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IN MEMORY, IN RESISTANCE

Gedenken an die Opfer des rassistischen & sexisistischen Anschlags in der Gegend um Atlanta vom 16.03.2021

Am 16. März jährt sich der ras­sis­tische & sexis­tische Anschlag auf Spa-Mitarbeiter*innen in der Gegend um Atlanta, Georgia/USA. Wir, als Teil der asia­ti­schen Diaspora in Deutschland, wollen den Anlass nehmen, um zusam­men­zu­kommen & eine Mahnwache in Gedenken an die acht Opfer, von denen sechs asia­tische Frauen waren, & im Kampf gegen die kapi­ta­lis­ti­schen, ras­sis­ti­schen & sexis­tisch patri­ar­chalen Strukturen, in den USA, Deutschland & global zu halten.

In Gedenken an Daoyou Feng, Hyun Jung Grant, Suncha Kim, Soon Chung Park, Xiaojie Tan, Yong Ae Yue, Delaina Ashley Yaun, Paul Andre Michels.

Mahnwache

In Solidarität mit den Opfern & deren Angehörigen ver­an­stalten wir eine Mahnwache mit Redebeiträgen & Performances:

WANN: Samstag, den 19. März 2022 von 13:00 bis 15:30 Uhr
WO: an der Friedensstatue in Berlin-Moabit (Ecke Birkenstraße/Bremer Straße) 

Zur Mahnwache sind alle Menschen herzlich eingeladen!

Außerdem wird es nach den Redebeiträgen & Performances einen Community Space geben. Zu diesem Community Space laden wir alle Menschen herzlich ein, die negativ von Rassismus gegen ost­asia­tisch und süd­ost­asia­tisch gelesene Menschen betroffen sind, um sich bei Tee, Snacks & Musik ken­nen­zu­lernen, aus­zu­tau­schen & zu vernetzen.

Wir freuen uns sehr, euch alle zahl­reich auf der Mahnwache & auch auf dem Community Space zu sehen!

Bitte teilt die Infos zur Mahnwache! Dieser Veranstaltungstext wird noch in wei­teren Sprachen übersetzt.

UNTERSTÜTZT DIE ORGA-GRUPPE

Zudem wird für die Organisation der Mahnwache noch dringend Unterstützung gebraucht! Insbesondere Allies / Verbündete sind hier ange­sprochen ange­messene Aufgaben zu über­nehmen. Auf Instagram (u.a. bei @storiesbythuy und @korientation) gibt es einen Aufruf mit Aufgabenliste & Awareness-Konzept. 

Bei Interesse & Kapazitäten für Unterstützung & bei Rückfragen, meldet euch gerne bei uns unter:
in-memory-in-resistance@riseup.net 

ORGANISATOR*INNEN

Die Mahnwache wird von Einzelpersonen der asia­ti­schen Diaspora orga­ni­siert. „Wir sind eine kleine Gruppe von asiatisch-diasporischen Menschen aus Berlin. Wir stellen uns gegen die kapi­ta­lis­ti­schen, ras­sis­ti­schen und sexistisch-patriarchalen Strukturen in den USA, Deutschland und global.“ 

(Dies ist keine Veranstaltung von kori­en­tation, wird aber von kori­en­tation unterstützt.)

kori­en­tation ver­weist auf den Offenen Brief gegen anti-asiatischen Rassismus, der einen Monat nach dem Anschlag am 16.04.2021 ver­öf­fent­licht wurde.


English Version

In Memory, In Resistance

Remembering the victims of the racist and sexist attack in the Atlanta area on March 16, 2021.

March 16 marks the one-year anni­versary of the racist and sexist attack on spa workers in the Atlanta area, Georgia/USA. We, as part of the Asian dia­spora in Germany, want to take the occasion to come tog­ether and hold a vigil in memory of the eight victims, six of whom were Asian women, and in resis­tance against the capi­talist, racist, and sexist patri­archal struc­tures in the USA, Germany, and globally.

