe „Shut Up And Listen!“
„Shut Up And Listen!“ ist eine Talkreihe, in der divers positionierte Asiatisch-Deutsche Stimmen aus den Bereichen Medien, Kunst, Wissenschaft, Tanz, Aktivismus und Kultur zusammen-kommen, und über die Themen diskutieren, die uns bei unserem Projekt MEGA besonders am Herzen liegen: (medialer) Widerstand, Empowerment(-räume) und Selbstrepräsentation(en).
Wir laden dazu ein, einfach mal still zu sein und zuzuhören, was unsere spannenden Gäst*innen zu sagen haben, die im deutschen Mainstream immer noch viel zu selten mit und in ihren vielfältigen und auch widersprüchlichen Perspektiven ‚gesehen‘, ‚gehört‘ und ‚gefragt‘ werden. Wir laden unsere Gäst*innen dazu ein, für sich selbst zu sprechen statt besprochen zu werden, ihre Analysen zu teilen statt analysiert zu werden, und sich in ihren uneindeutigen, mehrfachzugehörigen, brüchigen, vorläufigen, stets in Bewegungen befindlichen Subjektivitäten und Geschichten zu zeigen, statt in stereotypen Bildern festgehalten zu werden.
Projekt MEGA
„MEGA“ steht für „Media and Empowerment for German Asians“. Das Projekt hat zum Ziel, Asiatische Deutsche darin zu bestärken, ihre eigenen Geschichten und Erfahrungen aufzuarbeiten, einzuordnen, zu erzählen und sichtbar zu machen. Das (mediale) Bild von Asiatisch-Deutschen Menschen soll durch selbstbestimmte Bilder und Beiträge besetzt und diversifiziert werden. Im Rahmen des Projekts MEGA wird eine Kombination von unterschiedlichen Bildungsformaten entwickelt, um unterschiedliche Bereiche medialer Repräsentation abzudecken.
Das neue zweijährige Projekt RADAR – Ressourcen von/für Asiatische Deutsche gegen anti- asiatischen Rassismus des korientation e.V. ist zum 15.08.2022 gestartet. Ziel des auf zwei Jahre angelegten Modellprojektes ist die inhaltliche Qualifizierung und Professionalisierung von (Asiatisch- Deutschen) Multiplikator*innen der rassismuskritischen Bildungsarbeit zum Thema „anti-asiatischer Rassismus“ durch:
die Aufbereitung von Wissen zu anti-asiatischem Rassismus und Asiatisch-Deutschen Perspektiven:
die Schaffung von Räumen für Asiatisch-Deutsche Multiplikator*innen für Empowerment und Austausch;
Cross-Community Knowledge-Transfer bei der Produktion von intersektionalem Wissen zu anti-asiatischem Rassismus;
Erarbeitung eines dekonstruierten, kollaborativ neubesetzten und intersektional diskutierten Konzepts von anti-asiatischen Rassismus als Grundlage für zukünftige rassismuskritische Bildungsarbeit, Transfer und Aufbereitung komplexer Zusammenhänge in die praktische Bildungsarbeit.
Wir suchen für unser neu angelaufenes Projekt RADAR eine
Assistenz der Projektleitung 35% Stelle in Anlehnung an TVöD-Bund E09‑1 Arbeitsbeginn: 01.10.2022
Bewerbungsfrist: 14.09.2022 Bewerbung per Email an: info@korientation.de Hast Du Fragen? Melde Dich bei uns, auch gern per Email.
Wir laden insbesondere BPoC mit Bezügen zu Asien (Zur Klarstellung: Damit meinen wir Süd‑, West‑, Nord‑, Südost‑, Ost- und Zentralasien) und intersektionalen Identitäten ein, sich zu bewerben.
Zu deinen Aufgaben gehören
Aufbereitung bestehender Wissensressourcen zu anti-asiatischem Rassismus
Konzeption und Organisation von Maßnahmen und Veranstaltungen im Projekt mit gemeinsam mit der Projektleitung
Mitarbeit an der Projektbroschüre in digital und Print sowie der Projektwebseite
Betreuung eines Netzwerks von Asiatisch-Deutschen Multiplikator*innen der rassismuskritischen Bildungsarbeit
Mitarbeit an Texten für die interne und externe Kommunikation sowie Mitarbeit bei der Öffentlichkeitsarbeit
Das wünschen wir uns von Dir
Erste Erfahrungen in der diskriminierungssensiblen und rassismuskritischen Bildung und der Arbeit in gemeinnützigen Vereinen
Kenntnisse aktueller Diskurse im Themenfeld Rassismus, Intersektionalität, postkoloniale Ansätze, Empowerment und Asiatisch-Deutsche Migrationsgeschichten
Identifikation mit den Kernzielen des Vereins
Sehr gute deutsche und englische Sprachkenntnisse, ein gutes Sprachgefühl und hohe Textsicherheit
Hohes Maß an Teamfähigkeit und Freude an der Arbeit im Team
Sehr gute Microsoft-Office Kenntnisse
Grundlegende Social Media Kompetenzen (Instagram, Twitter, Facebook)
Teilnahme an Workshops zu Organisationsentwicklung des Vereins
Was Dich bei uns erwartet
Mitarbeit in einem Empowerment-Projekt von und für Asiatische Deutsche
35% Teilzeitstelle (13,5 Wochenstunden) in Anlehnung an TVöD-Bund E09‑1
Vertragsbeginn ab 01.10.2022
Flexible, bedarfsorientierte Arbeitszeiten; Arbeit aus dem Home-Office mit mittelfristiger Perspektive auf einen Projektbüro-Arbeitsplatz in Köln
Raum für eigenständige inhaltliche Arbeit und Austausch
Eine partizipative Arbeitsorganisation und solidarische Organisationskultur mit flachen Hierarchien
Die Möglichkeit, die Zukunft eines wachsenden bundesweiten Netzwerks von Asiatischen Deutschen mitzugestalten
Zusammenarbeit mit einem kleinen, engagierten Team mit einem breiten Kompetenzfeld im Bereich Community- und Vereinsarbeit, Kultur- und Projektmanagement, Wissenschaftliche Arbeit
Und das Wichtigste: Lots of good Food and Community-love
Wir freuen uns auf Deine Bewerbung Wir laden insbesondere BPoC mit Bezügen zu Asien (Zur Klarstellung: Damit meinen wir Süd‑, West‑,Nord‑, Südost‑, Ost- und Zentralasien) und intersektionalen Identitäten ein, sich zu bewerben. Der Wohnort Köln oder Umgebung wäre im Hinblick auf ein Projektbüro wünschenswert.
