korientation ist eine (post)migrantische Selbstorganisation und ein Netzwerk für Asiatisch-Deutsche Perspektiven mit einem gesellschaftskritischen Blick auf Kultur, Medien und Politik.
Zwischen dem 17. und 23. September 1991 wurde in der sächsischen Kleinstadt Hoyerswerda eine Serie von rassistischen gewalttätigen Angriffen auf ein Vertragsarbeiter*innen-Heim und eine Geflüchteten-Unterkunft verübt. Anlässlich des 30. Jahrestags wollen wir uns im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung an die gesellschaftliche Atmosphäre, die Diskurse und die Übergriffe der Nachwendezeit erinnern. Der Fokus wird dabei auf dem damaligen (post)migrantischen Widerstand gegen Rassismus, insbesondere aus Asiatischer und Schwarzer deutscher Perspektive, liegen. Bei der Paneldiskussion wird nach „Cross-Community-Strategien“ gegen Rassismus für die Gegenwart gesucht: Wie können wir zusammenkommen? Was sind unsere gemeinsamen Ausgangspositionen? Wie können wir trotz bestehender Unterschiede konsequent solidarisch sein? Wie kann ein gesellschaftlicher Wandel herbeigeführt werden?
Mai-Phuong Kollath, geboren 1963 in Hanoi, Vietnam, kam 1981 als Vertragsarbeiterin in die ehemalige DDR nach Rostock. Die Diplom-Pädagogin leitete 16 Jahre hauptamtlich die Migrationsberatungsstelle in Rostock und leistete aktive Vorstandsarbeit bei dem deutsch-vietnamesischen Verein Diên Hồng. Seit Jahren engagiert sie sich ehrenamtlich in verschiedenen bundesweiten Fachgremien der Migrations- und Integrationspolitik. Heute lebt sie in Berlin und arbeitet freiberuflich als interkulturelle Beraterin und Diversity-Trainerin.
Jessica Massóchua ist in der mosambikanischen Stadt Beira geboren und in einer sächsischen Kleinstadt bei Dresden aufgewachsen. Sie setzt sich mit sozialer Ungleichheit, Subjektivierung und Black Feminsim auseinander. Herzensanliegen ist dabei die Sichtbarmachung der Lebensrealitäten und Widerstände marginalisierter Menschen. Sie ist Aktivistin und Teil der Initiative 12. August.
Paulino José Miguel war bis Ende der 80er Jahre mosambikanischer Vertragsarbeiter in der ehemaligen DDR. Nach Ende der DDR erkämpfte er sich das Bleiberecht und blieb im vereinten Deutschland. Er studierte Erziehungs- und Politikwissenschaft an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und an der Universität zu Aarhus (Dänemark). Zu seinen bisherigen Tätigkeiten zählen Projekte zur Reintegration von ehemaligen Kindersoldaten, Vereinsarbeit sowie die Arbeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei DOMiD (Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland e.V. in Köln) und am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Heidelberg.
Paulino Miguel erlebte den realexistierenden Sozialismus in seinen prägenden Jahren als Jugendlicher und junger Erwachsener, erlebte und gestaltete Proteste und Widerstände, wurde Zeuge der gesellschaftlichen Umbrüche und des Wiederaufbaus sowie der Freuden und Enttäuschungen rund um die Wiedervereinigung. All das machte er zum selbstverständlichen Teil SEINER Geschichte und SEINER aktiven Rolle als Aktivist für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Paulino José Miguel ist Empowermenttrainer und Experte für entwicklungspolitische Bildungsarbeit
MEGA Online-Seminar zu postmigrantischer Erinnerungskultur
Postmigrantische Perspektiven werden in der deutschen Erinnerungskultur zunehmend sichtbarer. Dennoch müssen Communities of Color ihre Inklusion in weiße Institutionen wie Universitäten, Museen und Gedenkstätten sowie im öffentlichen Raum weiterhin erkämpfen. In welcher Form kann aus selbst initiierten Erinnerungspraktiken Widerstand gegen Unsichtbarmachung, Misrepräsentationen und rassistische Narrative erwachsen? Welche Themen, Ereignisse und Orte sind dabei wichtig für das kollektive Gedächtnis der Asiatisch-Deutschen Communities? Welche transnationalen politischen Verflechtungen und Diskurse können in unserem Erinnern zu unterschiedlichen Wahrnehmungen von Ereignissen führen? Welche Rolle spielt kollektives Erinnern für aktuelle gesellschaftliche Machtverhältnisse, sozialen Wandel und Empowerment von marginalisierten Communities?
Wir haben drei Expert*innen eingeladen, die diese Fragen aus unterschiedlichen Perspektiven mit uns diskutieren werden. Die Künstlerin Lizza May David wird einen Input zum Thema „Bahala Ka – Annäherungen an eine philippinische Erinnerungskultur aus der künstlerischen Praxis“ geben, die Historikerin Iris Rajanayagam wird zu „Verwobene[n] Geschichte*n: Erinnerungen und kollektives Gedächtnis aus transnationaler und globalhistorischer Perspektive“ sprechen und der Kultur- und Politikwissenschaftler Kien Nghi Ha wird in „Zwischen rassistischen Pogromen und Kampf um das Bleiberecht – wie aus DDR-Vertragsarbeiter*innen Vietdeutsche wurden“ auf Asiatisch-Deutsche Perspektiven (fast) 30 Jahre nach den Pogromen in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen eingehen. Im Anschluss an die Inputs gibt es jeweils Zeit für Fragen und gemeinsame Diskussionen und einen freien Abschlussblock, in dem weitere Beispiele für Erinnerungskultur bzw. den Mangel an Erinnerung gemeinsam besprochen werden können.
Das Seminar richtet sich vornehmlich an Asiatische Deutsche zwischen 18 – 30 Jahren und hat das Ziel, die Teilnehmenden mit aktuellen rassismuskritischen Ansätzen in der historisch-politischen Bildung vertraut zu machen, Wissen zum kollektiven Gedächtnis der Asiatisch Deutschen Communities zu vermitteln bzw. auf Leerstellen in der Repräsentation Asiatisch-Deutscher Geschichte(n) in Deutschland aufmerksam zu machen.
Infos zum Seminar
Datum: 18.09.2021 (Sa) Uhrzeit: 10 h ‑17 h Ort: Zoom-Webinar Teilnehmendenzahl: 20 Sprache: Deutsche Lautsprache
Unsere Referent*innen
Lizza May David – Künstlerin (Berlin/Manila) mit den Schwerpunkten Malerei/visuelle Medien. Sie arbeitet zu Themen im Kontext der philippinischen Diaspora. In ihren Werken bezieht sie sich auf persönliche/kollektive Archive und Politiken der Bild- und Wissensproduktion. Ihre Arbeiten wurden in den letzten Jahren u.a. in Berlin, London, Seoul, Nanjing, New York und Manila gezeigt und umfassen Ausstellungen, Installationen, Screenings und Performances. Seit 2021 ist sie Vorstandsmitglied bei korientation e.V. und Mitglied der Philippine Studies Series Berlin.
Kien Nghi Ha, promovierter Kultur- und Politikwissenschaftler, forscht zu Asian German Studies an der Universität Tübingen. Als Publizist und Kurator arbeitet er auch zu postkolonialer Kritik, Rassismus und Migration. Der Sammelband Asiatische Deutsche Extended. Vietnamesische Diaspora and Beyond ist gerade als erweiterte Neuauflage erschienen ebenso wie das für die Heinrich Böll Stiftung herausgegebene Dossier Geschlossene Gesellschaft? Exklusion und rassistische Diskriminierung an deutschen Universitäten. Andere Bücher u.a. Ethnizität und Migration Reloaded. Identität, Differenz und Hybridität im postkolonialen Diskurs (1999/2004), re/visionen. Postkoloniale Perspektiven von People of Color auf Rassismus, Kulturpolitik und Widerstand in Deutschland (Co-Hg., 2007). Seine Monografie Unrein und vermischt. Postkoloniale Grenzgänge durch die Kulturgeschichte der Hybridität und der kolonialen „Rassenbastarde“ (2010) wurde mit dem Augsburger Wissenschaftspreis für Interkulturelle Studien 2011 ausgezeichnet.
Iris Rajanayagam ist Historikerin und arbeitet zu post- und dekolonialen Theorien, Intersektionalität, Erinnerungspolitik(en) und Social Change; ihr Fokus liegt hierbei insbesondere auf der Verbindung von Theorie und Praxis. Aktuell ist sie Fachreferentin für Diversität, Intersektionalität und Dekolonialität bei der Bundeszentrale für politische Bildung. Sie ist die ehemalige Leiterin der Organisation xart splitta und lehrte an der Alice Salomon Hochschule Berlin (ASH)im Modul „Rassismus und Migration“ sowie im internationalen Masterstudiengang “Social Work as a Human Rights Profession”. Von 2017 bis 2019 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Praxisforschungsprojekt “Passkontrolle – Leben ohne Papiere in Geschichte und Gegenwart” an der ASH (Leitung: Prof. Dr. Iman Attia) und war an der Gestaltung der Seite “Verwobene Geschichte*n[*]” mitbeteiligt. Iris Rajanayagam ist Vorstandssprecherin des Migrationsrats Berlinund war viele Jahre in der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migrantinnen aktiv. Sie ist Mitbegründerin der Radiosendung „Talking Feminisms“ auf reboot.fm.