In memory of Daoyou Feng, Hyun Jung Grant, Suncha Kim, Soon Chung Park, Xiaojie Tan, Yong Ae Yue, Delaina Ashley Yaun, Paul Andre Michels.

VIGIL

In soli­darity with the victims and their families, we will hold a vigil with speeches and per­formers (the speakers and per­formers will be announced soon).

DATE: Saturday, March 19, 2022 from 1:00 to 3:30 pm
WHERE: at the Statue of Peace / Friedensstatue in Berlin-Moabit (corner of Birkenstraße and Bremer Straße)

In addition, there will be a com­munity space after the speeches and per­for­mances. To this com­munity space we warmly invite all people who are nega­tively affected by racism against East Asian- and Southeast Asian-perceived people to meet, exchange and connect over tea, snacks, and music.

We are very much looking forward to seeing you all in large numbers at the vigil and also at the Community Space! Please spread the news and share the info about the vigil! 

This call text will also be trans­lated into other lan­guages. More infor­mation will follow.

SUPPORT NEEDED

Moreover, support is still urgently needed for the orga­nization of the vigil. Allies in par­ti­cular are addressed here to take on appro­priate tasks.In the pre­vious Instagram post (among others at @storiesbythuy and @korientation) there is a call with a task list and our awa­reness concept. 

If you are inte­rested and have capacity for support, as well as any ques­tions, feel free to contact us at:
in-memory-in-resistance@riseup.net

ORGANIZERS

This vigil is orga­nized by indi­vi­duals from the Asian dia­spora in Germany. „We are a small group of Asian-diasporic people from Berlin. We oppose the capi­talist, racist and sexist patri­archal struc­tures in the US, Germany and globally.“

(Note: This is not orga­nized by kori­en­tation. We support the vigil and the cause.)

We include a link to the Open Letter against anti-asian racism that was published one month after the attack on April 16, 2021.

Blog

Eine Nacht im April, knapp drei Monate nach Ausbruch der COVID-19-Pandemie in Deutschland: Eine Gruppe Mitfahrender belästigt ein süd­ko­rea­ni­sches Paar mit sexis­ti­schen und ras­sis­ti­schen Beleidigungen in der Berliner U‑Bahn. Zwei weitere Mitfahrende beob­achten den Vorfall unter Gelächter. Als eine der betrof­fenen Personen beginnt den Vorfall per Handykamera zu doku­men­tieren, greift ein Teil der Gruppe das Paar kör­perlich an und bespuckt die beiden. Die Polizei wird noch während der U‑Bahnfahrt ein­ge­schaltet. Sie kann die aus der U‑Bahnstation Fehrbelliner Platz flüch­tenden Angreifer nicht stellen, macht aber die beiden Beobachter*innen ausfindig. 

Das Paar will Anzeige stellen, was die Polizei jedoch mit der Begründung ablehnt, dass es sich seitens der Angreifenden nicht um ras­sis­ti­sches Verhalten handele. Erst nachdem eine der beiden Betroffenen tele­fo­nisch den süd­ko­rea­ni­schen Vizekonsul kon­tak­tiert, lenken die Polizist*innen ein. Sie nehmen nun zwei Anzeigen auf, unter anderem auch eine gegen die beiden Betroffenen: Die beiden Beobachter*innen fühlen sich ras­sis­tisch beleidigt. Das Paar hat sie als Rassist*innen bezeichnet.

Rassismus in Zeiten von Corona

Seit Beginn der Corona-Pandemie hat die Zahl und das Ausmaß an ver­baler und kör­per­licher Gewalt gegenüber asia­tisch gele­senen Personen in Deutschland und auch weltweit stark zuge­nommen. Erfahrungen, die Betroffene über Social Media öffentlich machen, decken sich mit den Daten aus dem Infopapier zu Diskriminierungserfahrungen im Zusammenhang mit der Corona-Krise. Dieses hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes Anfang Mai bereitgestellt.