Bitte schicke Deine Bewerbung ausschließlich in elektronischer Form als PDF-Dokument per Email an info [at] korientation.de mit den folgenden Unterlagen: • Anschreiben (gerne mit Angabe des bevorzugten Pronomens) • Lebenslauf ohne Foto • Motivationsschreiben • Zeugnis des letzten Abschlusses • Gegebenenfalls ergänzende Unterlagen, wie Arbeitszeugnisse
Hier findest Du die Ausschreibung als PDF zum Download.
Am Wochenende vom 24.–25. September fand ein Schreibwochenende in Hannover statt, das von Elnaz Farahbakhsh mit Schreibmethoden des Biografischen und Kreativen Schreibens angeleitet wurde. Der Fokus des Wochenendes lag auf Empowerment: Wir haben uns gemeinsam mit unseren eigenen Geschichten befasst und Erfahrungen und Gedanken niedergeschrieben. Dabei haben Leichtigkeit und die Lust am Schreiben nicht gefehlt!
Enstanden sind u.a. folgende Texte
Workshop Ich schrieb die Worte. Öffnete meine Herzenstür. Es war viel, doch gut.
Ein Haiku von Maria Hosein
Der perfekte Raum
Der perfekte Raum zum Schreiben. Schwierig. Wenn ich ihn hätte, würde ich nicht auf der Stelle schreiben. Es geht gar nicht um den Raum. Doch, aber nicht ausschließlich. Mein Arbeitszimmer ist eigentlich mein perfekter Raum zum Schreiben. 1 Schreibtisch. 1 Drucker. Bücher, die mich interessieren. Bücher, die mich berühren in einem Regal. In zwei circa 1‑Meter hohe Regale. Nicht so hoch. Nicht erdrückend. Alles möglichst weiß. Möglichst neutral. Meine Malm-Kommode mit vier Schubladen voller Kunstmaterialien. Ein umfunktionierter Kleiderschrank mit zwei Bereichen voller Kunstmaterialien sowie Skizzenbücher und die Handtaschen, Taschen und Boxen in dem anderen Bereich. Gequetscht. Hauptsache die Kunstsachen sind da. Alles, was das Künstlerinnenherz begehrt. Alles, was ich mir als Kind gewünscht habe. Alles, was ich mir nicht leisten konnte. Und dann sind die weißen Wände bedeckt mit meinen Malereien. In Rahmen. Bildaufhängesystem. Wie in einer Galerie. Meine eigene private Ausstellung. 365 Tage im Jahr. Der perfekte Raum zum Schreiben ist mein Lieblingsraum. Manchmal denke ich mir: „Ja so sieht es in meinem Kopf aus“. „The Brain“. So nannte ich diesen Raum manchmal. Ich meinte aber „My Brain“. Ich begann mit dem Satz „Wenn ich ihn hätte, würde ich nicht auf der Stelle schreiben.“ Jetzt merke ich. Ich habe ihn. Aber ich sah ihn nicht mehr. Ich hatte ihn verloren. Aber er ist da, The Brain. My Brain. Vielleicht habe oder hatte ich ja mich verlaufen. Verloren. Was für eine gewinnbringende Übung. Was für eine Erkenntnis. 10 Minuten Schreiben. Den perfekten Raum fand ich in 10 Minuten Schreiben.
von Maria Hosein
Heimatlose Heimat. Verliebt.
Man sagt man verliebt sich durch Gerüche. Und ich bin verliebt. Verliebt in meine Kindheit. Verliebt in meine heimatlose Heimat. Meine Heimat, die nicht an einen Ort gebunden ist. Und zugleich an so vielen Orten und Personen. Weit weg und doch so nah. Nah dran und doch so weit. Ich sitze in einem Raum in Hannover. In der Kornstraße. So viele Dinge auf dem Tisch. Ich schaue sie mir an, ich halte sie und leg sie zurück. Und nun werden Gewürze rumgegeben. Verschiedene. Ich rieche sie und leg sie zurück. Beutel nach Beutel. Ein Gewürz nach dem anderen.
Und dann ist auf einmal „Ehl“ (Kardamon) da. Ich fang an zu lächeln.
„Ach, Schin Tschai/ Tschai Sabz (Grüner Tee). Schin Tschai mit Ehl. Lecker“. Koltschey scherin, Koltschey schor, Shirtschai. Wie sehr liebe ich diese Dinge? Darüber möchte ich schreiben. Und trotzdem schau ich weiter. „Sei mal nicht so langweilig! Vielleicht gibt es noch was!“ Und da sind auf einmal Nelken. Nelken. Ich war 13. Wir saßen alle zusammen. Meine Mutter, meine Oma und meine Tante. Nelken waren in Wasser eingelegt. Nelke – das Wort kannte ich damals nicht. „Lawang“, so nennen war es. Ein schöner Name. „Lawang“. Ein Wort, das wie ein Gedicht klingt. Ein Gewürz. Das wie eine Blume aussieht, denke ich mir. Meine Mutter, meine Tante und meine Oma stechen mühsam jedes Stück Lawang mit einer Nadel und mit Faden durch. Lawang für Lawang zu einer langen Kette. Sie wird an jede Ecke des „Destmals“ (Ein Tuch, für eine Hochzeitszeremonie) angebracht, zusammen mit Perlen und Minipompons. Für die Familie des zukünftigen Bräutigams. Das Destmal soll schön riechen. 22 Jahre ist es her. Und ich hab noch die eine Kette. Ein Lawangkette, die sie mir gaben, weil ich nicht aufhörte zu fragen. 22 Jahre und Lawang lässt mich zeitreisen.