[*] Die Seite “Verwobene Geschichte*n” erinnert durch unterschiedliche Zugänge an marginalisierte und miteinander verflochtene Geschichte(n), die auf die Präsenz von Schwarzen Menschen und People of Colour in Berlin (und Deutschland) verweisen. Es werden ihr Alltag und ihre Widerstände thematisiert, die immer auch Kämpfe um Handlungs- und Definitionsmacht sind und waren.
Ressourcen
1. Transformatives Archivieren und Wissensproduktion
Dieses Seminar wird von korientation e.V. veranstaltet und findet im Rahmen des Projektes MEGA – Media Empowerment for German Asians statt. MEGA wird durch das BMFSFJ im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ und durch die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales von Berlin im Rahmen des Partizipations- und Integrationsprogramms gefördert.
18.03.2021 Anja Backhaus, Radio WDR 5 „Neugier genügt“: Unsere wissenschaftliche Referentin Kimiko Suda hat am ein Radiointerview zum Thema „Ich bin kein Virus – Anti-asiatischer Rassismus“ gegeben. Dabei spricht Kimiko über die wissenschaftliche Forschung zum Thema anti-asiatischer Rassismus in Deutschland, die derzeit erst in ihren Anfängen steht und stellt die ersten Ergebnisse einer Pilotstudie zu Anti-asiatischem Rassismus in der Corona-Pandemie vor. Gleichzeitig wird die gesellschaftliche Bedeutung und Relevanz, anti-asiatischen Rassismus zu verstehen und zu bekämpfen, nicht nur mit dem Blick auf die jüngsten Ereignisse in den USA deutlich, in denen ein weisser Mann in Atlanta acht Menschen getötet hat, darunter sechs asiatische Frauen. Auch in Deutschland existiert anti-asiatischer Rassismus nicht erst seit der Corona-Pandemie, und auch nicht erst seit den Pogromen in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen in den 1990ern. Es ist daher überfällig, dass sich die Politik und Personen des öffentlichen Lebens sichtbar gegen anti-asiatischen Rassismus und andere Formen rassistischer Diskriminierung positionieren und deutlich dagegen aussprechen.
von Kimiko Suda, Sabrina J. Mayer, Christopher Nguyen
Antiasiatischer Rassismus existiert nicht erst seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Basierend auf tatsächlichen und imaginierten Besuchen Asiens,[1] haben seit dem 13. Jahrhundert Europäer*innen Narrative konstruiert und verbreitet, die bis heute wirkmächtig sind. In ihnen erscheinen Asiat*innen als „anders“, „exotisch“ und „gefährlich“.[2] Auch in Deutschland lässt sich anhand von historischen Beispielen eine klare Kontinuität und Systemimmanenz von antiasiatischem Rassismus aufzeigen.[3]
So wurde beispielsweise die Errichtung der deutschen Kolonie Kiautschou 1897 zeitgenössisch mit der angeblichen Überlegenheit der Deutschen gegenüber den Chines*innen innerhalb eines rassistischen Systems und dem Ziel der christlichen Missionierung und sogenannten Zivilisierung „im Namen einer höheren Gesittung“ legitimiert.[4] Wenige Jahre später, am 27. Juli 1900, argumentierte Kaiser Wilhelm II. in seiner „Hunnenrede“ zum Abschied deutscher Marinesoldaten, die zur Bekämpfung des „Boxeraufstands“ (1899–1901) nach China geschickt wurden, dass die Chines*innen mit ihrem Akt des Widerstands gegen die Kolonialmächte ihr Recht auf Leben verwirkt hätten. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialist*innen waren auch die damals in Deutschland lebenden Chines*innen unmittelbar von der NS-Rassenpolitik betroffen: Sie wurden ausgewiesen oder in Konzentrations- und Zwangsarbeiterlager verschleppt und dort ermordet.[5]
Als schwerwiegendste Fälle antiasiatischer Gewalt nach 1945 sind die Pogrome in Hoyerswerda 1991 und Rostock-Lichtenhagen 1992 in das kollektive Gedächtnis asiatischer Deutscher eingegangen. Wohngebäude, in denen eine größere Anzahl von Vietnames*innen lebte, wurden unter den Augen applaudierender Zuschauer*innen von gewalttätigen Rechtsradikalen angegriffen. Die Polizei wartete in beiden Fällen tagelang, bis sie geringfügig eingriff. Die verantwortlichen Politiker*innen kapitulierten vor der rechten Gewalt und ließen in beiden Fällen die Angegriffenen evakuieren, statt für die Verhaftung der Angreifer*innen zu sorgen. Die Pogrome von Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen sind dabei nicht nur als eine Folge der Vereinigungspolitik einzuordnen, sondern als Ausdruck einer kontinuierlichen Existenz von Rassismus in der deutschen Bevölkerung.[6]
Eine Anerkennung dieser spezifischen Form struktureller Diskriminierung erfolgte jedoch erst in jüngster Zeit. Beispielsweise sind die rassistisch motivierten Morde an Nguyen Ngọc Chau und Do Anh Lan, die am 20. August 1980 in Hamburg bei einem von Rechtsterroristen verübten Brandanschlag starben, bis heute kaum bekannt.[7] Während die Pogrome in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen noch als situationsbezogene „Fremdenfeindlichkeit“ gegenüber „Ausländer*innen“ galten, wird im Kontext der Corona-Pandemie, die weltweit mit steigender rassistischer Diskriminierung und Übergriffen auf asiatisch gelesene Menschen einherging, nun vermehrt über antiasiatischen Rassismus in Deutschland gesprochen.
Asiatisch gelesene Menschen in Deutschland sind in widersprüchlicher Weise sowohl von positivem als auch negativem Rassismus betroffen. Einerseits werden sie vielfach als „Vorzeigemigrant*innen“ beschrieben und gegen andere (post)migrantische Gruppen ausgespielt; andererseits werden sie als homogene Masse dargestellt, von der eine Gefahr für die Weiße[8] Mehrheitsgesellschaft ausgehe. Antiasiatischer Rassismus in Deutschland umfasst unterschiedliche Formen von Gewalt. Diese reichen von verbalen Mikroaggressionen über strukturelle Diskriminierung bis hin zu körperlichen Angriffen und Morden. In Kitas und Schulen werden Kinder in Lehrbüchern und bei Festen mit rassifizierten Missrepräsentationen von „asiatischen Körpern“ und „asiatischer Kultur“ konfrontiert.[9] Dabei unterscheiden sich die in Populärkultur und medialer Berichterstattung weit verbreiteten rassifizierten Zuschreibungen auch nach Geschlecht: So werden asiatisch gelesene Frauen sexualisiert, exotisiert und infantilisiert, Männer dagegen desexualisiert und feminisiert.[10]
Diese bereits bestehenden Muster verstärkten sich im Kontext der Corona-Pandemie. So berichten asiatisch gelesene Menschen vermehrt von körperlichen Übergriffen im öffentlichen Raum und fühlen sich physisch und sozial gemieden.[11] Um diese und ähnliche Entwicklungen wissenschaftlich zu erfassen, sammelt das Kooperationsprojekt „Soziale Kohäsion in Krisenzeiten. Die Corona-Pandemie und anti-asiatischer Rassismus in Deutschland“ seit August 2020 Daten über die gesellschaftliche Wahrnehmung von asiatisch gelesenen Menschen und die Auswirkungen der Pandemie auf diese Wahrnehmungen. Unser Beitrag nutzt die Ergebnisse einer dabei Ende August 2020 umgesetzten Umfrage, um antiasiatischen Rassismus in Deutschland anhand von aktuellen Beispielen zu skizzieren, diese mit historischen Entwicklungen zu verknüpfen sowie Leerstellen hinsichtlich der Prävention, Dokumentation und Bekämpfung von antiasiatischem Rassismus in Deutschland aufzuzeigen.[12]
Geschichten asiatischer Migration
Asien ist der größte und einwohnerstärkste Erdteil, der durch eine Vielzahl von Migrationsströmen geprägt ist. Daher stellt sich die Frage, von wem die Rede ist, wenn wir über „Asiat*innen“ sprechen. Menschen aus Westasien, etwa aus Iran, werden in Deutschland eher als muslimisch denn als asiatisch wahrgenommen, Menschen aus Zentralasien eher mit der ehemaligen Sowjetunion verknüpft. Hinsichtlich des antiasiatischen Rassismus unterscheiden sich die Stereotypen und Vorurteile wiederum zwischen Südasien (zum Beispiel Indien), Südostasien (zum Beispiel Indonesien) und Ostasien (zum Beispiel China). Antiasiatischer Rassismus ist dabei kontextabhängig – er unterscheidet sich etwa in Großbritannien und Deutschland – und historisch gewachsen. Vielfach wird er über einzelne, medial präsente Herkunftsländer vermittelt. Auf die Frage, welche Gruppen man mit Personen aus Asien verbinde, antworteten in unserer Befragung 75 Prozent der Befragten mit Personen aus China, 46 Prozent mit Personen aus Japan und 13 bis 15 Prozent jeweils mit Personen aus Thailand, Südkorea, Indien und Vietnam. Westasiatische Länder wie Iran und Afghanistan wurden von weniger als zwei Prozent genannt und nur geringfügig mit Asien assoziiert.