Von den 100 Beratungsanfragen, die bis Mitte April im Zusammenhang mit dem Coronavirus ein­ge­gangen sind, handelt es sich in 58 Fällen um Diskriminierungserfahrungen aus ras­sis­ti­schen Gründen, besonders von Personen, denen eine asia­tische Herkunft zuge­schrieben wird. Die Erfahrungen reichen von ver­balen und kör­per­lichen Attacken zur Verweigerung von medi­zi­ni­schen Behandlungen oder Dienstleistungen und Bedrohungen durch Hassbotschaften am Arbeitsplatz und am Wohnort. Auch Fälle von insti­tu­tio­nellem Rassismus wurden gemeldet, z.B. durch Racial Profiling, also Polizeikontrollen auf Basis von ste­reo­ty­pi­sie­renden Annahmen und äußer­lichen Merkmalen.

Die Dunkelziffer ras­sis­ti­scher Übergriffe auf asia­tisch gelesene Personen ist auf ein Vielfaches höher ein­zu­schätzen. Darauf lassen die zahl­reichen Erfahrungen und Zeug*innenberichte schließen, die Betroffene bisher in pri­vaten Accounts in den sozialen Netzwerken, der Presse und unter dem Hashtag #IchBinKeinVirus geteilt haben. Dazu kommen die Erlebnisse all der­je­nigen, die sich dazu ent­schieden haben, mit diesen indi­vi­du­ellen und oft scham­vollen Erfahrungen nicht nach außen zu treten oder die keinen Zugang zu Hilfs- und Dokumentationsstrukturen haben.

Rassistische Berichterstattung zu Corona

Ebenfalls mit Beginn der Corona-Pandemie haben kori­en­tation und viele andere Asiatisch-Deutsche Akteur*innen einen Anstieg pro­ble­ma­ti­scher Medienberichterstattung zu COVID-19 fest­ge­stellt und öffentlich darauf hin­ge­wiesen. Bereits am 5. Februar hat das Team von kori­en­tation gemeinsam mit den Neuen deut­schen Medienmacher*innen in der Pressemitteilung „Rassismus ‚Made in Media‘ – Diskriminierende Berichterstattung zum Coronavirus“ darauf auf­merksam gemacht. Die Pressemitteilung weist auf den Zusammenhang von dis­kri­mi­nie­rendem und kul­tu­ra­li­sie­rendem Framing und/oder mehr­deu­tigen, ste­reo­ty­pi­sie­renden, kli­schee­be­la­denen und unsach­lichen Text-Bild-Verknüpfungen in Beiträgen vom Spiegel, der Bild und des FOCUS Magazins und dem wach­senden anti-asiatischem Rassismus hin. Trotz Hinweisen und Handlungsvorschlägen zum dis­kri­mi­nie­rungs­sen­siblen Berichten wird die Liste der Artikel, Cover und Bebilderungen, die anti-asiatischen Rassismus befeuern bis heute stetig länger.

Wir alle wissen, dass ste­reo­ty­pi­sie­rende und sug­gestive Sprache und Bilder beein­flussen, wie Menschen wahr­ge­nommen werden. Dabei geht es nicht allein um Worte einiger weniger aus dem kon­ser­va­tiven und rechten Spektrum. Auch mediale Berichterstattung hat darin eine Verantwortung. Sie ist nicht unschuldig, denn: Bilder wecken Assoziationen, Sprache schafft Wirklichkeit und Worte führen zu Taten. Bebilderungen von Integrationsdebatten mit kopf­tuch­tra­genden Frauen (meist von hinten) oder Generalverdächtigung eines gesamten Berliner Stadtteils als „Clan-Kriminelle“ gehören dazu. Wir wissen his­to­risch durch den Nationalsozialismus und erleben gegen­wärtig mit den NSU Morden und den Morden in Hanau, wie dis­kri­mi­nie­rende Repräsentation von Minderheiten zu töd­lichen Konsequenzen führt.