„Komm schon. Weiter. „Zeera“ (Kümmel) Es ist Zeera. Oh Gott! Ich denke sofort an Palau, an Tschalau, an Qabeli und an all das leckere Essen. Afghanisches Essen. Ich denke an meine Mutter, an meine Oma, all die Besuche bis ich realisiere. Ich bin verliebt. Verliebt in meine heimatlose Heimat. Das Essen. Die Menschen. Die Gefühle. Ich lächle. Ich denke an Zuhause. Nicht an meine Wohnung. Nicht an irgendeinen Ort. Ich denke an das Gefühl von zuhause. Ich bin verliebt in mein Zuhause.
Bild und Text von Maria Hosein
Wort und Raum
Ich lese Weiße Worte auf den Weißen Seiten, in meinen Büchern, die auch meistens weiß erscheinen. Zwischen dicht gedrängtem Weiß bleib ich unsichtbar auf weißen Seiten, die eigentlich nur Weiße meinen.
Die uniforme Einheit zwischen Wort und Räumen, Wie Weiße Mauern, die sich himmelhoch aufbäumen vor unsren Worten, hält uns fern und hält verborgen, Wo wir täglich kämpfen, wovon wir nächtlich träumen.
Weiße Mauern umzingeln mich im weißem Raum wie weißes Rauschen durchdringt sie oft nur leises Raunen. Denn wenn wir alle einzeln eingemauert bleiben, Hören wir durch weiße Mauern unsre Worte kaum.
Weißes Rauschen und ein weißer Nebel, der uns umgibt, Zeichnen alles weiß, was sich im Inneren verbirgt Zwar wirft Nebel Schleier vor die Sicht, doch wenn es Nur genügend stürmt, hat er sein Dasein auch verwirkt.
Wenn wir dann Seiten selbst beschreiben mit Geschichten, Die mehr als bloß geweißeltes ans Licht bringen, Lichtet sich der Weiße Nebel immer um ein Stück. Denn Räume können wir auch mauerlos errichten.
Denn die Sache mit den Mauern und dem Rauschen, Ist, wenn wir lauter werden und dazwischen Lauschen, Wir doch viele sind in den Mauern weißer Worte, Wir sie stürzen können, indem wir uns austauschen.
Platzieren wir im Weiß öfter auch mal Störmomente, Weil das Weiß durch das weiße Wohlfühlambiente, Letztlich lebt, nur die Störung es vielleicht ein mal bewegt, bereiten wir dem seichten Weiß in Weiß ein Ende.
Von Hoa-Lan Gutschke
Die Überheblichkeit der Lebkuchen
Lebkuchengewürz – Da gehören Nelken hin. Ein mal im Jahr feiern sie hier ihren großen Auftritt. Ein mal im Jahr wird aus der vergessenen Ecke des Gewürzregales das fast unberührte Glas hervorgeholt, nur damit es im Januar wieder artig seinen Platz in der hintersten Reihe einnimmt. Um mich herum stapeln sich Backwaren, die in den Supermärkten schon am Sterbebett des Sommers lauern: Zu ungeduldig um die letzten Atemzüge noch abzuwarten, zu wichtig das allgegenwärtige Konsumangebot von Zuckerwaren aufrechtzuerhalten.
Jetzt mit Gewürz. Plätzchen und Lebkuchen widern mich an, wie sie mit ihrer Selbstgefälligkeit und Selbstverständlichkeit die Regale besetzen und einzige Fürsprecher der Nelken sein wollen.
An den Geschmack von Phở erinnere ich mich noch, doch es muss jetzt schon ein Jahrzehnt her sein. Eine feinkantige Blüte, leicht und harmlos in meiner Hand. Acht oder zehn? Ich weiß nicht mehr wie viele, nur waren es wohl definitiv zu viele. Diese kleinen unscheinbaren Dinger entfalten ihre Wirkmacht und überrollen alles, was da mal nach Suppe schmeckte. Bitter. Grauenvoll. Meine erste Phở.
Dabei sollte ich es doch können. Dabei sehe ich doch aus, als sollte ich es können. Wer bin ich dann? Plätzchen und Lebkuchen?