Die potenziell von antiasiatischem Rassismus betroffene soziale Gruppe in Deutschland besteht aus unterschiedlichen Generationen und ist heterogen in Hinsicht auf sozioökonomische Hintergründe und Migrationsgeschichten. Die beiden Gruppen, die am ehesten mit Ländern aus Asien verbunden wurden, sind dabei nicht die zahlenmäßig stärksten Gruppen – Personen aus Japan sind zahlenmäßig deutlich weniger vertreten als Personen aus Vietnam (Tabelle).
Ein wichtiger Teil asiatischer Migrationsgeschichten ist die staatlich organisierte Arbeitsmigration in die Bundesrepublik seit Ende der 1950er Jahre. Neben einigen Hundert japanischen und 8.000 koreanischen Bergarbeitern immigrierten ab 1966 auch mehr als 10.000 koreanische Krankenschwestern. Weitere Krankenschwestern aus Indien, Indonesien und den Philippinen folgten.[13] Als sich nach dem Anwerbestopp 1973 die Rücksendeabsicht der Bundesregierung abzeichnete, erkämpfte die Koreanische Frauengruppe in Deutschland mit einer Unterschriftenaktion 1978 erfolgreich ihr Bleiberecht.[14] Seit dem 1. März 2020 werden im Rahmen des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes medizinische Pflegekräfte aus den Philippinen und Vietnam angeworben, erneut ohne die rechtliche Perspektive auf dauerhafte Niederlassung. Die Geschichte der Diskriminierung asiatischer Arbeitsmigrant*innen droht, sich zu wiederholen.
Zusätzlich migrierten vor dem Hintergrund des Vietnamkriegs und der vietnamesischen Wiedervereinigung ab 1975 über 40.000 Geflüchtete aus Vietnam in die Bundesrepublik. Tausende waren mit Booten über das Südchinesische Meer geflüchtet und wurden daher als „Boat People“ bezeichnet. Als Kontingentflüchtlinge erhielten sie und nachgezogene Familienmitglieder einen unbefristeten Aufenthaltstitel.[15]
Ein weiterer Teil kollektiver vietnamesischer Migrationsgeschichte ist die von der DDR staatlich organisierte Arbeitsmigration ab 1980. Die Vertragsarbeiter*innen, darunter ein Drittel Frauen, waren im Maschinenbau sowie in der Leicht- und Schwerindustrie beschäftigt. Sie sollten, ähnlich wie die Arbeitsmigrant*innen in der Bundesrepublik, für eine festgelegte Zeit dort arbeiten und sich nicht dauerhaft niederlassen. 1989 lebten und arbeiteten fast 60.000 vietnamesische Vertragsarbeiter*innen in der DDR. Bilaterale Abkommen wurden in geringerem Umfang auch 1982 mit der Mongolei sowie 1986 mit China und Nordkorea abgeschlossen.[16] Nach der Wende blieben knapp ein Drittel der vietnamesischen Vertragsarbeiter*innen in Deutschland, viele von ihnen kämpften jahrelang um Aufenthaltsgenehmigungen und ihre Existenzsicherung, bis 1997 mit der zweiten Bleiberechtsregelung im deutschen Ausländergesetz eine rechtliche Grundlage dafür geschaffen wurde.[17]
Die Geschichte der chinesischen Communities in Deutschland ist insbesondere für die Metropolen Hamburg und Berlin seit dem Ende des 19. Jahrhunderts dokumentiert. Um 1900 arbeiteten mehrere Tausend chinesische Heizer und Seeleute auf deutschen Dampfschiffen und ließen sich ab 1919 in Hamburg nieder, eröffneten Geschäfte, Restaurants und gründeten Familien. In den 1920er und 1930er Jahren studierten prominente chinesische Intellektuelle wie zum Beispiel der spätere Premierminister Zhou Enlai in Berlin.[18] Nach dem Beginn der Reform- und Öffnungspolitik in der Volksrepublik China unter Deng Xiaoping kamen ab 1980 immer mehr chinesische Studierende nach Berlin, gegenwärtig stellen Chines*innen an vielen deutschen Universitäten die größte Gruppe an ausländischen Studierenden.[19] Zudem leben Kulturschaffende, Wissenschaftler*innen und Geschäftsleute aus der Volksrepublik, Taiwan und Hongkong insbesondere in Berlin und haben dort Strukturen zur kulturellen Selbstrepräsentation wie das „Times Art Center“ etabliert, die für die Etablierung von Gegenperspektiven zu rassistischen Narrativen notwendig sind.
Antiasiatischer Rassismus und Covid-19
Die Verstärkung von antiasiatischem Rassismus im Kontext der Corona-Pandemie lässt sich vor dem Hintergrund (post)kolonialer Narrative zu „Asien“ historisch einordnen. Seit dem 19. Jahrhundert wird die „Gelbe Gefahr“ mit der Entstehung und Verbreitung von Epidemien wie der Pest, in der jüngeren Vergangenheit mit Infektionskrankheiten wie Sars (severe acute respiratory syndrome) verknüpft.[20] Das biologisch-medizinische Phänomen einer Pandemie wird rassifiziert und kulturalisiert; Ess‑, Wohn- und Hygienegewohnheiten werden als Teil einer imaginierten „asiatischen Kultur“ für die Entstehung und Verbreitung von Pandemien verantwortlich gemacht. Der historische und der aktuelle Diskurs unterscheiden sich jedoch in einem Aspekt: Während China früher als „traditionell“, „unzivilisiert“ und „unterentwickelt“ eingeordnet wurde, wird das Land inzwischen als eine für Europa ökonomisch, geopolitisch und technisch gefährliche Konkurrenz bewertet.[21]
Wenn also der „Spiegel“ seine Ausgabe zur Corona-Pandemie am 1. Februar 2020 mit dem Schriftzug „Made in China. Wenn die Globalisierung zur tödlichen Gefahr wird“ in gelber Farbe betitelt, drängen sich Vergleiche zu kolonialen Narrativen unmittelbar auf. Ähnliche Zuschreibungen erfolgten auch in anderen deutschsprachigen Medienbeiträgen zu Covid-19 implizit oder explizit.[22] Auf der Straße und im Internet wird asiatisch gelesenen Menschen zudem willkürlich ein „Chinesischsein“ zugeschrieben, um sie auf eine vermeintlich niedrigere soziale Position zu verweisen beziehungsweise ihnen eine Existenz in Deutschland abzusprechen. Auch die Erinnerungstafel für chinesische NS-Opfer in der Hamburger Schmuckstraße, in deren Nachbarschaft sich in den 1920er und 1930er Jahren das „Chinesenviertel“ Hamburgs befand, wurde nach dem Beginn der Corona-Pandemie von Unbekannten stark beschädigt.[23] Als Reaktion auf diese antiasiatischen Narrative und Übergriffe bildete sich aber auch medialer Widerstand. So ging beispielsweise im Mai 2020 die von asiatisch gelesenen Menschen initiierte interaktive, digitale Plattform „Ich bin kein Virus“ online.[24]
Die seit dem Beginn der Pandemie von asiatisch gelesenen Menschen erlebten Ausgrenzungen sind keine Einzelfälle. So ist es in Anbetracht der stark auf China fokussierten medialen Diskussion nicht überraschend, dass etwa 29 Prozent der Befragten die Verantwortlichkeit für die Corona-Pandemie zumindest teilweise in Asien – und dort insbesondere in China – sehen. Diese Einschätzung kann nicht ohne weitere Informationen als antiasiatischer Rassismus eingestuft werden, weist jedoch auf eine deutliche Verknüpfung der Pandemie mit Asien hin. Eine explizitere Verbindung zwischen negativen Stereotypen und zugeschriebener Verantwortlichkeit zeigt sich in der Annahme, dass asiatische Essgewohnheiten, etwa der vermutete Konsum von Fledermäusen, und mangelnde Hygienebedingungen, zum Beispiel durch sogenannte wet markets, auf denen Obst und Gemüse, frisch hergestellte Lebensmittel wie Nudeln, Sojaprodukte und Brotfladen, Fisch und Fleisch, zum Teil auch lebendes Geflügel und Seetiere verkauft werden, zum Ausbruch der Pandemie geführt hätten. Diese Wahrnehmung haben immerhin zehn Prozent aller Befragten.