Wenn der Spiegel schreibt: „CORONA VIRUS – Made in China [in gelber Schrift] – Wenn Globalisierung zur töd­lichen Gefahr wird“, der Schwarzwälder Bote über einen lokalen Karneval mit dem Titel „Chinese mit Atemschutzmaske baumelt über der Stadt“ berichtet und der Cicero seine Mai-Ausgabe mit „Gruß aus Wuhan – China, Corona und der Schaden für die Welt“ betitelt, wissen asia­tische gelesene Menschen und BIPoC, was als nächstes pas­siert – nämlich ange­spuckt, beleidigt, mit Desinfektionsmittel ein­ge­sprüht, vom Fahrrad geschubst werden und mehr.

Vielen ist dies nicht bewusst, andere blenden es aus. Wir bezweifeln jedoch, dass es saubere jour­na­lis­tische Arbeit ist, Bilder wie „die Gelbe Gefahr“, die ihren ras­sis­ti­schen Ursprung in der Kolonialzeit haben, ohne Kontextualisierung auf die Corona-Pandemie zu über­tragen und wieder salon­fähig zu machen. Gleiches gilt für Redaktionen, die mit dem Schüren von Panik und der Emotionalisierung ihrer Leser*innen darauf abzielen, ihre Auflage- und Absatzzahlen zu steigern. Ob unbe­wusst oder ignorant, sie handeln fahr­lässig und nehmen für kapi­ta­lis­ti­schen Gewinn in Kauf, ras­sis­tische Gewalt zu verstärken.

Fremddarstellung von asiatisch gelesenen Menschen und ihre Folgen

Was vielen nicht-asiatischen Menschen ver­mutlich auch nicht bewusst ist: Die Fremddarstellung asia­tisch gele­sener Menschen hat eine lange Kontinuität, deren Auswirkungen asia­tische Menschen heute noch spüren.

Nehmen wir das Beispiel „Yellow Fever“ – oder in anderen Worten: die Fetischisierung asia­ti­scher Frauen*. Yellow Fever gründet auf dem Bild der (sexuell) unter­wür­figen asia­ti­schen Frau*, das – wer hätte es geahnt – ein weißer Schriftsteller namens Pierre Loti im Jahr 1887 als Motiv für seine Novelle „Madame Chrysanthème“ gewählt hat und das seitdem in Opern, Musicals und zahl­reichen Filmen bis heute repro­du­ziert wird. Verstärkt wurde dieses Bild durch sys­te­ma­tische Förderung von Prostitution in süd‑, süd-ost- und ost-asiatischen Ländern zum Zweck der „Rest and Relaxation“ US-amerikanischer Soldaten während der Kriege in Japan, Korea und Vietnam. 85% der US-Soldaten gaben an, bei dieser Gelegenheit sexu­ellen Kontakt zu einer Prostituierten gehabt zu haben. Diese Fetischisierung wie­derum spiegelt sich in den hohen Klickzahlen der ras­si­fi­zierten Pornokategorie „asia­tisch“ und hat nega­tiven Einfluss auf die Lebensrealitäten asia­tisch gele­sener Frauen*. kori­en­tation wurde Anfang April von einer betrof­fenen Person über gehäufte Fälle infor­miert, in denen ein weißer Mann in Berlin-Kreuzberg gezielt asia­tische Frauen* digital ges­talked, sexuell belästigt und emo­tional mani­pu­liert hat.

Im Coronakontext erleben asia­tisch gelesene Frauen* in einer wei­teren Dimension, wie sich ras­sis­tische und sexua­li­sierter Gewalt in obs­zönen und ent­wür­di­genden Übergriffen ver­quickt: Eine asia­tisch gelesene Frau berichtet, dass ihr ein fremder Mann seinen Finger in den Mund gesteckt und dann lachend behauptet hat, er sei schon mit dem Virus infi­ziert, aber er liebe asia­tische Frauen.