Bild und Text von Hoa-Lan Gutschke
Exit through a stanger’s car
I wanted to disappear – so I opened the door to a stranger‚s car”* Ich ließ mich in die Sitze der Rückbank fallen, unendlich erschöpft und unberührt von der Ratlosigkeit der Person auf dem Sitz vor mir. Nur irgendetwas Anderes hier fühlen als das Altbekannte, die Erschöpfung der ständigen Rücksichtnahme. Stören – Störgefühle auch für andere und nicht nur für mich. Dass es nun ganz unverhofft diesen Menschen trifft, der an einem grauen Dienstagmorgen an der Ampel mal wieder die Grünphase verpasst hat, sollte nicht mein Problem sein. Menschen werden halt vor Probleme gestellt, um die sie nicht gebeten haben. “Es kommt einzig auf dein Verhalten an, um deinen Umgang mit diesen sogenannten Problemen”. Dem Gesichtsausdruck meines Schräg-Gegenübers zu urteilen, scheint es nicht allzu vertraut mit derart grenzüberschreitenden Verhalten zu sein. “Na, da einfach so mit offenen Mund rumzusitzen nenn ich mal Umgang und Lösungsstrategie.” Es folgen Sekunden, eine Minute ohne Worte. Bis ich selbst ratlos werde. Mir schaut Hilfslosigkeit entgegen und da setzt sie auch schon ein: meine wohltrainierte Umsicht, meine immer verlangte Höflichkeit. Ich rutsche ungelenk mit einem für die Situation zu lauten Quietschen an den Griff der Autotür heran. Ich öffne die Tür und verlasse wortlos mit verlegenem Blick den Wagen. Die Ampel schaltet grün. Zurück bleiben ein paar Tropen Dienstagmorgenregen auf dem Leder der Rückbank. *Ocean Vuong
Von Hoa-Lan Gutschke
Raum zum Schreiben
Fände ich den Raum in mir, in meinem Kopf, zum Schreiben, fände ich wohl auch den Raum zum Denken über die Frage, wie dieser Raum in Gestalt aussähe. Ich würde beginnen bei einer Tür ‚die alle vermeintlichen Pflichten aussperrt, all die Stimmen von außen und auch von innen, die zu oft sagen, dass meine Worte nicht so bedeutungsvoll sind. Diese Tür würde auch den Schmerz ausschließen, der meine Hand manchmal lähmt, wenn die Geschichten wieder fast zu wahr zum Ertragen ist. Wenn ich mich sicher hinter dieser Tür wüsste, dann wäre mein Raum lichtdurchflutet und der Boden würde den satten Duft von frischem Gras in die Luft des ganzen Raumes legen. Meine Füße würden barfuß laufen und könnten die einzelnen Halme nicht mehr auseinander halten, die in ihrer Dichte einem kühlen Teppich gleichen. Dort stünde auch ein Sofa oder vielleicht noch mehr ein Bett, denn manchmal schreibt es sich in der tröstenden Wärme einer Bettdecke am besten. Das Geräusch vom Wind, der durch das Blätterdach des Sommers streicht, tanzt durch die Luft. Hinter meiner schützenden Tür vernähme ich noch ab und zu, die Anwesenheit meiner liebsten Menschen, mal ein Lachen, mal Wortfetzen und ein wenig Gesang, aber immer ein Zeichen, dass es auch ihnen gut geht. In meinem Raum spielt leise Musik zum Rauschen des Windes, die mir zu beiläufig erscheint, um ihr länger Aufmerksamkeit zu widmen.
Von Hoa-Lan Gutschke
Wattewelt
Schon viertel vor elf. Vor einer Viertelstunde wollte ich das Haus verlassen haben. Die Türklinke legt sich kühl in meine Handfläche. Mein Körper wendet sich zum Treppenhaus. Verdammt, ich wollte noch meine Wasserflasche auffüllen. Kann ich dort auch machen. Vielleicht schmeckt das Wasser dort aber nicht. Lieber sichergehen. Auf eine Minute kommt es auch nicht an. Vier Stockwerke nach unten, aber immerhin geht es nach unten. Ich gehe in den Hof und bin mir nicht ganz sicher, wo ich mein Fahrrad abgestellt habe. Aber da ist es. Anscheinend war ich gestern noch motiviert genug und habe es ordnungsgemäß im Fahrradschuppen verstaut. Im nächsten Moment hieve ich mein schweres Hollandrad durch das Treppenhausund durch die Eingangstür. Aufsteigen. Es ist 10 Uhr 52. Ein paar Minuten später ist nicht so schlimm. Die Welt ist verschwommen. Es liegen gerade zehn Meter hinter mir. Alles wie in Watte. Ich habe vergessen meine Kontaktlinsen einzusetzen. Jetzt fällt es mir ein. Ich drehe nicht um. Muss ich heute sehen können? Ich entscheide mich für nein.
Von Hoa-Lan Gutschke
Vielen Dank an Elnaz und alle Teilnehmender*innen für das gegenseitige Empowern, Geschichten miteinander teilen und den Spaß am Schreiben!
Workshopleitung
Elnaz ist ein*e queere Person of Colour, ist Autor*in, Dichter*in und Aktivist*in. Im Schreiben beschäftigt sich Elnaz mit den Themen Familie, Ancestors, Spiritualität, Flucht, Healing und mental Health. Elnaz hat den Master „Biografisches und Kreatives Schreiben“ an der Alice Salomon Hochschule in Berlin studiert, gibt Schreibworkshops und macht Bildungsarbeit zu intersektionalen Themen. Außerdem praktiziert Elnaz Reiki und gibt Healing Sessions.
Am Wochenende vom 10. und 11. September 2022 fand in Zwickau der MEGA Rap-/Songwriting Workshop „If the Kids speak up“ mit der viet-deutschen Rapperin NASHI44 aus Berlin-Neukölln und der in Berlin lebenden Sängerin, Songwriterin und Produzentin ANOTHER NGUYEN statt.
Im Vordergrund des Workshops stand es, gemeinsam Spaß zu haben, das eigene Selbstbewusstsein zu empowern und zu unseren eigenen Geschichten zu stehen. Die beiden Musiker*innen NASHI44 und ANOTHER NGUYEN haben uns dabei supported, uns musikalisches Grundwissen zu Rhythmik, Stimmbildung, Texten, Song-Struktur anzueignen und uns Tools an die Hand geben, einen eigenen Song zu schreiben.
Workshopleitung
Ngoc Anh Nguyen aka Another Nguyen
Fotocredit: Frederik Ferschke
Ngoc Anh Nguyen ist eine vietnamesisch-deutsche Sängerin, Songwriterin und Sozialarbeiterin. Unter dem Künstlernamen ANOTHER NGUYEN veröffentlicht Ngoc Anh elektronische Popmusik. Ihre Songs wurden bereits auf Sendern wie Radio Fritz, Radio Eins und diverse Campusradios gespielt. In einer Zusammenarbeit mit der Audio-Firma SENNHEISER wurde.