In unserer Umfrage zeigte sich zudem, dass asiatisch gelesene Menschen (weiterhin) oft als „Vorzeigemigrant*innen“ wahrgenommen werden. Während wir substanzielle Differenzen in der Wahrnehmung von muslimischen Menschen und Deutschen ohne Migrationshintergrund finden, gibt es grundsätzlich keinen statistisch sicheren Unterschied zwischen der Beurteilung von asiatisch gelesenen Menschen und Deutschen ohne Migrationshintergrund. Durch die Pandemie scheint sich dieses Verhältnis zu ändern. So zeigen unsere Ergebnisse, dass Menschen, die die Verantwortung für die Pandemie in Asien verorten, asiatisch gelesene Menschen auch innerhalb Deutschlands grundsätzlich negativer wahrnehmen. Obwohl dabei keine klare kausale Abfolge zwischen der Zuschreibung der Verantwortlichkeit und negativen Wahrnehmungen getestet werden konnte, legen die Ergebnisse nahe, dass der Kontext der Pandemie antiasiatischen Rassismus aktiviert oder zumindest sichtbar(er) gemacht hat.
Neben Veränderungen der allgemeinen Wahrnehmung von asiatisch gelesenen Menschen interessierte uns auch, inwiefern die Corona-Pandemie den alltäglichen Umgang miteinander verändert hat. Deshalb wurden auch Alltagssituationen analysiert, etwa die Platzwahl in öffentlichen Verkehrsmitteln. Dabei wurden die Befragten mit der Situation konfrontiert, zwischen einem Platz neben einem asiatisch und einem als der „Normalbevölkerung“ angehörig gelesenen Menschen auswählen zu können.
Auch hier zeigte sich, dass die Corona-Pandemie das Verhalten der Menschen beeinflusst. Konfrontiert mit der Alltagssituation vor der Pandemie, wählten 51 Prozent aller Befragten den „asiatischen“ Sitznachbarn. Diese Auswahl lässt sich von einer zufälligen Entscheidung statistisch nicht unterscheiden, sodass – im Gegensatz zur Wahl anderer Sitznachbarn mit Migrationshintergrund[25] – keine klaren Ausgrenzungsmuster identifiziert werden können. Anders verhält es sich unter Corona-Bedingungen. Waren Menschen mit Masken abgebildet, wählten nur noch 46 Prozent aller Befragten den Sitzplatz neben den asiatisch gelesenen Menschen, sodass ein Vermeidungsverhalten identifiziert werden kann. Dieses Verhalten war besonders unter Menschen, die der AfD nahestehen, präsent. Sie bevorzugten unter Corona-Bedingungen zu fast 70 Prozent einen Weißen Sitznachbarn, während im Szenario ohne Maske dieser Anteil bei 53 Prozent liegt.
Die Ergebnisse dieser Umfrage zeigen, wie widersprüchlich, heterogen, aber auch fragil und kontextabhängig die Wahrnehmung asiatisch gelesener Menschen in der deutschen Gesellschaft ist. Im Vergleich zu anderen (post)migrantischen Gruppen erleben sie weniger häufig direkte Ablehnung und Ausgrenzung und werden von der „Normalbevölkerung“ positiver wahrgenommen. Die Ergebnisse zeigen aber auch, wie unsicher dieser Zustand ist. Bestehende Vorurteile und Ablehnungen können in realen oder imaginären Krisensituationen schnell aktiviert werden und zu kleinen und großen Ausprägungen von antiasiatischem Rassismus führen.
Ausblick
Die strukturelle Basis von Rassismus in der deutschen Gesellschaft lässt vermuten, dass auch zukünftig mit Ausbrüchen kollektiver antiasiatischer rassistischer Gewalt gerechnet werden muss.
Das Fortwähren von rassifizierten Zuschreibungen und deren Wirkungsweisen lässt sich unter anderem auf den Mangel an inhaltlicher und personeller Diversität in Institutionen zurückführen. Dieser besteht insbesondere in Hinsicht auf die Repräsentation von asiatischer Migration in der Wissenschaft, in Bildungsinstitutionen und ‑formaten, in den Medien und in der Kultur. Ohne die Schließung dieser Leerstellen lässt sich auch keine Sensibilisierung der Öffentlichkeit gegenüber antiasiatischem Rassismus nachhaltig gestalten, da sich kein Grundwissen etablieren kann. Zudem wurde die deutsche Kolonialpolitik in China zwar zum Teil wissenschaftlich untersucht,[26] jedoch politisch nicht aufgearbeitet.
Knapp zwei Wochen nach den rassistisch motivierten Morden in Hanau am 19. Februar 2020 wurde beim elften Integrationsgipfel im Bundeskanzleramt die Einrichtung eines Kabinettsausschusses gegen Rechtsextremismus und Rassismus beschlossen. Die Interessen der asiatisch-deutschen Communities sind durch den Verein „Korientation“ in der Bundeskonferenz der Migrantenorganisationen in diesem Ausschuss vertreten. Diese Vertretung ist ein erster Schritt einer Repräsentation auf der bundespolitischen Ebene.
Knapp eine Million asiatische Deutsche und Asiat*innen leben in Deutschland und sind potenziell von antiasiatischem Rassismus betroffen. Antiasiatischer Rassismus ist dabei nicht nur für asiatisch-gelesene Menschen relevant, sondern Teil und Symptom eines gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Systems. Dieses wird von hier lebenden Menschen vor dem Hintergrund eines spezifischen historischen Kontextes reproduziert. Die Verstärkung der Diskriminierung von asiatisch gelesenen Menschen in Zeiten der Corona-Pandemie macht eine öffentliche Positionierung von politischen Handlungsträger*innen und letztlich jeder Person, die Zeug*in einer Diskriminierung wird, notwendig. Weitere Studien und eine systematische Dokumentation von antiasiatischem Rassismus sind zudem unabdingbar, um diesen wirkungsvoller bekämpfen zu können.
Wir danken Noa K. Ha und Jonas Köhler für die hilfreichen Anregungen und Kommentare zu diesem Beitrag.
Fußnoten
1 Die Begriffe „Asien“ und „asiatisch“ werden sowohl als Kenntlichmachung einer Imagination Europas bzw. als Fremdzuschreibung durch Europäer*innen und andere Personen als auch für Menschen genutzt, die sich selbst als „asiatisch“, „asiatische Deutsche“ oder „asiatisch-diasporisch“ bezeichnen.
2 Vgl. Michael Keevak, Becoming Yellow. A Short History of Racial Thinking, Princeton–Oxfordshire 2011.
3 Rassismus wird in diesem Beitrag nicht als persönliche oder politische Einstellung, sondern als „institutionalisiertes System, in dem soziale, wirtschaftliche, politische und kulturelle Beziehungen für weißen Alleinherrschaftserhalt wirken“, verstanden. Noah Sow, Rassismus, in: Susan Arndt/Nadja Ofuatey-Alazard (Hrsg.), (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk, Münster 2019, S. 37.
4 Zit. nach Mechthild Leutner/Harald Bräuner, „Im Namen einer höheren Gesittung“. Die Kolonialperiode, 1897–1914, in: Mechthild Leutner/Dagmar Yü-Dembski (Hrsg.), Exotik und Wirklichkeit. China in Reisebeschreibungen vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, München 1990, S. 41–52.
5 Vgl. Kien Nghi Ha, Chinesische Präsenzen in Berlin und Hamburg bis 1945, in: ders. (Hrsg.), Asiatische Deutsche. Vietnamesische Diaspora and Beyond, Berlin–Hamburg 2012, S. 280–287; Dagmar Yü-Dembski, Chinesenverfolgung im Nationalsozialismus. Ein weiteres Kapitel verdrängter Geschichte, in: Bürgerrechte & Polizei 3/1997, S. 70–76.
6 Vgl. Noa K. Ha, Vietdeutschland und die Realität der Migration im vereinten Deutschland, in: APuZ 28–29/2020, S. 30–34; Dan Thy Nguyen, Rechte Gewalt, die DDR und die Wiedervereinigung, in: Bengü Kocatürk-Schuster et al. (Hrsg.), Unsichtbar. Vietnamesisch-Deutsche Wirklichkeiten, Köln 2017, S. 6–23.
10 Zum aktuellen Kontext vgl. Sumi K. Cho, Converging Stereotypes in Racialized Sexual Harassment. Where the Model Minority Meets Suzie Wong, in: The Journal of Gender, Race and Justice 1/1997, S. 178–211. Zu historischen Entwicklungen vgl. Mechthild Leutner, „Schlitzäugige Schöne“ und „gehorsame Dienerin des Mannes“. Deutsche Bilder von chinesischen Frauen in der Kolonialperiode, in: dies./Marianne Bechhaus-Gerst (Hrsg.), Frauen in den deutschen Kolonien, Berlin 2009, S. 194–204.