Model Minority Myth und anti-asiatischer Rassismus

Mit der Zuschreibung, eine „Model Minority“, also die „gut Integrierten“ zu sein, erfahren manche asia­tisch gelesene Personen (v.a. die sicht­baren) im Vergleich zu anderen negativ stig­ma­ti­sierten People of Color (u.a. auch weniger sichtbare asia­tische* Gruppen) eine gesell­schaft­liche Besserbehandlung. Der Preis für diese Privilegien ist die Erfüllung und Verinnerlichung der ste­reo­typen Rolle der „stillen Asiat*innen“ und ent­spre­chend dank­bares Verhalten. Doch diese Rechnung geht nicht auf, denn über diese ver­meintlich „positive“ (vor allem aber auch pater­na­lis­tische) Zuschreibung werden die ver­schie­denen von Rassismus negativ betrof­fenen Gruppen hier­ar­chi­siert und gegen­ein­ander aus­ge­spielt. Und der Rassismus gegen asia­tisch gelesene Personen exis­tiert trotzdem, auch wenn Betroffenen ihre Rassismuserfahrungen oft abge­sprochen oder nicht ernst genommen werden.

Besonders pro­ble­ma­tisch wird es, wenn dies durch die­je­nigen Strukturen geschieht, deren Aufgabe es ist, Personen zu schützen, Straftaten zu ver­folgen und Täter*innen zur Verantwortung zu ziehen. Das Verhalten der Polizei, die im Angriff auf das ein­gangs genannte korea­nische Paar weder sexuelle noch ras­sis­tische Belästigung erkennen wollte, findet dabei auf der ver­gleichs­weise noch „harm­lo­seren“ Seite des Spektrums insti­tu­tio­nellen Rassismus statt.

Wir möchten an dieser Stelle aber auch daran erinnern:

Dass beim mehrmals in der Presse ange­kün­digten Pogrom in Rostock-Lichtenhagen von 1992 sowohl die Polizei als auch die Landesregierung von Mecklenburg Vorpommern ras­sis­tische Motive igno­riert, und Hilfeleistung und Strafverfolgung unter­lassen haben.

Dass die Polizei bei einer Festnahme viet­na­me­si­scher Männer 1993 in Bernau und 1994 in Leipzig Racial Profiling, ras­sis­tische und sexua­li­sierte Gewalt ange­wendet hat.

Und dass im Mai 2016 die chi­ne­sische Architekturstudentin Yangjie Li von einem Mann ver­ge­waltigt und ermordet wurde, dessen Mutter zum Zeitpunkt der Tat Polizistin und dessen Stiefvater Polizeichef von Dessau waren. Letzterer half dem Täter und dessen Freundin kurze Zeit nach dem Mord beim Umzug aus der Wohnung in unmit­tel­barer Nähe des Tatorts. In Dessau ist 2005 auch Oury Jalloh, eine Schwarze Person, unter unge­klärten Umständen in Polizeigewahrsam verbrannt.

Was müssen wir also tun?

Rassismus gegen asia­tisch gelesene Personen ist eine von vielen ver­schie­denen Formen des „Othering“, also der Konstruktion eines ras­si­fi­zierten „Anderen“. Er findet auf unter­schied­lichen struk­tu­rellen Ebenen, in unter­schied­lichen Bereichen, mit unter­schied­lichen geschicht­lichen Kontexten und in unter­schied­lichen Funktionen statt. Er ist oftmals geschlechts­spe­zi­fisch und variiert auch entlang anderer Diskriminierungskategorien. Er ist ebenso viel­fältig wie die Positionierungen asia­tisch gele­sener Menschen in Deutschland. Der spe­zi­fisch mit der Corona-Pandemie auf­flam­mende Rassismus richtet sich in unter­schied­lichen Ausprägungen auch gegen Jüdische Menschen, Sint*ezza und Rom*nja, Schwarze Menschen und andere People of Color. Eine feh­lende Positionierung bzw. Schweigen und Abwertung ihrer Rassismuserfahrungen (nicht nur im Corona-Kontext) sind Bestandteile einer Dynamik, mit der Betroffenen gezeigt wird, dass sie in der Gesellschaft keine gleich­wertige Position einnehmen.