Ngoc Anhs künstlerische Entwicklung 2021 in einem Werbefilm porträtiert. 2022 erhielt sie ein Stipendium des MUSICBOARD BERLINS und führte eine erfolgreiche Crowdfunding Kampagne für die Produktion ihrer zweiten EP. Ngoc Anh ist Absolventin des BIMM Institutes sowie der Alice Salomon Hochschule. Als freischaffende Musikerin und Pädagogin gibt sie Songwriting-Workshops in verschiedenen Kultur- und Jugendzentren; als Sozialarbeiterin befasst sie sich mit Themen wie kultureller Identität, Intersektionalität und häuslicher Gewalt. https://anothernguyenmusic.com
Nashi44
Fotocredit: Hai Anh Pham
Nashi44 steht für “ASIAN BERLIN PUSSY POWER”. So nennt die talentierte MC aus Neukölln ihre Attitüde, die nicht nur für empowernden Rap steht, sondern sie auch zur Stimme vieler betroffener Personen macht. Rap ist für Nashi auf mehreren Ebenen ein Ausdrucksmittel ihrer Emotionen sowie ab und zu auch ein Sprachrohr für diejenigen, die oftmals ungehört bleiben. Abgesehen davon möchte die junge Künstlerin Safe Spaces für ihre Community schaffen: So arbeitet Nashi bei ihren Produktionen – ob Songs oder Videos – hauptsächlich mit FLINTA*- oder BIPoc-Teams zusammen.
Musik begleitet Nashi schon über viele Jahre, das Jazz- und Popgesang-Studium in Leipzig bricht sie jedoch ab, um sich voll und ganz auf Rap zu konzentrieren. Mit ausdrucksstarken Zeilen sowie pointiertem Humor und jeder Menge Attitüde basht sie das Fetischisieren südostasiatischer Stereotypen und zeigt eindrucksvoll, wie schwere Themen auf tanzbaren Sounds funktionieren können
Der Workshop war eine Kooperation zwischen korientation. Netzwerk für Asiatisch-Deutsche Perspektiven e.V., W.I.R. Lautstark – Werdauer Initiative gegen Rassismus, Roter Baum Zwickau und Haus der Frauen Zwickau. Der Workshop war Teil des Projekts „MEGA – Media and Empowerment for German Asians“ von korientation und fand im Rahmen des„If the kids are united against racism“ Festival 2022 statt.
Nach unserem Besuch in Köln fand unser zweites Vernetzungstreffen des Jahres 2022 in unserer Homebase Berlin statt. Bei unserem jährlichen Chill & Potluck (=alle bringen etwas zu essen oder trinken mit und chillen dann gemeinsam) direkt an der Spree haben wir uns mit euch darüber ausgetauscht, was Euch und uns bewegt, gemütlich zusammen gegessen, getrunken und uns gegenseitig kennengelernt. Alte und neue Mitglieder, ehrenamtlich aktive Leute, Interessierte, Friends, Vorstandsmitglieder, hauptamtliche Team-Members – wir haben uns sehr über Euer zahlreiches Erscheinen gefreut!
korientation. Netzwerk für Asiatisch-Deutsche Perspektiven e.V. ist eine Selbstorganisation und ein Netzwerk von Asiatischen Deutschen und Asiat*innen mit dem Lebensschwerpunkt Deutschland mit einem gesellschaftskritischen Blick auf Kultur, Medien und Politik. Das Ziel ist es, vielfältige Lebenswirklichkeiten in Deutschland bewusst und sichtbar zu machen und damit Rassismus entgegen zu wirken.
Asiatisch-Deutsch als Selbstbezeichnung ist für korientation ein verbindendes Element, das der politischen Positionierung dient und sich weder auf nationale Grenzen noch auf eine kulturelle Essentialisierung bezieht. korientation versucht den Widerspruch und die Gleichzeitigkeit zu reflektieren, dass (Süd‑, West‑, Zentral‑, Nord‑, Ost- und Südost-)Asien Konstrukte sind und Bezüge, wie bspw. ‚tamilisch-‘, ‚südkoreanisch-‘, in Jakarta geboren und in Deutschland aufgewachsen-‚Sein‘ in den gelebten Erfahrungen eine Rolle spielen.
Wir suchen für unser neues Recherche-Projekt „Postkoloniale Asiatisch-Deutsche Präsenzenin Berlin“ –
2 wissenschaftliche Honorarkräfte mit MA-Abschluss auf Werkvertragsbasis vergütet mit 3.000 € (brutto) Vertragszeitraum bzw. Projektlaufzeit: 15.07. bis 30.11.2022.
Bewerbungsfrist: 05.07.2022 Bewerbung per Email an: info@korientation.de Hast Du Fragen? Melde Dich bei uns, auch gern per Email.
Wir laden insbesondere Schwarze Menschen und People of Color mit Bezügen zu Asien (Zur Klarstellung: Damit meinen wir Süd‑, West‑, Nord‑, Südost‑, Ost- und Zentralasien) und intersektionalen Identitäten ein, sich zu bewerben.
Das Projekt „Asiatisch-Deutsche Präsenzen in Berlin“ wird von der Berliner Landeszentrale für politische Bildung gefördert und soll einen Beitrag zur Schließung von Wissenslücken und Leerstellen zu Asiatisch-Deutschen Präsenzen in Berlin leisten. Es möchte auf die Brechung und Dekonstruktion eines kolonial konstruierten und homogenisierenden Narrativs von ‚Asien‘ und Asiatisch-Deutschen Präsenzen hinwirken. Dabei liegt ein besonderer Fokus auf lokalen Geschichten der Widerständigkeit, der Solidarisierung und der Gegennarrative als Strategie, postkoloniale Strukturen jenseits weißer und eurozentristischer Perspektiven zu analysieren.