12 Wir bedanken uns bei Jonas Köhler für die tatkräftige Hilfe bei der Kodierung.
13 Vgl. Urmila Goel, Wer sorgt für wen auf welche Weise? Migration von Krankenschwestern aus Indien in die Bundesrepublik Deutschland, in: Beate Binder et al. (Hrsg.), Care: Praktiken und Politiken der Fürsorge. Ethnographische und geschlechtertheoretische Perspektiven, Opladen 2019, S. 97–109; Florian Pölking, Schlaglichter auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ehemaliger koreanischer Bergarbeiter und Krankenschwestern in Deutschland, in: Yong-Seoun Chang-Gusko/Nataly Jung-Hwa Han/Arnd Kolb (Hrsg.), Unbekannte Vielfalt. Einblicke in die koreanische Migrationsgeschichte in Deutschland, Köln 2014, S. 42–69; You Jae Lee/Sun-ju Choi, Umgekehrte Entwicklungshilfe. Die koreanische Arbeitsmigration in Deutschland, in: Kölnischer Kunstverein et al. (Hrsg.), Projekt Migration, Köln 2005, S. 735–742.
15 Vgl. Phi Hong Su/Christina Sanko, Vietnamesische Migration nach Westdeutschland. Ein historischer Zugang, in: Kocatürk-Schuster et al. (Anm. 6), S. 6–23.
16 Vgl. Mike Dennis, Vietnamesische Migration in den 1980er Jahren: Arbeiten in einem kommunistischen Paradies, in: Kocatürk-Schuster et al. (Anm. 6), S. 78–97; Ann-Judith Rabenschlag, Arbeiten im Bruderland. Arbeitsmigranten in der DDR und ihr Zusammenleben mit der deutschen Bevölkerung, 15.9.2016, http://www.bpb.de/233678«.
17 Vgl. Karin Weiss, Vietnamesische „Vertragsarbeiter*innen“ der DDR seit der deutschen Wiedervereinigung, in: Kocatürk-Schuster et al. (Anm. 6), S. 111–125.
18 Vgl. Kien Nghi Ha, Chinesische Präsenzen in Berlin und Hamburg bis 1945, in: ders. (Hrsg.), Asiatische Deutsche. Vietnamesische Diaspora and Beyond, Berlin–Hamburg 2012, S. 280–287.
19 Im Wintersemester 2018/2019 gab es an Hochschulen in Deutschland 42676 Studierende aus China. Vgl. Statista, Anzahl der ausländischen Studierenden an Hochschulen in Deutschland im Wintersemester 2018⁄19 nach Herkunftsländern, Oktober 2019, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/301225«.
21 Vgl. Christos Lynteris, Yellow Peril Epidemics: The Political Ontology of Degeneration and Emergence, in: Franck Billé/Sören Urbansky (Hrsg.), Yellow Perils. China Narratives in the Contemporary World, Honolulu 2018, S. 35–59
25 So würden z.B. nur 44 Prozent aller Befragten einen Schwarzen statt einen Weißen Sitznachbarn auswählen. „Schwarz“ wird hier großgeschrieben, um auf die Selbstbezeichnung der Schwarzen Menschen in Deutschland und, ebenso wie beim Wort „Weiß“, auf die Konstruiertheit von Ethnizität zu verweisen.
26 Für einen Überblick vgl. Mechthild Leutner, Kiautschou: Deutsche „Musterkolonie“ in China?, in: Ulrich van der Heyden/Joachim Zeller (Hrsg.), „… Macht und Anteil an der Weltherrschaft“. Berlin und der deutsche Kolonialismus, Münster 2005, S. 203–212.
„The Bubbly T’s“ teilen heute den Radiobeitrag der Ini Postmigrantisches Radio zum ersten Jahrestag von Hanau.
„Wir, das ist die Initiative Postmigrantisches Radio, möchten einen Teil dazu beitragen, das Gedenken und Erinnern an die Menschen, die beim Terroranschlag in Hanau am 19. Februar ums Leben kamen, für alle Menschen möglich sein kann und nicht vergessen wird. Wir möchten auch dazu beitragen, dass die Wünsche und die politischen Forderungen der Angehörigen und Betroffenen erfüllt werden. Dafür haben wir einen Radio Beitrag zusammengestellt, mit dem wir erinnern wollen, dass der 19. Februar kein normaler Tag für die meisten Menschen in Deutschland mehr sein wird. Wir bitten euch, wenn möglich diesen 5 minütigen Radiobeitrag in euren Radios zu spielen/auf euren Plattformen hochzuladen.
Ein paar Worte zu unserer Initiative: Wir sind eine Gruppe von Menschen, die sich über das Medium des Radios kritisch mit Herrschafts- und Machtstrukturen der weißen Mehrheitsgesellschaft auseinander setzt. Wir bezeichnen uns als postmigrantisch, migrantisch, queer, kanackisch, BPOC und repräsentieren all das, wovor die AFD und Horst Seehofer Angst haben. Wir sind die Gesellschaft der Vielen, die die Differenz zum Ausganspunkt unseres Schaffens macht und diese Unterschiede im Radio über Diskurs, Politik, Musik und Pop-Kultur zum Thema machen will. Der Jingle soll im Rahmen unsere derzeitigen Möglichkeiten ein Beitrag dazu leisten das Erinnern an Hanau Bundesweit zum Thema zu machen und daran zu erinnern das wir alle dafür verantwortlich sind, dass es kein weiteres Hanau geben wird.“
Von Hoyerswerda nach Hanau – rechter Terror und struktureller Rassismus waren nie Einzelfälle. Wir fühlen mit den Angehörigen und Freund*innen der Opfer von Hanau und fordern lückenlose Aufklärung! We remember and we won’t forget.
wir hoffen, Ihr konntet 2020 mit all seinen herausfordernden, hoffentlich aber auch mit einigen schönen Momenten hinter Euch lassen. Gemeinsam mit Thea und Thủy-Tiên, die den neuen korientation Podcast „The Bubbly Ts“ hosten, haben wir passend zum Jahreswechsel unsere Themen der vergangenen 12 Monate Revue passieren lassen – weiter unten im Newsletter verraten wir Euch, wo Ihr Euch alle Folgen des Podcasts anhören könnt. 🙃
Und statt langer einführender Worte kommen wir damit auch direkt zu den zahlreichen News für das neue Jahr aus dem korientation-Kosmos.
Am 5. Dezember fand unsere alljährige Mitgliederversammlung plus Vorstandnachwahl statt. Wir möchte uns an dieser Stelle nochmal bei den ehemaligen Vorstandspersonen Thao Nguyen, Liên Grützmacher und Thao Ho für all die Energie und Euer Engagement in den letzten Jahren danken, mit dem Ihr die korientation Welt bunter gemacht habt. 🙏
Vor allem aber freuen wir uns alldenjenigen, die nicht an der Mitgliederversammlung teilnehmen konnten unseren neuen Vorstand vorzustellen: ✨ Neben Sun-Ju Choi werden uns ab jetzt Lizza May David und Jeasuthan Nageswaran mit ihren Perspektiven bereichern. ✨ Damit Ihr wisst mit wem Ihr es zu tun habt, hier noch ein paar Worte zu den beiden:
Jeasuthan positioniert sich als Person of Color, ist in Berlin geboren und hat tamilische Wurzeln. Als Pädagoge und Diversity-Trainer arbeitet er im Bereich der politischen Bildungsarbeit. Seine Schwerpunkte sind Migration, Rassismuskritik und Erlebnispädagogik. Bei korientation möchte er vor allem einen Fokus darauf legen, wie communityübergreifende Solidarität unter Asiat:innen mit unterschiedlichen Bezügen und auch in der BIPoC-Community insgesamt praktisch aussehen kann. Lizza ist Künstlerin (Berlin/Manila) mit den Schwerpunkten Malerei und visuelle Medien. Sie arbeitet zu Themen im Kontext der philippinischen Diaspora. In ihren Werken bezieht sie sich auf Archive und Politiken der Bild- und Wissensproduktion. Ihre Arbeiten wurden in den letzten Jahren u.a. in Berlin, London, Seoul und Manila gezeigt und umfassen Ausstellungen, Installationen, Screenings und Performances. Mehr zu Lizzas Arbeiten findet Ihr auf www.lizzamaydavid.com.
Videomitschnitt zur digitalen Panelveranstaltung „In the Name Of“ – Diskussion zu Begriffen und Positionierungen der Asiatisch-Deutschen Communities
Vielleicht erinnert Ihr Euch noch an die Veranstaltungsankündigung im Juni letzten Jahres oder wart sogar selber eine der knapp 100 Personen, die sich innerhalb weniger Tage dafür angemeldet und teilgenommen haben.