Als Netzwerk für Asiatisch-Deutsche Perspektiven schließen wir fol­gendes Fazit:

Politiker*innen, Behörden, Schulen, Polizei und Verwaltungen müssen das Thema anti-asiatischer Rassismus auf­greifen und eine klare Stellung dazu beziehen. Außenminister Heiko Maas hatte sich Anfang April zwar kri­tisch zu den im Coronakontext auf­ge­tre­tenen Beleidigungen gegenüber Französ*innen geäußert, anti-asiatischer Rassismus scheint aber bisher kein Thema zu sein. Wenn staat­liche Institutionen dazu schweigen, ver­mittelt dies die Botschaft, dass ras­sis­ti­sches Verhalten akzep­tiert wird und erlaubt ist. Institutionen müssen einen Plan und Regeln ent­wi­ckeln, wie mit ras­sis­ti­schem und dis­kri­mi­nie­rendem Verhalten umge­gangen werden soll.

Alle Polizist*innen müssen verbale und kör­per­liche Angriffe auf asia­tisch gelesene Menschen ernst­nehmen und ihrer Verpflichtung nach­kommen, dagegen Anzeige auf­zu­nehmen. Die Polizei muss sich sowohl intern als auch im Kontakt nach außen ernsthaft mit diesem Thema beschäf­tigen und sich sen­si­bi­li­sieren. Für die Betroffenen ras­sis­ti­scher Übergriffe ist es doppelt trau­ma­ti­sierend, wenn ihnen ver­mittelt wird, dass ihre Erfahrungen eine Strafverfolgung nicht wert sind.

Personen, die nicht negativ von Rassismus betroffen sind, sollen Erfahrungen asia­tisch gele­sener Menschen nicht in Frage stellen oder ver­harm­losen und jede Form von anti-asiatischem Rassismus unter­lassen. Daher der Appell: Wenn Ihr ras­sis­tische Übergriffe beob­achtet, zeigt Euch soli­da­risch und leistet Beistand. Lasst ras­sis­ti­sches Verhalten nicht einfach stehen oder igno­riert es. Jede Person, die sich in so einem Fall kri­tisch äußert, kann Vorbild für andere sein.

Medienschaffende müssen sich und ihre Redaktionen grund­sätzlich und spe­ziell im Kontext der Corona-Pandemie auf kul­tu­ra­li­sie­rendes, ste­reo­ty­pi­sie­rendes, unsach­liches oder ras­sis­ti­sches Framing bzw. Bild-Text-Verknüpfungen über­prüfen und nach­bessern. Als Hilfestellung, wie es besser gemacht werden kann, emp­fehlen wir Glossare und Leitfäden zum dis­kri­mi­nie­rungs­sen­siblen Sprachgebrauch. Auf der Webseite von No Hate Speech https://no-hate-speech.de/de/wissen/ ist eine Sammlung zu finden.

Und zu guter Letzt: Liebe Asiatisch-Deutsche Menschen, scheisst auf den Model Minority Mythos, er bringt Euch nichts außer ein fal­sches Gefühl von Anerkennung. Auch für uns und gerade in Anbetracht der nicht endenden ras­sis­ti­schen (Polizei-)Gewalt in den USA und hier in Deutschland vor allem gegen Schwarze Menschen ist es unum­gänglich, uns selbst zu reflek­tieren. Im Vergleich zu anderen von Rassismus negativ Betroffenen, aber auch innerhalb und zwi­schen unseren Communities sind Privilegien ungleich ver­teilt. Lasst uns darüber sprechen, von­ein­ander lernen, unsere eigenen ver­in­ner­lichten Rassismen ver­lernen, gemeinsam auf­stehen und uns und andere BIPoC in ihren Kämpfen unter­stützen!

Sina Schindler, kori­en­tation e.V.