Die Arbeitsaufträge umfassen
1. Die Recherche und Erstellung von je einer thematischen Materialsammlung zu postkolonialen Asiatisch-Deutschen Präsenzen in Berlin pro Honorarkraft, durch
Quellenbasierte historische Recherchen inkl. graue Literatur wie Flyer etc.
Bestandsaufnahme und Sichtung relevanter Quellen und Forschungsliteratur
Ggf. Interviews mit Expert*innen und Zeitzeug*innen
Auswertung und Aufbereitung der Ergebnisse aus den Recherchen
Zusammenstellung der Ressourcen als thematische Materialsammlung in digitaler Form
2. Das Verfassen eines analytischen Fachartikels zu postkolonialen Asiatisch-Deutschen Präsenzen in Berlin in Ko-Autor*innenschaft (30.000 Zeichen inklusive Leerzeichen)
Die komplette Stellenausschreibung inkl. Bewerbungsprofil, was Dich bei uns erwartet und Informationen zum Bewerbungsverfahren findest Du hier:
Sina und Fallon vom MEGA-Projektteam waren in Köln und haben Euch getroffen! Bei einem gemütlichen Grill & Chill haben wir aktive Gruppen und Einzelpersonen sowie Interessierte aus Köln, Düsseldorf, Wuppertal und darüber hinaus kennengelernt, uns vernetzt, Bedarfe und Skills ausgetauscht, den korientation Grill angeworfen und beim MEGA Potluckbuffet die mitgebrachten Leckereien miteinander geteilt.
Du bist Gründungsmitglied von „korientation. Netzwerk für Asiatisch-Deutsche Perspektiven e.V.“. Wie kam es zu der Gründung des Vereins und was ist seitdem passiert? „korientation“ wurde Anfang 2008 von einer kleinen Gruppe von koreanischen Deutschen vornehmlich der zweiten Generation gegründet, um ein mehrjähriges Projekt zu Migrationsbewegungen zwischen Deutschland und Korea durchzuführen. Höhepunkt des Projektes war 2009 die Ausstellung „Shared.Divided.United. Deutschland-Korea: Migrationsbewegungen im Kalten Krieg“, die wir unter dem Dach der ngkb – neue gesellschaft für bildende kunst e.V. kuratiert und organisiert haben. Dieses Projekt war neben der Aufarbeitung unserer eigenen Geschichten auch ein Mittel, um uns in der damals schwelenden Integrationsdebatte inhaltlich und politisch besser positionieren zu können. Wir wollten den dort offensichtlich zutage tretenden rassistischen Narrativen und Stereotypen zu „asiatischen“ Migrantinnen und Migranten und dem fehlenden Wissen zu asiatischen Menschen und ihren Lebensrealitäten in Deutschland etwas entgegensetzen, indem wir selbst zu Wissensproduzentinnen und ‑produzenten sowie Akteurinnen und Akteuren werden.
Uns wurde nach Abschluss des Projektes bald klar, dass der Verein ein Eigenleben entwickelt hatte und es Sinn machte, die Arbeit weiterzuführen. Es wurde zudem sehr schnell deutlich, dass der Fokus auf koreanisch-deutsche Themen viel zu eng war und ausgeweitet werden musste. Seit 2010 arbeiten wir immer wieder an unserer Selbstbezeichnung und verstehen uns als ein Asiatisch-Deutsches Netzwerk. Wir verwenden das Label „Asiatisch-Deutsch“ als strategische politische Selbstpositionierung, die herkunftsübergreifend einen gemeinsamen Ort schafft, von dem aus wir sprechen können, um unseren Themen und gesellschaftlichen Forderungen Gehör zu verschaffen.
Das erste Projekt hat für mich eine große Bedeutung, weil es nicht nur den Verein selbst ins Leben gerufen, sondern auch die Grundpfeiler für die Ausrichtung der Arbeitsfelder von „korientation“ gelegt hat. Wir arbeiten seitdem an der Schnittstelle von Wissenschaft, Kultur/Medien, Politischer Bildung und Politik mit dem Ziel, die Repräsentation von Asiatisch-Deutschen Perspektiven zu stärken. Gleichzeitig ist diese Arbeit nicht denkbar ohne die solidarische Zusammenarbeit und den Austausch mit anderen Communities.
Bis 2019 war der Verein rein ehrenamtlich organisiert. Wir freuen uns sehr, dass wir seit 2020 mit dem Projekt „MEGA“ zum ersten Mal auch hauptamtliche Stellen bei „korientation“ schaffen konnten und weiter in die Professionalisierung und Institutionalisierung des Vereins gehen können.
Darüber hinaus betreust du das eben bereits erwähnte Projekt „MEGA“, welches im dritten Jahr in Folge im Rahmen des Programms „Demokratie leben!“ durchgeführt wird. Wofür steht das Projekt? „MEGA“ steht für „Media and Empowerment for German Asians” und ist ein Empowerment-Projekt für junge Asiatische-Deutsche. In dem Projekt schaffen wir Räume, in denen die Teilnehmenden darin ermutigt werden, ihre eigenen Geschichten zu entdecken, ihre Erfahrungen zu teilen, einzuordnen und befähigt werden, diese mit unterschiedlichen medialen Mitteln zu erzählen und sichtbar zu machen. Es geht darum, den vorherrschenden stereotypen Bildern und Narrativen von Asiatisch-Deutschen Menschen vielfältige Bilder, Beiträge und Erzählungen aus Asiatisch-Deutschen Perspektiven entgegenzusetzen. Alle Teilnehmenden sollen darin bestärkt werden, selbst zu Wissens- und Medienproduzentinnen und ‑produzenten sowie zu Multiplikatorinnen und Multiplikatoren werden zu können.