Sun-Ju vom korientation Vorstand hat mit Saraya Gomis von Each One Teach One (EOTO) e.V., Noa K. Ha, jetzt DeZIM und Saboura M. Naqshband vom Kollektiv Berlin Muslim Feminists (BMF) über Fragen wie „Wie reden wir selbst über uns und über die Phänomene von Rassismus?“ „Wie wird über uns gesprochen?“ „Wo bzw. wie positionieren wir uns?“ diskutiert. Moderiert wurde die Veranstaltung von Seehofers BFF Ferda Ataman von den ndo, mit denen wir das Panel gemeinsam veranstaltet haben.
Das Video plus Transkription findet Ihr nun auf www.korientation.de/in-the-name-of. Wir hoffen die Diskussion zum komplexen Thema Selbstbezeichnungen dieses Jahr in ähnlichen Formaten weiterzuführen.
Inputs zu Rassismus gegen südost-/ostasiatisch gelesene Menschen – Wo wir waren und wo Ihr uns in der nächsten Zeit finden könnt
Mit dem Ausbruch der Pandemie ist das Thema anti-asiatischer Rassismus (bzw. spezifischer: Rassismus gegen südost-/ostasiatisch gelesene Menschen) immer mehr an die Oberfläche gerückt. Nicht nur wir, sondern auch viele andere Organisationen, die sich in der Antidiskriminierungsarbeit engagieren haben dabei gemerkt, dass in diesem Bereich noch sehr viel Wissen und Auseinandersetzung fehlt.
Weitere Veranstaltungen, zu denen wir mit unseren Perspektiven beitragen werden:
6. März 2021, 21–23 Uhr: „Confronting COVID-19 racism: Asian Diaspora Organizing and Transnational Solidarity“, den Link zur Veranstaltung bekommt Ihr von Kimiko über kimiko at korientation.de
(Internationale) Wochen gegen Rassismus 2021
17. März in Karlsruhe
26. März in Freiburg
In der Woche vom 22.–26. März in Krefeld
In der Woche vom 17.–22. Mai in Würzburg
MEDIENAKTIVISMUS
korientation proudly presents „The Bubbly Ts“ – den Podcast von und mit dem Medienaktivismus-Team
Der Podcast „The Bubbly Ts“ ist ein ehrenamtlich durchgeführtes Projekt, das aus der AG Medienaktivismus des Vereins entstanden ist und beschäftigt sich mit Themen über Medien, Kultur und Politik aus Asiatisch-Deutschen Perspektiven – manchmal mit, manchmal ohne Gäst:innen. Gehostet wird der Podcast von Thea Suh – Musikwissenschaftlerin, Projektmanagerin in einer Werbeagentur und Ownerin desPodcast DonnaSori – und Thủy-Tiên Nguyễn, eine queere Asiatische Deutsche und Viet-Deutsche Aktivistin, freie (Tanz-)Theaterpädagogin und Lehramtsstudentin. Als Teil des „The Bubbly Ts“-Redaktionsteams sind außerdem Sandy und Victoria am Podcast beteiligt.
Aktuell findet unser von Thea Suh innitierter und vom Medienaktivismus-Team umgesetzter Twitter Takeover statt. Die Autorin, Stand-up-Comedian, unermüdliche Kämpferin gegen Rassismus 🙌🏽Jasmina Kuhnke🙌🏽 aka @ebonyplusirony aka @quattromilf ist so krass solidarisch und leiht uns bis zum Lunar New Year am 12. Februar ihren Twitter Account und hilft uns Asiatisch-Deutsche Perspektiven zu boosten.
Supportet Jasmina mit Eurer Follower:innenschaft, denn jeder Like für Black Content ist ein Like gegen rechte Hater (und von denen hat sie definitiv zu viele an der Backe)! Und checkt auf jeden Fall die vielseitigen Beiträge, die nach unserem Call for Content aus der Community eingereicht wurden, es lohnt sich!
Nachdem wir unser Arbeitsjahr am 19. Dezember mit unserem Online Seminar zu anti-asiatischem Rassismus abgeschlossen haben, geht es in diesem Jahr mit weiteren MEGA Aktivitäten weiter – hoffentlich nicht ausschließlich digital, sondern bei schönem Wetter vielleicht auch mal draußen.
Geplant sind mehrere Vernetzungstreffen, ein digitaler Podcast Workshop (voraussichtlich im März), ein Kurzfilmscreeningbeim CLINCH Festival in Hannover (voraussichtlich am 22.+23. Mai), ein Seminar zu lebensgeschichtlichen Interviews in Hamburg, ein Veranstaltungsformat zum Thema Gender und Asiatisch-Deutschsein, ein Kurzfilm Workshop in Berlin, ein Veranstaltungsformat zum Thema Erinnerungskultur und Gedenken an 30 Jahre Hoyerswerda (voraussichtlich im September, zusammen mit dem Museum FHXB) und mehr.
Wir werden Euch selbstverständlich über Newsletter, Website und unsere Social Media Kanäle über die konkreten Termine auf dem Laufenden halten – also stay tuned!
BEMERKENSWERT
Asiatisch-Deutsche Perspektiven in Film, TV, Kunst und Kultur
Webserie DRUCK: Die Serie richtet sich an 14- bis 20-Jährige und bedient alle wichtigen Themen dieser prägenden Lebensphase: die erste Liebe, Freundschaften mit allen Höhen und Tiefen, den Leistungsdruck in der Schule, Outings, die zunehmende Abgrenzung von der Familie, Mobbing und vieles mehr.
Asiatisch-Deutsche Repräsentation beimFilmfestival Max Ophüls Preis 2021: JACKFRUIT/Thùy Trang Nguyễn, TALA’VISION/ Murad Abu Eisheh, ECHO (YANKI)/Hazal Kara, BA HAM/Shahab Habibi, MEIN VIETNAM/Thi Hien Mai, Tim Ellrich.
RESIST! Die Kunst des Widerstands: Die Ausstellung beleuchtet 500 Jahre antikolonialen Widerstand im Globalen Süden und erzählt über koloniale Unterdrückung und ihre Auswirkungen bis heute.
Artist Talk / Online / Performance (26.–28. Februar): „Home Away From Home“ erzählt von der globalen Dimension von Arbeitsmigration und transkultureller Realität, berichtet von Zerrissenheit und struktureller Gewalt, ergründet gleichzeitig aber auch übergreifende, menschliche Kategorien von Heimat, Identität und Glück.
Online Screenings PARS PRO TOTO by peer to space: Pars Pro Toto is peer to space’s online series showcasing video art works which focus on very personal stories narrated by the artist or by the protagonist. The works are embedded in a thematic context of cultural, social, political, or environmental issues. A new iteration focusing on a further topic will be released quarterly.
Podcasts
Acca Pillai: Über tamilische Kultur, Tradition und was dahinter steckt.
Hamam Talk: Im Hamam-Talk-Podcast quatschen Sarah und Linda alle drei Wochen über Identität, Politik, Kultur, Sexualität, Rassismus – kurz: einfach über alles was unsere Gesellschaft gerade bewegt.
Anti-was? Dîlan spricht mit ihren Gäst:innen über Antifaschismus, Antirassismus, den kurdischen Freiheitskampf und vieles mehr.
X3 Podcast:Der erste Podcast zum Thema Russlanddeutsche und zur Postsowjet-Community in Deutschland und ein Produkt des X3 Kollektivs, bestehend aus Helena Melikov, Julia Boxler und Ani Menua.
Yvonne kommentiert: Yvonne ist chinesische Deutsche und kommentiert ihre Rassismuserfahrungen in Deutschland.
Bin ich süßsauer?Ein Interviewpodcast mit queeren asiatischen Personen in Deutschland.
Maangai – let s talk ! – Was bedeutet es Südasiatisch und queer im deutschsprachigen Raum zu sein? (voraussichtliche Veröffentlichung der ersten Folge im März 2021 – über die üblicher Podcastplattformen)
Bleibt mit uns in Kontakt und schreibt uns, wenn Ihr Ideen und Anregungen für unsere Arbeit habt oder etwas in unseren Newsletter aufnehmen lassen wollt!
Den nächsten Newsletter gibt’s dann Anfang nächsten Monat und ein wenig später dann auch auf dieser Webseite!
Zur Folge: Am 30.01.2020 haben die „Bubbly T’s“ Hosts Thea und Thủy-Tiên in einem Clubhouse Talk über anti-asiatischen Rassismus in der Politik und in den Medien, über Hatespeech und rassistische Angriffe sowie über Fake Allyship gesprochen. Damit das Gespräch für weitere Menschen zugänglich sein kann, haben die beiden während des Talks ihre eigenen Stimmen aufgenommen und veröffentlichen hiermit eine LIVE Podcastfolge. Viel Spaß beim Zuhören!
Übrigens: „The Bubbly T’s“ ist ein Podcast-Projekt von korientation, das von ehrenamtlichen Mitgliedern des Vereins konzipiert, redaktionell betreut und umgesetzt wird. –> Mehr Infos zum Podcast
Rassismus hat viele Gesichter, die sich je nach betroffener Gruppe in unterschiedlichen Bildern, Benachteiligungen und Gewalt zeigen.
In unserem Online-Seminar haben wir uns speziell mit dem Rassismus, den südost-/ostasiatisch gelesene Personen in Deutschland erleben, beschäftigt. Dieser richtet sich nicht ausschließlich gegen Menschen mit tatsächlichen Bezügen zu Südost-/Ostasien, sondern betrifft auch Personen, die als südost-/ostasiatisch eingeordnet werden, aber Bezüge zu anderen asiatischen Ländern und Regionen haben. Wir haben uns angeschaut, wie Rassismus funktioniert, wo er uns in unserem Alltag berührt und wie er historisch, kulturell und gesellschaftlich in Deutschland (ein)gewachsen ist.
Es war uns dabei wichtig, im Blick zu behalten, dass es auch immer schon asiatische Menschen und Gruppen gab, die in Deutschland Widerstand gegen Unterdrückung geleistet haben, sei es im Kampf gegen Kolonialismus, Sexismus oder Rassismus. Dabei haben wir uns Wissen über Asiatisch-Deutsche Geschichte/n angeeignet, rassistische Bilder und Strukturen als menschengemacht durchschaut, unsere eigenen Erfahrungen in einen größeren Kontext eingeordnet und uns mit anderen darüber ausgetauscht.
Für wen war der Workshop?
Der Workshop richtete sich an alle Menschen im Alter zwischen 17 und 27 Jahren, die sich als Asiatisch-Deutsch und/oder BPoC mit Bezügen zu Asien identifizieren oder sich davon angesprochen fühlen.
Die Anzahl war auf 15 Teilnehmende begrenzt.
Weshalb die Teilnehmendenbeschränkung bei einer Online-Veranstaltung?
Da wir mit dem Workshop einen Raum öffnen wollten, in dem jede Person gut und individuell arbeiten kann, haben wir die Teilnehmendenzahl begrenzt. Bei den Gruppenzusammensetzungen haben wir versucht, vor allem diejenigen zu berücksichtigen, die aufgrund ihrer Positionierung oder räumlichen Verortung weniger einfachen Zugang zu Empowerment-Räumen haben.
Referent*innen
Der Workshop wurde von Jee-Un Kim, Minh Anh Bùi, Kimiko Suda und Sina Schindler aus dem MEGA: Media and Empowerment for German Asians Projektteam von korientation geleitet.
ANMELDUNG: bis zum 9. Dezember 2020 (geschlossen)
WORKSHOP-TERMIN: Samstag, 19. Dezember 2020 UHRZEIT: 11.00 – 16.15 h inklusive Mittagspause (45 min.) WO: Digital via Zoom-Konferenz (Link wird zugeschickt) SPRACHE: Deutsche Lautsprache
Projekt MEGA
„MEGA“ steht für „Media and Empowerment for German Asians“. Das Projekt hat zum Ziel, Asiatische Deutsche darin zu bestärken, ihre eigenen Geschichten und Erfahrungen aufzuarbeiten, einzuordnen, zu erzählen und sichtbar zu machen. Das (mediale) Bild von Asiatisch-Deutschen Menschen soll durch selbstbestimmte Bilder und Beiträge besetzt und diversifiziert werden. Im Rahmen des Projekts MEGA wird eine Kombination von unterschiedlichen Bildungsformaten entwickelt, um unterschiedliche Bereiche medialer Repräsentation abzudecken.
Diese Veranstaltung wird im Rahmen des Modellprojekts MEGA durchgeführt. MEGA wird durch das BMFSFJ im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ und durch die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales von Berlin im Rahmen des Partizipations- und Integrationsprogramms gefördert.
Zwischen dem 22. und 26. August 1992 griffen bis zu Tausend Rechtsextremist*innen zunächst die Zentrale Aufnahmestelle (ZAST) für Asylsuchende an, in der sich vor allem geflüchtete Rom*nja-Familien aufhielten. Nach der Räumung der ZAST verlagerte sich das Pogrom auf ein Wohnheim für ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiter*innen, das am Abend des 24. August in Brand gesetzt wurde. Die etwa 115 Vietnames*innen, darunter Kleinkinder und Hochschwangere, konnten sich zusammen mit einem ZDF-Fernsehteam und dem Rostocker Ausländerbeauftragten mit knapper Not vor dem Tod durch Rauchvergiftung in ein Nachbargebäude retten. Zum Höhepunkt des Pogroms herrschte eine volksfestartige Stimmung mit rasch aufgebauten Bier- und Imbissbuden. Bis zu 3.000 Schaulustige bejubelten die rassistische Gewalt und feuerten die bundesweit angereisten Täter*innen an. Während die Angegriffenen in der Folgezeit fast alle abgeschoben wurden und die ZAST dauerhaft geschlossen blieb, verlief die politische Aufarbeitung und strafrechtliche Verfolgung sehr schleppend. Da während des Pogroms nur wenige beweissichernde Festnahmen erfolgten, wurden am Ende nur 40 Täter*innen meist zu geringen Geld- und Bewährungsstrafen verurteilt. Am 6. Dezember 1992 beschloss der Deutsche Bundestag mit den Stimmen von CDU, CSU, FDP und SPD das Grundrecht auf Asyl stark einzuschränken.
Kien Nghi Ha im Interview am 24.08.2020 mit Katharina Dehn (ndo)
Was sind deine Erinnerungen an Rostock-Lichtenhagen und die Zeit davor und danach?
Ich lebte damals als junger Student der Politikwissenschaft in Berlin und mit der Zeit machte ich mir immer weniger Illusionen über die deutsche Gesellschaft. Ich wuchs eigentlich mit dem Wunsch auf, anerkannter Teil der deutschen Gesellschaft zu sein und wollte wie viele Menschen of Color einfach wie selbstverständlich dazu gehören. Ich wollte Deutschland gerne haben und hier entspannt leben.
Aber das Pogrom gegen die vietnamesische Community in Rostock-Lichtenhagen geschah ja nicht im gesellschaftlichem und politischem Vakuum. Je nationalistischer der deutsche Wiedervereinigungsprozess eskalierte und je stärker die rassistischen Exzesse in den Parlamentsdebatten und die aufhetzende Medienberichterstattung über die angebliche „Asylantenflut“ wurden, desto wachsamer und politischer wurde ich. Ich habe in dieser Zeit so viel über die Weiße deutsche Gesellschaft gelernt und hatte das Gefühl, erstmals hinter die Maske der liberal-bürgerlichen Idylle zu blicken. Was ich dann in Rostock-Lichtenhagen ungeschminkt sah, war ein rassistischer Abgrund, der blanke Horror. So viel massenhafter dumpfer Hass gepaart mit dem selbstverliebten Selbstbild als aufgeklärte Nation der Dichter, Denker und Biertrinker. Die live im Fernsehen übertragenen Bilder von dem brennenden Sonnenblumenhaus, das tagelang wie bei einer mittelalterlichen Belagerung sturmreif angegriffen wurde, waren einfach unfassbar: Es sprengte alles, was ich mir bis dahin vorstellen konnte im modernen, angeblich so zivilisierten und demokratisch-rechtsstaatlichen Deutschland. Rostock-Lichtenhagen war für mich ein erneuter Zivilisationsbruch! Meine Gefühle waren eine bizarre und widersprüchliche Mischung aus absoluten Unglauben, Entsetzen, Abscheu, Wut, Trauer, Hilfslosigkeit und Trotz. In der unmittelbaren Situation wusste ich mir nicht besser zu helfen als einen Leserbrief an die taz zu schreiben.
Was ich in diesen Jahren ebenfalls erlebte und was mich bis heute prägt, war aber auch die Erfahrung in migrantischen, antirassistischen Zirkeln von People of Color, dass selbstorganisierter Widerstand möglich ist, dass wir solidarische Strukturen aufbauen können und trotz unserer beschränkten Mittel nicht wehrlos sind.
Haben die rassistischen Angriffe von Rostock-Lichtenhagen dich geprägt? Wenn ja, wie?
Die Bilder des Pogroms, das Wissen, wie der Staat und seine Institutionen darauf reagierten bzw. eher nicht reagierten, haben mein Deutschlandbild grundsätzlich in Frage gestellt. Bereits zu wissen, dass Rostock-Lichtenhagen möglich war und ein neues rassistisches Pogrom jederzeit und überall in Deutschland möglich ist, veränderte die Art und Weise, wie ich mich in Deutschland bewege, fühle und lebe. Ich stellte mir Fragen und schlug mich mit Unsicherheiten und Zweifeln herum, die ich früher nicht hatte. Wo war es noch sicher, wohin konnte ich gehen und wenn ja, wann? Ich machte mir natürlich auch Sorgen um meine Familie und Freund*innen, weil es ja offensichtlich war, dass die rassistische Gewalt allgegenwärtig ist und wir jederzeit damit rechnen müssen.