Inhaltlich beschäftigen sich die Teilnehmenden in den Seminaren beispielsweise mit Asiatisch-Deutschen Migrationsgeschichten oder historischen Entwicklungen von anti-asiatischem Rassismus, drehen in Workshops Kurzfilme, schreiben eigene Texte oder erstellen multimediale Arbeiten, die zum Teil veröffentlicht und gezeigt werden. In den unterschiedlichen Formaten werden aber nicht nur Wissen, Theorien und Methoden sowie technische und mediale Kompetenzen vermittelt. Ganz besonders wichtig sind uns und den Teilnehmenden die Räume, die hierdurch zum Aus-/Tauschen und zur Vernetzung sowie zur Zirkulation von Inhalten entstehen. Die entstehenden Arbeiten und Projektinhalte werden auch auf unserer Projektwebseite für die breite Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Mit Beginn der Coronapandemie vor zwei Jahren sind rassistische Äußerungen oder Übergriffe gegenüber Menschen, denen eine asiatische Herkunft zugeschrieben wird, stark angestiegen. Gleichzeitig hat anti-asiatischer Rassismus nicht erst mit der Pandemie begonnen, sondern ist leider bereits seit Jahrhunderten in der deutschen Geschichte vorzufinden. Welche Erwartungen hast du an Politik und Gesellschaft? Trotz des massiven Anstiegs von rassistischen Übergriffen gegen asiatisch gelesene Menschen als Sündenböcke der Pandemie ist anti-asiatischer Rassismus offensichtlich wieder aus dem Blickfeld der medialen Öffentlichkeit und der Politik gerutscht. Deutlich wurde dies im Koalitionsvertrag der nicht mehr ganz so neuen Bundesregierung, in der wir in der Auflistung unterschiedlicher Formen von Rassismus und Diskriminierung vergeblich nach „anti-asiatischem Rassismus“ gesucht haben.
Wir erwarten von der Politik und Gesellschaft, dass anti-asiatischer Rassismus als spezifische Form von Rassismus anerkannt, benannt und bekämpft wird. Die explizite Aufnahme von anti-asiatischem Rassismus neben anderen Rassismusformen in Koalitionsplänen, im „Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus“ und sonstigen politischen Maßnahmenplänen gegen Rassismus und Diskriminierung wäre ein Anfang.
Mehr Ressourcen für die Erforschung von anti-asiatischem Rassismus, asiatisch-deutschen Migrationsgeschichten und deutscher Kolonialgeschichte und ihren Verwebungen wäre erforderlich, sowohl im Bereich der Wissenschaft als auch für die kulturelle, künstlerische, mediale Projektarbeit. Darüber hinaus sollte auch der Transfer von Wissen hinein in Bildungsinstitutionen wie Schulen, Universitäten und Hochschulen, aber auch Museen oder in journalistische Institutionen gefördert werden.
Im Feld der postmigrantischen Erinnerungskultur wünschen wir uns ein würdiges Gedenken an die Opfer der deutschen Kolonialpolitik, aber auch an die Menschen, die aus rassistischer Motivation ermordet wurden. Hierzu gehört auch eine ganze Reihe von asiatischen Menschen. Am 24.04.2022 jährte sich dieses Jahr beispielsweise der 30. Todestag von Nguyễn Văn Tú, am 30.04.2022 der 25. Todestag von Phan Văn Toàn, die beide in der Nachwendezeit Opfer rechter Gewalt wurden.
Der anti-asiatische Rassismus ist im Vergleich zu anderen rassistischen Ausgrenzungsformen noch recht wenig erforscht. Welche Gründe gibt es hierfür? Es gibt häufig in weiten Teilen der Gesellschaft kein Bewusstsein für die Existenz von anti-asiatischem Rassismus wegen des vorherrschenden „Model Minority Mythos“. Als „Model Minority Mythos“ wird das Narrativ bezeichnet, dass „asiatische“ Menschen per se bestens integriert und leistungswillig sind, aus diesem Grunde wenig Probleme machen und wenig Probleme haben. Sie gelten als unsichtbar, leise und passiv und diese Kategorisierung wird genutzt, um die „Mustermigrant*innen“ gegen andere migrantische Gruppen auszuspielen. Darüber hinaus gibt es im Grunde keine Auseinandersetzung mit diesen Bevölkerungsgruppen und ihren Lebensrealitäten, Betroffenen werden Rassismuserfahrungen häufig abgesprochen. Wie wenig Wissen nicht nur in der Mehrheitsgesellschaft zu anti-asiatischem Rassismus und über Asiatische Deutsche bekannt ist, wurde in der Pandemie deutlich, als Medien und Politik anti-asiatischen Rassismus zum Teil selbst reproduzierten und ihn später aufgrund der plötzlich für alle sichtbar werdenden rassistischen Übergriffe auf asiatisch gelesene Menschen neu „entdeckten“.
Der Begriff des anti-asiatischen Rassismus ist zudem im deutschen Kontext noch nicht etabliert. Dies hängt damit zusammen, dass spezifische Diskriminierungsformen erst dann sichtbar werden, wenn die Betroffenen selbst diese Ungleichheiten benennen, ihre Anerkennung durchsetzen und in den Machtdiskurs einschreiben können. Mittlerweile sind auch in Deutschland in unterschiedlichen asiatischen Communities die zweite und auch dritte Generation in der Position, ihre Stimmen zu erheben, um gleichberechtigte Teilhabe als Bürgerinnen und Bürger mit gleichen Rechten einzufordern. „korientation“ sieht sich als Teil dieser Entwicklung und hoffentlich wachsenden Bewegung.
Die 15 Thesen der Initiative kulturelle Integration tragen den Titel „Zusammenhalt in Vielfalt“. Was bedeutet für dich „Zusammenhalt in Vielfalt“ und welche der 15 Thesen ist deine „Lieblingsthese“? Meine Assoziation mit „Zusammenhalt in Vielfalt“ ist das Bild einer pluralen, solidarischen Gesellschaft. Zwei Thesen sprechen mich an:
These 1 „Das Grundgesetz als Grundlage für das Zusammenleben der Menschen muss gelebt werden“ ist als Forderung formuliert, was mir an dieser Stelle gefällt, weil schließlich weiterhin, auch im Jahr 2022, die Grundrechte in Deutschland nicht für alle Menschen gelten.