Welches Bild von der Polizei hat sich damals für dich ergeben?
Rostock-Lichtenhagen war möglich, weil die regierende politische Elite und eine Vielzahl der demokratisch gewählten Volksvertreter*innen nicht nur komplett versagten, sondern ihre diskriminierenden und unbarmherzigen Attacken gegen das Grundrecht auf Asyl einen rassistischen Flächenbrand entzündeten. Die Polizei – wie viele andere staatliche Institutionen – gaben während des Pogroms ein jämmerliches Bild ab, weil sie so offensichtlich hilflos, orientierungslos und kopflos agierte und ihre komplette Überforderung die rassistische Gewalt nicht nur zuließ, sondern auch befeuerte. Trotz wiederholter Anforderungen wurden die Einsatzkräfte vom zuständigen Innenministerium mit viel zu wenig Personal ausgestattet, und es gibt ernstzunehmende Indizien, dass chaotische Zustände durchaus ins politische Kalkül passten, um den parlamentarischen Restwiderstand gegen eine de facto Abschaffung des Asylgrundrechts in der Verfassung zu brechen.
Gegenwärtig wird das Thema Polizeigewalt und Racial Profiling diskutiert. Was ist dein Wunsch an die Politik und die Polizei heute?
Wir brauchen wissenschaftliche Studien über das Ausmaß von Racial Profiling nicht nur in der Polizeiarbeit, sondern in allen staatlichen Institutionen und Verwaltungen. Wie Polizist*innen treffen auch Mitarbeiter*innen in Behörden wie der Arbeitsagentur oder dem Bundesamt für Migration und Integration Entscheidungen, die das Leben von Menschen of Color und Geflüchteten massiv beeinflussen. Daher müssen wir sicherstellen oder zumindest alle erdenklichen Mittel einsetzen, um den Einfluss von rassistischen Diskriminierungen und Vorurteilen in der öffentlichen Daseinsfürsorge möglichst auszuschließen oder mindestens zu minimieren. Dass aber bereits die Zweckmäßigkeit und Legitimität solcher Studien vom Bundesinnenministerium irrationaler Weise verneint wird, beweist nur erneut, dass institutioneller Rassismus real existiert. Solche Studien wären auch sinnvoll, um bereits laufende Maßnahmen wie Antidiskriminierungstraining und Vermittlung von Diversitätskompetenz zielgerichteter und effektiver zu machen. Auch muss unverzüglich eine wirklich unabhängige wie unparteiische Instanz mit weitreichenden Befugnissen eingerichtet werden, um Beschwerden gegen Polizeiübergriffe und Racial Profiling effektiv aufzuklären und ggf. strafrechtliche Konsequenzen einzuleiten. So weiter zu machen wie bisher macht absolut keinen Sinn, da die Polizei solche Ermittlungen selbst kontrolliert. Daher müsste die Arbeit einer neu einzurichtenden Ermittlungsinstanz nach dem Beispiel des Rundfunkrats der öffentlich-rechtlichen Medien von einem Gremium kontrolliert werden, in dem zivilgesellschaftliche Akteure wie Gewerkschaften, Kirchen, Frauenverbände und natürlich auch Migrant*innenselbstorganisationen paritätisch vertreten sind.
Wie hast du die damalige mediale Berichterstattung erlebt? Wie schätzt du die mediale Berichterstattung in Bezug auf rassistische Gewalt heute ein? Hat sich aus deiner Sicht etwas verändert? Was muss sich verbessern?
Wie wissenschaftliche Fallstudien belegen, war die mediale Berichterstattung in den 1990er Jahren in diesem Diskursfeld nicht nur defizitär und einseitig, sondern zum Teil auch vorurteilsbelastet und diskriminierungsfördernd, so dass diese Epoche auch branchenintern nicht als Ruhmesblatt in Erinnerung geblieben ist. Verglichen mit diesem journalistischen Tiefstand sieht die mediale Berichterstattung heute zum Teil besser aus, aber um wirklich belastbare und differenzierte Aussagen zu machen, müssten wir fall- und auch immer kontextabhängig analysieren. Dass es partielle Lernprozesse in den deutschen Redaktionen gegeben hat, liegt auch an der Kritik von postmigrantischen Initiativen wie den „Neuen Deutschen Medienmacher*innen“. Auch die vielfältigen Gegennarrationen etwa von People of Color-Initiativen und antirassistischen Organisationen, aber auch von Einzelpersonen in den unterschiedlichsten Formaten im Internet spielen eine Rolle, da sie das Informationsmonopol der etablierten Medienhäuser aufbrechen. Im Asiatisch[1]-diasporischen Kontext in Deutschland sind mit Organisationen wie „korientation – Netzwerk für asiatisch-deutsche Perspektiven“ auch neue Strukturen entstanden, die eine Plattform für kultur- und medienkritische Arbeit etwa zum aktuell virulenten Corona-Rassismus gegen Asiatisch markierte Menschen bildet.
Wie sollte die Gesellschaft mit den rassistischen Angriffen in Rostock-Lichtenhagen umgehen? Was wurde versäumt? Was vermisst oder forderst du? Gibt es irgendetwas Positives, dass du hervorheben möchtest?
In Zeiten, wo kulturelle Dekolonialisierung und die breitere Auseinandersetzung mit institutionellem Rassismus auf der Tagesagenda steht, wäre es für alle an der Zeit zur Kenntnis zu nehmen, wie unverantwortlich und sträflich vernachlässigend die offizielle Erinnerungskultur mit dem Gedenken an Rostock-Lichtenhagen immer noch umgeht. Es ist ein böser Witz, wenn Medien und staatliche Repräsentant*innen 2012 zum 20. Jahrestag erstmalig ein wahrnehmbares offizielles Gedenken inszenieren, wo Vertreter*innen der lokalen vietnamesischen Community erst im letzten Moment herbei gekarrt werden, um dann gänzlich stumm als schmückendes Beiwerk zu fungieren. So verkommt das leere und diskriminatorische Gedenken, wo die Betroffenen nicht mal in der Vorbereitungsarbeit einbezogen werden, zu einem bloß symbolischen Ritual der politischen Entlastung. Damit wird politische Verantwortung nicht übernommen, sondern abgeführt mit dem Verweis „Wir haben was gemacht“. Statt auf den 30. Jahrestag zu warten, müsste das Gedenken in Form einer kontinuierlichen Bildungs- und Erinnerungsarbeit erfolgen, die über die historisch-kulturellen Voraussetzungen, den konkreten Tatablauf sowie die politischen und gesellschaftlichen Kurz- und Langzeitfolgen des größten Pogroms seit 1945 in Deutschland aufklärt. Das kann nur eine museale Institution mit Dauerausstellung, begleitenden Seminaren und Diskussionen zu verwandten Themen wie etwa struktureller Rassismus in der offiziellen Erinnerungskultur: Warum gibt es auch nach 40 Jahren immer noch keinen einzigen offiziellen Gedenkort oder Straßennamen für Đỗ Anh Lân und Nguyễn Ngọc Châu, die am 22. August 1980 in Hamburg von organisierten Rechtsextremist*innen ermordet wurden? Sie gelten als die ersten gerichtlich dokumentierten rassistischen Mordopfer in der BRD seit 1945. Aber um mit einer positiven Nachricht zu schließen: Erstmalig wird Ende August 2020 die aus Privatpersonen bestehende „Initiative für ein Gedenken an Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân“ auf dem Hamburger Friedhof Öjendorf einen Gedenkstein einweihen, da ihre Gräber dort bereits aufgelöst wurden.
Kien Nghi Ha, promovierter Kultur- und Politikwissenschaftler, arbeitet als Publizist und Dozent in Berlin. Seine Monografie Unrein und vermischt. Postkoloniale Grenzgänge durch die Kulturgeschichte der Hybridität und der kolonialen „Rassenbastarde“ (transcript 2010) wurde mit dem Augsburger Wissenschaftspreis für Interkulturelle Studien 2011 ausgezeichnet. Im Herbst 2020 gibt er die erweiterte Neuauflage von Asiatische Deutsche. Vietnamesische Diaspora and Beyond (Assoziation A) heraus. Er ist auch Mitherausgeber von re/visionen. Postkoloniale Perspektiven von People of Color auf Rassismus, Kulturpolitik und Widerstand in Deutschland (Unrast 2007).
[1] Wie bei Schwarz deutet die Großschreibung von Asiatisch an, dass es in diesem Fall nicht als Adjektiv zur regionalen Herkunftsbezeichnung benutzt wird, sondern kulturelle Identitätskonstruktionen bezeichnet. Diese sind wie alle Identitäten umkämpft und widersprüchlich, da sowohl Praktiken der Selbstbezeichnung als auch Prozesse des Fremdwahrnehmung und des Otherings einfließen.
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