These 13 „Die Auseinandersetzung mit der Geschichte ist nie abgeschlossen“ – Es bleibt weiterhin eine offene Aufgabe für die deutsche Gesellschaft, sich beispielsweise auch der eigenen Kolonialgeschichte zu stellen, nationale Mythen zu dekonstruieren und sich zu vergegenwärtigen, dass unsere Geschichten, das heißt auch die post/migrantischer Bevölkerungsgruppen, Teil der deutschen Geschichte sind.
Maya Zaheer (Curry on!) (konnte leider nicht kommen)
eingeladen.
Unsere Gäst*innen unterhielten sich über ihre Wege zum Podcasting und über den Mut, die Arbeit und die Kraft die es braucht, um über sich selbst und intersektionale Unterdrückungsverhältnisse zu sprechen. Es ging um unsichtbar gemachte (Widerstands-)Geschichten von unterschiedlichen (post-) migrantischen, asiatisch-diasporischen Communities und die Frage, ob und inwiefern Podcasts als Orte des Widerstands und der Widerworte betrachtet werden können. Wir haben auch erfahren, wie schwierig es ist ‚sich‘ und den ‚eigenen‘ Themen im wahrsten Sinne des Wortes „Gehör zu verschaffen“.
Vielen lieben Dank für den schönen Abend!
Gäst*innen
Melmun Bajarchuu | Melmun Bajarchuu bewegt sich in den Grenzbereichen von Kunst, Theorie und Politik als Denkerin, Diskurspartnerin, Kuratorin und Kulturproduzentin. Ihr besonderes Interesse gilt der Verwebung von Theorien und Praktiken im Kontext poststrukturalistischer, post- und dekolonialer sowie queerfeministischer Fragestellungen. Gemeinsam mit kritischen Kulturpraktiker*innen forscht sie u.a. in der Initiative für Solidarität am Theaterkollaborativ zu mikropolitischen Widerstandspraktiken in den Darstellenden Künsten.
Maya Zaheer | Maya studiert Visuelle Kommunikation und arbeitet für das kohero Magazin für interkulturellen Zusammenhalt im Social Media und Podcast Bereich. Vor einem Jahr startete sie den Podcast „curry on!“, in dem sie mit ihrer Schwester über Themen wie Sisterhood, postmigrantische Identitäten und südasiatische Perspektiven in Deutschland spricht. Maya interessiert sich besonders für Machtkritik im Kontext von Gestaltung und Medien.
Abilaschan Balamuraley | Abilaschan ist Produzent und Host vom „Maangai Podcast“, dem Community Podcast für queere südasiatische Perspektiven im deutschsprachigen Raum und Teil der Initiative postmigrantisches Radio. Er ist Moderator beim queeren post migrantischen Bildungskollektiv „erklär mir mal..“ Abilaschan ist neben seiner Tätigkeit als Podcaster auch als Diversity Trainer und Multiplikator in der Berlinern Club Szene aktiv.
Cuso Ehrich | Cuso ist in diversen sozialen Bewegungen aktiv und Referent:in für Rassismus- und Machtkritik. Cuso arbeitet in Form von Vorträgen, Podcasts, Textbeiträgen und Workshops u.a. zu den Themen Einführung in die Rassismuskritik und kritischer politischer Bildungsarbeit, Anti-asiatischer Rassismus in Zeiten von Corona sowie Intersektionen von Kolonialismus und Geschlecht.
Kooperationspartner
BIWOC* Rising is an empowerment project for women*, transgender and non-binary people, who are facing intersectional discrimination. By creating a safe® work and social club, including training programs, we promote social, professional and economic advancement through an intersectional community.
Zur MEGA-Talkreihe „Shut Up And Listen!“
„Shut Up And Listen!“ ist eine Talkreihe, in der divers positionierte Asiatisch-Deutsche Stimmen aus den Bereichen Medien, Kunst, Wissenschaft, Tanz, Aktivismus und Kultur zusammen-kommen, und über die Themen diskutieren, die uns bei unserem Projekt MEGA besonders am Herzen liegen: (medialer) Widerstand, Empowerment(-räume) und Selbstrepräsentation(en).
Wir laden dazu ein, einfach mal still zu sein und zuzuhören, was unsere spannenden Gäst*innen zu sagen haben, die im deutschen Mainstream immer noch viel zu selten mit und in ihren vielfältigen und auch widersprüchlichen Perspektiven gesehen, gehört und gefragt werden. Wir laden unsere Gäst*innen dazu ein, für sich selbst zu sprechen statt besprochen zu werden, ihre Analysen zu teilen statt analysiert zu werden, und sich in ihren uneindeutigen, mehrfachzugehörigen, brüchigen, vorläufigen, stets in Bewegungen befindlichen Subjektivitäten und Geschichten zu zeigen, statt in stereotypen Bildern festgehalten zu werden.
Projekt MEGA
„MEGA“ steht für „Media and Empowerment for German Asians“. Das Projekt hat zum Ziel, Asiatische Deutsche darin zu bestärken, ihre eigenen Geschichten und Erfahrungen aufzuarbeiten, einzuordnen, zu erzählen und sichtbar zu machen. Das (mediale) Bild von Asiatisch-Deutschen Menschen soll durch selbstbestimmte Bilder und Beiträge besetzt und diversifiziert werden. Im Rahmen des Projekts MEGA wird eine Kombination von unterschiedlichen Bildungsformaten entwickelt, um unterschiedliche Bereiche medialer Repräsentation abzudecken.